Als "Revisionisten" bezeichnen sich Rechtsextreme, die gegen das auf Forschung und Fakten gegründete Geschichtsbild über den Nationalsozialismus und seine Verbrechen Amok laufen. Es waren zunächst alte Nationalsozialisten, die seit den fünfziger Jahren an der Verteidigung des Nationalsozialismus arbeiteten. Zuerst bemühten sie sich darum, die deutsche Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu verkleinern.
Von Wolfgang Benz
Als Kronzeuge diente Anfang der sechziger Jahre der Amerikaner David L. Hoggan mit seinem Buch „Der erzwungene Krieg", das im rechtsradikalen Grabert Verlag erschien. Es gab sich als wissenschaftliche Studie und wartete mit einer Fülle von Quellenzitaten und Querverweisen, Fußnoten und Literaturangaben auf. Damit sollte der Anschein der Seriosität und umfassenden Dokumentenkenntnis erweckt werden und das Geschichtsbild, das Hitler als überlegenen friedfertigen Staatsmann und seine Gegner als kriegslüsterne Monster zeichnete, sollte als wissenschaftlich erwiesen dargestellt werden. Bei genauerer Betrachtung erwiesen sich die Quellenzitate allerdings als falsch oder verfälscht, die Literaturangaben als weithin unkorrekt und die Argumentation als unsinnig. Als revisionistische Propagandawaffe war das Buch aber sehr tauglich, denn es genügte, den Titel als Programm zu nehmen und auf die vermeintlich schlüssige Dokumentation zu verweisen.
Der "Revisionismus" etablierte sich als Hilfsideologie im Dienste rechtsextremer Ziele mit dem Anspruch, Geschichte zu „entkriminalisieren" und das Geschichtsbild durch Fälschung und Manipulation zu schönen. Die „Auschwitzlüge" hat die zentrale Funktion im Konzept des Revisionismus, als der Ideologie des Negierens der Verbrechen des NS-Staates, mit der Hitler-Apologeten, Alt- und Neonazis und Nationalisten das historische Bild des Nationalsozialismus retuschieren wollen.
Zu den „Autoritäten", auf die sich die Revisionisten berufen, gehört seit den sechziger Jahren der Franzose Paul Rassinier („Was ist Wahrheit? Die Juden und das Dritte Reich"). Sein Epigone Robert Faurisson stützt sich unter anderem auf den Juristen Wilhelm Stäglich, der 1979 das Buch „Der Auschwitz-Mythos" schrieb. Zu diesem Kreis zählen auch der amerikanische Professor im Fachgebiet Elektrotechnik Arthur R. Butz („Der Jahrhundertbetrug", 1977), der Brite David Irving und das in Kalifornien angesiedelte Institute for Historical Review oder das in Südaustralien von dem deutschstämmigen Frederick Thoben betriebene „Adelaide-Institut“. Bemerkenswert ist, dass alle diese „Autoritäten", die als „Wissenschaftler" auftreten und die in der einschlägigen Literatur als Experten, Doktoren, Professoren tituliert werden, keinerlei Fachkompetenz in Anspruch nehmen können. Ziel der Revisionisten ist nur Propaganda gegen die historische Wahrheit. Die Polemik, die sich „streng wissenschaftlich" gibt, erfolgt in Arbeitsteilung. Die Erwähnten spielen dabei die Rolle der wissenschaftlichen Autoritäten, sie verfassen Schriften und Bücher, deren Inhalt von Neonazis wie Ernst Zündel in Kanada, Gary Lex Lauck in den USA, Walter Ochensberger und Gerd Honsik in Österreich, Manfred Roeder, Udo Walendy und vielen anderen in Deutschland unters Volk gebracht wird – in Pamphleten, Flugblättern, Zeitschriften, Internetauftritten.
Der Revisionismus bedient sich pseudowissenschaftlicher Argumente und trägt sein Anliegen in bürgerlicher Sprache vor. Die Imitation von Wissenschaft durch Übernahme ihrer Formen –Abhandlung und Fußnote, Vortrag und Seminar, Tagung und Zeitschrift – konstituiert jedoch nicht Wissenschaftlichkeit und Seriosität, sondern dient lediglich dem Zweck, Verwirrung zu stiften und historische Wahrheit zu verneinen.
