Die wegen Volksverhetzung angeklagte Ursula Haverbeck am 23.11.2017 im Verhandlungssaal im Landgericht in Detmold (Nordrhein-Westfalen) beim Berufungsverfahren. Trotz Schuldspruch musste sie die Haft nicht antreten. Jetzt will sie für das Europaparlament kandidieren.
dpa

Shoahleugnerin Ursula Haverbeck als "Spitzenkandidatin“ von "Die Rechte“ gewählt

Die Neonazi-Partei "Die Rechte" wählt mit Sascha Krolzig und Michael Brück einschlägige neue Bundesvorsitzende - und mit Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck eine aufsehenerregende Kandidatin für die Europawahl. Am 14. April findet außerdem in Dortmund ein Neonazi-Event statt, zu dem nun zahlreiche Bündnisse zu Protesten aufrufen.

 

Von Jennifer Marken

 

Sie ist immer wieder wegen Shoahleugnung und Volksverhetzung  verurteilt worden, so erstmals im Juni 2004 in Bad Oeynhausen. Und dennoch ist sie weiterhin auf freiem Fuß: Die 1928 geborene unverbesserliche Geschichtsleugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel. Ende November 2017 wurde die ehemalige Leiterin des 2008 verbotenen „Collegium Humanum“ vom Landgericht Detmold auch in der Revision wegen Volksverhetzung in mehreren Fällen zu insgesamt 14 Monaten Haft verurteilt. Immer wieder hatte sie öffentlich gesagt und geschrieben, dass „Auschwitz ein Arbeitslager“ gewesen sein „und kein Vernichtungslager.“ Angesichts der Urteilsverkündung hielt sich die vital und triumphierend auftretende Geschichtsleugnerin jedoch selbst für haftunfähig.

 

Der gefeierte Star der Shoahleugnerszene

Auf den Gerichtsfluren war die zu Haftstrafe verurteilte Haverbeck hingegen der Star: Haverbeck, die ebenfalls die ehemalige stellvertretende Leiterin des 2008 als verfassungsfeindlich verbotenen „Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“ (VRBHV) war, wurde vom zahlreich erschienenem rechtsextremen Publikum geradezu hymnisch gefeiert. Im Februar 2018 das nächste Hafturteil: Das Oberlandesgericht Celle verhängte gegen Haverbeck zwei Jahren Haft. Sie blieb weiterhin auf freiem Fuß. Einen Monat später, am 23.3.2018, brachte der NDR einen geradezu empörten Fernsehbeitrag: Er ist mit „Holocaust-Leugnerin: Gericht verschleppt Verfahren“ überschrieben. Auch im NDR-Beitrag sehen wir eine triumphierende Shoahleugnerin Haverbeck und ein sie feierndes Publikum. Für die Haft, so wurde immer wieder argumentiert, sei die knapp 90-Jährige zu betagt.

Von der gesundheitlich begründeten Haftunfähigkeit  ist bei Haverbeck bei ihren zahlreichen öffentlichen Auftritten bei den rechtsextremen Parteien Die Rechte und NPD hingegen nichts zu bemerken.

Nun folgt ein weiterer Karrieresprung: Am Ostersonntag wurde sie von der Minipartei „Die Rechte“ – diese ist faktisch die Nachfolgeorganisation der 2012 verbotenen Gruppierung „Nationaler Widerstand Dortmund“ (NWDO) - zur Spitzenkandidatin für die Europawahl im Mai 2019 gewählt. Sie reiste auch eigens an und hielt dort eine Rede.

 

Illustrer Bundesvorsitzende mit einschlägiger Karriere: Sascha Krolzig und Michael Brück

Ihre fortgesetzte Leugnung der Shoah hat Haverbeck-Wetzel offenbar besonders für die Spitzenkandidatur qualifiziert. Zugleich wurden beim neunten Bundesparteitag auch neue Bundesvorsitzende von „Die Rechte“ gewählt: Es ist einschlägig bekanntes Personal, nämlich die Dortmunder Neonazis Michael Brück und Sascha Krolzig.

 

Michel Brück

Der 1990 geborene Dortmunder Neonazi Brück begann bei der NPD. Es folgten einschlägige Betätigungen bei der „Aktionsgruppe Rheinland“ sowie bei der inzwischen verbotenen „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V.“. Danach gehörte er zu den führenden Aktivisten der Gruppierung „Nationaler Widerstand Dortmund“ (NWDO). Nach deren Verbot beteiligte er sich an der Gründung von „Die Rechte“, für die er auch seit 2015 im Dortmunder Stadtrat sitzt. Heute betreibt der gescheiterte Jurastudent (vgl. ZEIT) den Antisem-Versand“, der Nazidevotionalien, Sticker wie „Enjoy NS Revolution“ sowie T-Shirts mit dem Aufdruck „Freiheit für alle Nationalisten“ vertreibt. Seine antisemitische Gesinnung demonstrierte Brück vielfach: Er leitete Demonstrationen, auf denen gegen Anne Frank und gegen den 2005 vom Dortmunder Neonazis Sven Kahlin (vgl. WDR) ermordeten Punker Thomas „Schmuddel“ Schulz gehetzt wurde (vgl. ZEIT) und das NSU-Opfer Mehmet Kubasik verhöhnt wurde. Und am 9.11.2016 störten Brück und Mitstreiter gezielt die Gedenkfeier an die jüdischen Opfer der Pogromnacht, auf der auch Vertreter der Jüdischen Gemeinde Dortmunds sprachen (Video davon auf YouTube)

Folgerichtig zeigte der Rechtsextremist Brück  am 14.12.2017 im Dortmunder Stadtrat eine palästinensische Flagge und rief Freiheit für Palästina, nie wieder Israel!“. Mit dieser Forderung hätte Brück jedoch bruchlos mit zahlreichen querfrontigen Vertreter_innen insbesondere der NRW-Linken sowie von weiteren BDS-Kampftruppen kooperieren können. Bereits im November 2014 hatte „Die Rechte“ im Dortmunder Rat die Anfrage gestellt, wie viele jüdische Bürger in Dortmund leben und in welchen Stadtteilen diese wohnen würden.

