Fußball ist unpolitisch. So sagt man. Diese Behauptung sorgt immer wieder dafür, dass rechtsextreme Phänomene im Fußball heruntergespielt und ignoriert werden. Der Autor und Journalist Ronny Blaschke stellte sein neues Buch „Angriff von Rechtsaußen: Wie Neonazis den Fußball missbrauchen“ in Berlin vor. Über einen Abend, der mit Klischees aufräumt.
Von Johannes Baldauf
Beim Fußball gibt es grölende Fanhorden, Ultras und Hooligans, Krawall, Bier, Männerkult und die dritte Halbzeit. Über all dies sprechen Fußballfans auch – nur Nazis in den Stadien scheinen ein Tabu-Thema zu sein, über das nur die höchste DFB-Ebene entspannt informiert. Wenn es in einzelne Vereine geht, trifft man eher auf aufgebrachte Fans, die jedes Thematisieren von problematischen Strömungen als Nestbeschmutzung verurteilen. Doch bei der Buchvorstellung zu „Angriff von Rechtsaußen: Wie Neonazis den Fußball missbrauchen“ von Ronny Blaschke im Fußball-Laden „Goal“ in Berlin werden Klischees gebrochen, nicht erfüllt.
Zuerst ist es das Klischee, dass Fußball nur etwas für Männer sei: Der Fußballladen „Goal“ in Berlin-Kreuzberg, welcher als Veranstaltungsort dient, wird nur von Frauen geleitet. Im Publikum sitzen dennoch hauptsächlich Männer, aber erfreulich, dass es diesen Laden gibt.
Die Veranstaltung beginnt und nach einer kurzen Einleitung beginnt Journalist Ronny Blaschke mit seinem Vortrag. Er hat viel vor, nicht nur mit seinem Buch, sondern auch an diesem Abend. Und so stellt er auch gleich klar, dass sein Buch zwar vom Fußball handelt, aber dennoch kein Fußballbuch ist, sondern ein politisches Buch.
Die Problematik rechtsextremer Einflüsse im Fußball wird meist nur dann öffentlich thematisiert, wenn es zu Gewaltausbrüchen kommt. Dabei handelt es sich aber um ein dauerhaftes Phänomen. Fußballvereine kämpfen schon lange mit dem Problem rechtsextremer Fans, die gegnerische Mannschaften gerne mit „Hallo Kanaken“ begrüßen oder auf Transparenten als Juden beschimpfen. Bei der Verunglimpfung des Gegners bedient man sich aller Spielarten der Diskriminierung: Rassismus, Antisemitismus, Homophobie, Sexismus kommen dabei am häufigsten vor. Die Übergänge zwischen harten Fans, also Ultras, und rechtsextremen Fans sind dabei oft fließend. Und die Einflussnahme der Vereine endet meist am Stadiontor.
Doch es geht nicht nur um die offensichtlichen Fälle, bei denen sich das Klischee von grölenden Pöbelnazis bestätigt, die sich im Stadion austoben und damit ab und an in der Öffentlichkeit für einen Eklat sorgen. Ronny Blaschke zeichnet auch Entwicklungslinien nach, bei denen der Fußball als Rekrutierungsfeld der NPD genutzt wird.
Denn so wie die NPD sich auf kommunaler Ebene als Anwalt des kleinen Mannes aufspielt, so versucht sie diese Strategie auch in den Fußball hineinzutragen: Rechtsextreme engagieren sich in Fanbewegungen und Sportvereinen oder sogar als Schiedsrichter. Damit will man sich lokal verankern und für gesellschaftliche Akzeptanz sorgen. Die von Fußballfunktionären oft vorgetragene Behauptung, dass Fußball unpolitisch sei, begünstigt dabei die Arbeit der Rechtsextremen. Über die Identifizierung mit dem Verein stellen die Rechtsextremen Gemeinsamkeiten her. Auf der Fahrt zum Spiel, in der Kneipe und verstärkt auch in Fanforen im Internet wird dann über die sogenannte Offtopic-Strategie anpolitisiert. Erst redet man ein wenig über Fußball und dann über Politik. Blaschke spricht davon, dass das Engagement der NPD im Bereich Fußball ihr Rekrutierungspotential um ein Drittel erhöht hat.
Im Umfeld des Fußballs findet sich also fast das ganze Spektrum rechtsextremer Aktivitäten wieder: Expliziter Rassismus und Antisemitismus, rechte Zahlen- und Szenecodes auf Kleidung und Transparenten, scheinbar harmlose Annäherungsversuche, die auf Parteibindung abzielen. „Angriff von Rechtsaußen“ ist damit nicht nur eine Bestandsaufnahme rechtsextremer Aktivitäten im Fußball, sondern bietet gleichzeitig eine Übersicht aktueller rechtsextremer Rekrutierungsmethoden.
Am Ende stellt Blaschke klar: das Dogma „Fußball ist unpolitisch“ ist fehlerhaft. Fußball ist politisch. Dies nicht anzuerkennen ist gefährlich und oft nur eine Schutzbehauptung, um sich den Problemen nicht stellen zu müssen.
Die Abschlussdiskussion unter den fünfzig Zuhörern verdeutlicht, was auch Blaschkes Buch und Vortrag anzeigen: auch wenn rechtsextreme Aktivitäten größtenteils aus der Bundesliga und der medialen Aufmerksamkeit verschwunden sind, so ist das Problem noch lange nicht gelöst.
Es gibt Vereine, die Probleme mit rechten Fans haben und es gibt Vereine, die keine solchen Probleme haben. Es gibt Vereine, die versuchen, diese Probleme zu lösen, indem sie bei den Nazis beliebte Kleidermarken im Stadion verbieten. Es gibt Vereine, die das nicht tun. Es gibt Vereine, die ihre Fanbeauftragten im Umgang mit Rechtsextremismus schulen und es gibt Vereine, die das nicht tun. Manchmal stehen die Vereine auch einfach hilflos vor den Aktionen der NPD.
Ein letztes Klischee zum Schluss: Man sagt, dass Fußball ein Spiegelbild der Gesellschaft sei. Blaschke hält diese Behauptung in Bezug auf Rechtsextremismus für fahrlässig, denn das würde bedeuten, dass das Problem des Rechtsextremismus „nur“ ein Problem der Gesellschaft sei und nicht ein Problem des Fußballs. Rechtsextremismus ist aber beides: ein Problem der Gesellschaft und des Fußballs. Die Strukturen und Mechanismen der Fankultur bieten leider oft fruchtbaren Nährboden für rechtsextreme Aktionen und Gedankengut.
Das Buch
Ronny Blaschke: Angriff von rechtsaußen. Wie Neonazis den Fußball missbrauchen.
Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2011.
222 Seiten, 16,90 Euro
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