Sie gilt als bekannteste Holocaust-Leugnerin Deutschlands – und muss nun mit 89 Jahren das erste Mal in Haft. Zu oft hat Ursula Haverbeck bewiesen, dass ihr bloße Verurteilungen einerlei sind.
Von Roland Kaufhold
Sie ist eine Ikone der rechtsextremen Szene, denn auch Urteile konnten Ursula Haverbeck bisher nicht hindern, öffentlich die Verbrechen des Dritten Reichs zu leugnen: Immer wieder und wieder hat die 89-jährige öffentlich den organisierten deutschen Völkermord bestritten. „In Auschwitz hat es keine Vergasungen gegeben. Auschwitz war kein Vernichtungslager“, sagte sie etwa dem NDR-Magazin Panorama, aber vor allem auf zahlreichen rechtsextremen Veranstaltungen.
Zuletzt wurde im Februar dieses Jahres ein Urteil gegen sie rechtskräftig: zwei Jahre Haft ohne Bewährung. Zum Antritt der Strafe sollte sie sich selbst stellen. Doch die Frist zur Meldung bei der JVA Bielefeld-Senne am 2. Mai ließ sie verstreichen. Offenbar setzte sie auf den Bonus von Alter und Weiblichkeit, der sie bisher vor dem Gefängnis bewahrte: Eine 89-Jährige, die aussieht wie eine freundliche Oma, wird verhaftet und abgeführt? Dazu kam es bisher nicht, und darauf setzte Haverbeck offenbar weiterhin. Diesmal allerdings vergeblich.
Eine lange nationalsozialistische Karriere
Das Urteil hatte bereits im August 2017 das Landgericht Verden gefällt. Im Februar wurde es vom Oberlandsgericht Celle bestätigt. Trotzdem fühlte sich die 1928 geborene Haverbeck offenbar sicher, intensivierte ihre öffentlichen Leugnungen in den vergangenen Monaten sogar noch.
Haverbeck, Ehefrau des 1999 verstorbenen rechtsextremen Priesters und Publizisten Werner Georg Haverbeck, blickt auf eine lange rechtsextreme und geschichtsleugnende Karriere zurück: 1963 gründete sie mit ihrem Ehemann das Collegium Humanum. Dieses wurde unter ihrer Leitung zu einem Zentrum des völkischen Nationalismus, 2008 wurde es aufgrund „fortgesetzter Leugnung des Holocaust“ vom damaligen Innenminister Schäuble verboten. Auch war Haverbeck stellvertretende Leiterin des 2008 als verfassungsfeindlich verbotenen Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten.
Immer wieder Urteile
Haverbeck wurde vielfach wegen Shoahleugnung, Volksverhetzung und vergleichbarer Delikte verurteilt, so erstmals 2004 vom Landgericht Bad Oeynhausen. Ausdruck ihrer antisemitischen Einstellung dürfte ihre 2014 eingereichte Anzeige gegen den Zentralrat der Juden wegen „Verfolgung Unschuldiger“ sein.
Je öfter sie angeklagt und verurteilt wurde, desto stärker wurde sie in den vergangenen Monaten zum Märtyrer der deutschen Leugner_innen aus dem Umfeld von NPD und der rechtsextremen Partei Die Rechte. Auf den Gerichtsfluren sowie bei öffentlichen Auftritten wurde sie enthusiastisch mit Blumen und Beifall von Dutzenden von Anhänger_innen gefeiert.
Eine Karriere bei Die Rechte
Viele der Prozesse riefen Empörung hervor. Es entstand der Eindruck, dass die Justiz kein sonderliches Interesse an einer Inhaftierung der vitalen 89-Jährigen habe. Nach einem Urteil des Landgerichts Hamburg über zehn Monate auf Bewährung vom November 2015 schleppte sich ein Revisionsverfahren über zwei Jahre hin.
