Der 19. Bundestag ist heute Vormittag vom Alterspräsidenten Hermann Otto Solms (FDP) eröffnet worden. Noch nie in der Nachkriegsgeschichte saßen so viele Menschen im deutschen Parlament - und seit Langem war der Frauenanteil nicht so gering wie im Jahr 2017. Dass mit der AfD eine rechte Partei vertreten ist, ist zwar nicht das erste Mal seit Ende des Zweiten Weltkrieges, in dieser Stärke ist es jedoch noch nicht vorgekommen.
Von Fiona Katharina Flieder
Aus diesem Grund versammelten sich noch vor Beginn der Sitzung rund 150 Demonstrant_innen vor dem Reichstagsgebäude. Aufgerufen zu dem Protest hatten das Berliner Bündnis gegen Rechts, das Bündnis Aufstehen gegen Rechts, die Naturfreunde und Die Linke, von der auch einige Bundestagsabgeordnete anwesend waren.
Verschiedene Redner_innen kritisierten die AfD, riefen zum allgemeinen Widerstand und zum Protest gegen den AfD-Parteitag Anfang Dezember in Hannover auf. Von einer Sprecherin von Aufstehen gegen Rechts hieß es: “Der Einzug der AfD in den Bundestag bringt uns an einen Scheideweg. Von hier aus gibt es zwei Wege, die wir nun gehen können. Den Weg der Normalisierung der AfD oder den Weg der Isolierung der AfD.”
Normalisierung sei es, wenn Nazis, Antisemit_innen und rechten Hooligans eine politische Verantwortung übertragen werde. Wenn die Forderung nach einer erinnerungspolitischen 180-Grad-Wende oder die Bezeichnung der Juden und Jüdinnen als “Tätervolk” als politische Meinung bezeichnet und akzeptiert würden. Wenn der Protest immer kleiner und rassistischen und anderen menschenverachtenden Veranstaltungen nichts mehr entgegengesetzt werde. Wohin Normalisierung führe, zeige sich beispielsweise an der Entwicklung der FPÖ in Österreich.
Die Isolierung hingegen könne ein Mittel sein, rechte Parteien zu schwächen, wie zum Beispiel an der NPD zu erkennen sei. Weiter sagte die Rednerin: “Der Weg der Isolierung der AfD ist der, mit dem wir uns über unsere Unterschiede hinweg zusammenschließen, auf dem wir uns gemeinsam und gegenseitig gegen die rechte Bedrohung verteidigen. Es ist der Weg, auf dem wir in breiten antirassistischen Bewegungen Proteste gegen die AfD organisieren.” Die Protestierenden von heute und von vergangenem Sonntag seien “schon ein großes Stück in Richtung der Isolierung der AfD gegangen. Aber der große Schritt, in dem wir uns als Gesellschaft mehrheitlich für diesen Weg entscheiden, dieser Schritt ist noch nicht getan. Wir müssen so viele werden, so stark, so breit, so bunt, so sichtbar, so überall, dass unser Druck von unten bis nach ganz oben wirkt.”
Auch der Redner der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA e. V.) rief zur “Einheitsfront” in der Gesellschaft und aller Fraktionen im Bundestag gegen die AfD auf. Mit den Worten einer Holocaust-Überlebenden erinnerte er daran, dass die NSDAP nicht verhindert wurde, weil die anderen Parteien sich nicht über ihre Unterschiede hinwegsetzten und gegen die Nazis verbündeten. Dafür gebe es für die Generation aus dem Dritten Reich “nur eine einzige Entschuldigung: Sie hatten keine Erfahrung, was Faschismus bedeutet, wenn er einmal an der Macht ist.” Da heutzutage aber allen bekannt sei, wohin es führt, wenn eine faschistische Partei im Parlament sitzt, “gibt es keine Entschuldigung mehr, wenn sie den Faschismus nicht verhindern.”
Die Protestierenden, von jungen Aktivist_innen, über Linken-Abgeordnete bis hin zu älteren Demonstrant_innen skandierten: “Alerta alerta antifascista” und “AfD, Rassistenpack, wir haben euch zum Kotzen satt”. Gegen 10:30 Uhr stieß noch eine Gruppe der Pulse of Europe Bewegung hinzu. Kurze Zeit später wurde die Veranstaltung jedoch bereits vom Anmelder aufgelöst, damit die Linken-Politiker rechtzeitig zur Sitzung in den Bundestag gelangen konnten.
Seitdem konstituiert sich der neue Bundestag. Bereits zu Beginn wurde der erste Antrag der AfD abgelehnt. Bernd Baumann, AfD-Parlamentsgeschäftsführer, hatte gefordert, die Sitzung von einem anderen Versammlungsleiter statt dem bisherigen Alterspräsidenten Hermann Otto Solms leiten zu lassen.
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