Für Rieger statt Heß: Neonazis demonstrieren wieder in Wunsiedel

Wunsiedel wird die rechtsextremen Marschierer nicht los: Zwar sind seit 2005 die Heß-Gedenkmärsche im Ort verboten, wo der Hitler-Stellvertreter begraben liegt. Doch nun demonstrieren die Rechtsextremen zum Todestag von Jürgen Rieger - dem Nazi-Anwalt, der zuvor die Heß-Gedenkmärsche in Wunsiedel organisierte. Am Samstag ist es wieder soweit. Nachdem das Verwaltungsgericht Bayreuth ein Verbot aufhob, setzen die Wunsiedler jetzt auf zivilgesellschaftliche Gegeninitiativen.

Von Tobias Willms

Das Bündnis „Wunsiedel ist bunt, nicht braun“ wird am 30. Oktober 2010 zum zweiten Mal in Wunsiedel eine größere Gedenkfeier veranstalten. Unter dem Motto „Wir gedenken der Opfer, nicht der Täter“ wird im Rahmen von Veranstaltungen an die 30 jüdischen Opfer der beiden Todesmärsche durch Wunsiedel und die 149 Todesopfer rechtsextremer Gewalt seit 1990 erinnert. Beginn ist um 12.30 Uhr am Hackerplatz/Ludwigstraße in Wunsiedel.

Anlass ist eine von der NPD angemeldete Demonstration unter dem Motto „Für Einigkeit und Recht und Freiheit. Gedenkmarsch für Jürgen Rieger“ am 30. Oktober 2010 in Wunsiedel.
Das Verwaltungsgericht Bayreuth hatte am Freitag einem Eilantrag der NPD stattgegeben und ein Versammlungsverbot gekippt. Gegen diesen Richterbeschluss wird der Landkreis Wunsiedel keine Beschwerde beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof einlegen.

Das Landratsamt ist der Meinung, dass es sich bei der angemeldeten Demonstration um eine Ersatzveranstaltung für die Heß-Gedenkkundgebungen handle. Zwar teilte das Gericht die Bedenken des Landratsamtes, das Gericht habe aber Zweifel daran, dass hinreichende Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Änderung der angemeldeten Kundgebung für Jürgen Rieger in eine Heß-Kundgebung vorlägen. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass ein Versammlungsverbot ausscheide, solange das mildere Mittel der Erteilung von Auflagen nicht ausgeschöpft sei.

Zu der Entscheidung des Gerichts meint der Sprecher des Bündnisses „Wunsiedel ist bunt“ Karl Rost: „Ich bin kein Jurist, aber zumindest menschlich kann ich die Entscheidung nicht verstehen.“ Er hegt die Hoffnung, dass die Veranstaltungen des Bündnisses „Wunsiedel ist bunt“ einen Beitrag dazu leisten, gegen das Vergessen der nationalsozialistischen Verbrechen vorzugehen. Er sieht einerseits die Entwicklung positiv, dass weniger Neonazis am 30.Oktober nach Wunsiedel kommen. Andererseits sieht er ein Problem darin, „dass Heß ja in Wunsiedel liegen bleiben wird. Den Märtyrergedanken geben die Neonazis nicht so schnell auf.“

Rudolf Heß, der Stellvertreter Hitlers, starb 1987 im Kriegsverbrechergefängnis in Berlin-Spandau. Seitdem gab es zu seinem Todestag Gedenkmärsche von Neonazis. Seit 2005 gilt ein Verbot des Rudolf-Hess-Gedenkmarsches. Allerdings gibt es seit 2009 in Wunsiedel einen „Gedenkmarsch für Jürgen Rieger“. Der NPD-Politiker Rieger ist 2009 gestorben.

Für den Samstag rechnet die Polizei mit rund 350 Neonazis.

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