Ein - noch relativ harmloses - Beispiel für rechtsextreme Mobilisierung nach dem Attentat auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin - natürlich, bevor die Täter oder Motiv-Frage geklärt war (Posting vom 20.12.2016).
Screenshot Facebook, 05.01.2017; Bearbeitung ngn

Monatsüberblick Dezember 2016: Rassismus und Feindlichkeit gegen Geflüchtete

Es war kein friedlicher Dezember: Rassistisch aufgeladenen Diskussionen statt realer Problembearbeitung: Der Mord in Freiburg, das Attentat in Berlin, Silvester in Köln +++ Gera-Altenburg: Nach rassistischen Angriffen: Theaterleute wollen weg +++ Rassistische und flüchtlingsfeindliche Gewalt, unter anderem mehrmals in Sömmerda und immer wieder Bautzen +++ Knapp 1.000 Anschläge auf Flüchtlingsheime in Deutschland 2016 +++ Rassistische Vorfälle, u.a. Strohpuppen mit rassistischen Sprüchen in Sachsen +++ Rassismus vor Gericht, u.a. Arnsdorf und Zorneding. +++ Urteil: Asylbefürworter "an die Wand stellen" ist keine Volksverhetzung +++ Gegenstrategien.

 

Zusammengestellt von Simone Rafael

 

Rassistisch aufgeladenen Diskussionen +++ Rassistische und flüchtlingsfeindliche Gewalt +++ Rassistische Vorfälle +++ Rassismus vor Gericht +++ Gegenstrategien

 

Rassistisch aufgeladenen Diskussionen statt realer Problembearbeitung: Der Mord in Freiburg, das Attentat in Berlin, Silvester in Köln
 

Freiburg und die Reaktionen: Der Mord, der Hass, die Stadt
 

Ein Mädchen, die 19-jährige Medizinstudentin Maria L., ist tot, mutmaßlich ermordet von einem mutmaßlich noch minderjährigen Flüchtling. Sofort bricht in Deutschland eine heftige, hasserfüllte Debatte über Flüchtlingspolitik und Willkommenskultur aus. Die Debatte tobt mit großer Wucht. Überall sind Postings zu lesen, die eine direkte Linie ziehen zwischen Merkels Flüchtlingspolitik und dem mutmaßlichen Verbrechen eines Flüchtlings in Deutschland. Es wird verwiesen auf die vermeintlich unterentwickelten Rollenbilder von Flüchtlingen. Auf Ängste, die man jetzt um seine Töchter haben müsse. Denjenigen, die diese Kommentare kritisieren, wird vorgeworfen, ihnen sei die Political Correctness wichtiger als der Tod des Mädchens (Tagesspiegel). Im Laufe der Ermittlungen stellt sich heraus, dass der Festgenommene im November 2015 als unbegleiteter Flüchtling aus Afghanistan nach Deutschland kam. Er lebte in Freiburg in einer Gastfamilie. Das Opfer wiederum war in der Flüchtlingshilfe aktiv. Ihre Familie rief - bevor etwas über den Täter bekann wurde - auf der Trauerfeier zu Spenden für einen Studentenverein auf, der unter anderem auch Asylbewerbern hilft. Dies führte bei den angeblich so besorgten Bürgern zu einem Stimmungswechsel: Die trauernde Familie wurde nun beschimpft (taz). Erst nach der Festnahme wird klar, dass Hussein K. schon 2013 eine Gewalttat an einer jungen Frau auf der griechischen Insel Korfu begangen hat. Er wurde in Griechenland zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt und im Oktober 2015 unter Auflagen vorzeitig entlassen. Er tauchte unter und kam nach Deutschland. Die deutschen Behörden wussten nichts von der kriminellen Vorgeschichte, weil Griechenland nur im eigenen Land fahndete und andere Staaten nicht informierte. So blieb Hussein K. in Deutschland unbehelligt – bis nach dem Mord an der Studentin. DNA-Spuren von ihm hat die Freiburger Polizei am Tatort gefunden. Ihm werden Vergewaltigung und Mord zur Last gelegt, sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Dieter Inhofer. Hussein K. hat einen Verteidiger – und lehnt es ab, mit den Ermittlern zu reden. (Welt).

