+++ Neustadt/Orla: 17-jähriger Geflüchteter auf offener Straße krankenhausreif geschlagen +++ Jena: Betrunkener belästigt und bedroht Nichtdeutsche +++ Nach Überfall auf Legida-Ordner: Grünen-Politiker Kasek wird massiv bedroht +++ Die AfD zerlegt sich I, II & III
Neustadt/Orla: 17-jähriger Geflüchteter auf offener Straße krankenhausreif geschlagen
Ein syrischer Asylbewerber ist am Montagabend in Neustadt (Thüringen, Saale-Orla-Kreis) auf offener Straße angegriffen und schwer verletzt worden.
Wie die Polizei am Dienstagnachmittag mitteilte, war der 17 Jahre alte Jugendliche am frühen Montagabend vor einem Einkaufsmarkt von einem Mann angegriffen und dabei schwer verletzt worden. Er wurde in ein Krankenhaus nach Jena gebracht. Welcher Art Verletzungen dem Jugendlichen zugefügt wurden, teilte die Polizei nicht mit.
Derzeit konzentrierten sich die Ermittlungen auf einen mutmaßlichen Täter, heißt es. Es werde zudem geprüft, ob es für die Attacke ausländerfeindliche Motive gab.
Jena: Betrunkener belästigt und bedroht Nichtdeutsche
Am Montagnachmittag belästigte und bedrohte ein betrunkener Mann in Jena-Lobeda mehrere vermeintliche Ausländer. Zunächst traf er auf eine Gruppe „asiatisch aussehende Personen“ und bepöbelte sie, meldet die Polizei. Die Personengruppe sei daraufhin weitergegangen.
Gleiches sei kurz danach gegenüber Menschen passiert, die die Polizei ebenfalls als Ausländer beschreibt, die gerade aus einem Bus gestiegen waren. Möglicherweise habe es sich bei ihnen um Studenten des nahe gelegenen Studentenwohnheims gehandelt. Schließlich habe der Mann an der Haltestellle noch eine Geste vollführt, bei der er mit seiner Hand eine Pistole nachahmte und auf einen vermeintlichen Ausländer zielte, der dort saß. Der stark alkoholisierte Mann entfernte anschließend.
Nach Überfall auf Legida-Ordner: Grünen-Politiker Kasek wird massiv bedroht
Nachdem ein Ordner von Legida am Montagabend vor seinem Wohnhaus in Böhlen zusammengeschlagen wurde, behaupten die Rechtspopulisten nun, Grünen-Politiker Jürgen Kasek stecke hinter dem Überfall. Kasek ist deshalb seit Dienstagmorgen Zielscheibe massiver Drohungen im Internet.
Die rechtspopulistische Initiative Legida und die Partei „Wir für Leipzig“ von Ex-NPD-Stadtrat Enrico Böhm unterstellen Kasek, verantwortlich für den Überfall auf einen Legida-Ordner in Böhlen zu sein. Entsprechende Einträge auf Facebook-Seiten wurden inzwischen mehr als 2000 Mal geteilt. Seitdem rufen einzelne Nutzer offen zur Gewalt gegen den Landesvorsitzenden der Grünen auf.
Der Leipziger Politiker und Rechtsanwalt spricht von einer ganz neuen Qualität der Bedrohung: „Ich kam heute in mein Büro und hab schon gesehen, dass da diese Behauptungen im Netz kursieren. Seitdem bekomme ich zahllose Mails und anonyme Anrufe“, sagte er. Dabei würden Fotos des Grünen-Politikers und die Adresse der Anwaltskanzlei verbreitet, außerdem die Privatanschrift anderer Familienangehöriger mit Fotos. „Das ist eine sehr harte Bedrohungslage und der Höhepunkt einer Kampagne, die seit Wochen gegen mich läuft“, sagte Kasek.
Die AfD zerlegt sich I: AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag gespalten
Die kurzfristig anberaumte Pressekonferenz beginnt zehn Minuten früher als angekündigt. Für eine einvernehmliche Lösung im Antisemitismus-Streit ist es da aber längst zu spät. Stattdessen verkündet der amtierende Vorsitzende der AfD-Landtagsfraktion, Jörg Meuthen, um 15.50 Uhr am Dienstagnachmittag einen Schritt, der bundesweit ohne Beispiel ist und den er „unausweichlich“ nennt: Mit zwölf weiteren Abgeordneten wird er die AfD-Fraktion mit Ablauf des Dienstags verlassen. Der Partei aber gehören die 13 weiter an. Mehr noch: Der AfD-Bundesvorstand will ausweislich eines Beschlusses nur noch Meuthens Gruppe als Vertreter der AfD im Stuttgarter Landtag betrachten.