Der Ausdruck „Auschwitzlüge", mit dem unterstellt wird, die Realität des nationalsozialistischen Völkermords an den Juden existiere nicht, erschien erstmals als Titel einer 1973 veröffentlichten Broschüre des deutschen Nazis Thies Christophersen (1918—1997). Er war 1944 als SS-Mann in Auschwitz in einer Versuchsabteilung für Pflanzenzucht tätig gewesen. Die Kompetenz des Augenzeugen in Anspruch nehmend, wollte Christophersen (der mit dem Mordprogramm nichts zu tun hatte und dessen Arbeitsplatz sich an der Peripherie des Lagerkomplexes befand) nachweisen, dass Auschwitz für alle, auch für Häftlinge ein eher harmloser Aufenthaltsort war. Bei der Arbeit sei getanzt und gesungen worden und es habe einige Zeit gedauert, bis sich die in unterernährtem Zustand eingelieferten Häftlinge in Auschwitz „herausgefuttert" hätten.
Der Amerikaner Fred Leuchter, selbst ernannter Ingenieur und Hinrichtungsfachmann, verfasste den so genannten „Leuchter-Report", der seit 1988 kursiert. Mit ihm haben die Leugner des Völkermords und Apologeten des Nationalsozialismus eine neue Taktik der Anzweiflung, historischer Realität eingeführt, nämlich den Versuch, mit naturwissenschaftlichen und technischen Argumenten zu beweisen, dass die Morde in Auschwitz, Treblinka, Majdanek und allen anderen Vernichtungsstätten aus technischen Gründen gar nicht möglich gewesen seien.
„Naturwissenschaftliche Sachbeweise“ sollen historische Dokumente (deren Echtheit anzuzweifeln unter Auschwitz-Leugnern schon längere Tradition hat) entwerten und ersetzen, um historische Realitäten ungeschehen zu machen. Zu den Methoden gehören Spekulationen über die Wirkung des in Auschwitz verwendeten Giftgases Zyklon B ebenso wie „Berechnungen" über den Koksverbrauch, die Kapazität der Krematorien in den Vernichtungslagern oder über die Brenndauer von Leichen, immer mit dem Ziel nachzuweisen, dass die Massenmorde an den Juden gar nicht möglich waren. Das Urteil professioneller Naturwissenschaftler hierzu ist vernichtend, hindert die Auschwitz-Leugner aber nicht an ihrer Propaganda.
Als sich der Altnazi Otto Ernst Remer (Generalmajor a.D. und nach 1945 jahrzehntelang einer der Protagonisten der Neonazi-Szene) 1992 wegen Leugnens des Völkermords vor Gericht verantworten musste, beauftragte er einen Diplom-Chemiker mit einem „Gutachten über die Bildung und Nachweisbarkeit von Cyanidverbindungen in den ,Gaskammern` von Auschwitz". Mit Tabellen und Kurven, Zahlen und „chemischen Analysen" sollte einmal mehr bewiesen werden, dass die Morde in Auschwitz naturwissenschaftlich gar nicht möglich waren. Nach ihrem Verfasser heißt diese Schrift auch „Rudolf-Report“. Germar Rudolf (Jahrgang 1964) begann mit dem „Gutachten“ eine Karriere als Rechtsextremist. Er betätigte sich unter dem Namen Germar Scheerer (ebenso unter dem Pseudonym Ernst Gauss) im Ausland weiterhin einschlägig, wurde Chefredakteur einer Zeitschrift „Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung", die sich der Leugnung des Holocaust widmet. Vom Gericht wurde das Gutachten seinerzeit nicht akzeptiert. Für den Revisionismus wurde es zum zentralen Dokument, sein Verfasser zum Märtyrer einer Bewegung Unbelehrbarer. Im März 2007 wurde er, nachdem ihn die USA, wo er jahrelang wohnte, ausgeliefert hatten, in Mannheim zu 2½ Jahren Gefängnis verurteilt.
Die Leugner des Holocaust spekulieren mit solchen Methoden auf die Unsicherheit des Publikums gegenüber den historischen und moralischen Problemen, greifen verbreitete Vorbehalte und Stereotype gegen Juden auf und arbeiten geschickt mit Verschwörungstheorien und nationalistischen Emotionen.
Auftrieb erhoffte sich die einschlägige Szene von den israelfeindlichen und holocaustleugnenden Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Achmadinedschad und der von ihm initiierten Konferenz „Review of the Holocaust: Global Vision“, die am 11./12. Dezember 2006 in Teheran stattfand. Der iranische Präsident, der mit der Leugnung des Holocaust seinen Hass gegen Israel politisch instrumentalisiert, wurde für die Revisionisten zur Instanz, auf die sie sich beriefen. Unter dem Titel „Danke, Herr Präsident!“ war in der rechtsextremen Zeitschrift „Nation und Europa“ die Hoffnung auf Befreiung aus der vermeintlichen „immerwährenden Schuldknechtschaft“, die der Judenmord konstituierte, artikuliert: „Die von Washington und Tel Aviv mit Meinungsterror und militärischer Gewalt am Leben erhaltenen Welt-Unterordnung sieht sich mit einem Mal in die Schranken gefordert. Die ‚One-World‘ hat plötzlich wieder Konkurrenz bekommen: die Vision einer alternativen, gerechteren und vor allem ehrlicheren Weltordnung. “ Auf der revisionistischen Szene hat ein Generationen- aber kein damit verbundener Paradigmenwechsel stattgefunden. Den Wegbereitern Thies Christophersen, Paul Rassinier, Robert Faurisson, Wilhelm Stäglich sind jüngere gefolgt wie David Irving (Jahrgang 1938), Ernst Zündel (Jahrgang 1962), Germar Rudolf, Siegfried Verbeke (Jahrgang 1941) oder Horst Mahler.
