Presseschau ... 04.05.2016

Borna: Angriff auf Flüchtlingshilfeverein „Bon Courage“ +++ Pegida-Gründer Bachmann wegen Volksverhetzung verurteilt +++ Rechter Großaufmarsch am Samstag in Berlin +++ Das steckt hinter dem Parteiprogramm der AfD.

 

Borna: Angriff auf Flüchtlingshilfeverein „Bon Courage“

In Borna bei Leipzig (Sachsen) gab es in der vergangenen Nacht eine Attacke auf einen Verein, der sich für Geflüchtete einsetzt und gegen Rechts engagiert. Die sächsische Polizei geht dabei von einer politisch motivierten Tat aus. In der Nacht zu Mittwoch wurden zwei Fenster mit Pflastersteinen eingeschlagen und Flaschen mit Buttersäure ins Innere des Gebäudes geworfen. Wegen des Gestanks können die Räume des 2007 gegründeten Vereins derzeit nicht betreten werden. Der Bornaer Verein engagiert sich für Geflüchtete und setzt sich auch gegen Rechtsextremismus ein.

 

Pegida-Gründer Bachmann wegen Volksverhetzung verurteilt

Pegida-Gründer Lutz Bachmann ist vom Amtsgericht Dresden wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 9600 Euro verurteilt worden. Der Kopf des islam- und flüchtlingsfeindlichen Bündnisses soll Flüchtlinge in Facebook-Kommentaren herabgewürdigt und zum Hass gegen sie angestachelt haben. Der wegen anderer Delikte wie Diebstahl und Drogenhandel bereits vorbestrafte 43-Jährige hatte bestritten, dass diese Kommentare von ihm stammten. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von sieben Monaten gefordert, die Verteidigung plädierte auf Freispruch. Das Urteil vom Dienstag ist noch nicht rechtskräftig.
Das Amtsgericht sah es als erwiesen an, dass der 43-Jährige 2014 in dem sozialen Netzwerk Facebook Flüchtlinge als „Gelumpe“, „Dreckspack“ und „Viehzeug“ beschimpft hat. Das Strafmaß setzte der Richter Hans-Joachim Hlavka auf 120 Tagessätze von je 80 Euro fest. Die Worte Bachmanns könnten nur volksverhetzenden Charakter haben, sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung. Sie zerstörten die Würde von Menschen. Auch die Meinungsfreiheit habe ihre Grenzen, zumal wenn ein Gesetz verletzt wurde, fügte er hinzu. Auch sei für ihn klar, dass Bachmann der Urheber dieser Facebook-Einträge ist. Auch Sicht von Bachmanns Verteidigerin hat das Verfahren „nicht ansatzweise nachgewiesen“, dass Bachmann selbst der Verfasser der Posts war. Es sei „ein Leichtes, Facebook-Seiten zu hacken“.

 

Rechter Großaufmarsch am Samstag in Berlin

Unter dem Motto „Wir für Deutschland – Merkel muss weg“ wollen am Samstag wieder rechte Gruppen demonstrieren. Um 15 Uhr soll die Demo auf dem Washingtonplatz am Hauptbahnhof beginnen und zum S-Bahnhof Friedrichstraße ziehen. Der Anmelder rechnet mit 5000 Teilnehmern. Die Polizei hält diese hohe Zahl für realistisch, nachdem sie die Mobilisierung beim letzten Mal unterschätzt hatte. Am 12. März hatten die Organisatoren bei Eiseskälte etwa 3000 Teilnehmer auf die Beine gebracht, darunter viele Neonazis. Damals wie auch jetzt wurde bundesweit mobilisiert, gründeten sich Fahrgemeinschaften nach Berlin. Organisator ist ein Bündnis, das sich „Wir für Berlin & Wir für Deutschland“ nennt. Laut Verfassungsschutz gibt es zwischen dieser Vereinigung und HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten) eine enge Verbindung.
Vergleichsweise gering fielen damals die Gegenproteste aus. Dieses Mal soll es anders werden. So will die Evangelische Kirche 5000 Teilnehmer zu einer Gegendemonstration mobilisieren, die ab 15 Uhr vom Brandenburger Tor zum Gendarmenmarkt ziehen soll. Das Bündnis „Berlin Nazifrei“ will mit 500 Leuten ab 13 Uhr vom Hackeschen Markt zum Brandenburger Tor. Auch vom Europaplatz am Hauptbahnhof soll ab 15 Uhr eine Gegendemo in Richtung Turmstraße losziehen. Gegendemos sind auch ab 13 Uhr vom Neptunbrunnen und ab 14 Uhr vom Großen Stern aus angemeldet.