Kurz nach der Pressekonferenz taucht Petry tatsächlich auf, macht erst den Abgeordneten, die Meuthen nicht gefolgt sind, ihre Aufwartung, zieht sich dann zum Vier-Augen-Gespräch mit Gedeon zurück.
Dabei ist der Antisemitismus-Streit in der Partei nur vordergründig. Die Causa Gedeon, so urteilen die meisten Kommentatoren, ist ein Instrument im parteiinternen Machtkampf: Das Trio Meuthen, Bundes-Vize Alexander Gauland und der Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke wollen eine Spitzenkandidatin Petry verhindern. Seit Monaten geht es in der AfD - wie im vergangenen Jahr unter dem ausgetretenen Mitgründer Bernd Lucke - eigentlich nur um diese eine Frage: Wer setzt sich durch, Meuthen oder Petry?
Die AfD zerlegt sich II und III: Streit in Sachsen-Anhalt eskaliert, Saarland unkontrollierbar
Von Flügelkämpfen geschüttelt wird auch die Magdeburger Landtagsfraktion der Rechtspopulisten. Dort hatte Frontmann André Poggenburg zunächst angekündigt, als Fraktionschef nicht weiter Landeschef bleiben zu wollen. Dort gibt es Streit um den Umgang mit der rechtsradikalen Aktivistentruppe der „Identitären“. Poggenburg hat unter Druck angekündigt, den Fraktionsvorsitz aufzugeben. Nun trat Landesschatzmeisterin Yvonne Sturm zurück und warf ihm zudem autoritären Stil und Lügen vor. In einer Stellungnahme vom Dienstag erklärte Sturm: „Ich bin bei Amtseintritt von einer professionellen Arbeit ausgegangen, die es aber nicht gegeben hat.“
Zudem reiht sich die Spaltung im Südwesten ein in den Ärger mit dem Saar-Landesverband. Die dortige Truppe um den 1939 geborenen pensionierten Lehrer Josef Dörr will der Bundesvorstand am liebsten ganz auflösen. Doch das Bundesschiedsgericht der Partei hat noch nicht entschieden - und der ungeliebte Landesverband hat am Wochenende unbeeindruckt eine Liste für die Landtagswahl 2017 aufgestellt, die vom Pressesprecher und Dörr-Vertrauten Rudolf Müller angeführt wird. Die jüngste Umfrage sieht die AfD mit immerhin elf Prozent in den Saarbrücker Landtag einziehen. Dort könnte, so das Schiedsgericht nicht bald entscheidet und der Bundesvorstand die nötige Durchsetzungskraft aufweist, also eine zweite unerwünschte Landtagsfraktion entstehen.
- https://www.neues-deutschland.de/artikel/1017732.die-afd-verdoppelt-sich-nicht-nur-in-stuttgart.html
Antisemiten für Deutschland – Höcke lobt Gedeons Werk für „notwendige Klarheit“
Wie hältst Du’s mit Gedeon? Über diese Frage hat sich gestern die Landtagsfraktion der AfD in Baden-Württemberg zerlegt. Es gibt ein weiteres Werk des Abgerodente, in dem dieser gegen Juden und Amerikaner polemisiert. Björn Höcke lobt „die notwendige Klarheit” des Werks.
Das Werk des baden-württembergischen AfD-Abgeordenten Wolfgang Gedeon vom November vergangenen Jahres ist nur 56 Seiten dick, enthält aber jede Menge kruder Theorien, revanchistische Ansichten und antisemitischer Vorurteile. Es ist bisher nur Insidern bekannt und trägt den sperrigen Titel: „Grundlagen einer neuen Politik über Nationalismus, Geopolitik, Identität und die Gefahr einer Notstandsdiktatur“.
