"Kategorie C" haben jede Distanz zum Rechtsextremismus aufgegeben. Im Onlineshop gibt es unter anderem T-Shirts mit "Deine Stadt gegen Salafisten" und "Antifa halt's Maul".
Screenshot, 21.12.2017

Bremen 2017: Rechtsextremismus in Fußball und Musik

Jahresrückblick 2017: "Kategorie C" ist inzwischen egal, ob sie als rechtsextreme Band wahrgenommen werden.  Die rechten Hooligangruppen „Standarte Bremen“ und „Nordsturm Brema“ sind zwar offiziell aufgelöst - doch die Menschen gehen weiter in Stadion und agieren wie gewohnt. Den Richtungsstreit in der AfD gewinnt der völkische Flügel. Dazu passt die Zusammenarbeit mit der "Identitären Bewegung".

 

Für den Belltower.News-Jahresrückblick befragen wir zivilgesellschaftlichen Initiativen und Akteur_innen über die Situation in ihrem Bundesland. 

 

Bevor wir uns den einzelnen Schwerpunkten der extremen Rechten im kleinsten Bundesland im Jahr 2017 widmen, müssen wir zunächst die Szene im Allgemeinen skizzieren. Generell können wir hierzu feststellen, dass sich das Bundesland Bremen vor allem durch die Vielfalt der unterschiedlichen Strömungen und Gruppierungen auszeichnet. Zu finden sind hier Parteien, Fußballgruppierungen, klassische Kameradschaften und Bruderschaften, Bands, Bürger*inneninitiativen, Reichsbürger*innen und Gruppierungen der neuen Rechten. Klar voneinander abgrenzen lassen sich die unterschiedlichen Gruppen häufig nicht. Zu beobachten ist beispielsweise, dass Mitglieder aus Bands gleichzeitig auch eine Bedeutende Rolle in der rechten Hooliganszene spielen oder dass es Überschneidungen zwischen der Alternative für Deutschland und der „Identitären Bewegung“ gibt. Zudem zeichnet sich Bremen dadurch aus, sodass sich viele Protagonist*innen aus unterschiedlichen Strömungen zum Teil seit Jahren kennen und punktuell auch miteinander kooperieren. Und auch wenn eine Gruppe eine Zeitlang nicht aktiv in Erscheinung tritt, heißt dies nicht, dass sie nicht mehr besteht.

Im Folgenden gehen wir daher nicht auf jede einzelne Gruppierung ein, sondern konzentrieren uns auf die wichtigsten Entwicklungen und Ereignisse im vergangenen Jahr.

 

Bremer Rechtsrockexporte

Nachdem die Band ‚Kategorie C‘ (KC) um Sänger Hannes Ostendorf im Februar ihr 20-jähriges Jubiläum feierte und es zu einem erneuten Wechsel in der Besetzung gekommen ist, spielte die Band über das gesamte Jahr verteilt mehrere Konzerte (u.A. Verona, Wien, Themar, Wahlstedt (Kreis Segeberg). Zudem brachte die Band ein neues Album mit dem Namen „Gott mit uns“ heraus. Während KC vor einigen Jahren noch versucht hat, sich mit dem Slogan „Fußball ist Fußball und Politik ist Politik“ als unpolitische Band darzustellen, ist dies der Band mittlerweile vollkommen egal. Neben Kategorie C spielt die Band in der selben Besetzung auch unter dem Namen „Nahkampf“, einer bereits 1988 gegründeten Rechtsrockband von Sänger Hannes, die dem Nazi-Netzwerk „Blood & Honour“ nahe steht. Die Band spielte in diesem Jahr aber nicht nur Konzerte, sondern beteiligte sich auch wieder an Demonstrationen. So waren Hannes Ostendorf und Stefan „Erni“ Behrens am 11. Februar am „Day of Honour“ in Budapest, einem neonazistischem Gedenkmarsch aus dem Spektrum von ungarischen Skinheads und „Blood & Honour“ zugegen.

Kategorie C ist allerdings nicht die einzige Rechtsrock Band aus Bremen, die 2017 in Erscheinung getreten ist. So veröffentlichte auch die Skinheadband „Endstufe“ eine neue Live-LP und spielte einige Konzerte. Darüber hinaus tauchte die Grauzonen-Band „Loi!chtfeuer“ aus Bremerhaven auf, die sich sich zwar selbst als Punks verstehen, allerdings auf dem Label „Subcultural Records“ veröffentlichen, auf dem sich auch einige RAC-Bands vertreten sind.

