Wenn auf rechtsextremen Demonstrationen Menschen mit ihren Kindern auflaufen, ist das folgerichtig: Auch die Neonazis werden älter und gründen Familien. War dies früher oft ein Moment des Ausstiegs, gibt es heute genug Paare, in denen beide Partner zur rechtsextremen Szene gehören und die ihre Kinder entsprechend erziehen. Sie können sich in der Szene geborgen fühlen: Die „Familie“ ist ein wichtiger Teil rechtsextremer Ideologie – und ein Thema, in der die NPD gute Möglichkeiten zum Anschluss an die Mitte der Gesellschaft sieht.
Von Simone Rafael
Kinder sind ein Thema, dass die NPD gern instrumentalisiert. Gern laufen Demonstrationen unter Slogans wie „Kinder, Zukunft, NPD“, auf Flugblättern steht „Familien stärken. Soziale Absicherung garantieren. Familienfreundlichkeit durchsetzen.“ Innerhalb des Oberthemas gibt es zahlreiche Facetten, an denen sich die NPD, ihre Jugendverband „Junge Nationalisten“ (JN) oder ihre Frauenorganisation „Ring Nationaler Frauen“ (RNF) abarbeiten können. Engagement gegen Kinderarmut oder Kindesmissbrauch garantiert Zuspruch der Gesellschaft, auch mit dem Thema „Familienförderung“ versucht die Partei mit populistischen Thesen zu punkten.
Im Familienthema ist Rassismus allgegenwärtig
Allerdings zeigen alle Veröffentlichungen der NPD zum Thema einen derart unverhohlenen Rassismus, dass dieser nicht zu verheimlichen ist. 500 Euro Kindergeld pro Kind fordert die NPD – allerdings nur für deutsche Kinder, dazu getrennte Schulklassen für Deutsche und Ausländer, zumindest bis diese ganz „rückgeführt“ seien (der "Harmlos"-Ausdruck der Rechtsextremen für Abschiebung), Ausbildungsplätze und Wohnungen zuerst für Deutsche, Kindergartenplatzgarantie für deutsche Kinder, und so geht es immer weiter. Auch aggressiver und abstruser Rassismus über die „Ausländerströme“ gehört etwa ins NPD-„Aktionsprogramm“, wo über ausländische Familien schwadroniert wird, die einen geringeren Lebensstandard gewöhnt seien und deshalb in der staatlichen Familienförderung einen Anreiz sehen würden, besonders viele Kinder zu bekommen. Derzeit geistern die „Samenkanonen türkischer Männer“ durch die Presse, deren Schreckensbild Udo Pastörs, NPD-Fraktionsvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern, jüngst beim politischen Aschermittwoch in Saarbrücken beschwor.
Die Familie ist die kleinste Einheit des völkischen Denkens
Das kann allerdings auch der blanke Neid sein, denn die Rechtsextremen wünschen sich selbst kinderreiche Familien – nur eben deutsche. Deshalb enthalten ihre Programme zahlreiche Ideen, um die Gebärfreudigkeit deutscher Frauen anzukurbeln: so etwa ein „Müttergehalt“, ein staatliches Bauprogramm für Familien oder kostenlose Urlaubsreisen für Familien. Finanziert werden soll all dies übrigens durch die Streichung des Kindergeldes für migrantische Familien, was in der gnadenlosen Übertreibung eine neue Form der rassistischen Panikmache darstellt. Der Grund für die Sorge ist politischer Natur: wer rassistisch-völkischen Prinzipien folgt, muss sich ständig um sein „Volk“ sorgen. So stellt die NPD in ihrem „Aktionsprogramm“ fest: „Das fatale Ergebnis [der etablierten Politik] ist ein negatives Bevölkerungswachstum, welches schon mittelfristig das biologische Überleben des deutschen Volkes in Frage stellt.“ Dabei gilt den Rechtsextremen die „klassische Familie“ als „Fundament völkischen Gemeinschaftslebens“, wo die Kinder „Schutz, Geborgenheit und Identität der Gemeinschaft“ erfahren sollen – und natürlich auf den Kurs „völkischen Gemeinschaftslebens“ gebracht werden sollen.
Moderne Zeiten
Allerdings stellen die modernen Zeiten die Rechtsextremen vor andere Herausforderungen als etwa die dreißiger Jahre. So findet sich in den NPD-Schriften zur Familienpolitik einiges, das zwar mit der eigenen Ideologie eigentlich nicht zu vereinbaren ist, aber aktuellen gesellschaftlichen Diskursen Rechnung trägt, an denen auch die Szene nicht vorbeikommt. So etwa, dass die Rechtsextremen die Vater-Mutter-Kind-Familie bevorzugen, aber auch Alleinerziehende unterstützen wollen. Frauen sollen eigentlich mindestens die ersten vier Jahre mit den Kindern zu Hause bleiben, aber andererseits fordert die NPD auch gute und garantierte Kindergartenplätze für diesen Zeitraum – sicherheitshalber? Auffällig auch, dass inzwischen viel davon die Rede ist, dass „ein Partner“ mit den Kindern zu Hause bleiben soll – nicht mehr zwingend die Frau.
Anbiedern – aber nur an der Oberfläche
Dies alles dient auch dem Zweck, sich an die Mehrheitsgesellschaft anzunähern, der die Rechtsextremen nur mit dem Schwadronieren über Gebräuche, Traditionen und völkischem Argumentieren kaum nahe kämen. Allerdings gibt es gerade im Familienbereich zahlreiche Themen, mit denen die NPD recht geschickt versucht, Diskussionen odeer Ängste in der Bevölkerung aufzugreifen, um ihre Ideen unauffällig an Mann und Frau zu bringen. Wünsche nach mehr Familienfreundlichkeit, keinen Studiengebühren, Maßnahmen gegen soziale Zukunftsangst und Perspektivlosigkeit bei Jugendlichen, Konsumkritik und der Wunsch nach Werten gibt es auch in anderen Teilen der Gesellschaft. Wer allerdings hinter die scheinbar bürgerlich-engagierte Fassade blickt, findet dahinter immer wieder die alten Rechtsextremen, die etwa den Amoklauf von Erfurt damit erklären, dass „die geistige Überfremdung Deutschlands durch die Tiefen US-amerikanischer Unterhaltungsprodukte“ schuld sei. Der „Ring Nationaler Frauen“ (RNF), Frauenorganisation der NPD, zeigen in ihren Publikationen auch deutlich, wo es inhaltlich hingeht: „Der Wertewandel betrifft gerade Mütter. Welche Werte sollen denn den Kindern vermittelt werden, wenn wir nach wie vor als ‚Tätervolk‘ zu gelten haben und auch unsere Enkel noch angebliche ‘historische Schulden‘ abzutragen haben?“
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