Der thüringische AfD-Sprecher Björn Höcke hat Gedeons Schrift im Dezember 2015 auf Facebook ausdrücklich gelobt und zur Lektüre empfohlen. Höcke würdigte Gedeons Arbeit in einem ausführlichen Beitrag. So verstehe es Gedeon, laut Geschichtslehrer Höcke, „die Lage Deutschlands und Europas – auch im historischen und philosophischen Rekurs – für jeden nachvollziehbar zu entwickeln“.
Ex-Pegida-Frontfrau will im Kampf gegen Flüchtlinge "notfalls" ihr Leben geben
Es ist ein flammender Appell, für die "Festung Europa" zu kämpfen - und gegen Flüchtlinge. Kundgebung in Leipzig von Legida: Tatjana Festerling, Ex-Frontfrau von Pegida, steht am Montagabend auf der Lkw-Bühne. Sie trägt eine Jacke in Tarnfarben, am Revers das Abzeichen einer paramilitärischen Bürgerwehr aus Bulgarien und appelliert an die anwesenden Männer - möglichst jene "mit militärischer oder polizeilicher Ausbildung" -, ans Schwarze Meer zu reisen und sich in der Grenzregion zur Türkei dem Einsatz der dortigen "Patrioten" gegen die "Invasoren" anzuschließen.
Festerling war vergangene Woche im Rahmen einer großen Europareise von Dänemark über die Slowakei, Ungarn und Rumänien auch in Bulgarien. Gemeinsam mit ihrem Mitstreiter Edwin Wagensveld, der bei Pegida als "Ed, der Holländer" bekannt wurde, schloss sie sich den Patrouillen der Vasil-Levski-Truppe, einer Art privater Heimatarmee von Nationalisten.Sie traf auch Petar Nizamov. Der "Flüchtlingsjäger" war im April verhaftet und unter Hausarrest gestellt worden war, wie bulgarische Medien berichteten.
23 Minuten insgesamt spricht Festerling beim Leipziger Pegida-Ableger. Sie sagt voraus, dass sich "in den nächsten Jahren 540 Millionen Afrikaner auf den Weg nach Europa machen". "Pfui", ruft das Publikum. Sie erklärt: "Aber wisst ihr was. Es ist uns wurscht. Wir sind bereit (...), notfalls auch unser Leben zu geben." Ihre Anhänger spenden Applaus.
Die lange Leitung des Amtes – V-Mann „Corelli“ und der NSU
Corelli, immer wieder Corelli. Erneut bereitet der verstorbene V-Mann dem Verfassungsschutz Ärger. Und wieder geht es um Corellis Handy, das jüngst plötzlich in einem Panzerschrank des Geheimdienstes auftauchte. Laut Verfassungsschutz wurde dieses Handy erst nach 2012 genutzt. Eine Recherche zeigt: Das ist falsch.
Als im Juli vergangenen Jahres plötzlich ein Handy Corellis im Panzerschrank seines ehemaligen V-Mann Führers gefunden wurde, wiegelte der Verfassungsschutz ab: Das Handy sei von Richter rein privat und nur von Mai bis September 2012 genutzt worden – nach Auffliegen des NSU-Trios. „Weder das Smartphone noch die dazugehörige SIM-Karte liefern Hinweise auf eine etwaige Beziehung Corellis zum NSU-Trio“, schrieb das Amt in einem vertraulichen Bericht an den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Schon der Nutzungszeitraum sei „nicht geeignet, die Aufklärung der NSU-Morde zu befördern“.
Das ist so nicht zutreffend. Denn die Nummer der fraglichen SIM-Karte wurde wesentlich länger von Richter genutzt, als es der Verfassungsschutz bisher einräumt. Richter gab bei einer Befragung auch an, diese Nummer seit Ende seiner Bundeswehrzeit zu besitzen, seit 1995. „Die hat sich seither nicht mehr geändert“, sagte er den Ermittlern. Als 2001 ein Rechtsrockhändler in Ostfriesland durchsucht wird, steht sie in dessen Telefonverzeichnis. 2007 taucht die Nummer bei einer BKA-Abhörmaßnahme gegen den Thüringer NPD-Kader Thorsten Heise auf. Heise bewegte sich im NSU-Umfeld: Er hielt Briefkontakt zum heute in München als NSU-Helfer angeklagten Holger G. Von diesem soll er 1999 auch angesprochen worden sein, ob er helfen könne, das untergetauchte Trio „außer Landes zu bringen“.
