Monitoring: Wie würden “Asyl-Kritiker“ auf einen Mord wie in Charlottesville in Deutschland reagieren

Am 12.08.2017 tötete ein “Alt-Right” Aktivist und "White Supremacy"-Anhänger auf der Demo “Unite the Right” in Charlottesville USA die 32-jährige Heather Heyer, indem er sein Auto in eine Gruppe von Gegendemonstranten steuerte. Online ging dieser Tat eine Normalisierung voraus. Wie sieht es damit in Deutschland aus? - Achtung, der Text enthält explizite Beispiele von Hassrede - 

 

Von Miro Dittrich, Monitoring  De:Hate

 

1. Eigentlich ein Mittel des IS

Durch die Anschläge des sogenannten “islamischen Staates” (IS) in Nizza, London und Berlin, zeigt sich, dass Autos für islamistische Terroristen ein beliebtes Mittel für Anschläge sind. Dies ist kein Zufall. Das zeigt sich etwa daran, dass sie wiederholt dazu aufrufen, z.B. in ihrem Magazin Rumiyah im November 2016:

“Though being an essential part of modern life very few actually comprehend the deadly and destructive capability of the motor vehicle and its capacity of reaping large numbers of casualties if used in a premeditated manner.”

Mittlerweile haben auch Rechtsextreme diese Methode für sich entdeckt. Das spiegelt sich auch in ihren Onlinekommentaren und Memes wieder.

 

2. Normalisierung von Gewalt in den USA

Schon vor dem tragischen Ereignis in Charlottesville finden sich online Memes und Kommentare, die Gewalt mittels Fahrzeugen gegen Demonstrant*innen fordern und legitimieren. Das es sich nicht um wenige Einzelfälle handelt, lässt sich nachvollziehen, wenn man sich den Tumblr-Account ansieht, der Aufrufe für Autoattacken gegen “Black Lives Matter” Aktivist*innen sammelt.

Unter diesen ist auch ein Bild, dass der Leiter der Polizeigewerkschaft aus Santa Fe im Januar geteilt hatte. Darauf fährt ein Jeep in eine Menschengruppe, unter dem Titel “All Lives Splatter”.

Dafür geriet er in die Kritik - und verteidigte sich mit einer prototypischen Ausrede:  “That is a joke and taken as such”.

Die Konsequenz derartiger “Witze” ist eine Normalisierung der Gewalt. Mittlerweile hat es einige rechte Vorfälle gegeben, bei denen Menschen mit Autos attackiert wurden.

Im Januar 2015 fuhr ein Auto in Minneapolis in eine Solidaritätskundgebung gegen Polizeigewalt in Ferguson. Am 8. Juli 2016 fuhren Autos in Ferguson und zwei Tage später in Illinois in zwei "Black Lives Matter"-Kundgebungen. Bei letzterer schrie der Fahrer vor der Tat die in der rechten Blase beliebte Parole “All lives matter”.

Das auch der Täter von Charlottesville in der rechten Online-Blase unterwegs war, zeigt sich etwa an seinem Facebook-Account, auf dem er unter anderem das Maskottchen der “Alt-Right”, “Pepe den Frosch”, teilte.

 

3. Wie sieht es in Deutschland aus

Wenige Tage nach der grauenvollen Tat in Charlottesville wurde in einigen rechten Facebookgruppen ein Video aus dem November 2015 erneut geteilt. Zuvor wurde es auf einem rechten und verschwörungesideoloischem Blog als aktuell präsentiert. Ursprünglich handelt es sich um einen kommentierten "Focus"-Beitrag. Das Video zeigt eine Dashcamaufnahme eines ungarischer LKW-Fahrers in der Nähe von Calais vor dem Eurotunnel, in dem er auf eine Gruppe Geflüchteter am Straßenrand zusteuert und beschleunigt. Diese schaffen es, rechtzeitig aus dem Weg zu springen. Es gibt keine sichtbaren Verletzten. Auf Youtube hat das Video mittlerweile über 4 Millionen Views.

