Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung vom Autor.

Dessau: Demo für Oury Jalloh

Am Sonntag demonstrierten in Dessau 3000 Unterstützer für die Fortsetzung der Ermittlungen im Fall Oury Jalloh. André Poggenburg, AfD-Fraktionsvorsitzender in Sachsen-Anhalt, rief zur Gegenkundgebung auf. Siegfried Daebritz, stellvertretender Pegida-Vorsitzender, verbreitete die Einladung auf mehreren Facebook-Seiten. Auch NPD-Mitglieder aus Dessau sagten ihre Teilnahme am Gegenprotest zu.

Von Henrik Merker

André Poggenburg behauptet, er wolle die Aufklärung des Falls Oury Jalloh und ein Ende der Proteste von „Linksautonomen“. Am Rande der letzten Oury-Jalloh-Demonstration, im Januar 2016, provozierte Poggenburg. Daraufhin wurde er von Demonstrierenden bedrängt. Zu einer direkten Auseinandersetzung kam es damals nach Polizeiangaben nicht. Ein Jahr später behauptet Poggenburg auf Twitter, er sei damals „tätlich angegriffen“ worden. Die Kundgebung als persönliche Rache?

Dass der Aufklärungswille reine Fassade ist, zeigt sich nicht nur in den Kommentarspalten. Auf Facebook heißt es gegenüber der Demonstration: „Knüppel frei für die Polizei“. Ein Kommentator fordert den Einsatz von Flammenwerfern. Oury Jalloh selbst wird in dutzenden Posts verunglimpft, AfD-Anhänger feiern seinen Tod.

Screenshot der Pegida-Facebookseite

Hundert Anhänger der AfD stehen auf den Parkflächen vom August-Bebel-Platz. Dreißig weitere Personen, unter ihnen Dessauer Neo-Nazis, stehen auf der Straße. Sie warten auf die linke Demonstration. Auf der AfD-Kundgebung wird sich am politischen Gegner abgearbeitet, um Oury Jalloh geht es ihnen nicht. Als „verderbliche Krankheit“ werden die Demonstrierenden von André Poggenburg beschimpft. Es ist eine Kundgebung des Hasses gegen einen jungen Mann aus Sierra Leone, der in deutschem Polizeigewahrsam starb. Ein Toter, bei dem mittlerweile ein Staatsanwalt davon ausgeht, dass er ermordet wurde.

Ein  Teilnehmer der AfD-Kundgebung interviewt Hans-Thomas Tillschneider, der ein Büro im Haus der rechtsextremen „Identitären“ in Halle betreibt. Die Kundgebung ist mittlerweile von einem Dutzend Polizeifahrzeugen umstellt. Einhundert Beamte sichern die Kreuzung am August-Bebel-Platz, Hamburger Gitter stehen auf der Straße. Der Kundgebungsteilnehmer, der gerade noch Tillschneider interviewte, vermummt sein Gesicht und läuft an mehreren Polizisten vorbei. Er will an die Absperrung. Die rechte Kundgebung wird nicht vor zur Straße gelassen, um eine Eskalation zu verhindern. Einige Teilnehmer tragen die bei Neo-Nazis beliebte Marke Thor Steinar – auf eine der Jacken ist die SS-Rune gedruckt.

3000 Menschen haben in Dessau Oury Jalloh gedacht.

Hans-Thomas Tillschneider unterhält sich vor dem Lautsprecherwagen mit Lutz Bachmann und Siegfried Daebritz (beide Pegida). André Poggenburg gesellt sich zu ihnen. Die anderen Teilnehmer scheinen sich zu langweilen. Eine halbe Stunde bevor die Demonstration an ihnen vorbeiläuft beendet die AfD ihre Kundgebung.

„Oury Jalloh das war Mord!“ ruft die Demonstration, als sie am August-Bebel-Platz vorbeiläuft, wo kurz zuvor die AfD protestieren wollte. Die Rechten sind fast alle weg, als 30 Personen aus der Demonstration ausbrechen wollen. Sie heben Gitter aus den Angeln, Böller und Flaschen fliegen in Richtung des Kundgebungsplatzes. Journalisten und Polizisten werden getroffen. Ordnerdienst der Demonstration und Polizei bekommen die Situation sehr schnell in den Griff. Zum Glück gibt es keine Verletzten, sagt der Polizei-Einsatzleiter kurze Zeit später.

Die Abschlusskundgebung der Demonstration.

Die Demonstration, laut Polizei nehmen 3000 Personen teil, läuft über den Dessauer Marktplatz zur Polizeistation, in der Oury Jalloh verbrannte. Manche der Demonstrierenden sind wütend, werfen symbolisch Feuerzeuge gegen die Eingangstür der Polizeistation. Andere legen Blumen nieder, gedenken dem Toten in Stille.

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