Haverbeck bezeichnete sich in mehreren Videointerviews mit Rechtsextremen immer wieder als haftunfähig. Für ihre politische Arbeit blieb aber offenbar noch genug Energie: Anfang April ließ sie sich zur Spitzenkandidatin von Die Rechte wählen. Sie reiste auch nach Dortmund und hielt dort eine mehrminütige Rede. Von „gesundheitlichen Beeinträchtigungen“ war bei ihr nichts zu erkennen.
Wie krank ist Haverbeck wirklich?
Am 25. April schickte der Grünen-Politiker Volker Beck daraufhin ein Schreiben an die Staatsanwaltschaft Verden, in dem er sich beschwerte, dass Haverbeck rechtsstaatliche Verfahren „vorsätzlich missbrauche“. Beigefügt waren Dokumente, die ihre Rednertätigkeit belegen. Ihre bundesweite öffentliche Vortragstätigkeit zeige, dass Haverbeck „bei klarem Verstand“ und für ihr Alter „in außergewöhnlich guter körperlicher Konstitution“ sei.
Am 30. April, zwei Tage vor dem Ablauf der Gefängnis-Frist, kam erneut ein Lebenszeichen der Verurteilten: Zwei Dortmunder Mitglieder der Neonazipartei Die Rechte veröffentlichten ein auf einem Friedhof aufgenommenes Interview mit Haverbeck, in dem sich diese triumphierend als ein Opfer einer Kampagne darstellt. Hierbei handelt es sich um Christoph Drewer – im Oktober 2017 als Nachfolger des überraschend zurückgetretenen Christian Worch kommissarischer Bundesvorsitzender von Die Rechte – sowie um Matthias Deyda. Deyda, der von Dortmund aus enge Verbindungen zu europäischen Rechtsextremen pflegt wird gleichfalls zur Führungsriege der Dortmunder Neonazis gezählt.
„Man kann nur hoffen, dass Justiz und Polizei mit Dringlichkeit nach ihr fahnden“
Das Internationale Auschwitz Komitee begrüsste inzwischen das Hafturteil nachdrücklich: „Wenn man sich vor Augen führt, wieviele junge Menschen Ursula Haverbeck über rechtsextreme Netzwerke in den vergangenen Jahrzehnten mit ihren Lügen infiltriert, belogen und zum Hass verführt hat“, betonte Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Interessenverbands von Auschwitz-Überlebenden in Berlin, so sei dieses Urteil „in seiner Konsequenz und Deutlichkeit mehr als gerechtfertigt.“ Darüberhinaus hinaus sei es ein deutliches Warnsignal für all jene, die heute in sozialen Netzwerken „zynisch ein neues Auschwitz im Munde führen.“
Heubner forderte Polizei und Justiz zu hartem Durchgreifen auf: „So wie Haverbeck seit Jahrzehnten die historische Wahrheit von Auschwitz und dem Holocaust leugnet, so bestreitet sie nun auch die Legitimität der deutschen Justiz.“ Es sei zu hoffen, dass mit Dringlichkeit nach der 89-jährigen Haverbeck gefahndet werde. Sie und ihren Unterstützern aus dem Umfeld der Neonazipartei „Die Rechte“ dürfe es nicht noch länger gelingen, „die Justizbehörden vorzuführen und der Lächerlichkeit im rechtsextremen Raum preiszugeben.“
Es folgt: Haft für Holocaustleugnung
Diesmal allerdings wird das Urteil umgesetzt. Am Montag, den 07.05.2018, wird Haverbeck in ihrem Haus im ostwestfälischen Vlotho (NRW) von der Polizei festgenommen und "an die zuständige Justizvollzugsanstalt übergeben." Der Haverbeck-Vertraute und Rechtsextreme Markus Walter bestätigte das gegenüber dem NDR.
-- Am 25. Mai 2018 tritt die Datenschutzgrundverordnung (DSVGO) in Kraft. Die Rechtslage für Fotos ist unklar. Bis sich daran etwas ändert, machen wir Personen, die auf Fotos zu sehen sind, unkenntlich. --
Der Beitrag erschien zuerst beim Störungsmelder am 5. Mai 2018. Dies ist eine aktualisierte Form.