In Florida erschießt ein 19-jähriger in und vor seiner ehemaligen Highschool insgesamt 17 Menschen, 14 werden verletzt. Mitschüler berichten in Interviews, er habe sich unter anderem islamfeindlich geäußert. Das motiviert offenbar eine rechtsextreme Organisation, IS-Medienstrategien anzuwenden: Sie versuchen, das Massaker für ihre Bewegung zu vereinnahmen.
Von Simone Rafael
Die „White Supremacist“ („Weiße Vorherrschafts-“) Gruppe „Republic of Florida (ROF)“ fand offenbar Gefallen an dem Gedanken, dass der 19-jähriger Attentäter Nikolas Cruz aus Florida seine Tat (vgl. ZEIT) zumindest auch aus einer rechtsextremen Motivation heraus begangen haben könnte. Und so wandte sich ein Mann namens Jordan Jereb, der als Anführer der „Republic of Florida“-Gruppe gilt, an die Presseagentur „Associated Press“ und an die renommierte Antirassismus-Organisation „Anti-Defamation League“. Er gab an, der Attentäter Nikolaus Cruz sei zwar kein Mitglied der „ROF“ gewesen, habe aber an deren paramilitärischen Waffentrainings in der Region um Tallahassee teilgenommen. Er gab gleichzeitig an, die „ROF“ habe Cruz allerdings weder befohlen, noch motiviert, ein Schul-Attentat zu begehen (vgl. ADL).
Die „ROF“ sieht sich selbst als Teil des „White Supremacist Movements“, das für die Vorherrschaft der „weißen Rasse“ eintritt und einen „weißen Ethnostaat“ in Florida errichten will. Dafür wurden zum einen paramilitärische Konzepte übernommen, wie militärisch organisiert Strukturen, Waffen- und Kampftrainings und Uniformen. Zum anderen übernahm die Gruppe Ideen und Ausdrucksformen der rechtsextremen „Alt-Right“-Bewegung. Sie bezeichnet sich etwa selbst als „weiße Menschenrechtsorganisation die für weiße identitäre Politik kämpft.“ Die 2014 gegründete Vereinigung ist bisher nicht durch Gewaltvorfälle bekannt geworden; Mitglieder äußerten allerdings im Internet Fantasien wie „die Verräter meines Landes Florida werde in unseren Gerichten aufgehangen werden.“
Interessant daran: Offenbar gibt es zumindest diese behauptete Verbindung nicht. Die Polizei gibt an, intensive Kenntnisse über die Aktivitäten der „ROF“ zu haben, und es bestehe keine Verbindung zwischen dem Attentäter und der Vereinigung. In „Alt Right“-Diskussionsforen im Internet werden die Angaben ebenfalls bestritten, berichtet die ADL. Hier werde als Erklärung verbreitet, es sei ein Versuch, die Medien zu trollen und zu falscher Berichterstattung zu verleiten. Trotzdem erinnert diese Taktik auch an den IS, der auch strategisch versucht, im Nachhinein Attentate als zur eigenen Gruppe gehörig zu markieren, um damit Wirkungsmacht unter Beweis zu stellen und Ängste zu schüren.
Online gab es noch weitere Volten rechten Trollings. Ein Klassiker ist die Veröffentlichung von Fotos, die belegen sollen, dass der Täter zur Antifa oder zu kommunistischen Gruppierungen Kontakt gehabt hätte. Auch diesmal wurde das Foto eines komplett Unbeteiligten als Bild des Täters verteilt.
Gerade in der rechten Sphäre des “Imageboards” 4chan kursieren Fotos des Täters, die in Wahrheit einen Comedian und Autor namens Sam Hyde zeigen – ein Internet-Hoax, also eine Falschmeldung, aber einer mit Geschichte. Seit 2015 wird Hyde immer wieder als Täter in Amokläufen oder Terroranschlägen gepostet, und dieser Teil des Internets freut sich, wenn Medien darauf anspringen. Erstmal gelang dies 2015, als nach dem Amoklauf am Umpqua Community College CNN und BBC ein Foto von Sam Hyde als angeblichem Täter zeigten. Unter anderem wurde er übrigens in den USA als Täter des Attentats von München 2016 gezeigt. Interessanterweise ist Hyde selbst Teil der rechten Internet-Szene, macht Stand-Up-Comedy gegen „Political Correctness“, trollt Anti-Trump-Proteste und soll die rechtsextreme Website „The Daily Stormer“ finanziell unterstützt sowie laut Southern Poverty Law Center einen Shitstorm gegen eine jüdische Frau im Internet organisiert haben (vgl. Thatsnonsense.com).
Eine weitere beliebte Falschmeldung in Bezug auf den Amokauf an de Marjory Stoneman Douglas High School in Parkland, nahe bei Miami, hat eine rassistische Konnotation: Täter Nikolaus Cruz wäre ein „Dreamer“, also ein Mensch, der als junges Kind undokumentiert in die USA eingewandert ist, was entsprechend flüchtlingsfeindlicher Argumentationen in Deutschland konnotiert wird mit „wieder ein Einzelfall unter Beteiligung eines Dreamers“. Cruz war allerdings als Kind adoptiert worden und hielt sich nicht illegal in den USA auf (vgl. Snopes).
Mitschüler_innen beschreiben Nikolaus Cruz als wenig sozial akzeptierte Person. Seine Adoptiveltern sind beide innerhalb eines Jahres verstorben. Auf Instagram posiert er als Trump-Fan und Waffen-Narr, auf Youtube kommentierte er 2017, er werde ein „School Shooter“ sein, und die Wahl des Valentinstages als Tat-Tag lässt auch ein Beziehungsmotiv möglich erscheinen. Anders als bei anderen Schul-Attentaten besteht allerdings auch die Chance, später mehr Licht in seine Motivation zu bringen: Die Polizei verhaftete ihn kurze Zeit nach dem Attentat.