Zugleich entfachte der Mord eine neue "Lügenpresse"-Diskussion, weil in der "Tagesschau" nicht darüber berichtet wurde - weil die nicht über alle Morde in Deutschland berichtet (vgl. Blog.tagesschau). Später allerdings hat die ARD diese Haltung aufgegeben und doch berichtet - weil Täter und Opfer instrumentalisiert wurden (vgl. Spiegel). Dies geschah unter anderem durch die AfD. AfD-Politiker Jörg Meuthen bedauerte etwa die ungehinderte Einreise männlicher Flüchtlinge, da sei es "naheliegend, dass so was passiert". AfD-Frau Alice Weidel gibt in der ARD-Talkshow von Sandra Maischberger zum Thema "Angst vor Flüchtlingen: Ablehnen, ausgrenzen, abschieben?" Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Mitschuld am Tod der Freiburger Studentin Maria L. (news.deSpiegel). In Sozialen Netzwerken und im Internet war dies noch der freundliche Ton: Bei der "Badischen Zeitung" liefen in wenigen Tagen allein auf der Facebook-Seite weit über 10.000 Postings auf, ähnlich viel Bewegung herrscht in den Kommentaren unter Artikeln zum Thema. Meist werde sachlich diskutiert, sagt Onlinechef Markus Hofmann, eher auf der Homepage als im Social Web. Dennoch hat das Blatt in einem Beitrag veröffentlicht, auf welchem Niveau sich die vielen hundert Beiträge bewegen, die die Administratoren seither gelöscht haben. "Hass pur, vieles davon justiziabel", sagt Hofmann. Und schiebt nach: "So wie man es halt kennt". Zwei Facebookseiten für die Flüchtlingshilfe in Freiburg mussten ihre Profile zwischenzeitlich ebenfalls schließen, man kam nicht mehr hinterher mit dem Löschen rassistischer Hetze. Eine davon: "Weitblick Freiburg". Das ist die Organisation, für die sich Maria L. engagierte, die Studentin, die in einer Oktobernacht von einer Party kommend mit dem Fahrrad an der Dreisam fuhr und getötet wurde. Auch die AfD teilt hier anderes aus: "Was muss noch passieren, bis die Berufsklatscher und Gutmenschen endlich aufwachen?", fragte Andreas Schumacher, Kreissprecher der AfD Freiburg, auf Facebook.  (Spiegel). 

Im Umfeld der Getöteten herrscht Entsetzen darüber, dass das grausame Tötungsdelikt zur Stimmungsmache gegen Flüchtlinge missbraucht wird. "Die enorme mediale Aufmerksamkeit schürt den Hass und die Instrumentalisierung dieses Verbrechens noch weiter an", sagt Jörg Winkler, der die katholische Freiburger Studentengemeinde leitet, zu der die Getötete gehörte (Focus). 

Auf der Facebook-Seite der Flüchtlingshilfe Freiburg, die mehr als 2900 Mitglieder hat, ging es nach Bekanntwerden der Identität des mutmaßlichen Täters am 3. Dezember hoch her: Flüchtlinge wurden beschimpft, ebenso die Administratoren der Seite, und auch das Opfer Maria L. wurde verunglimpft. Die Gruppe musste ihren Status am Wochenende von geschlossen auf geheim ändern, so dass der Facebook-Auftritt für Nicht-Mitglieder nicht mehr einsehbar war. Nach einigen Tagen entschied sich die Flüchtlingshilfe, Strafanzeige zu erstatten. Vertreter der Gruppe reichten bei der Polizei rund 100 Screenshots ein, direkte Bedrohungen waren nicht darunter. Auch hat sie vier Internetseiten angezeigt, auf denen sie verunglimpft wurde, sowie zehn Posts, die direkt an die Flüchtlingshilfe beziehungsweise einzelne Mitglieder gerichtet waren. Dass man mit der Strafanzeige mutmaßlich keinen Erfolg haben werde, sei der Gruppe bewusst, sagt die Administratorin. "Es ging uns darum, dass man es sich nicht gefallen lässt und nicht wortlos hinnimmt." (Badische Zeitung).

