Selbst auf den identitären Sitzgelegenheiten möchte niemand Platz nehmen.
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Niemand will Teil der “Identitären Bewegung” sein

Das patriotische Vernetzungstreffen der “Identitären Bewegung” (IB) sollte das Großevent des Jahres werden. Von 12:00 bis 22:00 Uhr gab es Programm. Reden der rechtsextremen Kader, “Volkstanzeinlagen” und am Abend ein musikalischer Abschluss mit patriotischem Rap und Balladen. Doch trotz Pegida-Support blieb ein Großteil der Dresdener Cockerwiese leer.

 

Von Karla Sommerlich

Der Zeitplan beim Identitären Vernetzungstreffen “Europa Nostra” war straff. Im 45-minuten Takt wechselten sich die Redner*innen ab. Am Ende musste Martin Sellner,  Leiter der IB-Österreich, dann aber doch zweimal auf die kleine Bühne im “großen” Zelt. So viele bühnentaugliche Redner*innen gibt es bei der IB anscheinend doch nicht.

 

Neben Sellner waren so ziemlich alle bekannten Gesichter der sogenannten “Neuen Rechten” anwesend. IB-Österreich Co-Leiter Patrick Lenart, der rechtsextreme Burschenschafter und Leiter des rassistischen “Ein Prozent”-Netzwerks, Philip Stein, IB-YouTube-”Star” Alex Malenki, Freya von 120db, der Neonazi-Rapper Chris Ares und der völkische Autor Götz Kubitschek. Pegida-Initiator Lutz Bachmann wollte eigentlich auch kommen, blieb dann aber doch lieber zuhause. Am 20.08 hatte er noch gemeinsam mit Malenki beim wöchentlichen Pegida-”Spaziergang” für das Event mobilisiert.

 

Strategie Gespräch hinter Gittern: Kubitschek und Sellner

 

Mit “Europa Nostra” wollte die IB ein “Zeichen für die patriotische Jugend” setzen. Immerhin kamen letztes Jahr zur Identitären Demo nach Berlin rund 800 Unterstützer*innen. Diese bleiben dieses Jahr definitiv aus. Die ganze Veranstaltung wirkt wie eine krude Mischung aus Messe und Volksfest. Zur Hochphase sind höchsten 500 Besucher*innen da, am Abend maximal 200. Das typische Dresdner Pegida-Publikum sitzt mit Deutschland-Accesoires behängt auf Bierbänken und isst Wurst, Altersdurchschnitt Ü50. Ein Mensch läuftden ganzen Tag in einem nicht sehr kleidsamen “Pepe the Frog”-Kostüm herum. Götz Kubitscheks Kinder müssen sich am Stand von seinem Antaois-Verlag präsentieren. Das senkt den Altersdurchschnitt ein wenig.

 

 

Pepe the Frog

 

Wirklich Spannendes passiert nicht. Die Besucher*innen laufen von Stand zu Stand. Sie kaufen sich “Defend Europe”.-T-shirts beim rassistischen Bekleidungslabel “Phalanx Europa” und bekommen eine begehrte “Sezessions”-Tasche beim Anatois-Stand, wenn sie die passende Literatur kaufen. You-Tuber Malenki scheint sein Imperium weiter auszubauen und hat einen ganz eigenen Stand, an dem er Espresso ausschenkt. Der Stand des rechtsextrem vermarkteten Bieres  “Pils Identitär” darf wegen Alkoholverbot nicht mal auf dem Gelände sein. Ausweichort ist dann Acki’s Sportsbar, ein beliebter Treff für für rechte Hooligans.

 

Gänzlich friedlich bleibt es nicht. Nachdem die Polizei zu Beginn der Veranstaltung schon ein Ermittlungsverfahren gegen einen Ordner einleiten musste, weil dieser Tierabwehrspray und Schlagschutzhandschuhe bei sich trug, gehen andere Ordner zum Nachmittag hin Vertreter*innen der Presse an. Sie schlagen gegen Kameras, engen die Reporter*innen ein und teilen ihnen mit, dass sie sich verpissen sollten und die Arbeit jetzt beendet wäre. Die Polizei schreitet ein und leitet ein Verfahren wegen Nötigung ein. Auf öffentlichen Veranstaltungen dürfen sich Journalist*innen frei bewegen.

