Titelbild des Buches "Ungeliebte Nachbarn. Anti-Asyl-Proteste in Thüringen."
transcript-Verlag

Stadtforschung: So klappt das Zusammenleben von einheimischen und geflüchteten Menschen

Das Buch "Ungeliebte Nachbarn. Anti-Asyl-Proteste in Thüringen" von Angehörigen des Lehrstuhls für sozialwissenschaftliche Stadtforschung an der Bauhaus-Universität Weimar und anderen Expert_innen der Urbanistik handelt von der Frage, warum Flüchtlinge innerhalb der Nachbarschaft oftmals Ablehnung und Rassismus ausgesetzt sind. 

 

Von Michael Lausberg

 

Exemplarisch wird die Ablehnung von Geflüchteten im Buch "Ungeliebte Nachbarn" für das Bundesland Thüringen untersucht: „Mit diesem Buch soll sowohl die Selbstreflexion über die Kategorien des nachbarschaftlichen Zusammenlebens durch Darstellung des vorhandenen Wissens aus der Stadtforschung unterstützt werden, als auch sollen aus dem Kontext unserer Arbeit in Thüringen Einsichten in lokale Integrationsprozesse vermittelt werden.“ (S. 10)

In den ersten fünf Kapiteln werden dabei grundlegende Ansichten über das Leben in größeren Städten dargestellt, die einem interkulturellen gleichberechtigten Leben teilweise im Wege stehen. Danach geht es um die Ankunft von Flüchtlingen im Sommer 2015 in Thüringen, die unterschiedlichen Reaktionen innerhalb der Gesellschaft und den Verordnungen und Entscheidungen der kommunalen Politik. Anschließend werden verschiedene Fallbeispiele aus Winzerla, Gera, Heiligenstadt, Bodenstein, Sondershausen und Blankenburg, wo es sowohl um Zivilcourage pro Flüchtlinge als auch rassistischer Bestrebungen und Proteste geht, dargestellt. Die Ergebnisse einer Telefonumfrage in Thüringen bilden den Abschluss. Im Anhang gibt es ein Literaturverzeichnis und Hinweise zu den Autor_innen, ein Stichwortverzeichnis fehlt allerdings.

Das Buch stellt aus der Perspektive der Stadtsoziologie die wesentlichen Gründe für Rassismus und Ablehnung gegenüber Flüchtlingen in Städten in Thüringen dar, aber auch die „guten“ Seiten von zivilgesellschaftlichen Engagements dar. Bei der Ablehnung spielt das NIMBY-Prinzip (Not in my Backyard), der unmittelbare nachbarschaftliche Kontakt mit Geflüchteten, eine große Rolle. NIMBY steht dann für eine ethische und politische Position, die darauf bedacht ist, öffentlich benannte „Problemgruppen“ nicht im unmittelbaren Umfeld zu dulden. Lokalpolitisches Versagen wie die mangelnde Transparenz und Vorbereitung der Ansiedlung von Geflüchteten in urbanen Vierteln tragen auch zu rassistischen Protesten bei.

Notwendige Verbesserungen für das Gelingen einer gleichberechtigten Teilhabe am urbanen Leben wie eine dezentrale Unterbringung von Geflüchteten oder ein lokalpolitische empathisches Vorgehen im Dialog mit Anwohner_innen werden hier präsentiert.

Das Buch berücksichtigt aber zwangsläufig nicht alle Facetten für rassistische Ausgrenzung: die seit Jahrzehnten verbreiteten Stereotypen über Menschen mit Migrationshintergrund, die stereotypen Rassismen in Teilen von Medien und Politik, den Rechtsruck der „Mitte der Gesellschaft, die Verteilungskämpfe um kärgliche soziale Leistungen in der unteren Klasse der Gesellschaft, die AfD und ihre Erfolge in Thüringen usw. Das Buch hat aber auch nicht diesen Anspruch, eine vollständige Analyse vorzunehmen, somit kann es gewinnbringend mit anderen Werken zusammen gelesen werden, um daraus eine lokale Strategien gegen Rassismus zu entwickeln.

 

Frank Eckardt (Hrsg.):
Ungeliebte Nachbarn. Anti-Asyl-Proteste in Thüringen.
transcript Verlag
Bielefeld 2018
ISBN: 978-3-8376-4203-3
29,99 EURO (D)

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