Es entsteht der Verdacht, dass die Hersteller*innen von Playmobil Schwarze Fußballspieler für so ungewöhnlich und "exotisch" halten, dass auf ihre Hautfarbe hingewiesen werden muss.
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Rassismus im Kinderzimmer

Für den Kinderspielzeughersteller „Playmobil“ gehören Schwarze Fußballspieler anscheinend nicht nach Deutschland. Zumindest möchte „Playmobil“ nicht, dass ihre Produktreihe mit Schwarzen Fußballspielern in Deutschland verkauft werden. In England und Schweden sieht der Konzern den Rassismus wohl ein bisschen anders. Dort sind die gleichen Produkte auf dem Markt, allerdings mit rassistischer Beschreibung begleitet.

von Olga Wendkte

Deutsch= weiß, männlich und sportlich??

Playmobil gehört zu dem meist verbreiteten Kinderspielzeug in Deutschland. In fast jedem Zimmer kann man auf kleine Spielfiguren dieser Firma treffen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder in Deutschland mit Figuren von Playmobil spielen, die nicht als weiß und deutsch  wahrgenommen werden, ist dabei sehr gering.

Quelle: Screenshot Playmobil-Versand

Nun hat Playmobil eine Fußballspielerkollektion mit den verschiedenen Nationaltrikots der EM-Mannschaften herausgebracht. Gerade in dieser Fußballspielerkollektion fällt auf, dass die Merkmale des Landes nicht nur durch das Trikot des jeweiligen Spielers dargestellt werden, sondern „landestypisch“ das besondere Aussehen der jeweiligen Länder im Aussehen des Spielers wiedergegeben werden soll. Der deutsche Fußballspieler ist blond und weiß, wo hingegen der griechische Fußballspieler schwarze Haare hat. Alle Fußballspieler der europäischen Nationalmannschaften werden als weiß wahr genommen. Diese Tatsache ist nicht nur rassistisch, sondern verschiebt auch die Realität in den weltweiten Fußballstadien. Wirft man einen Blick in die deutsche Nationalmannschaft, stellt man fest, dass die Mehrheit aller Fußballer keine blonden Haare aufweisen. Dass Fußballspieler wie Jerome Boateng oder Mesut Özil zur deutschen Nationalmannschaft gehören, wird im Kinderspiel von Playmobil verschwiegen und verdrängt. Das rassistische Bild des weißen, männlichen und sportlichen Deutschen wird somit schon für die Kleinsten im Kinderzimmer reproduziert. Die allgemeine Figurenkollektion der Playmobil-Serie enthält Figuren mit unterschiedlichen Hautfarben, doch die entsprechenden Fußballer sind nur in England und Schweden, nicht im deutschen Online-Shop erhältlich. 

Sicht von schwarzen Kindern wird ausgeblendet

Dabei wird die wichtige Rolle, die Spielzeug im Kindesalter spielt, nicht beachtet. Wenn keine Schwarzen Fußballspieler von Playmobil in Deutschland existieren, wird die Sicht von Schwarzen Kindern ausgeblendet. Schwarze Vorbilder in Form von Fußballspielern existieren bei Playmobil nicht. Die Realität wird hier nicht abgebildet. Dabei ist gerade die Nachahmung realitätsnaher Szene so wichtig für die Kindheitsentwicklung. Kinder haben damit nicht nur die Möglichkeit "wie im echten Leben" Szenen nachzustellen, sondern finden auch Identitätspersonen in Puppen, „Barbies“ oder eben Playmobilfiguren. Auch Frauen, die Fußball spielen sind bei Playmobil fehl am Platz: Anscheinend dürfen sich nur kleine Jungs für Fußball interessieren.