 

Immer wieder Nazis beim Fußball

Offiziell haben sich die rechten Hooligangruppen „Standarte Bremen“ und „Nordsturm Brema“ Anfang 2015 aufgelöst. Dem voraus ging ein Urteil des Bundesgerichtshofes, in dem es heißt, dass Hooligan-Gruppen als kriminelle Gruppierungen eingestuft werden können. Schon damals lag der Verdacht nahe, dass es sich eher um ein taktisches Manöver als um eine reale Auflösung gehandelt hat. Dass dem tatsächlich so ist, zeigen nach wie vor die Aktivitäten aus dem Personenkreis. In unregelmäßigen Abständen tauchen die Mitglieder im Umfeld von Werderspielen auf. Auch sind die Gruppen weiterhin bei sogenannten „Ackermatches“ aktiv. Ebenfalls treten die Gruppierungen weiterhin öffentlich unter den alten Namen in Erscheinung. So hing im Oktober beim Spiel Rot Weiss Essen gegen RW Oberhausen die Fahne der Standarte in der Kurve der Essener, zu denen eine mehr als 30-jährige Freundschaft besteht.

Im Dezember kam es zudem zu einer wiederholten Auseinandersetzung mit linken Ultras von Werder Bremen, als diese nach dem Spiel gegen Mainz gemeinsam durch das „Viertel“ (einem alternativen Stadtteil) gezogen sind. Die Hooligans hatten sich zuvor in einer Kneipe gesammelt und bewaffnet. Als die Ultras an der Kneipe vorbeigekommen sind, kam es zu schweren Ausschreitungen.

 

AfD und Identitäre Bewegung machen gemeinsame Sache

Im Jahr 2015 zog die „Alternative für Deutschland“ (AfD) zum ersten Mal mit vier Abgeordneten  in die Bremer Bürgerschaft ein. Doch bereits zu Beginn der Legislaturperiode kam es zu ersten Zerwürfnissen. Im Zuge des Austritts des damaligen Bundesprechers der AfD Bernd Lucke und der Gründung der Partei „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ (ALFA) traten auch drei der vier Abgeordneten aus der AfD aus. Verblieben ist allein Alexander Tassis, der zeitgleich auch der Bundessprecher der Interessengemeinschaft „Homosexuelle in der AfD“ ist. Wie also bereits in den vergangen Jahren zu erkennen war, tobt innerhalb der AfD in Bremen ein Richtungsstreit, der spätestens in diesem Jahr entschieden wurde.

Frank Magnitz, der bereits seit Juni 2015 Landessprecher ist, zog bei der Bundestagswahl in den Bundestag ein. Magnitz ist ein Vertrauter von Björn Höcke und somit dem völkischen Flügel zuzurechnen. Noch interessanter ist die Entwicklung der AfD, wenn man die enge Zusammenarbeit mit der „Identitären Bewegung“ (IB) betrachtet. Beim Landesparteitag im Dezember wurden Robert Teske zum zweiten stellvertretenden Vorsitzenden und Marvin Mergard, der außerdem im Beirat Bremen-Vegesack sitzt, zum Schriftführer gewählt. Teske betreibt in seiner Freizeit den rechten Podcast „90 Grad“ und Mergard den YouTube-Channel „Dunkle Eule“. Gemeinsam waren sie im Juni mit den Bremer Identitären auf der Demonstration "Zukunft Europas" in Berlin und bei Aktionen der Identitären in Bremen zumindest in der Nähe. Auch der Verfassungsschutz spricht mittlerweile von Überschneidungen zwischen der IB und der AfD. Die IB hat außerdem die AfD maßgeblich beim Wahlkampf unterstützt. Der Beschluss des Bundesverbandes aus dem Juni 2016, erscheint in diesem Zusammenhang abermals als eine Nebelgranate.

