Von Fabian Kunow
Das Verhältnis von Rockern zu Rechtsextremen ist wie die gewalttätigen Auseinandersetzungen unter verfeindeten Rockergruppen immer wieder Schlagzeilen wert. Wenn es um Rocker geht, sind damit natürlich nicht alle Motorradfans die gerne Lederjacken tragen gemeint, sondern die Mitglieder organisierter Motorradclubs (MCs). Die einflussreichsten „MCs“ mit bundesweiter Ausstrahlungskraft und sind in Deutschland die „Hells Angels“, die „Bandidos“, der „Gremium MC“ und die „Outlaws“. Den ersten drei genannten MCs werden Verbindungen zu Rechtsextremisten und viel entscheidender sogar Überschneidungen zur organisierten Kriminalität nachgesagt. Mitglieder und ganze Chapter der „Hells Angels“, der „Bandidos“ und des „Gremium MC“ treten immer wieder mit Delikten wie Waffen- und Drogenhandel, Schutzgelderpressung und Rotlichtkriminalität strafrechtlich in Erscheinung, auf die gemeinhin der Begriff der organisierten Kriminalität angewandt wird. Neben diesen illegalen Einnahmequellen sichern legale Gewerbe wie Gaststätten, Tattoostudios, Securityfirmen und Szeneläden die ökonomische Existenz der Angehörigen dieser „MCs“ ab.
Was die Rockerszene bei Neonazis so beliebt macht, ist neben einer kompatiblen Ideenwelt aus Recht des Stärkeren, gewalttätigem Territorialverhalten, Soldatenethos und Kameradschaft, bipolarem Geschlechterbild und elitärem Verhalten, vor allem die Infrastruktur. Rocker bieten mit Clubhäusern, Lokalen und ihrer schützenden Hand den möglichen Raum für Rechtsrockkonzerte und Tattoostudios. Mögliche Zusammenarbeit von Rocker und rechtsextremen Aktivisten sind bei Produktion und Vertrieb von verbotener Musik lukrativ für beide Seiten.
Diese Melange aus Neonazis, Rockern und Hooligans, die über Männerfreundschaften, ähnlichem Wertebild und gemeinsamen geschäftlichen Interessen zusammengehalten wird bezeichnen Experten als „Mischszene“. Präziser müsste von „Szenevermischungen“ gesprochen werden, da sich keine neue Szene mit eigenen Normen und Verhaltenskodexen herausgebildet hat, sondern es einzelne personelle und kommerzielle Überschneidungen der beiden geschlossenen Gruppen gibt. Diese Mischszenen oder Szenevermischungen existieren vor allem in Ostdeutschland und manifestieren sich am sichtbarsten in gemeinsamer Organisation und Besuch von Rechtsrockkonzerten. So organisierte beispielsweise in Brandenburg der „Bones MC“ Lauchhammer auf seinem Clubgelände in den Neunziger Jahren mehre Rechtsrockkonzerte. Nach dem Übertritt des „Bones MC Lauchhammer“ zu den „Bandidos“ versuchte man sich seriöser zu geben und stellte solche Aktivitäten ein. Das Phänomen von Rechtsrockkonzerten auf Clubgeländen von „MCs“ bleibt aber kein ostdeutsches. Im Jahr 2005 kam es nach Angaben des Verfassungsschutzes zu acht Rechtsrockkonzerten auf einem „Bandidos“ Grundstück in Mannheim. Von Konzerten mit teilweise identischen Bands wird auch aus dem Jahr 2002 berichtet. Ähnliche Beobachtungen gab es in Bremen, wo Mitglieder der „Hells Angels“ und des „Gremium MC“ auf einer Feier aus dem Umfeld der rechtsextremen Hooligangruppe „Standarte“ gesehen wurden.
Neben der Verbindung von Rockern und Rechtsextremen die sich über kommerzielle Interessen herstellen, zieht es immer wieder ältere Aktivisten rechtsextremer Organisationen und Skinheads in die Reihen der großen „MCs“. Bekanntestes Beispiel ist der Rechtsextremist Andreas „Oswald“ Pohl. Er war Anfang der Neunziger Jahre einer der führenden Köpfe der militanten Neonazi-Szene der Bundesrepublik. Pohl trat in Dresden dem „Gremium MC“ bei. In Berlin rekrutiert sich das Gremium Chapter „Darkside“ aus Personen die führende Rollen in der verbotenen FAP innehatten. Große Rockervereinigungen und die ihr angegliederten Geschäftsfelder bilden gerade bildungsschwachen Personen eine ökonomische Perspektive.
Nicht nur die großen „MCs“, sondern auch kleinere „MCs“ wie die „Nordmänner“ aus Dannenberg oder der „Born to be Wild MC“ machen mit Kontakten zur rechtsextremen Szene von sich reden.
Doch trotz einzelner personeller und kommerzieller Überschneidungen kann nicht von einer rechtsextremen Politisierung der Rockerszene gesprochen werden. Mit den Worten „Politik ist ihnen einfach fremd“ fasste der Herausgeber der Bikers News das Spannungsfeld Rockerszene zur rechtsextremer Ideologie und Handeln passend zusammen. Die Rockerszene in ihrer Gesamtheit besitzt keine utopischen Vorstellungen einer anderen Gesellschaft auf die mit Mitteln der Politik hingearbeitet werden soll. Zudem besitzen „MCs“, wie „Bandidos“ und „Gremium MC“ Mitglieder mit Migrationshintergrund und zeichnen sich als internationale Organisationen aus. Im Zweifelfall steht das ökonomische Interesse über der Ideologie.
Beim Stichwort „Nazi-Rocker“ werden immer die Berliner „Vandalen“ genannt. Die „Vandalen – Ariogermanische Kampfgemeinschaft“ sind keine klassischen Rocker. Sie besitzen weder Motorräder noch Colour oder sind sie einem der großen „MCs“ angebunden. Die „Vandalen“ sind vielmehr eine Vereinigung von Neonazis mit Rocker-Habitus. Die 10 – 20 köpfige Gruppe wurde 1982 in der Ostberliner Heavy Metal Szene gegründet. Sie pflegt ein elitäres Verhalten und spielt eine wichtige Rolle für die deutschen Rechtsrockszene. Aus ihren Reihen rekrutierte sich die Band „Landser“ um den Sänger Michael „Lunikoff“ Regener. Heute steht den „Vandalen“ die Band „Spreegeschwader“ aus Berlin nahe. Die jährlich stattfindenden Vandalenfeiern in Berlin und Umland besitzen Kultcharakter für die rechtsextreme Musikszene. Es gilt als große Ehre für Angehörige der Szene zu diesen Veranstaltungen eingeladen zu werden. So finden sich dort regelmäßig prominente Neonazis der verschiedenen Fraktionen ein. Über den Musikbereich hinaus entwickeln die „Vandalen“ sonst wenig politische Außenwirkung, ihre Mitglieder stehen aber immer wieder mit schweren Gewalttaten und Waffenbesitz in Zusammenhang