 

Funktioniert nach dem gleichen Muster: Reaktionen auf das Attentat auf den Weihnachtsmarkt in Berlin am 19. Dezember 2016
 

Am 19. Dezember 2016 raste ein Attentäter mit einem Lastwagen in Besucher_innen eines Weihnachtsmarkts an der Gedächtniskirche in Berlin. Elf Menschen starben, ein weiterer Toter wurde im Lkw-Führerhaus entdeckt. Ein automatisches Bremssystem stoppte das Fahrzeug nach 70 bis 80 Metern und verhinderte eine größere Tragödie.  Wenige Tage später hat die Polizei den mutmaßlichen Täter ermittelt:  Die Beweislast gegen den Tunesier Anis Amri ist erdrückend. In der Lkw-Fahrerkabine wurden am 20. Dezember - also einen Tag nach dem Anschlag - Papiere von ihm gefunden, auch dort entdeckte Fingerabdrücke stammen von ihm. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass Amri den Lkw gekapert und gesteuert hat. Amri wurde am 23. Dezember in Sesto San Giovanni bei Mailand bei einem Schusswechsel mit italienischen Polizisten erschossen, die seinen Ausweis kontrollieren wollten. Nach Deutschland gekommen war Amri im Juli 2015. Zuvor war er in Italien registriert, dort saß er zeitweise im Gefängnis. In Deutschland hielt er sich vorwiegend in Nordrhein-Westfalen und Berlin auf. Er nutzte mehrere Identitäten, weswegen in Duisburg und Berlin gegen ihn ermittelt wurde. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, er konnte aber nicht zurück nach Tunesien gebracht werden, da dafür nötige Papiere aus dem nordafrikanischen Land erst nach dem Anschlag eintrafen. Amri wurde von Sicherheitsbehörden als sogenannter islamistischer Gefährder geführt und zeitweise überwacht. Man traute ihm also zu, jederzeit ein Attentat zu verüben. Beweise für konkrete Anschlagspläne fanden die Ermittler nicht. Im September 2016 endete die Observation. Es gibt ein Video, in dem sich Amri zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekennt. Das IS-Sprachrohr Amak veröffentlichte es, nachdem Amri erschossen worden war (Merkur).

Noch bevor allerdings Fakten über den mutmaßlichen Täter bekannt wurden, begannen rechtsextreme und rechtspopulistische Kreise mit der Instrumentalisierung des Terroranschlags. Auch dies geschah in Sozialen Netzwerken wie in der Realität. Am 21.12.2016 demonstrierten in Berlin: 1. AfD-Prominenz von Björn Höcke bis Alexander Gauland, sowie die in der Szene der Neuen Rechten gefeierten Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer, mit 150 Anhänger_innen unter dem Motto "Merkel muss weg" (vgl. ngn). 2. NPD und "Berlin wehrt sich" mit rund 50 Anhänger_innen. 3. Rund 30 Mitglieder der neurechten "Identitären Bewegung", die sich vor die menschneleere CDU-Zentrale in Berlin setzten und dies als "Besetzung" verkaufen wollten) (taz). Auch hier wurde als versucht, Diskussionen über reale Versäumnisse und Probleme mit Rassismus gegen Geflüchtete und Muslime aufzuladen - was sich auch in einer wachsenden Zahl von Bedrohungen niederschlug (tazbento).

Auf Straftaten mit Rassismus reagieren und dies als Lösung verkaufen: Auch Köln soll noch einmal instrumentalisiert werden
 

Zu Silvester jährt sich natürlich auch die Silvesterfeier mit vielen Fällen sexualisierter Gewalt am Kölner Dom.  Die Vorfälle der Silvesternacht 2015/16 wollen wiederum rechtsextreme und rechtspopulistische Kräfte instrumentalisieren, um pauschal gegen Migrant_innen und Geflüchtete zu hetzen (statt, was ja auch möglich wäre, sich mit dem Problem sexualisierter Gewalt auseinanderzusetzen). Die NPD meldet eine Demonstration am 31.12.2016 an ("„Wenn eine Armlänge Abstand nicht mehr ausreicht"), die polizeilich untersagt wird (Spiegel). Daraufhin meldet die AfD eine Demonstration am 31.12.2016 an, die ebenfalls untersagt wird (ksta.de). Doch Teilen der rechtsextremen Szene reicht die Provokation qua Anmeldung nicht: 14 Mitglieder der neurechten "Identitären Bewegung" hängten am 29.12.2016 am Kölner Bahnhof ein Plakat auf („Nie wieder Schande von Köln #Remigration) (ksta), begleitet von rund 50 Sympathisanten. Sechs Identitäre wurden zudem am 31.12.2016 von der Polizei daran gehindert, an der Silvesterfeier teilzunehmen (ksta).

