Verzweifelte Sinnsuche in der Urania

Es will das "Reemtsma-Institut von rechts sein“. Im "Institut für Staatspolitik“ tauschen sich die extrem rechten Intellektuellen aus. Bei einer Tagung in Berlin ging es zu wie bei einem Esoterik-Seminar.

Von Marie von Mallinckrodt

Im holzvertäfelten Raum ohne Fenster sind alle Freunde, die Welt draußen ist der Feind. Denn diese Welt ist schlecht. Deswegen hat das national-konservative „Institut für Staatspolitik“ an diesem Samstag zum „Widerstand“ geladen – so heißt die Tagung in der bekannten Berliner Bildungsstätte Urania. 250 Männer und einige wenige Frauen sind gekommen, um sich in Erinnerung rufen zu lassen, was Karl Marx schon vor über hundert Jahren gesagt hat: Die kapitalistische Gesellschaft ist eine elendige. Einer der Vortragenden stellt fest: „Wir stehen kurz vor dem Untergang.“

Karl Marx bei einer Tagung bekennender National-Konservativer in der renommierten Berliner Bildungsstätte Urania? Dieses unwahrscheinliche Trio ergab am Wochenende eine amüsante Hauptstadtposse: Ein paar Polizisten bewachten, etwas ratlosen Blickes, den Tagungssaal der rechten Intellektuellen. Im Saal nebenan fand zeitgleich ein Theater-Workshop für Schulkinder statt. Der Direktor der Urania, Ulrich Bleyer, zeigte sich sehr genervt, dass nun ein Institut hier tagte, dem man nachsagt, es tummelten sich dort auch Rechtsextreme. „Wir vermieten im Jahr mehrere hundert Veranstaltungsräume und haben nur fünf Mitarbeiter. Das ist uns durchgerutscht.“ Das nächste Mal, so hält er fest, gäbe es dann eben keinen Raum mehr zu vermieten.

Was er lapidar als seinen „kleinen Problemfall“ bezeichnet, scheint auch sonst eher klein zu sein. Die vom Institut veröffentlichte vierteljährliche Zeitschrift „Sezession“ hat gerade einmal eine Auflage von 3500 Exemplaren. Der einzige Polit-Glanz des Tages: Alain de Benoist, der französische Vordenker der Neuen Rechten. Der wird angekündigt wie der Regierende Bürgermeister auf dem Sommerfest der Berliner Stadtreinigung.

Doch Benoists Worte sind weder rechts noch links, sie sind einfach nur langweilig. Er spricht über „Identität“ – und dazu verrät er nicht viel mehr, als dass das kapitalistische System die Menschen zu leblosen Objekten gemacht habe. „Die kapitalistische Ordnung ist nihilistisch“, sagt Benoist. Der Berliner Rechtsintellektuelle Frank Lisson, ein gern gesehener Autor bei der Zeitung „Junge Freiheit“, macht in seinem Vortrag „totalitäre Strukturen“ in Deutschland aus. Wir lebten in einem Land der Gleichmacherei, so Lisson. Und: „Die meisten derer, die Meinung machen sind Linksextremisten.“ Dann beklagt er noch den „defätistischen CDU-Realismus“ und spricht von der deutschen Zivilreligion, „deren anzubetender strafender Gott Auschwitz heißt.“ Die Quintessenz seiner hilflosen Anklage: Wir würden allesamt zu „Psychokrüppeln“ erzogen.

Es ist die Rhetorik des „Die-da-draußen“ und „Wir-hier-unter-uns“, die sich durch die Tagung zieht wie ein roter Faden. Daher konzentriert sich einer der Leiter des „Instituts für Staatspolitik“, Götz Kubitschek, auf den ganz aktiven Widerstand, der in der so genannten „konservativ-subversiven Aktion“ gipfeln soll. Diese klingt wie ein Selbstheilungsprogramm. „Die Provokation lässt mich mein Ich spüren“, sagt Kubitschek ins Publikum. So ist er zum Beispiel vor zwei Monaten mit einem Megaphon in die Berliner Humboldt-Universität gelaufen und hat mit einigen Mitstreitern einen Hörsaal gestürmt, wo ein 68er-Kongreß stattfand. Das tat gut.

Im Institut, das eng mit der Zeitung "Junge Freiheit" verbunden ist, trat auch schon einmal Martin Hohmann als Referent auf. Es ist vor acht Jahren vom Historiker Karlheinz Weißmann gegründet worden, für "außerparteiliche" Bewusstseinsarbeit. In der Urania wirkt es wie irgendetwas zwischen Esoterik-Seminar und Selbsthilfegruppe. Ein Teilnehmer fasst es am Ende enttäuscht zusammen: „Ich wüsste nicht, was ich mit nach Hause nehmen soll.“ Eine politische Zielrichtung der deutschen neu-rechten Denker war nicht erkennbar.

Vielleicht ist es also gar nicht so schlimm, dass Medienvertreter bei solchen Veranstaltungen unerwünscht sind. Die wollte sich Organisator Kubitschek nämlich vom Hals halten. Vorab hat er sie per E-Mail in die Irre geführt, mit einer falschen Adressangabe: „Ich habe Ihre Anfrage für eine Teilnahme als Journalistin an unserem 16. Berliner Kolleg erhalten. Ich akkreditiere Sie hiermit und bitte Sie, um 10.00 Uhr in die Katholische Akademie, Hannoversche Straße (Ecke Friedrichstraße) zu kommen.“ Die Urania ist in einem anderen Stadtteil.

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