NPD-Hetze gegen "Kinderschänder" kommt nicht an

Drei Monate vor den Kommunalwahlen in Brandenburg versucht die NPD in Joachimsthal (Brandenburg) aus der Auseinandersetzung um den Sexualstraftäter Werner K. Kapital zu schlagen. Der Kreisverband Barnim-Uckermark hatte für Samstag unter dem Motto „Sicherheit, Recht, Ordnung - Keine Gnade für die Täter“ zu einem Aufmarsch aufgerufen. Doch die Joachimsthaler wehren sich gegen den Versuch, sich vor den Karren der NPD spannen zu lassen.

Von Haidy Damm

Etwas Aufregung ist zu spüren an diesem sonnigen Samstagvormittag in der 3400 Einwohner großen Gemeinde. Etwa 30 Schaulustige haben sich am Bahnhof eingefunden, vor dem sich rund 70 Neonazis sammeln. Bürgernah will man sich zeigen. Die NPD ist auf Stimmenfang und nutzt dafür die Ängste der Bevölkerung. Kurz vor den Wahlen erscheint ihnen Joachimsthal als geeigneter Ort. Mit Parolen wie „Todesstrafe für Sexualstraftäter“ wollen sie punkten. Die Forderung nach der Einführung der Todesstrafe ist seit Jahrzehnten ein zentrales Aufmarsch-Thema der Neonazi-Szene.

Das scheint heute zu passen, denn hierher war Werner K. Mitte April nach 22 Jahren Haft wegen mehrfacher Vergewaltigung von Frauen und Kindern gezogen. Nach Protesten der Bevölkerung verließ er Ende April den Ort, um sich in einer Klinik behandeln zu lassen. Nach Indiskretionen musste er seine Therapie allerdings Ende Mai abbrechen. Ein neuer Platz wurde bisher nicht gefunden. Die Bürgerinitiative „Nachbarschaftliche Solidaritätsgemeinschaft“ will erreichen, dass Werner K. die Stadt verlassen muss.

An diese Proteste will sich die NPD anschließen. „Wir sind hier, um der Bevölkerung unsere Anerkennung zu zeigen und sie zu unterstützen“, ruft Jörg Hähnel, Landesvorsitzender der Berliner NPD, ins Megafon. Doch die Joachimsthaler wollen diese Unterstützung nicht. „Die springen doch nur auf das Thema auf“, sagt eine Anwohnerin. Die Umstehenden nicken beflissen. „Die sollen bloß schnell wieder verschwinden“, sagt eine andere. In Gesprächen machen sie deutlich, dass sie auf diese Art der Hilfe gerne verzichten. Sie distanzieren sich, protestieren tun sie nicht.

Auch die Stadtverordneten und selbst die Bürgerinitiative „Nachbarschaftliche Solidaritätsgemeinschaft“, hatten sich im Vorfeld von dem Aufmarsch distanziert. „Mit denen haben wir nichts gemein“, sagte der Sprecher der Bürgerinitiative, Peter Brobowski, gegenüber der „Märkischen Oderzeitung“. Die NPD wolle den Menschen vorspielen, die passende Antwort zu haben, doch das sei nicht der Fall. Die Stadtverwaltung erklärte: „Durch einen von der NPD verfassten Demonstrationsaufruf sollen Ängste in der Bevölkerung geschürt werden und die öffentliche Meinung für den Wahlkampf der NPD ausgenutzt werden.“

Während die einen am Straßenrand die Demonstration beobachten, haben sich in der Joachimsthaler Kirche rund 150 Menschen versammelt. „Wir wollen hier ein Zeichen setzen. Wir sagen deutlich: 'Wir wollen keine Nazis in dieser Stadt'“, sagt Beatrix Spreng. Seit 14 Jahren organisiert die Pfarrerin Jugendarbeit gegen Rechts, beispielsweise mit der Kampagne „Bands auf festen Füßen – gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“ (BAFF).

„Sicher gehört es zu ihrer Strategie Themen zu besetzen wie hier im Ort“, sagt die engagierte Pfarrerin. Damit wollten sie den Staat und die demokratischen Werte diskreditieren. Doch in Joachimsthal sieht sie den Schulterschluss aller demokratischen Kräfte als Erfolg gegen diese Versuche. „Als der Aufruf der NPD bekannt wurde, war allen gemeinsam klar, dass wir uns dagegen wehren müssen.“

Simone Hausdorf hat den Tag in der Kirche verbracht. Es gab Gespräche und Musik, draußen wurden Transparente gegen Rechtsextremismus gemalt. Aber die Joachimsthalerin hätte sich gewünscht, dass mehr ihrer Nachbarn aus dem Wohnpark, in dem Werner K. zunächst eingezogen war, hierher gekommen wären. „Wenn die Bürgerinitiative gegen die Vereinnahmung durch die Nazis ist, muss sie das auch zeigen.“

Derweil zieht der kleine Trupp unter Polizeischutz durch die leeren Straßen der Stadt. Überall stehen Menschen, sehr wenige protestieren. Nur eine alte Frau zeigt sich offensichtlich entsetzt und schimpft lautstark: „Unfassbar, dass diese Faschisten hier einfach so durch die Straßen marschieren dürfen.“

Für seine Polemik, in Deutschland würden Falschparker mittlerweile härter bestraft als Sexualstraftäter, erntet der Mann am Lautsprecherwagen sogar Applaus. Dann wird er konkret. Die NPD biete dem Ort an, sich am Aufbau einer Bürgerwehr zu beteiligen. Es sei Zeit zu handeln, hier bei ihnen hätte man Verständnis für Selbstjustiz. Für einen kurzen Moment bekommt das Bild der harmlosen Saubermänner einen Riss.

Vor der Strategie, sich in die Mitte der Gesellschaft zu etablieren, hatte auch Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg vor kurzem gewarnt. „Die NPD will ihr Image als Bürgerschreck loswerden. Gerade im ländlichen Bereich versucht sie, sich als bürgernah und bürgerfreundlich darzustellen. Den Leuten wird ein Bild vorgespielt, wonach sich die NPD um die Belange der Menschen kümmert und man ihr zu Unrecht Schlechtes nachsagt“.

In Joachimsthal ist diese Strategie am Samstag nicht aufgegangen. Die Erfolge einer langjährigen Jugendarbeit gegen Rechts haben dazu geführt, dass sich die überwiegende Zahl der Menschen hier deutlich gegen eine Vereinnahmung durch die rechtsextremen Stimmenfänger ausspricht. „Wir haben hier gemeinsam mit der Kirche intensiv daran gearbeitet, dass ihnen stetig der Boden entzogen wird“, sagt Simone Hausdorfer, „das zahlt sich jetzt aus.“

drucken