Debattenreihe in der taz: Über Rassismus reden
 

Die Debatte: Nach der Wahl Donald Trumps heißt es in Medien und sozialen Netzwerken, Linke und Liberale hätten sich zu viel mit dem Kampf für Diversität befasst und die weißen „Abgehängten“ vergessen. Schon davor führte die Linke eine Debatte darüber, wie sich eine inklusive und gleichberechtigte Gesellschaft erreichen lässt. Wer hat welche Deutungshoheit, wer hat viel Macht? Und wer ist bereit, zu teilen?

 

Gera-Altenburg: Nach rassistischen Angriffen: Theaterleute wollen weg
 

Am Theater Altenburg-Gera haben vier Mitarbeiter und Künstler ihre Verträge nicht verlängert, weil sie mehrfach rassistisch beleidigt worden sind. Die Verträge laufen daher zum Ende der Spielzeit im nächsten Sommer aus. In einem Schreiben des Geschäftsführers und des Generalintendanten an die Gesellschafter und Aufsichtsräte heißt es, die Mitarbeiter seien aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer Sprache verbal angegriffen worden. Für sie sei nun die Toleranzgrenze erreicht. Wie Generalintendant Kay Kuntze MDR THÜRINGEN sagte, wurde beispielsweise ein gebürtiger Deutscher mit asiatischen Wurzeln mehrfach beleidigt. Kuntze sagte, er sei bestürzt. Dabei sei das Theater ein multikulturelles Haus. Jeder sechste der 300 Mitarbeiter sei ein Ausländer. Im Ballett gebe es eine einzige Deutsche, so der Intendant. Er habe die Opfer der Beleidigungen ermuntert, Strafanzeige bei der Polizei zu stellen. Das hätten die Betroffenen aber abgelehnt, um nicht als Opfer stigmatisiert zu werden (MDR).

 

Rassistische und flüchtlingsfeindliche Gewalt 
 

  • Zwickau: Im Hauptbahnhof schießt ein 21-jähriger Mann mit einer Schreckschusspistole auf einen 27 Jahre alten Geflüchteten aus dem Irak, nachdem es zuvor eine verbale und körperliche Auseinandersetzung zwischen drei jungen Deutschen und einer Gruppe von 20 Migranten gab. (SZ)
  • Berlin: Ein Unbekannter hat am Freitagnachmittag einen 21-jährigen Albaner in einem Linienbus der Berliner Verkehrgesellschaft rasisstisch beleidigt, geschlagen und ist anschließend geflohen (Tagesspiegel).

  • Hohenmölsen (Sachsen-Anhalt): Zwei Unbekannte schlagen 23-jährigen Schwarzen mit einer Flasche au8 sein Bein, verfolgen das flüchtende Opfer mit Auto (MZ-Web)

  • Hemsbach (BaWü): Unbekannte schlagen 25-jährigem Geflüchteten aus Gambia mit Fäusten ins Gesicht, rennen dann weg (rnz)

  • Frankfurt a.M.: Unbekannte verwüsten mit Bitumen-Pech im Stadtteil Bornheim die Räume der Gruppe Project Shelter, eines Projektes, dass sich um Migrant_innen kümmert, die keine Unterkunft haben und auf der Straße leben. Die Täter hinterlassen ein rassistisches Bekennerschreiben (hessenschau.deFR)

  • Berggießhübel (Sachsen): Steinwurf auf Fensterscheibe einer Geflüchtetenunterkunft in der Sächsischen Schweiz - fünf Personen im Raum blieben unverletzt (ND)
  • Birkenwerder (Brandenburg): Brandanschlag auf Kleinbus der antirassistischen Initiative „Nordbahngemeinden mit Courage“, auf dessen Dach ein Schild mit der Aufschrift „Refugees Welcome“ und „Willkommenskultur gestalten“ montiert war (MAZ)

  • Dortmund (NRW): Zwei Neonazis beleidigen Mann in einer Kneipe rassistisch, versuchen, dem 35-jährigen Opfer mit einem Glas ins Gesicht zu schlagen, woraus eine Kneipenschlägerei entstand, bis die Polizei die 25 und 29 Jahre alten Neonazis festnahm. Bei dem 29-Jährigen handelt es sich um ein führendes Mitglied des Kreisverbandes der Partei „Die Rechte“ in Hamm (Dortmund24.de)

