Was tun, wenn der Käufer im Haus nebenan ein rechtes Schulungszentrum eröffnet? Wie kann die demokratische Zivilgesellschaft darin gestärkt werden, öffentlichen Raum zu verteidigen? Um diese Fragen geht es im Projekt Creating public spaces.
Amadeu Antonio Stiftung

Berlin: Konferenz "Öffentliche Räume für demokratische Kultur schaffen!"

Konferenz in Berlin am 11. Juli 2016: Wie können lokale Angsträume oder gar Hegemonien von Rechtsextremen und anderer krimineller Gruppen zurückgedrängt werden? Wie kann die demokratische Zivilgesellschaft darin gestärkt werden, gleichberechtigten öffentlichen Raum zu verteidigen, ohne sexistische, rassistische oder sonstige Formen von Einschüchterung und Gewalt? Diesen Fragen geht die Amadeu Antonio Stiftung gemeinsam mit deutschen und italienischen Partnern im EU-geförderten Projekt Creating public spaces nach. Denn von rechtsextremen oder anderen kriminellen Gruppen genutzte Immobilien spielen bei der Herstellung und Reproduktion von Angsträumen und sog. „No-Go-Areas“ eine zentrale Rolle. Dies ist sowohl in städtischen, als auch besonders in ländlichen Gegenden Deutschlands stark zu beobachten.
 

Von Tobias Scholz
 

Ausgangspunkt für das Projekt ist ein deutsch-italienischer Vergleich rechtlicher Grundlagen und Praxis in Bezug auf die Beschlagnahmung von Immobilien von Mafien, anderer krimineller Vereinigungen und rechtsextremer Gruppen. Im Zuge der Anti-Mafia-Gesetzgebung in Italien hat sich der Einzug von Vermögenswerten und Immobilien als Präventivmaßnahme bewährt. Auch in Deutschland können bei Verboten von Vereinigungen oder Parteien Immobilien eingezogen werden. In Italien hat die Zivilgesellschaft jedoch durchgesetzt, dass eine Weiternutzung eingezogener Immobilien durch demokratische soziale oder gemeinnützige Organisationen erfolgt. 

So gibt es in Italien inzwischen ein landesweites Netz zehntausender Immobilien, die per Ausschreibung an zivilgesellschaftliche Akteure und Projekte gegangen sind. Sie bewirtschaften dort kooperativ agrarische Ländereien, betreiben karitative Sozialeinrichtungen, oder verändern und öffnen mit Mitteln politischer und kultureller Bildung Sozialräume und Lebenswelten vor Ort.

Bei der Prüfung einer Übernahme des italienischen best practice Modells, welche in der EU Richtlinie 2014/42 empfohlen wird, müssen hiesige Erfahrungen eklatanten Missbrauchs bzw.  willkürlichen Einsatzes staatlicher Beschlagnahmungsbefugnisse bedacht werden. Die Konferenz „Öffentliche Räume für demokratische Kultur schaffen!“ bringt aus diesem Grund renommierte Expert_innen aus den Rechts- und Geschichtswissenschaften in Deutschland und Italien zusammen, um auf einem soliden Fundament aktuelle Gesetzesvorlagen der Bundesregierung zur Umsetzung der EU-Richtlinie zu prüfen. 

Auf der in Kooperation mit den Projektpartnern Landesregierung Kalabrien, Osservatorio sulla 'ndrangheta (Reggio Calabria) und Echolot – Projekte für Zivilgesellschaft, gegen Mafien e.V., sowie der Humboldt Universität Berlin (Lehrstuhl Prof. Martin Heger) organisierten Veranstaltung sprechen unter anderem

  • der Mafia-Historiker Dott. Enzo Ciconte, ehem. ital. Parlamentsabgeordneter und von 1997-2012 beratendes Mitglied des Anti-Mafia Ausschusses des Parlaments. Verfasser der ersten Monografie über die Geschichte der 'ndrangheta im Jahr 1992, unterrichtet Geschichte und Ausdrucksformen der Mafien an den Universitäten Roma Tre, L'Aquila und Pavia.
     
  • Prof. Dr. Frank Meyer, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und Strafprozessrecht unter Einschluss des internationalen Strafrechts an der Universität Zürich. Prof. Meyer war Mitglied in einer Arbeitsgruppe des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz, die im März 2016 den Referentenentwurf für ein Gesetz zur Erleichterung der Vermögensabschöpfung vorgestellt hat.
     
  • Beate Schreiber, Historikerin und Mitgründerin des historischen Forschungsinstituts Facts & Files. Betreute in den letzten Jahren Projekte wie die Aufarbeitung der  Geschichte der Banken sowie der „Arisierung“ jüdischer Unternehmen in der Zeit des Nationalsozialismus, Enteignungen auf dem Gebiet der Sowjetisch Besetzten Zone und in der DDR sowie die NS-Vergangenheit von Mitarbeitern des Bundesamts für Verfassungsschutz.
     
  • Dott. Ottavio Sferlazza, ehem. Ermittlungsrichter in Palermo, später bei der Staatsanwaltschaft Caltanisetta, dort Richter am Schwurgericht wird. Als solcher leitet er wichtige Mafia Prozesse, u.a. den Prozess gegen das Leitungsgremium der sizilianischen Cosa Nostra wegen der Ermordung des Ermittlungsrichters Giovanni Falcone. Im Jahr 2009 wird er beigeordneter Leiter der Staatsanwaltschaft von Reggio Calabria, seit 2015 bei der Staatsanwaltschaft von Palmi in Kalabrien, die er als 'Procuratore della Repubblica' leitet.
     

Moderiert wir die Veranstaltung von Dr. Irina Mohr, Leiterin des Forums Berlin der Friedrich Ebert-Stiftung und Autorin des Buches „Grundrechte und Öffentlichkeit in Europa: Eine Untersuchung zur Genese der Grundrechtscharta der Europäischen Union und ihrer Öffentlichkeitskonzeption“ (Berlin, 2007).
 

An der abschließenden Diskussion nehmen außerdem teil:

  • Prof. Dr. Martin Heger (Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Europäisches Strafrecht und neuere Rechtsgeschichte der Humboldt Universität zu Berlin)
  • Anetta Kahane (Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung)
  •  Jürgen Roth (Publizist, u.a. Autor von „Mafialand Deutschland“, 2009 und „Der Tiefe Staat – Die Unterwanderung der Demokratie durch Geheimdienste, politische Komplizen und den rechten Mob“, 2016)
  • Luca Ruzza (Architekt, Stadtplaner, Partner des Osservatorio sulla 'ndrangheta, Reggio Calabria, und Dozent an der Universität Rom „La Sapienza“)

 

Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte: tobias.scholz@amadeu-antonio-stiftung.de

 

Konferenz "Öffentliche Räume für demokratische Kultur schaffen!"

11. Juli 2016, 16-20 Uhr

Humboldt Universität Berlin, Unter den Linden 6, Raum 2002

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