 

Das steckt hinter dem Parteiprogramm der AfD

Auf dem AfD-Parteitag in Stuttgart haben die Delegierten weite Teile eines Grundsatzprogrammes verabschiedet. Hardliner der AfD haben durch Provokationen und kalkulierte Grenzübertretungen den öffentlichen Diskursraum in den vergangenen Monaten nach rechts verschoben. Das Parteiprogramm der AfD erscheint auf den ersten Blick fast harmlos im Vergleich zu den Thesen zum Schusswaffeneinsatz gegen Geflüchtete, zum faktischen Verbot der Religionsausübung für Muslime in Deutschland und gegenüber den rassentheoretischen Aussagen von Höcke, der in Stuttgart mit Applaus gefeiert wurde; aber nur deshalb, weil die Provokationen aus den Reihen der AfD in Teilen der Gesellschaft längst zur Politisierung von Rassismus und Nationalismus geführt haben.

 

Behörde verbietet Antifa-Demonstrationszug in Bornhagen

Für den morgigen Himmelfahrtstag ist in Bornhagen im Eichsfeldkreis (Thüringen) eine Demonstration unter dem Motto „Straight to hell! – Weg mit den Braunzonen, weg mit der AfD!“ angemeldet worden. Inzwischen sei von der Versammlungsbehörde statt des angemeldeten Demonstrationszuges nur eine Standkundgebung in der Straße „Am Kulturzentrum“ genehmigt worden, teilte Thomas Soszynski, Sprecher der Landespolizeiinspektion Nordhausen, gestern mit. Ob die Anmelder der Versammlung gegen diese Entscheidung verwaltungsgerichtlich vorgehen werden, sei bislang unbekannt.
In Bornhagen wohnt Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke. Die angemeldete Demonstration hat in den letzten Wochen für Diskussionen gesorgt, weil Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) den Antifa-Demonstranten auf Twitter „Nazi-Methoden“ vorgeworfen hatte, es würde sich schlicht nicht gehören, vor Privathäusern zu demonstrieren. Angesichts des untersagten Demonstrationszuges ist diese Diskussion nun vom Tisch: Die stationäre Kundgebung ist nicht in der Nähe von Höckes Wohnhaus.

http://www.otz.de/startseite/detail/-/specific/Behoerde-verbietet-Antifa-Demonstrationszug-in-Bornhagen-1848173277

 

Nur noch 14-tägig: München schränkt Pegida-Demos ein

Stadt München beschränkt die Montags-Kundgebungen von Pegida: Demo-Züge sind nur noch alle 14 Tage erlaubt, die Routen werden beschränkt. Geschäftsleute und Anwohner hatten sich über Umsatzverluste und Behinderungen beschwert. Ab sofort sind an zwei Montagen im Monat nur noch stationäre Kundgebungen erlaubt. Das Kreisverwaltungsreferat München hat heute diese Entscheidung getroffen. An jedem zweiten und vierten Montag im Monat dürfen die Pegida-Demonstranten auch durch die Innenstadt laufen. Allerdings nur auf neuen und verkürzten Routen abseits der Innenstadtgeschäfte. Damit reagiert die Stadt auf die Klagen vieler Anwohner, Passanten und Geschäftsleute rund um den Odeonsplatz, die sich durch die regelmäßigen Absperrungen seit mehr als anderthalb Jahren massiv beeinträchtigt fühlen.