  • Wismar (Mecklenburg-Vorpommern): Vier Männer rauben 20-Jährigen aus Ghana aus und äußern sich rassistisch, als sie festgenommen werden (Nordkurier)

  • Remscheid: Angriff auf „Weltladen“ – diesmal wurde die Schaufensterscheibe eingeworfen, es war bereits der dritte Angriff aufden Laden. „Es besteht der dringende Verdacht, dass der Angriff von Rechtsradikalen kam“, berichtet Polizeisprecherin Anja Meis. Die Ermittler sehen auch eine Verbindung zu Schmierereien mit rechten Parolen, die sie sowohl in Wermelskirchen als auch in Lennep entdeckten (rga).

  • Sömmerda (Thüringen): 15 Deutsche veranstalten Hetzjagd auf drei Geflüchtete bei einem Konzert von Oli P. in einer Diskothek, nachdem der Sicherheitsdienst die drei Opfer von der Veranstaltung entfernt hatte, als eine Gruppe Angreifer sie schon dort geschlagen und getreten hatten. Ein 24-Jähriger Iraker musste zur ärztlichen Behandlung ins Krankenhaus gebracht werden, die anderen beiden wurden leicht verletzt (OTZ). Der Bürgermeister von Sömmerda, Ralf Hauboldt von der "Linken", sieht einen Disko-Streit, keine rassistische Hetzjagd. Zwar habe es "volksverhetzende Ausrufe" gegeben, die seien aber keiner Szene zuzuordnen (Thueringen24.de). Die NPD setzte in die Welt, die Geflüchteten hätten Frauen belästigt. Der Polizei liegen keine Anzeigen vor (Spiegel). Wenige Tage nach der Hetzjagd auf drei Asylbewerber hat ein polizeibekannter 21-Jähriger zwei mutmaßliche Ausländer in Sömmerda bepöbelt und geschlagen. Der betrunkene Mann pöbelte am Mittwochnachmittag zwei ausländische Bürger in Sömmerda an. Nach der verbalen Attacke schlug der polizeibekannte Täter einem der Männer ins Gesicht. Passanten stellten sich zwischen Täter und Opfer, was den Angegriffenen eine Flucht auf dem Fahrrad ermöglichte. Ihre Identität ist noch nicht bekannt (TA).

  • Bautzen (Sachsen): Brandanschlag mit vier Molotowcocktails auf Flüchtlingsheim im „Spreehotel“. Die Brandsätze landeten auf dem Gelände, aber nur einer ging hoch. Zu Schäden kam es nicht (SZ). Zwei Wochen später fasst die Polizei drei Verdächtige, die "insoweit geständig" seien (Staatsanwalt) und auch wengen anderer Straftaten bereits in Verdacht (NDSpiegelSZ).

  • Gera (Thüringen): Briefkasten von Flüchtlingshelfer-Verein "Akzeptanz" in Gera gesprengt. Die Vorsitzende des Vereins berichtet von häufigen Bedrohungen gegen sie und Mitstreiter_innen, von gelockerten Radmuttern und zerstochenen Reifen (OTZ).

  • Wittstock (Brandenburg): Neonazi-Angriff und Hetzjagd in Wittstock: Ein 24-Jähriger aus dem Gazastreifen und ein 32-jähriger Ägypter sind am Morgen des 4. Dezember von drei Männern in Wittstock durch die Stadt verfolgt verfolgt und attackiert worden, die dabei rechtsextreme Parolen riefen. Die beiden Attackierten wurden bei dem Angriff erheblich verletzt. Einer der Tatverdächtigen war der Landesgruppenchef der mittlerweile verbotenen "Weisse Wölfe Terrorcrew" (MOZ). Der Fall hatte sich für die Ermittler zunächst anders dargestellt. Die Beschuldigten hatten sich nämlich am 5. Dezember zunächst bei der Polizei gemeldet und angegeben, von den zwei Ausländern angegriffen worden zu sein. Ermittlungen haben nun ergeben, dass es genau anders herum war (MAZ).

  • Dresden (Sachsen): Mann aus Ägypten auf offener Straße geschlagen, nachdem er von einer Frau und zwei Männern angesprochen wurde (RAA).