 

 

 

 

 

 

 

Danach folgt eine kleine Solo-Showeinlage des rechtsextremen Rappers Chris Ares. Gegenüber der IB-Veranstaltung warten einige Gegendemonstrant*innen auf das Eintreffen der “Seebrücke”-Demonstration. Ares schlendert mit einer handvoll anderer Identitärer zu den Gegendemonstrant*innen, will deren Versammlung stören - und wird dort erkannt und zur IB zurückgeschickt:. Dort wird er dann aufgefordert wieder zur Veranstaltung zurückzukehren. O-Ton: “Geh doch zurück in deinen Käfig, du Affe”. Schließlich wird er von der Polizei eskortiert.

 


Chris Ares muss wieder zurück aufs Gelände

 

Highlight für den Pegida-Pöbel und die IB-Hipster ist wohl das Eintreffen der - laut Beobachtern - rund 1000 Gegendemonstrant*innen. Für einen kurzen Moment kann sich der“Volkszorn” kollektiv entladen. Es wird geschrien und am Käfig gerüttelt. Luftlinie ca. 60 Meter, dazwischen Polizist*innen auf Pferden. Doch das Rütteln am Zaun wird nach kurzer Zeit untersagt und so richtig Stimmung will auch nicht aufkommen. Auch beim folgenden Vortrag von Götz Kubitschek kocht die Stimmung einfach nicht richtig hoch. Bis auf die kleinen Highlights (Alle sind plötzlich queer und ändern wie wild ihre Geschlechter - Applaus! Der weiße Mann wird in allen westlichen Ländern bedroht - Applaus!) bleibt es ruhig im Zelt. Der Altersdurchschnitt ist hier natürlich auch wieder alles andere als jugendlich. Nach dem Vortrag gibt es noch eine kleine völkische Tanzeinlage. Den krassen IB-Hipstern mit Fischerhut und New Balance aus Halle ist das aber irgendwie auch etwas unangenehm. Verstohlen schleichen sie über das Gelände. Andere rangeln ein bisschen vor sich hin und zeigen sich gegenseitig ihre Muskeln.

 

Alex Malenki ist natürlich auch dabei

Gauland Fan beim IB-Event

 

Endlich wird es dunkel. Showtime für Melanie, Chris Ares und Komplott. Vor der Bühne versammeln sich die letzten Hinterbliebenen, etwa 150 Personen. Die Pegida-Oldies sind mittlerweile abgezogen, genauso wie Martin Sellner. Melanie performt “Balladen und Coversongs”, unter anderem von Outcast, RIN und Yung Hurn. Beim vorletzten Song kommt Sellner dann doch nochmal für ein Foto-Shooting angerannt. Applaus für Melanie.

 

Der Auftritt von Ares und Komplott ist ein Trauerspiel. Der Ton ist übersteuert und das Publikum nicht so textsicher wie erhofft. “Europa! Jugend! Reconquista!” können dann aber doch alle. Trotzdem bleiben auch hier die großen Momente aus. Für die bildorientierten Inszenierungen der IB dürfte natürlich trotzdem das ein oder andere starke Instagramfoto entstanden sein. Allerdings nur noch für die Privat-Accounts der IB-Aktivist*innen - die offiziellen IB-Accounts hat Instagram gesperrt (vgl. BTN).

 

“Europa Nostra” war definitiv nicht das Großevent, was sich die IB erhofft hatte. Und das in Dresden. Selbst der Pegida-Support konnte die Besucher*innenzahlen nicht weit in die Höhe schrauben. Viel Geld konnte dementsprechend auch nicht eingenommen werden. Die “Neue Rechte”, eingezäunt auf der Cockerwiese. Kleingruppen auf Bierzeltgarnituren und vor Ständen. Die eigens mit dem Logo der IB bedruckten Liegestühle bleiben die meiste Zeit leer. Kein Wunder, dass sich die längste Schlange beim Essensstand findet. So viel Herumstehen macht schließlich hungrig.

 

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