NSU-Prozess: Wie die Mordwaffe identifiziert wurde und was Brandt über das Verfahren denkt
Zwei höchst unterschiedliche Zeugen wurden am 294. Verhandlungstag im NSU-Prozess befragt. Erst erläuterte ein Waffen-Sachverständiger vom BKA, wie er die herausgefeilte Produktionsnummer der Mordwaffe Ceska wieder sichtbar gemacht hat.
Das zweite Thema, mit dem sich Strafsenat beschäftigte, drehte sich um einen Vorfall, der sich am 17.Juni 2014 im Gefängnis München-Stadelheim zugetragen hat. Der einstige Chef der Neonazi-Kameradschaft "Thüringer Heimatschutz" (THS) und Verfassungsschutzspitzel Tino Brandt - er war so etwas wie ein Mentor der drei späteren NSU-Terroristen - war dort kurzzeitig inhaftiert, um im NSU-Prozess auszusagen. Auf der Krankenstation der Jugendvollzugsanstalt erkannte ihn ein Mithäftling und suchte gezielt den Kontakt zu dem einstigen Neonazi-Führer. Das rund einstündige Gespräch, das er daraufhin mit Brandt geführt haben will, erschien ihm - laut eigener Aussage - so brisant, dass er eine Notiz darüber fertigte.
Dabei berichtete der Zeuge unter anderem, Brandt haben ihm gesagt, Gelder des THS seien direkt an den NSU geflossen. Das Geld soll außerdem von gleich drei Boten überbracht worden sein. Bislang waren nur zwei bekannt: der Jenaer Neonazi André K. und der Angeklagte Carsten S.
Der Zeuge lieferte darüber hinaus Einblicke in Brandts Gedankenwelt, die von Ausländerhass und Missachtung der Justiz geprägt sei. So soll er den NSU-Prozess als "Faschingsveranstaltung" bezeichnet haben.
München: Polizei entfernt Reichsbürger aus dem freiwilligen Polizeidienst
Weil er im Dienst für seine rechtsextreme Gesinnung geworben hat, hat sich die Münchner Polizei von einem Angehörigen der ehrenamtlichen Sicherheitswacht getrennt. Ein Sprecher des Präsidiums bestätigte den Vorfall, der sich bereits im November ereignete. Der Mann, der seit August 2015 im Bereich der Polizeiinspektion Olympiapark ehrenamtlich auf Streife ging, sympathisiert mit der so genannten "Reichsbürgerbewegung".
Für Polizeisprecher Sven Müller ist das zum Glück ein Einzelfall. Bisher seien vier Mitarbeiter der Sicherheitswacht vom Dienst entpflichtet worden - der Fall vom November sei "der einzig wirklich problematische Ausreißer" gewesen. Der Polizeisprecher verweist darauf, dass alle Bewerber für den ehrenamtlichen Dienst auf Herz und Nieren überprüft würden. Insbesondere auch darauf, ob gegen sie staatsschutzrechtlich Relevantes vorliegt. Das Ergebnis der Prüfung: Rund zwei Drittel der Bewerber würden bereits im Vorfeld abgelehnt.
Sondereinheiten gegen rechtsextreme Szene
Sachsen erhöht den Druck auf Rechtsextremisten. Seit dem Wochenbeginn sind mobile Fahndungsgruppen der Polizei im Einsatz. Sie sollen an Treffpunkten und regionalen Schwerpunkten der Szene Präsenz zeigen. Zu ihren Aufgaben zählen auch Kontrollen, Festnahmen sowie das Sammeln von Informationen.
Die sogenannten mobilen Einsatz- und Fahndungsgruppen wurden formal zum 1. Juli durch einen Erlass des Innenministeriums gegründet – als eigenständige Einheit des operativen Abwehrzentrums bei der Polizeidirektion Leipzig. Die Streifen begannen am Montag. Insgesamt gibt es fünf solcher Ermittlungs- und Fahndungsgruppen in Dresden, Leipzig Chemnitz, Görlitz und Zwickau. Sie bestehen aus vier bis acht Beamten.
Protest gegen Abschiebepraxis: Roma übernachten im Regensburger Dom
Die rund 40 Geflüchteten, die sich derzeit im Regensburger Dom aufhalten, sind über Nacht in einem Vorraum des Domes geblieben. Sie demonstrieren seit gestern Mittag unter anderem für ihr Bleiberecht.