  • Werther (NRW): Radmuttern am Wagen eines Flüchtlingshelfers gelockert - Vorderrad fiel auf der Autobahn ab, es kam aber zu keinem Unfall. Der Vorstand der Flüchtlingsinitiative Werther wurde nach eigenen Angaben bereits mehrfach im Internet beleidigt (WDR).

  • Dresden (Sachsen): Zwei Männer haben am 24. Oktober unter rassistischen Parolen drei aus Eritrea stammende Frauen im Alter von 20 und 21 Jahren sowie ein Syrer (21) angegriffen (LVZ).

  • Rostock (MV): Zwei Frauen (20 und 25) haben in Rostock Flüchtlinge und eine 14-Jährige Deutsche rassistisch beleidigt und rechtsextreme Parolen gerufen. Dann holte die ältere der beiden aus und schlug allen drei ins Gesicht. Dabei brach sie einem der beiden Männer die Nase, sodass er mit seiner Verletzung ins Krankenhaus gebracht werden musste (n24.de).

  • Merseburg (Sachsen-Anhalt): Fünf junge Männer und Frauen zwischen 17 und 24 Jahren sollen am Samstagabend in Merseburg sechs Menschen mit türkischen Wurzeln zunächst beleidigt haben, danach sei es laut Polizei zu einem Handgemenge gekommen (mz-web).

  • Schongau (Bayern): Unbekannter ruft „Scheiß Ausländer“ und schlägt zwei Männer vor dem Supermarkt (Merkur)

  • Schwedt (Brandenburg): Messerangriff auf 24-Jährigen aus Afghanistan am helllichten Tag, das Opfer bliebt unverletzt, nur die Jacke wurde beschädigt (MOZ).

  • Altötting (Bayern): 30-jähriger Betrunkener aus Mühldorf pöbelt am Bahnsteig des Bahnhofs von Altötting (Bayern) vier Flüchtlinge aus Somalia (19 beziehungsweise 20 Jahre alt) an. Dann gibt der Täter einem 19-Jährigen eine Ohrfeige und stößt ihn so, dass er auf die Gleise fällt. Der 19-jährige wurde dabei leicht verletzt (Rosenheim24.de).

  • Schloß Holte-Stukenbrock (NRW): Flüchtlingshelfer werden bedroht: "Hör auf, wenn Dir Dein Leben lieb ist." (NW)

  • Haldensleben (Sachsen-Anhalt): Brandanschlag auf Flüchtlingsunterkunft in der Nacht auf Heiligabend. Der Brandsatz wird in den Waschraum des Flüchtlingsheims geworfen, verletzt wurde niemand (MDR).

  • Baesweiler (NRW): Ein 39-jähriger Mann soll in einem Linienbus in Baesweiler einen türkischstämmigen Fahrgast angegriffen haben, weil dieser sich über die laute, rechtsextreme Musik des Täters beschwert hatte. Der Täter zog ein Messer, bedrohte den 39-Jährigen und schlug dann so heftig auf ihn ein, dass er gegen eine Fensterscheibe fiel, die dadurch zertrümmert wurde. Als weitere Fahrgäste einschreiten wollten, so die Polizei, versprühte eine Begleiterin des Angreifers Pfefferspray (WDR).

  • Oberviechtach (Bayern): Unbekannte haben an der Flüchtlingsunterkunft in Oberviechtach ein Fenster mit einem Stein eingeworfen und ein weiteres Fenster beschädigt. Es entstand Sachschaden (Mittelbayerische.de).

  • Nordhausen (Thüringen): Ein unbekannter Mann griff in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag ein Flüchtlingsheim in Nordhausen (Thüringen) an. Ein eingeschlagenes Kellerfenster und eine beschädigte Tür hinterließ der Unbekannte bei seinem Angriff auf das Wohnheim, teilt die Polizei mit. Erst bedrohte der Mann die Bewohner des Hauses verbal, dann klopfte er so heftig gegen die Eingangstür, dass sie dabei beschädigt wurde. Später nahm sich der Mann eine herumliegende Latte und zerstörte ein Kellerfester (Thüringen24.de).