Unfreiwillige Berühmtheit – 369.000 Aufrufe – erlangte Michael Brück jedoch im April 2013 auf YouTube: Der sich ansonsten durch Gewaltandrohungen Auszeichnende weinte heftig, weil man ihn beim Abfilmen von Gegendemonstranten hinderte (vgl. Video davon auf YouTube).

 

Sascha Krolzig

Zum weiteren Bundesvorsitzenden von „Die Rechte“ wurde der im Februar dieses Jahres zu einer sechsmonatigen Haftstrafe wegen Volksverhetzung und Beleidigung verurteilte Neonazi und selbsternannte „Trauerredner“ Sascha Krolzig gewählt. Über dessen Verurteilung und die Neonazikarriere des 1987 in Hamm Geborenen hat Belltower.News kürzlich einen ausführlichen Beitrag veröffentlicht. Auch Krolzigs Karriere als vorbestrafter Rechtsextremer weist einschlägige Stationen auf: Mitgliedschaft bei der 2012 verbotenen „Kameradschaft Hamm“, dem „Kampfbunds Deutscher Sozialisten“ und „Regionalbeauftragter West“ der HNG. Heute gibt der kürzlich nach Dortmund-Dorstfeld Gezogene die neonazistische Zeitschrift „N.S. Heute“ heraus. 

Auch Krolzig musste seine Haftstrafe noch nicht antreten, ein weiterer Prozess steht noch an.

 

Weitere Kandidaten mit einschlägigem Vorstrafenregister und „Knasterfahrung“

Die weitere Liste der Kandidaten für die Europawahl weist einschlägige rechtsextreme und antisemitische Prominenz auf, die jedoch – im Gegensatz zu Haverbeck und Krolzig – bereits auf teils mehrjährige „Knasterfahrung“ wegen einschlägiger Delikte zurückzugreifen vermag: Gewählt wurden: Der Düsseldorfer Neonazi Sven Skoda, früher Betreiber des „Nationalen Infotelefons Rheinland“ und Angeklagter im Prozess gegen das „Aktionsbüro Mittelrhein“. Skoda saß von 2012 bis 2014 in Haft, ihm wurde eine Unterstützung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Der 1956 geborene Millionär und einschlägig vorbestrafte (Volksverhetzung und Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda) Christian Worch war noch im November 2017 zum Bundesvorsitzenden von „Die Rechte“ wiedergewählt worden, trat dann jedoch sogleich wieder wegen Differenzen und wohl auch persönlicher Eitelkeiten beleidigt zurück. Weitere Kandidaten sind der der einschlägig vorbestrafte Neonazi, Dauerredner und ehemalige Kader der 1995 verbotenen FAP, Dieter Riefling. Gewählt wurde selbstredend auch der Dortmunder Neonazi Siegfried Borchardt (geb. 1953), der mit seinem Krückstock, auf den er inzwischen angewiesen zu sein scheint, inzwischen eher Mitleid erregen könnte. Aufsehen erregte dieser im Juli 2017, als bekannt wurde, dass der Hartz-IV-Empfänger wegen seiner – wie es im Amtsdeutsch vermerkt wurde - „bedenklichen Haltung zum Grundgesetz“ - nicht selbst beim Amt erscheinen musste (vgl. Spiegel). Die Mitarbeiter der Agentur für Arbeit hatten offenkundig schlicht Angst vor seinem Erscheinen.

Vor der Kandidatur steht aber noch das Einsammeln von 4000 Unterstützerunterschriften. Ob dies gelingt bleibt abzuwarten.

 

14. April: Neonazi-Event in Dortmund mit zahlreichen Gegenprotesten

Am 14. April planen die Dortmunder Neonazis einen besonderen Event, für den sie schon seit Monaten werben und zu dem bis zu 1.000 Neonazis aus ganz Europa erwartet werden. Als Veranstaltungsort haben die Neonazis gleich drei Stellen in Dortmund angemeldet.

Das breite bürgerlich-antifaschistische Bündnis BlockaDO - http://www.blockado.info/ - wirbt für Sa. 14.4 ab 13 Uhr (Bahnhof Stadthaus) bzw. für Frühaufsteher bereits ab 11 Uhr an der Langen Str./Ecke Möllerstr. (vor der Schule am Westpark) für Gegenproteste.

Auch im bürgerlichen Spektrum lädt man vom 12. – 14. April auf dem Dortmund-Dorstfelder Wilhelmplatz zu einem “Demokratie-Festival” ein - also direkt vor der der Haustür der Dortmunder Neonazis. 

Antifaschistische Gruppen aus Dortmund und Umgebung informieren unter dem Motto „Keine Homezone für Neonazis“ zusätzlich auf ihrer Website

http://dortmund.blogsport.de/

sowie auf ihrem Twitteraccount

https://twitter.com/dortmund1404?lang=de

zu Gegenaktionen.

-- Am 25. Mai 2018 tritt die Datenschutzgrundverordnung (DSVGO) in Kraft. Die Rechtslage für Fotos ist unklar. Bis sich daran etwas ändert, machen wir Personen, die auf Fotos zu sehen sind, unkenntlich. --

drucken