Mit einem stillen Protest wollen die rund 40 Roma-Flüchtlinge im Regensburger Dom erreichen, dass sie nicht abgeschoben werden. Außerdem demonstrieren sie gegen die Einstufung mehrerer Balkanländer als sichere Herkunftsstaaten, wie ein Sprecher der Unterstützer sagte. Die Frauen und Männer, darunter Familien mit Kindern aus Balkan-Staaten, zogen am Dienstag mit ihrem Hab und Gut in das Gotteshaus ein. Sie richteten sich im linken Seitenflügel ein.
Auf Transparenten forderten die Asylsuchenden ein Bleiberecht für sich: "Alle Roma bleiben hier" oder "Wir sind nicht zu stoppen". Bosnien, Serbien, Mazedonien, Albanien und Montenegro dürften laut den Demonstranten nicht länger als sichere Herkunftsländer gelten. "Wir werden in der Heimat diskriminiert, unsere Kinder können nicht zur Schule gehen und schwerkranke Menschen können sich nicht behandeln lassen", sagte ein Sprecher der Demonstranten, der aus dem Kosovo kommt.
Mythen der Rechten: Der Mythos vom Kampf um die Arbeitsplätze
Manchmal nimmt sogar Hass-Rhetorik kabarettistische Züge an. Zum Beispiel steht auf der Homepage der NPD der schöne Satz: „Natürlich nehmen uns Ausländer die Arbeit weg – wem denn sonst?“ Das ist von bestechender Logik, ungefähr so zwingend wie die Behauptung „Natürlich fällt uns morgen der Himmel auf den Kopf – wem denn sonst?“
So weit die Dumpfbacken-Variante, aber mit so etwas gibt sich die Partei des bildungsbürgerlichen Rechtsextremismus nicht ab. Den Satz „Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg“ findet man bei der AfD so nicht. Die selbsternannte „Alternative“ geht lieber den Umweg über Parolen, die längst auch in der berühmten „Mitte der Gesellschaft“ salonfähig sind. Zitat: „Entscheidend sind Sprachkenntnisse, Ausbildung, berufliches Wissen und die Erfordernisse des deutschen Arbeitsmarktes. Eine Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme – auch aus Ländern der EU – lehnt die AfD strikt ab.“
In den Foren der rechten Szene kommt ein drittes „Argument“ hinzu, das die Angst um auskömmliche Jobs und um Sozialleistungen gleichzeitig bedient: Der Flüchtling als Lohndrücker.
Wer dieser Logik etwas entgegensetzen möchte, muss sagen, wer die wahren Verantwortlichen für Niedriglöhne und Sozialabbau sind.
Rechtspopulismus in Europa: Je jünger, desto rechter
Die Alten stehlen den Jungen ihre Zukunft. Seniorenrepubliken entstehen. Der bornierte Nationalismus ist ein Phänomen engstirniger Greise. So oder so ähnlich war es nach dem Brexit-Referendum zu lesen. Landein, landaus. Denn für einen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union hatten überwiegend ältere Menschen gestimmt, während die Jüngeren ihr Land in der EU halten wollten. Allerdings hatten auch sehr viel mehr Ältere als Jüngere von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht.
Doch der zentrale Einwand ist ein anderer. Großbritannien und die USA sind in Bezug auf die Attraktivität rechter Parolen auf ältere Wähler die Ausnahme, in Kontinentaleuropa verhält es sich genau umgekehrt. Dort gilt die Regel: je jünger, desto anfälliger für rechts. Ob NPD, AfD, Le Pen in Frankreich oder FPÖ in Österreich: Bei Rentnern haben diese Parteien kaum eine Chance, mit zunehmenden Alter wächst der Widerstand gegen rassistische und europhobe Ideologien. Bei jungen Wählern hingegen, besonders bei männlichen, verfangen sie überdurchschnittlich stark. Die 18- bis 29-jährigen Kontinentaleuropäer bilden gewissermaßen das Rückgrat des Rechtspopulismus.
- http://www.tagesspiegel.de/politik/rechtspopulismus-in-europa-je-juenger-desto-rechter/13833132.html
Arnold Gehlen: Der alte Kopf der Neuen Rechten
Der Philosoph und Anthropologe Arnold Gehlen (1904-1976) dient Rechtspopulisten als intellektueller Gewährsmann - vor allem mit seiner Theorie der starken Institution. Im "Dritten Reich" profitierte er von den Nazis.