 

Knapp 1.000 Anschläge auf Flüchtlingsheime in Deutschland 2016
 

Knapp 1.000 Mal wurden in Deutschland in diesem Jahr Flüchtlingsunterkünfte attackiert. In beinahe allen Fällen geht das Bundeskriminalamt von einem rechtsextremen Hintergrund aus. Auch 2016 wurden wieder rund tausend Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland verübt. Die amtliche Zahl der Attacken auf Asylbewerberunterkünfte bis zum 27. Dezember liegt bei 921 Delikten, wie das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden mitteilte. Im vergangenen Jahr waren 1031 solcher Straftaten gezählt worden - ein Rekordwert und eine Verfünffachung gegenüber 2014 (Spiegel). Aus Meckleburg-Vorpommern gibt es derweil die Meldung - durchaus als pars pro toto zu lesen -, dass hier nur wenige Angriffe  auf Flüchtlingsunterkünfte aufgeklärt werden - nämlich im Schnitt einer von vier (NDR).

 

Rassistische Vorfälle
 

  • Erzgebirgskreis (Sachsen): Zwanzig Strohpuppen mit rassistischen Sprüchen hingen im Erzgebirgskreis an mehreren Orten (mdr)
  • Zwickau: Nach rassistischen Affenlauten beim Spiel des FSV Zwickau spricht der Verein von "solchen Dingen", die "Schaden für den Verein" anrichteten und deshalb zu unterlassen seine (taz)
  • Bielefeld: Staatsschutz ermittelt gegen Fans aus der Ultra-Szene von Arminia Bielefeld, die als Pulk von 20 bis 30 Personen randalierend durch Oerlinghausen gezogen sein sollen und dabei rassistische Parolen gerufen haben sollen (WDR).
     

Rassismus vor Gericht
 

  • Münster: 5 Jahre Haft für Brandanschlag auf unbewohnte Flüchtlingsunterkunft (ZEIT)
  • Tögingen: Prozess gegen einen 16- und einen 17-Jährigen, die vor der Flüchtlingsunterkunft in Tögingen (Bayern) einen Afrikaner angegriffen haben sollen, während sie versuchten, mit sechs weiteren Bekannten die Unterkunft zu stürmen (PNP)
  • Thannhausen (Schwaben): Prozess gegen drei Männer, die zwei Geflüchtete aus Afghanistan bepöbelt, bespuckt, beleidigut und schließlich mit Tritten und Schlägen angegriffen hatten:  Der ältere der beiden Schläger erhielt eine Bewährungsstrafe von einem Jahr. Der 18-Jährige muss einen zweiwöchigen Dauerarrest absitzen, 100 Arbeitsstunden ableisten und einen sozialen Trainingskurs absolvieren (AA)
  • Eibenstock (Sachsen): 1.200 Euro Geldstrafe für Steinwurf auf Flüchtlingsunterkunft im Erzgebirge (Radio Zwickau).
  • Arnsdorf (Sachsen): Rund sieben Monate nach dem gewaltsamen Übergriff auf einen irakischen Asylbewerber im sächsischen Arnsdorf ist Anklage gegen vier Männer erhoben worden. Den Beschuldigten im Alter zwischen 29 und 56 Jahren wird Freiheitsberaubung vorgeworfen, wie die Staatsanwaltschaft Görlitz am Dienstag mitteilte. Sie sollen den Iraker im Mai aus einem Supermarkt gezerrt und mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt haben. Von dem Vorfall am 21. Mai kursierte ein Video in sozialen Onlinenetzwerken (Merkur.de)
  • Zorneding: Wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Bedrohung verurteilt das Ebersberger Amtsgericht am 7. November einen Münchner Rentner zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung sowie zu einer Zahlung von 600 Euro an den Verein "München ist bunt". Für das Gericht steht fest, dass der 74-Jährige zwei Schreiben an den damaligen Zornedinger Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende verfasst hat. Der 67-jährige gebürtige Kongolese hatte im Herbst 2015 einen rechtspopulistischen Artikel der Zornedinger CSU-Ortsvorsitzenden kritisiert. Dafür war er vom CSU-Vize rassistisch beschimpft worden und erhielt diverse Postkarten und Briefe (Süddeutsche).
  • Heidenauer Krawall-Wochenende (Sachsen): Bisher mehr als 20 Täter der Krawalle im August 2015 sind 2016 verurteilt worden – unter anderem wegen Landfriedensbruchs, Körperverletzung, Beleidigung, Sachbeschädigung und Verwendens von Nazi-Symbolen. Drei Hauptverhandlungen stehen noch aus, darunter ein Angriff auf einen Journalisten (SZ).
     