 

Acht Monate Haft für Salzwedeler Nazi-Schmierer

Acht Monate auf Bewährung, so lautet das Urteil des Landgerichts Stendal im Berufungsprozess um Nazi-Schmierereien in Salzwedel (Sachsen-Anhalt). Der Mann war in erster Instanz im Oktober 2015 aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden. Die Nazi-Schmierereien im Salzwedeler Stadtzentrum hatten damals für bundesweites Entsetzen gesorgt: 127 Nazisymbole waren innerhalb von nur einer Nacht gesprüht worden. Angesichts des Ausmaßes der Tat verbietet sich eine Geldstrafe, sagte Richter Gundolf Rüge in der Urteilsbegründung. Die achtmonatige Freiheitsstrafe bewege sich in „moderatem Rahmen“, so Richter Rüge weiter.

 

Antifaschist zu Bewährungsstrafe verurteilt – Neonazis als Belastungszeugen

Am Dienstag verfolgten zahlreiche Zuhörer den Prozess gegen einen Antifaschisten im Amtsgericht Fürth. Er wurde beschuldigt, zwei Neonazis verprügelt zu haben. Von dem Vorfall existiert kein Videobeweis, als Belastungszeugen traten lediglich Rechtsextremisten aus militanten Kameradschaften auf. Als Neonazis am 18. April 2015 in Fürth eine Kundgebung abhalten wollten, kamen sie nicht weit. Als die Teilnehmer mit der S-Bahn am Fürther Hauptbahnhof ankamen, wurden sie von mehreren Nazigegnern in Empfang genommen. Dabei soll es zu einem Schlagabtausch zwischen linken Gegendemonstranten und Neonazis gekommen sein. Zwei Personen aus dem rechten Spektrum erlitten Platzwunden an Kopf und Arm.

 

Volksverhetzung bei Facebook: Sechs Monate Haft auf Bewährung

Mit massiven Todesdrohungen gegen Flüchtlinge machte ein Mann aus Kierspe auf seinem Facebook-Profil auf sich aufmerksam. Die Aktion blieb nicht folgenlos: Er wurde am Amtsgericht Meinerzhagen zu sechs Monaten Haft auf Bewährung und Sozialstunden verurteilt. Am Dienstag musste sich der Mann im Amtsgericht Meinerzhagen dem Vorwurf der Volksverhetzung stellen. „Es ist richtig, ich habe das geschrieben“, gab der Angeklagte zu. Zur Tatzeit habe er noch ein Alkoholproblem gehabt und Stress mit seiner damaligen Freundin. Der Richter hielt mit seinem Unverständnis nicht hinterm Berg: „Wie kommt man da auf Flüchtlinge?“ Darauf hatte der 44-Jährige keine Antwort.
Das Urteil fiel relativ hoch aus, weil der Mann ein langes Vorstrafenregister vorweist: 21 Eintragungen brachte er mit. Unter anderem hatte er bereits wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Beleidigung auf der Anklagebank gesessen und einige Zeit im Gefängnis verbracht.

 

Zurück auf Null bei Rechtsextremismus-Projekt?

Das Land Niedersachsen will mit einer wissenschaftlichen Dokumentationsstelle über Rechtsextremismus und Islamismus neue Wege gehen. Versäumnisse, wie es sie bei der Einschätzung beispielsweise zum Rechtsterrorismus gab, sollen dadurch künftig vermieden werden. Der Wissenschaftler Samuel Salzborn von der Universität Göttingen erarbeitete im vergangenen Jahr ein Konzept für eine solche Stelle und stimmte es mit dem zuständigen Stellen in Hannover ab, wie Abgeordnete des Landtags sagten. Auch das Geld steht im Haushalt des Landes längst bereit. Dennoch verzögert sich die Umsetzung des Projekts weiter. Die Uni Göttingen will ein neues Konzept erstellen und die Professur Salzborns nicht verlängern.