Seine Wiederentdeckung ist eher leise und dezent; doch man ahnt, dass es gerade diese Eigenschaften sein könnten, die Wirkung und Nachhaltigkeit befördern. Kurzum: Plötzlich ist der 1976 in Hamburg gestorbene Denker wieder aufgetaucht - diesmal als Gewährsmann von AfD und neuen Rechten.
Als ein "Denkmeister des Konservativen" wurde er jüngst in der "Jungen Freiheit" groß porträtiert, dem publizistischen Sprachrohr der neuen Rechten. Er wird somit zum intellektuellen Gewährsmann einer auch reaktionären Grundstimmung deklariert und seine Haltung als ein Zeichen der Zeit verstanden. Ob dem Philosophen diese Besitzergreifung recht gewesen wäre oder nicht – in seinem Werk finden sich genug Anknüpfungspunkte, in denen AfD-Anhänger ihr Verständnis von Staat und Politik zumindest bedacht finden. Danach ist der Mensch durch und durch ein Mängelwesen und braucht deshalb eine starke Institution, einen Staat, der die Grammatik unserer Lebenswelt bildet.
Graz: Ermittlungen gegen „Identitäre" nach Überfall eingestellt
Wie aus dem Nichts seien plötzlich sieben Männer aufgetaucht, die sich lautstark zur rechtsextremen „Identitären Bewegung“ bekannten und mit Schlagstöcken, einem Gürtel und einer Eisenschnalle auf fünf junge Studierende losgingen: So schildern Teilnehmer einer antifaschistischen Kundgebung einen Übergriff, der sich Anfang Januar in Graz (Österreich) zugetragen hat. Eine junge Aktivistin aus Wien, die angab, gewürgt worden zu sein, hatte den Vorfall mit Fotos festgehalten.
Doch trotz der Bilder, Zeugenaussagen und ärztlicher Atteste stellte die Staatsanwaltschaft Graz das Verfahren gegen die Unterstützer der Gruppierung ein. Der Grund: Die Behörde wollte den Antifaschisten keine "erhöhte Glaubwürdigkeit" zusprechen und nannte deren Verletzungen "nicht zuordenbar". Auch sei ein von einem Rechtsextremisten mitgeführter Schlagstock "aufgrund seiner Konstruktion" keine verbotene Waffe.
Wie Kai Diekmann die Auschwitz-Baupläne nach Israel bringen ließ
Wieso steht Kai Diekmann, ehemaliger Bild-Chefredakteur und heute Gesamtherausgeber der Bild-Gruppe, in engem Kontakt mit Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu? Und weshalb hat der Springer-Verlag einer Gruppe von deutschen Chefredakteuren eine Israel-Reise organisiert hat, bei der man auch mit Premierminister Benjamin Netanjahu zusammentraf? In einem Interview mit dem auf Hebräisch erscheinenden Magazin Spitz erzählt Diekmann, weshalb er so einfach einen Termin bei Netanjahu bekommt.
Man habe engen Kontakt seit August 2009. Damals hatte Bild 29 Baupläne und -skizzen des Konzentrationslagers Auschwitz veröffentlicht und im Springer-Hochhaus ausgestellt. Die Pläne, die die Unterschrift Heinrich Himmlers tragen und weltweit als die einzigen erhaltenen gelten, hatte Springer auf dem Schwarzmarkt erworben für eine bis heute ungenannte Summe. Das aufsehenerregende Dokument, das bereits 1941 die systematische Ausrottung von Juden belegt, war vom Bundesarchiv für echt befunden worden.
"Bundesarchiv und Bundesinnenministerium haben uns gesagt, diese Dokumente gehören der Bundesregierung. Wenn Sie versuchen, sie aus Deutschland herauszubringen, dann bekommen Sie ein Problem. Wir werden Sie an der Grenze stoppen." Die sanfte Drohung ließ Diekmann unbeeindruckt, wie er jetzt zugibt. "Die Baupläne waren eine Sensation. Ich war überzeugt, dass sie nach Yad Vaschem, in Israels Holocaustgedenkstätte, gehören." Nur wie ließ sich das am geschicktesten einfädeln?