Quelle: Screenshot von Playmobil-Versand UK

Selbst dort, wo Schwarze Spieler die Fußballkollektion ergänzen, ist der Rassismus deutlich zu erkennen. Die Artikelnummer 4732 des englischen Online-Versandes von Playmobil soll einen "Soccer Player - England" darstellen. Die kleine Figur in blauer Sporthose ist weiß und besitzt braune Haare. Der schwarze englische Nationalspieler mit der Artikelnummer 4736 heißt "England Player Black". Im schwedischen Onlineversand wird für den schwarzen Fußballspieler die Bezeichnung 'dark-skinned' benutzt. Es entsteht der Verdacht, dass die Hersteller*innen von Playmobil Schwarze Fußballspieler für so ungewöhnlich und "exotisch" halten, dass auf ihre Hautfarbe hingewiesen werden muss. Der weiße Fußballspieler gilt somit als Norm und wird nicht benannt. Und das ist purer Rassismus.

Bei Playmobil dürfen nur weiße Familien europäisch sein

Quelle: Screenshot Playmobil-Versand

Doch nicht nur die Fußballerkollektion wirft Fragen auf. Auch bei der Familienkollektion unterscheiden die Hersteller*innen mit Artikelbezeichnungen zwischen Personengruppen. Mit Beschreibungen wie „Asian Familiy“, „African/African American Family, „Mediterranean/Hispanic Family“ oder „Caucasian Family“ werden die verschiedenen Familien benannt. Interessanterweise wird die so genannte „Caucasian Family“ auf der belgischen Seite von Playmobil als „europäische Familie" bezeichnet und stellt somit dar, dass eine europäische Familie per sé Weiß sein muss. Es wird mit Stereotypen gearbeitet, die rein auf rassistischen Merkmalen basieren. Und auch hier entsteht das gleiche Problem wie bei der Fußballerkollektion. Kinder bekommen vorgelebt, dass scheinbar nur eine weiße Familie europäisch sein kann. Es fehlen bei allen vier Personen, die als Mutter, Vater und zwei Kinder wahrgenommen werden, Identifikationsmöglichkeiten für alle Kinder, die nicht in einer weißen Kleinfamilie aufwachsen. Mal abgesehen davon, dass andere Familienmodelle bei Playmobil erst recht nicht auftauchen.

„Caucasian Family“ mit Baseballschläger

Quelle: Screenshot Playmobil-Versand

In Deutschland wird diese Kollektion anders bezeichnet, nicht jedoch besser. Der oder die Käufer*in kann zwischen „Familie Kivu“, „Familie Costa“, „Familie Wong“ und „Familie Janssen“ wählen. Dabei wird nur für die weiße Kleinfamilie ein nordisch klingender Familienname gewählt. Bei den anderen drei Personengruppen müssen Namen das Bild untermauern, dass diese „andersartig“ und „fremd“ seien. Bei einem genaueren Blick auf das Aussehen der Personengruppen fällt auf, dass die Hersteller*innen gerne mit Vorurteilen und Stereotypisierungen spielen. „Familie Wong“, die auch als „Asian Family“ bezeichnet wird, trägt einen Fotoapparat, wo hingegen „Familie Kivu“ oder auch „African/African American Family“ mit einem Basketball unterwegs ist. Die Vaterfigur der „Familie Janssen“, der „Caucasian Family“ oder der „europäischen Familie“ trägt einen Baseballschlager mit sich, wobei sich natürlich die Frage stellt, wie viele Familien in Europa Baseball spielen. Oder solidarisiert sich Playmobil hier etwa mit gewaltbereiten Familienvätern?

Unternehmen zu keiner Stellungnahme bereit

Ob dahinter latenter Rassismus oder bloß Unwissen steckt, bleibt bisher unklar. Eine Sensibilisierung für das Thema scheint bei der Firma Playmobil jedoch nicht vorhanden zu sein. Ein Leser von Netz gegen Nazis, der das Unternehmen Playmobil in einem Brief auf die problematischen Figuren und Bezeichnungen aufmerksam machte, erhielt bis jetzt keine Antwort oder Stellungnahme. Wer sich an seinem Protest beteiligen möchte, findet hier im Link den offenen Brief an das Unternehmen „geobra Brandstätter GmbH & Co. KG“. 

*Update - 24.05.2012:

Die Firma Playmobil hat bereits einen Tag nach Erscheinen unseres Artikels auf ihrer UK-Produktseite die Spielerbezeichnungen auf England Player II und France Player II geändert.

 

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