Asylbefürworter "an die Wand stellen" ist keine Volksverhetzung

Der frühere AfD-Funktionär René Augusti ist vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen worden. Das Landgericht Stendal hob damit am Donnerstag ein Urteil der Vorinstanz auf. Augusti, einst Kreisvorstand der AfD in Salzwedel, hatte in einer internen Facebook-Gruppe zum Mord an politischen Gegnern aufgerufen. Anlass war die Flüchtlingswelle. "Die Völkerwanderung muss aufgehalten werden. Die sich Deutsche nennen und dies fördern gehören an die Wand gestellt", schrieb er. Zur Begründung teilte das Landgericht mit, die Aussagen richteten sich nicht gegen eine konkrete Gruppe. Deshalb könne der Volksverhetzungsparagraph nicht greifen (MDR).
 

  • Kein Rassismus vor Gericht:

    Dreieich (Hessen): Fast ein Jahr nach den Schüssen auf eine Flüchtlingsunterkunft in Dreieich (bei Offenbach) ist Anklage gegen drei Männer erhoben worden. Zwei 28-Jährigen werde versuchter Mord vorgeworfen, einem 27-Jährigen Beihilfe dazu, teilte die Staatsanwaltschaft Darmstadt am Mittwoch mit. "Ein fremdenfeindliches Motiv können wir aber ausschließen", sagte der Sprecher. "Es hat eine örtliche Verwechslung gegeben." Hintergrund soll ein Beziehungsstreit gewesen sein (hessenschau.de).

 

Gegenstrategien

 

Die Initiative „Plus1“ hat 125.000 Euro für Geflüchtete gesammelt – von Leuten auf der Gästeliste
 

Das Prinzip ist einfach: Wer in Clubs oder bei Konzerten auf der Gästeliste steht, gibt einen Euro in eine Spendendose. So hat die Initiative „Plus1“ im vergangenen Jahr 125.000 Euro für Geflüchtete gesammelt. Dahinter stecken mehre Menschen aus dem Berliner Club- und Musikbetrieb. "Unsere Aufgabe ist es, Spenden für diejenigen zu sammeln, die nicht auf der Gästeliste der EU stehen", so fasste es Stephan Rombach von „Plus1“ kürzlich zusammen (Vice).

In den Neunziger Jahren bei Neonazis beliebt: Marke „Lonsdale“ sponsert Antirassismus-Bus
 

Der Kampf gegen das eigene festgefahrene Image ist schwer. Sehr schwer. Schon seit einigen Jahren versucht der britische Sportartikel-Hersteller „Lonsdale“ sein Stigma loszuwerden, besonders bei Neonazis beliebt zu sein. Jetzt sponsert das Label der Berliner Jugendkampagne „Kein Bock auf Nazis“ einen Bus. Mit diesem können die ehrenamtlichen Helfer weiterhin die tausenden Kilometer pro Jahr zurücklegen, zum Beispiel mit Infoständen auf Konzerten und Festivals. Der Bus ist jedoch auch so ausgerüstet, dass er als Lautsprecherwagen auf Demonstrationen gegen Neonazis eingesetzt werden kann (Berliner Kurier).

Konstantin Wecker und Heinz Ratz rufen eine "kulturelle Eingreiftruppe" ins Leben: Das "Büro für Offensivkultur"

Zehn Jahre nach ihrer gemeinsamen Antifa-Tour wollen Konstantin Wecker und Heinz Ratz wieder verstärkt gegen rechts aktiv werden. Auf brennende Flüchtlingsunterkünfte und ein auch in der sogenannten Mitte der Gesellschaft zunehmend rassistisches Klima antworten die beiden Liedermacher mit einem »Büro für Offensivkultur«. Mit ihrer »schnellen kulturellen Eingreiftruppe« wollen Wecker und Ratz in der Lage sein, überall und jederzeit antifaschistische musikalische Zeichen zu setzen. Das Büro für Offensivkultur soll mit einer Vollzeitstelle ausgestattet werden und in Notfällen rund um die Uhr erreichbar sein (Melodie und Rhythmus).

 

 

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