Die Occupy-Bewegung erweist sich einen Bärendienst und bekommt Zuwachs von unliebsamer Seite: Die NPD ruft ihr Publikum zur Teilnahme an den Occupy-Protesten auf, um dort in eigener Sache zu werben.
Von Johannes Baldauf
Mit dem Slogan „Okkupiert Occupy“ versucht die NPD, an die immer populärer werdende Occupy-Bewegung anzuknüpfen. Aufrufe via Twitter, Facebook und der Homepage der NPD Frankfurt forderten die Anhänger der Partei dazu auf, sich den Occupy-Protesten anzuschliessen. Dies geschah dann auch am 21.10.2011 und die NPD Hessen twitterte begeistert, dass sie unentdeckt die Demonstration besuchen und 400 Flyer ihrer Propaganda unter den Teilnehmern verteilen konnten. Der parallel stattfindende Aktionstag der NPD mit dem Motto „Wir wollen nicht Zahlmeister Europas sein – Raus aus dem Euro!“ sollte hierdurch medienwirksam in Szene gesetzt werden.
Die Antwort folgte am Tag darauf: Aktivisten der Anonymous-Bewegung legten die Seiten mehrerer NPD-Gruppen für 24 Stunden lahm und veröffentlichten später eine Videobotschaft, in welcher sie sich gegen eine Vereinnahmung durch deutsche Parteien und politische Bewegungen aussprachen: "Der wichtige Protest gegen die Banken, Wirtschaft und Regierung sollte als neutrale Bewegung der Bürger, sprich die 99 Prozent, gestaltet sein und auch gestaltet bleiben. Anonymous toleriert es nicht, wenn eine neutrale Bewegung für eigene Interessen in Form von Parteiwerbung und politischen Zwecken ausgenutzt wird." Weiter heißt es in der Videobotschaft, dass Anhänger der NPD als „neutrale Bürger“ zu den Protesten eingeladen seien, denn auch sie seien Teil der „99 Prozent“.
Können Protestbewegungen unpolitisch sein?
Das Motto der Occupy-Bewegung lautet „Wir sind die 99 Prozent“ und spielt auf die ungleichmäßige Verteilung von Geldmitteln und Einfluss an. Diese befinden sich folgerichtig bei einem Prozent der Bevölkerung: den Superreichen. Obwohl das Motto sich ursprünglich nur auf ein Verteilungsgefälle in den USA bezog und eine zu starke Konzentration von Macht und politischen Einflussmöglichkeiten bei einem Prozent der Amerikaner ausmachte, wird es weltweit bei den Occupy-Protesten verwendet. Das Motto dient als Überschrift für das Anprangern sozialer Ungerechtigkeiten, Arbeitslosigkeit und Zukunftsangst.
Und natürlich betreffen diese Sorgen auch NPD-Anhänger, weshalb Anonymous diese ebenso zu den Occupy-Protesten einläd. Damit erweist sich die Bewegung aber einen Bärendienst. Denn auch eine weltweite Finanzkrise wird die NPD und ihre Anhänger nicht von ihrer menschenfeindlichen Einstellung abbringen, so groß die Sehnsucht von Anonymous und den Occupy-Aktivisten nach allgemeiner Solidarität und der Überwindung von politischen Gegensätzen auch sein mag.
Vielmehr nutzt die NPD die Proteste ganz gezielt als Plattform für eine nationalistische und rechtsextreme Propaganda. Dies wird zwar von Anonymous kritisiert, aber der Appell an eine „neutrale Bewegung“ wirkt hilflos. Hacktivismus, wie das Lahmlegen diverser NPD-Seiten, spricht dann schon eine deutlichere Sprache.
Die Occupy-Bewegung ist eine politische Bewegung und die Feststellung, dass man „neutral“ sei, also frei vom klassischen Rechts-Links-Schema, ist zwar für das Selbstverständnis der Bewegung ein schöner Grundsatz, aber spätestens, wenn Occupy Zulauf erhält, wird der Wunsch nach Neutralität ins Absurde geführt und ausgenutzt. Es wäre der Occupy-Bewegung zu wünschen, dass sie sich hier den Realitäten stellt und sich klar von Rechtsextremismus distanziert und dies auch auf den Demonstrationen und ihren Seiten im Netz durchsetzt.