Weil sie den Neonazi-Aktivitäten in Minden und Umgebung nicht zusehen wollten, gründeten Mindener Bürgerinnen und Bürger im Jahr 2006 die Initiative „Minden – Für Demokratie und Vielfalt“. Die wurde jetzt vom Bündnis für Demokratie und Toleranz für ihr Engagement geehrt.
Von Hannah Frühauf
Sichtbar wurde die Szene in den Jahren 2006 und 2007. Insgesamt vier Neonazi-Aufmärsche finden in den zwei Jahren in der Stadt Minden statt – einer davon sogar an Heiligabend. Ein Motor dieser Entwicklung: Minden ist die „Wahlheimat“ des vorbestraften Neonazis Marcus Winter. Er ist einer der führenden Köpfe der „Nationalen Offensive Schaumburg“ (NOS) - einer rechtsextremen Vereinigung, die in Ostwestfalen aktiv ist und dabei auch vor der Bedrohung Andersdenkender und Gewalt nicht zurückschreckt. Vor den Neonazi-Demonstrationen kündigte Marcus Winter an – so wird gemunkelt – er wolle den benachbarten ostwestfälischen Kameraden einmal „zeigen, wo der Hammer hängt“. Die Klimaänderung durch die Neonazi-Präsenz hat auch gewalttätige Folgen: Am 28. November 2010 überfallen mehrere Neonazis eine Reggae-Party. Sie zertrümmern Mobiliar, rufen rechtsextreme Parolen und verprügeln einen Gast.
Rechtsextreme Szene um Minden
„Wir können die Augen nicht mehr verschließen, Minden hat ein Problem mit Neonazis“, sagt Karl-Heinz Ochs. Die Stadt Minden hat etwa 83.000 Einwohner und liegt in Nordrhein-Westfalen, direkt an der Grenze zu Niedersachsen. „Neben der eigenen rechtsextremen Szene birgt die geographische Nähe der Stadt zu Ortschaften wie Bad Nenndorf oder Bückeburg ein weiteres Risiko. Bückeburg ist seit einiger Zeit ein Ort mit einer sehr gewaltbereiten, aktiven Neonazi-Szene -“, so Ochs. Und in Bad Nenndorf findet seit 2006 jährlich ein von Neonazis inszenierter „Trauermarsch“ statt. Der Neonazi Marcus Winter ist einer der Organisatoren. Im letzten Jahr nahmen etwa 800 Neonazis daran teil – der „Trauermarsch“ ist mittlerweile ein bedeutendes Großereignis in der rechtsextremen Szene. Er ist für die nächsten 30 Jahre - jeweils Anfang August - angemeldet.
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Von der Defensive in die Offensive
Die Mindener wollen den Neonazis in ihrer Stadt aber nicht zu viel Raum überlassen. Spätestens seit den Neonazi-Aufmärschen von 2006 werden zunehmend Gegenaktionen organisiert. „Wir hatten dennoch das Gefühl, dass Demonstrationen alleine nicht reichen, um den Neonazis in Minden Einhalt zu gebieten“ erzählt Ochs, „vor allem wollten wir aus unserer defensiven Haltung eine Offensive machen – wir wollten nicht nur auf die diversen Aktionen der Rechtsextremen reagieren, wir wollten schon im Vorfeld agieren.“. Seit 2008 gibt es daher die Initiative „Minden – Für Demokratie und Vielfalt“. Unter Federführung des Mindener Bürgermeisters Michael Buhre und unter ehrenamtlicher Mitwirkung von zivilgesellschaftlichen Akteuren, Politikern, Verbänden, Vertretern der evangelischen Kirche und Gewerkschaftlern wurde ein Steuerkreis eingerichtet. Mittel-, langfristige und präventiv angelegte Arbeit - gegen Rechtsextremismus - wird hier besprochen und unterstützt. Seit Anfang 2010 gibt es eine halbe Stelle für einen Koordinator, da die Aktivitäten des Bündnisses kaum noch ehrenamtlich zu koordinieren sind. Aktuelle Projekte sind die Verlegung von Stolpersteinen, die Organisation von Ausstellungen oder beispielsweise die Aktion „Schule ohne Rassismus“. Die Initiative informiert, baut Netzwerke auf oder gibt Hilfestellungen rund um das Thema Rassismus. „Wir wollen keine Angst innerhalb der Bevölkerung verbreiten – sondern langfristig den Neonazis den Nährboden in Minden entziehen“ so beschreibt Koordinator Ochs das Ziel des Bündnisses. Am 31. März 2011 wurde die Initiative „Minden – Für Demokratie und Vielfalt“ für ihr Engagement vom "Bündnis für Demokratie und Toleranz" ausgezeichnet. Zudem wurde die Stadt Minden im lokalen Aktionsplan aufgenommen. „Die Mindener Bürgerinnen und Bürger haben gezeigt, dass sie keine Neonazis in ihrer Stadt haben wollen“, so Karl-Heinz Ochs.
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