 

Verfassungsschutz Schleswig-Holstein: Größte Gefahr geht von Rechtsextremen aus

Am Dienstag wurde in Kiel der neue Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2015 von Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt vorgestellt. Die Zahl der im Land aktiven Rechtsextremen sei von 1070 auf 1300 gestiegen. Die Behörden hätten 640 von ihnen begangene Straftaten registriert, 201 mehr als 2014, darunter 38 Gewalttaten, 17 mehr als 2014. Rechtsextremisten hofften, über den Anti-Asyl-Protest Anschluss ans bürgerliche Lager zu finden, so Studt. Das sei ihnen bislang nicht gelungen. Wo sie bei Demonstrationen oder an Ständen auftauchten, hätten die Bürger sofort Abstand gehalten. Die 120-köpfige Behörde geht weiterhin von einer hohen Terrorgefahr aus: Die Zahl gewaltbereiter Islamisten in dem Bundesland betrage zwar „deutlich unter 50“, die Sorge, dschihadistische Kleingruppen und Einzeltäter könnten Attentate planen, bleibe jedoch bestehen.

 

Rechtsextremismus auf dem Land in Nordrhein-Westfalen: „Wir kriegen euch alle“

In NRW wurden allein zwischen 1. Januar 2015 und 11. Februar 2016 insgesamt 262 registrierte, rechtsextremistisch motivierte Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte verübt (siehe Kasten). Diese Anschläge ereigneten sich nicht nur in den Neonazi-Hochburgen Westfalens wie Dortmund oder Hamm, sondern auch in Höxter, Ibbenbüren, Westerkappeln, Enger, Porta Westfalica, Vlotho oder Ense. Wer hinter den Angriffen steckt, wird oft nicht geklärt. Es gibt keine Bekennerschreiben, niemand brüstet sich öffentlich mit einer Tat. „Im Moment können wir von Glück reden, dass noch niemand umgekommen ist“, sagt Heiko Klare von der Mobilen Beratung im Regierungsbezirk Münster gegen Rechtsextremismus und für Demokratie (mobim). Rechtsextremismus ist auch in Nordrhein-Westfalen besonders in ländlichen Regionen verbreitet.

 

Der braune 1. Mai – Zwischen Ausschreitungen und Flops

Fast 2.000 Neonazis zogen am 1. Mai auf verschiedenen Demonstrationen bundesweit durch die Straßen. Zwischen Ausschreitungen wie in Plauen und Mobilisierungsflops war das Spektrum der Veranstaltungen weit. Eine ausführliche Auswertung mit zahlreichen Bildern.

 

Polizei identifiziert Schläger von Plauen, Übergriff in Vogtlandbahn

Plauen – Nach gewalttätigen Ausschreitungen am Rande eines Neonazi-Aufmarsches am Sonntag in Plauen ist es der Polizei gelungen, einen mutmaßlichen rechten Gewalttäter zu identifizieren. Der 34-jährige Sachse soll einer jungen Frau aus Berlin ein Kamerastativ ins Gesicht gestoßen haben. Gegen ihn werde wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt, teilte die Polizei am Montag in Zwickau mit. Insgesamt wurden in 39 Fällen Ermittlungsverfahren eingeleitet, darunter wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Straftaten gegen das Versammlungsgesetz und Landfriedensbruchs. Von 132 Verdächtigen nahm die Polizei die Personalien auf.
Indessen wurde noch ein Vorfall des Tages bekannt: Die Polizei ermittelt nun auch zu einem Vorfall in der Vogtlandbahn. Dort waren zwei 17-jährige Mädchen attackiert worden: Laut Eckard Fiedler von der Bundespolizei saßen sie in der Bahn, die am Sonntag, von Gera in Richtung Plauen fuhr: Etwa 30 Personen hätten die jungen Frauen am Haltepunkt Rentzschmühle gezwungen, die Vogtlandbahn zu verlassen. Eine 17-Jährige sei „mit einem spitzen Gegenstand am Finger verletzt worden“.