Die groteske Beliebigkeit extremistischer Thesen zeigt sich wohl am deutlichsten im Fanatismus, mit dem Horst Mahler den Holocaust leugnet. Der einstige Anwalt (Jahrgang 1936) war in den 1970er Jahren Mitgründer der Rote Armee Fraktion (RAF) und saß wegen Beihilfe zum gemeinschaftlich versuchten Mord und zur gemeinschaftlichen Gefangenenbefreiung fast zehn Jahre lang in Haft, ehe er sich vom Linksextremisten zum Rechtsextremen wandelte und Ende der 1990er Jahre als Ideologe des Revisionismus in Erscheinung trat. 2000 bis 2003 war Mahler Mitglied der NPD, organisierte deren Verteidigung im Verbotsverfahren. Seinen Parteiaustritt begründete er mit der mangelnden Radikalität der NPD. Mahler entdeckte, gestützt auf einige Anhänger, die er 1994 im „Deutschen Kolleg“ um sich scharte, die Fortexistenz des Deutschen Reiches, schwang sich zum Protagonisten einer „Wortergreifung“ auf und begann einen „Feldzug gegen die Offenkundigkeit des Holocaust“. Getrieben von pathologischem Geltungsbedürfnis produzierte er sich — weit unterhalb seiner intellektuellen Fähigkeiten — als Reichsverweser und verkündete „Das Deutsche Reich lebt! Die Judäo-Amerikanische Despotie und ihre globalen Kapos werden zu Grunde gehen“ ; er stützte seine Argumentation auf die These, der Judenmord habe nicht stattgefunden, er werde lediglich behauptet, um die deutsche Nation unterdrücken zu können.
Wegen Volksverhetzung saß Mahler von Februar 2004 bis Januar 2005 auf der Anklagebank der Großen Strafkammer des Berliner Landgerichts. Er wurde zu neun Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Den Prozess hatte Mahler benützt, um sich als Antisemit darzustellen und in endlosen Tiraden, juristisch deklariert als „Einlassungen zur Sache“ mit Zitaten, Mutmaßungen, Behauptungen, revisionistische Positionen zu vertreten. Das Gericht bescheinigte ihm, dass seine keineswegs originellen Darlegungen vom Genuss an der Provokation geprägt seien, dass er aus intellektueller Selbstgefälligkeit und Geltungssucht schwadroniere.
Die kleine Schar seiner Anhänger hat er mit seinen Monologen überwiegend gelangweilt und in die Flucht getrieben. Als Vordenker des Revisionismus hat sich Mahler durch Eloquenz und dramaturgisches Geschick mit Phrasen und Zitaten, die im Internet Wirkung entfalteten, etabliert. Er hat die Ideologie des Revisionismus in dem infamen Satz komprimiert, der die Emotionen der Holocaustleugner vielleicht am betreffendsten spiegelt: „Milliarden von Menschen wären bereit, Hitler und dem Deutschen Volk den Völkermord an den Juden zu verzeihen, wen er ihn denn begangen hätte, nur weil sie sich keine andere Lösung der Judenfrage vorstellen können, als die Ermordung der Juden.“
Die Sekte der Revisionisten hat am 9. November 2003 den „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten e. V.“ mit Sitz in Berlin gegründet. Der Verfassungsschutz ging für 2005 von bundesweit etwa 120 Mitgliedern aus. Die Gründungserklärung, die wie das ganze Unternehmen Horst Mahlers Handschrift trägt, fordert, „endlich den Allgemeinen Volksaufstand zur Wiedererlangung der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches durch einen organisierten und geordneten Angriff auf die Auschwitzlüge als dem Fundament der Fremdherrschaft über das Deutsche Reich zu beginnen“. Im Dezember 2006 reisten Mitglieder des Vereins nach Teheran, um an der Veranstaltung „Review of the Holocaust: Global Vision“ teilzunehmen. Prominenz wie Horst Mahler und andere waren am Auftritt beim Revisionistentreffen wegen Gefängnisaufenthalts verhindert.