In diesen Gruppen wurde das Video geteilt:

Name

Mitglieder*innen

Kommentare

Freunde und Verbündete der AfD

21.000

127

Unser Deutschland patriotisch & frei

22.000

20

AfD- Sympathisanten

24.000

26

Die Patrioten

27.000

37

Hinter den Kulissen der Macht

23.000

19

Der Islam gehört nicht zu Deutschland

21.000

38

Victor Orban Fanclub Deutschland

16.000

100

Völker dieser Welt erheben sich

14.000

2

Insgesamt liegen uns 369 Kommentare in unserem Datensatz vor. In der ersten Gruppe wurde das Video früher gepostet als in den anderen. Aus der ersten Gruppe befinden sich daher Kommentare aus den ersten 20 Stunden nach dem Posting. In den anderen Gruppen wurde das Video zeitgleich von einem Nutzer gepostet. Aus diesen Gruppen liegen die Kommentare der ersten 10 Stunden nach dem Posting vor. Von den 369 Kommentaren konnten wir 46% in eine der folgenden von 8 Kategorien einteilen.

 

 

Zustimmung

 

73 Kommentare, also jeder fünfte, reagierten erfreut auf das Lenken eines LKW’s auf eine Menschengruppe. Die Kommentare schwanken dabei von einem simplen Daumen hoch, über “Alles richtig gemacht”, “selbst Schuld”, “das ist echt cool”, “geil”, “Darauf trinke ich einen” bis hin zu “Hätte ich auch gemacht. Da ist Krieg”, “Richtig so, platt machen das Pack” oder auch ”es müssen eindeutig mehr lkw`s auf die straße !!!”.  Prozentual am häufigsten war diese Art von Kommentar in der Gruppe “Unser Deutschland patriotisch & frei” zu finden, wo mehr als jeder dritte Kommentar so ausfiel. [Rechtschreibung in den Zitaten immer wie im Original]

Aus der Gruppe "Verbündete und Freunde der AfD"

Ein User postet nur das Gif eines Beifall klatschenden Putins.

 

Gas geben

 

20 Kommentare gehen noch weiter, sie schreiben “Gleich Aufs Gass ohne Verluste” oder “Gib Gass !!!!!!!! Ich will Spas !”, “Immer voll drauf….” und “Schalt den allrad ein”. [Rechtschreibung in den Zitaten immer wie im Original.] 

Fahrer ist Held/Vorbild

18 Kommentare, in der Gruppe “Die Patrioten” ist es mehr als jeder zehnte, feiern den Fahrer als Vorbild und Held und geben ihm “Applaus und Anerkennung für einen, der sich nicht dem Terrorr beugt!”. Für sie ist er ein ”Held der Landstraße“, “der Eier hat und sich nicht alles bieten läßt.” und der “Medailia Eisenkreuz,Ehrenmedalia für LKW-Fahrer!” oder “den VerdienstOrden” empfangen sollte. 

Sie freuen sich “Endlich ja mand hat Mut”. “Von solchen fahren braucht man mehr auf der Welt!” fordern sie, denn “Er machts uns vor!”. Sie rechtfertigen das damit, da “Irgendwer muss denen mal zeigen wo der Hammer hängt”, denn “Das ist die einzige Sprache die diese Vollpfosten verstehen”. Für sie ist klar “um so weiter man vor diesem Pack zurückweicht um so näher rücken sie uns auf die Pelle” und “Wenn er das nicht gemacht hätte, hätten sie ihn ja getötet”. [Rechtschreibung in den Zitaten immer wie im Original.] 

 

Entmenschlichungen und Abwertungen
 

Das sie dem Tod von Menschen so gleichgültig bis freudig gegenüberstehen, lässt sich wohl durch die Entmenschlichung von Geflüchteten erklären. In 25 Kommentaren konnten derartige Abwertungen gefunden werden. Sie bezeichnen die Gruppe Geflüchteter als “Affen aus den Urwald”, “Affen sind dagegen harmlos” oder “traumatisierte Affen und Ziegen”, wobei im letzteren Beitrag die Tiere jeweils als Emoji dargestellt sind. Ein weiter User schreibt “gebremst wird nur im Notfall und nicht für Schaben”. Als ein Gruppenmitglied der Aussage “ich würde voll draufhalten” widerspricht, bekommt er die Antwort “wenigstens hast Du ein Herz für Tiere”.