 

Pressefreiheit in Gefahr – auch in Europa

Gerne zeigen wir auf andere Länder, wenn es um fehlende Pressefreiheit geht. Gerne wollen wir glauben, dass nur Diktaturen die freie Berichterstattung einschränken. Dabei ist die Pressefreiheit noch nicht einmal dort selbstverständlich, wo sie gesetzlich verankert ist.
Aktuelle Nachrichten über den Stand der Pressefreiheit sind weltweit fast immer schlechte Nachrichten. Nicht nur brutale Maßnahmen autoritärer Regime gefährden sie, sondern auch die geschäftlichen Interessen von Medienkonzernen und das vielerorts schwindende Bewusstsein in der Öffentlichkeit für den Wert journalistischer Arbeit.
Aktuell informiert die "Rangliste der Pressefreiheit 2016", die "Reporter ohne Grenzen" veröffentlicht hat, über den steigenden Druck, unter dem Medien und Journalisten weltweit stehen.
Pressefreiheit ist eine Sonderform der Meinungsfreiheit: Sie ist untrennbar mit wirtschaftlichen Fragen verbunden. Zeitungssterben, digitale Großkonzerne wie Google und soziale Medien haben in den vergangenen Jahren die Selbstverständlichkeit der Existenz der klassischen Medien infrage gestellt. Sie haben bislang aber nur wenige neue Foren geschaffen, wo journalistische Arbeit in dieser Form betrieben und finanziert werden kann - im Sinne von Nachhaltigkeit genauso wie im Sinne von Lebensunterhalt für den einzelnen Journalisten.
Europa hatte lange Zeit eine Vorreiterrolle, aber inzwischen hat sich einiges geändert. Erstens gibt es inzwischen Gesetze zur massenhaften digitalen Überwachung, die Journalisten wie Medienkonsumenten gleichermaßen betreffen. Zweitens werden Journalisten auch in Deutschland in jüngster Zeit immer öfter Opfer von Übergriffen und Bedrohungen – insbesondere im Zusammengang mit der Berichterstattung über flüchtlingsfeindliche Demonstrationen.

 

Journalistin Carolin Emcke auf der re:publica: „Im Moment wird ungebremst gehasst“

Auf der Digitalkonferenz re:publica spricht die Journalistin Carolin Emcke über Hass. Gemeint ist der Hass, der aus Kommentarspalten trieft und der in Form von Mails oft besonders hilflose Menschen trifft. Was man tun kann? Früher einschreiten, findet Emcke, die selbst schon betroffen war.

Ab wann ist Zorn nicht mehr konstruktiv, sondern Hass? Wo ist die Grenze?

Hass hat etwas mit Feindschaft zu tun. Der Hassende nimmt sein Objekt des Hasses immer wichtig und bildet sich ein, es ginge um eine existenzielle Frage. Weshalb er glaubt, dass er das Objekt des Hasses nicht ignorieren kann. Der kollektive Hass, der im Moment zu erleben ist, ist nie individuell. Er ist auch nicht spontan, sondern wird vorbereitet und kanalisiert. Da gibt es Menschen, die ein Interesse an diesem Hass haben, die ihn schüren und inspirieren. Ich denke, darin unterscheidet er sich von Zorn. Hass ist meistens mit wirklichem Vernichtungswillen verbunden. Er wertet den Hassenden auf, er steigert die Vorstellung von sich selbst. Man lädt sich mit Bedeutung auf, indem man glaubt, ein Recht darauf zu haben, den anderen zu hassen.

