Cover des Buchs "Treblinka. Lager. Revolte. Flucht. Warschauer Aufstand." von Samuel Willenberg. Jetzt neu aufgelegt im Unrast-Verlag
Unrast-Verlag

Buchtipp: Eines der wenigen Zeugnisse des Grauens von Treblinka aus Sicht der Opfer

1986 erschien erstmals des jüdischen NS-Opfers Samuel Willenberg Buch "Aufstand in Treblinka" in hebräischer Sprache, erst 2009 erschien es auf deutsch. Nun geht dieses wichtige Zeitdokument in die zweite Auflage. In diesem Buch legt er seine Erinnerungen an seine Haftzeit im NS-Vernichtungslager Treblinka, seine Flucht und seine Teilnahme am Warschauer Aufstand im besetzten Polen dar.
 

Von Michael Lausberg

Der erste Teil des Buches handelt von dem grauenhaften Alltag im Lager, dem Tod von Samuel Willenbergs beiden Schwestern Tamara und Ita sowie des Aufstandes und seiner anschließenden Flucht.

Willenberg wurde im Oktober 1942 von den Nazis in Opatów verhaftet. Er wurde  wie der Großteil der jüdischen Gemeinde Opatóws  ins Vernichtungslager Treblinka deportiert. Dort wurde er dank eines Tricks als Arbeitshäftling registriert, während die restlichen Deportierten seines Transportes sofort in die Gaskammern geschickt wurden.  Seine Tätigkeit im Lager bestand darin, die Kleidung der kurz zuvor ermordeten Deportierten sortieren. Dies führte zu dem traumatischen Erlebnis, als er die Kleidung seiner beiden zuvor ermordeten Schwestern Tamara und Ita fand.  Am 2. August 1943 organisierte Willenberg zusammen mit anderen  Häftlingen eine Revolte, den Aufstand von Treblinka, um eine Massenflucht zu ermöglichen. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen. Willenberg gelang es, trotz einer Schussverletzung am Bein, wie 60 anderen Häftlingen zu entkommen.

Der zweite Teil des Buches behandelt das Leben nach der geglückten Flucht. Er beschreibt die Erfahrungen, die er mit Deutschen, Polen und Ukrainern gemacht hatte: „Anhand seiner prägenden Momentaufnahmen wird die doppelte Gefahr, denen Juden von deutscher und nationalistisch-polnischer Seite ausgesetzt waren, offensichtlich. (…) Zwar kämpfte er im (nicht-jüdischen) Warschauer Aufstand 1944 Seite an Seite mit polnischen Partisanen gegen die deutschen Besatzer. Doch seine jüdische Herkunft musste er vor den eigenen ‚Kameraden‘ verbergen und als jüdischer Partisan doppelt um sein Leben fürchten. Trotz dieser schrecklichen Situation vergisst Samuel Willenberg nicht zu differenzieren. Er erzählt auch von der Hilfe und Unterstützung durch katholische Polen. Ohne sie hätten er und sein Vater nicht überlebt.“ (S. 9f)

Im Auftrag einer zionistischen Organisation suchte Willenberg nach dem Krieg jüdische Kinder, die den Holocaust im Verborgenen überlebt hatten, und es gelang ihm, jüdische Jugendliche illegal nach Italien zu bringen. Willenberg emigrierte 1950 nach Israel und arbeitete vierzig Jahre lang dort für das Entwicklungsministerium.

Im Anhang gibt es noch ein Interview mit dem Autor sowie ein kurzes Porträt des Vernichtungslagers Treblinka.

Nach seiner Pensionierung schloss er ein Studium der Malerei, Bildhauerei und Kunstgeschichte in Tel Aviv ab. Seitdem ist  Willenberg als Bildhauer tätig und stellt Bronzefiguren her, die Menschen aus dem Lager Treblinka darstellen. In diesem Zusammenhang bemerkte er in dem Interview im Anhang des Buches: „Wenn ich bildhauere, dann ziehe ich mich in die Vergangenheit zurück und sehe verschiedene Einzelheiten aus meinem Leben. In dem Moment, als ich begann zu bildhauern, kamen die Bilder wieder zurück.“ (S. 225)

Seine Werke wurden in Ausstellungen u.a. im israelischen Präsidentenpalast und der Nationalen Kunstgalerie Zachêta in Warschau, aber auch in der BRD gezeigt. 1986 veröffentlichte er ein Buch über den Aufstand vor Treblinka in hebräischer Sprache, das in mehrere Sprachen übersetzt wurde. 2009 erschien es in deutscher Sprache.  Vor seinem Tod im Februar 2016 im Alter von 93 Jahren war er der letzte Überlebende des Aufstands im Vernichtungslager Treblinka.

Dieses Buch von einem Überlebenden des NS-Vernichtungslagers Treblinka ist eines der wenigen Zeugnisse des dortigen Grauens aus Sicht der Opfer und daher immens wertvoll. So wie Willenberg werden auch bald die letzten Zeitzeugen gestorben sein. Seine Erinnerungen sind ein tiefes Zeugnis seines tiefen Leidens in Treblinka, aber auch seines Mutes am Warschauer Aufstand teilzunehmen und gegen die NS-Schergen zu kämpfen. Ein Porträt einer erstaunlichen Persönlichkeit.

 

Samuel Willenberg: Treblinka.
Lager. Revolte. Flucht. Warschauer Aufstand.
2. Auflage,
Verlag: Unrast 
Münster 2018
ISBN: 978-3-897-71820-3
22 EURO (D)

https://unrast-verlag.de/neuerscheinungen/treblinka-293-detail

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