 

Weiter wurden sie als “Gesindel”, “Abschaum”, “primitive Horden” und “Asylantenmüll!” bezeichnet. Insgesamt benutzen 3 Menschen das N-Wort, wie etwa “Hätte besser die N**** platt gefahren”. Als besonders witzig empfindet sich wohl dieser Kommentator: “Das ist MOORMIGRANTENHUHN auf LKWjanisch”. [Rechtschreibung in den Zitaten immer wie im Original.] 

 

Aus der Gruppe "Freunde und Verbündete der AfD":

 

Leider keine Toten

 

Das es keine Toten gab, bedauern acht Kommentator*innen, etwa mit “nie trifft er einen” und “bitte,,gleich schreiben,,wen einer erwischt wurde,,”.

Freunde und Verbündete der AfD

 

Alle Geflüchteten sind Islamisten

 

Drei Kommentare setzen alle Geflüchteten mit Islamisten gleich und ziehen so Vergleiche zu islamistischen Terroranschlägen. “Wenn aus Gejagten Jäger werden” “Die LKW-Fahre sind eine Gemeinschaft,ich sage nur Weihnachtsmarkt”

Aus der Gruppe "Freunde und Verbündete der AfD"

 

Nur Problem der Lügenpresse und Linken

 

Acht Menschen verstehen die Aufregung über die Tat nicht und sehen es nur als Problem der “systemgesteuerte einseitige Berichterstattung” und fordern “liberale Medien gehören verboten”. Durch das zugeschnittene Video “wird wiedermal der Täter zum Opfer gemacht”. Der Focus ist für sie ein “linksversiffte Multikulti-Drecksblatt”.

Aus der Gruppe "Freunde und Verbündete der AfD"


 

Gewalt

 

15 Kommentator*innen sehen die Tat nur als Anfang und fragen “Kann man da mitmachen”? Denn “Es wird Zeit das das große Aufräumen beginnt…..”. Den möglichen Tod von Menschen kommentieren sie mit “man muß sich auch von was trennen können”. Sie fordern “Knall sie ab” und “Wen einer unter den rader ist,,schon vor,,zuruck”. Das Recht dafür, leiten sie aus dem gefühlten Versagen des Staates ab, so schreiben sie “Wenn der Staat uns nicht schützen kann, dann müssen wir uns selbst verteidigen”. Deshalb rufen sie “zum fröhlichen jagen” auf, und dies nicht nur auf Geflüchtet: “jagt auf politiker wäre auch mal was”.

Aus der Gruppe "Freunde und Verbündete der AfD"

 

Fazit

Natürlich gab es in den Gruppen Menschen, die dieser Gewalt widersprochen haben. Es zeigt es sich jedoch, dass es auch in der rechten Online-Blase in Deutschland, ein nicht geringer Teil den Tod von Menschen durch Autos fordert und mögliche Täter*innen aus ihren Reihen nicht verstoßen, sondern mit Applaus begrüßt würde.

Sowohl die Menge an Hass, der sich in der doch recht kurzen Zeit unter den Beiträgen entließ, als auch die geringe Wertschätzung für menschliches Leben, zeigt eine zunehmende Radikalisierung der Szene.

Das in Gruppen mit über 14.000 Mitgliedern Aufrufe zum Mord so zahlreich auftauchen, zeigt starke Defizite in der Strafverfolgung. Schließlich sollte doch das Internet kein rechtsfreier Raum sein.

Weiterhin weckt die hier beobachte Menge an strafbaren Beiträgen auch erhebliche Zweifel an den offiziellen Zahlen des Innenministeriums für strafrechtlich relevanten „Hasspostings“ im Internet. Diese lag für 2016 bei lediglich 3.177 registrierten Straftaten.

Ohne Eingriff werden diese Menschen sich in ihren geschlossene Echokammern weiter radikalisieren. Sie fühlen sich vom “System” im Stich gelassen und von einer herbeifantasierten Invasion durch Fremde bedroht.
Gegen diese sind sie bereit, sich auch mit Gewalt zu wehren. Selbst wenn dies Menschenleben kosten würde.

 

 

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