Die Identitäre Bewegung selbst trat in diesem Jahr vor allem durch Plakataktionen auf. Die bekannteste davon war, als Mitglieder der IB das Segelschiff Alexander von Humboldt besetzt und ein Transparent mit der Aufschrift „Festung Europa! Grenzen schützen – Leben retten. Hilfe vor Ort statt Asylwahn“ gezeigt haben. Gemeinsam mit Frank Magnitz, Marvin Mergard und Robert Teske verteilte die Identitäre Bewegung zudem beim Wahlkampfauftritt von Angela Merkel Flyer und hetzte gegen die Geflüchtetenpolitik der Bundesregierung.

 

Unterschiedliche Anschläge

Neben den Aktivitäten von organisierten Akteur*innen den rechten Szene kam es im Jahr 2017 allerdings auch zu zahlreichen Anschlägen und Aktionen, die bisher keinem Spektrum zuzuordnen sind. Diese wollen wir zumindest in Kurzform festhalten:

  • An einem Haus im Bremerhavener Stadtteil Lehe wurden die Fenster eines leerstehenden Hauses, welches von einem türkischen Immobilienmakler verwaltet wird, mit Hakenkreuzen beschmiert.
  • Am 6. März wird ein 19-jähriger tagsüber in der Nähe des Hauptbahnhof rassistisch beleidigt und mit einem Messer bedroht.
  • Im Stadtteil Hastedt wurde auf dem alten jüdischen Friedhof am jüdischen Gedenktag für die Ermordeten des Holocausts, Jom Ha Schoah, auf einen Grabstein ein Hakenkreuz gesprüht.
  • Am 20. Juni führte das Bundeskriminalamt bundesweit Razzien gegen Personen durch, die Hasspostings veröffentlicht haben. Auch in Bremen wurde in diesem Zusammenhang ermittelt.
  • Anfang Juli wurde ein Buttersäureanschlag auf die Räumlichkeiten des gemeinnützige Vereins RAT&TAT verübt. Das RAT&TAT versteht sich als Interessenvertretung von LGTBIQ-Menschen und dient zudem als Treffpunkt.
  • Bei einem Brand in einer Geflüchtetenunterkunft wurden am 11. Juni 14 Bewohner*innen verletzt. Die Staatsanwaltschaft spricht von Brandstiftung. Wer die Täter*innen sind, ist nicht geklärt.
  • Im Stadtteil Gröpelingen wurde die größte Moschee Bremens in der Nacht zum 24. September mit antimuslimischen Parolen besprüht. Außerdem waren Spuren von abgebrannten Feuerwerkskörpern in einem Briefkasten und an einem Fenster zu finden.
  • In Bremerhaven wurde im August ein Gedenkstein vor der alten Synagoge mit einem Hammer beschädigt.
  • Am Bremer Rathaus wurden zwei historische Fenster der unteren Rathaushalle Anfang Oktober zerstört. Im Rathaus wurde zu dem Zeitpunkt die Wanderausstellung "Malyj Trostenez" gezeigt, welche an das Vernichtungslager Malyj Trostenez erinnert. Die Polizei gibt dazu an, dass es zwar keine Hinweise auf eine politische Tat gebe, dennoch ermittele der Staatschutz.
  • Anfang Dezember wurde auf eine Betonmauer am Gedenkort Bunker Valentin der Spruch „Stoppt den Schuldkult“ gesprüht. Im Umfeld des Bunkers kommt es immer wieder zu Sprühereien und Aufkleberaktionen.

 

Ausblick 2018

Die Entwicklungen und Vorfälle im Jahr 2017 zeigen eindeutig, dass auch Bremen und Bremerhaven keine nazifreien Städte sind. Die Vielfalt an unterschiedlichen Gruppierungen und Strömung macht es insgesamt schwierig, die gesamte Szene im Detail zu beobachten. Am interessantesten wird sicherlich aber die weitere Entwicklung der Identitären Bewegung und ihrer Zusammenarbeit mit der AfD sein. Von Interesse vor allem, in wie weit die IB mit Kamerad*innen der „alten Rechten“ zusammenarbeitet. So gibt es zumindest Hinweise, dass Kontakte bestehen.

Daneben wird die Entwicklung in der Fanszene zu beobachten sein. Dass Nazis nach wie vor zum Fußball gehen werden, ist vollkommen klar. Dass diese jedoch wieder zu alter Hegemonie in der Kurve finden, ist eher unwahrscheinlich. Spannend ist viel mehr die Frage, wie die Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit verhandelt werden.

 

 

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