 

Die Hass-Welt: Social Media am rechten Rand

In Deutschland ist man seines Lebens nicht mehr sicher: Schon der tägliche Gang zum Supermarkt ist gesundheitsgefährdend, denn gewalttätige Asylbewerber lauern einem am helllichten Tag auf offener Straße auf. Und wenn man zurückkommt, ist die Wohnung leergeräumt von kriminellen Ausländerbanden. Wer als Ehemann seine Frau abends nicht mit dem Auto abholt, riskiert sehenden Auges, dass diese von muslimischen Männerhorden vergewaltigt wird. Die Polizei tut nichts. Denn die Politik hat es schließlich so gewollt. Und die Medien schweigen.
So oder so ähnlich sieht es aus, das Bild von Deutschland und Europa, das in den Social Media Timelines meines nationalkonservativen Alter Egos gezeichnet wird. Schwer zu bekommen war der Zugang zu dieser Welt nicht: Ein markiger Frakturschrift-Spruch ins Profilbild, ein paar Facebook-Gruppen gegen Flüchtlinge mit "gefällt mir" markiert, hier und da kommentiert, einige Freundschaftsanfragen verschickt - und innerhalb von wenigen Tagen hat mein anderes Ich Hunderte neuer "Freunde".

21 Übungen gegen Hassreden im Internet

Cybermobbing gehört laut Umfragen zu einem der größten Probleme in Österreichs Klassenzimmern. Ein neues Buch möchte dieser Entwicklung durch Menschenrechtsbildung entgegentreten. Mit ganz konkreten Übungen soll jungen Menschen im Unterricht bewusst werden, dass das Internet kein regelloser Raum ist. „In den meisten Fällen zielen die Übungen darauf ab, die Analyse- und Handlungskompetenz der Jugendlichen zu stärken. Es handelt sich um Übungen, bei denen die Jugendlichen selbst recherchieren oder sich anhand von Arbeitsblättern mit einem Aspekt von Hassrede beschäftigen“, sagt Projektleiterin Patricia Hladschik. Ein solches Arbeitsblatt ist beispielsweise der sogenannte „Problembaum“, auf dessen Stamm „Hassrede im Internet“ geschrieben steht. Die Schülerinnen und Schüler geben dem Baum Wurzeln, indem sie darüber nachdenken, warum Hohn, Spott und Beleidigungen geäußert werden. Und sie geben ihm Äste, die ausdrücken, was durch hasserfüllte Postings passieren kann. Anleitungen zu insgesamt 21 Übungen finden sich im Buch. „Letztlich sollen die Schülerinnen und Schüler lernen, was eine Hassrede ist, was sie bei den Betroffenen anrichtet und was dagegen getan werden kann“, so Patricia Hladschik, die die Übersetzung von „Bookmarks. Bekämpfung von Hate Speech im Internet durch Menschenrechtsbildung“ für das Zentrum „Politik Lernen in der Schule“ (Polis) betreut hat. Das Buch selbst wurde durch den Europarat herausgegeben, der eine Kampagne unter dem Titel „No Hate Speech“ gestartet hat.

 

Laut gegen Nazis in Wismar: 200 feiern, Bandabsage wegen drohender Abschiebung

Laut, bunt, fröhlich, emotional – so feierten mehr als 200 alteingesessene und neue Wismarer in der Markthalle. Sie setzten Dienstagabend ein deutlich hörbares Zeichen gegen Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Die syrische Band Khebez Dawle musste absagen: Ihren Mitgliedern droht die Abschiebung. Wismar war eine von deutschlandweit sechs Städten, in denen die Counter-Speech-Tour Station machte. Sie steht unter dem Motto „Wir sind lauter – gegen rechte Hetze“.

 

Essen: 300 Schüler und Studenten demonstrieren für Flüchtlinge

Rund 300 Schüler und Studenten haben sich am Dienstag am Pferdemarkt in Essen versammelt, um in der Innenstadt „für ein besseres Leben für alle“ zu demonstrieren. Im Fokus stand dabei die Integration von Flüchtlingen. „,Refugees welcome’ soll nicht nur eine Parole, sondern ein Lebensmotto für uns sein“, sagte Jules El-Khatib, der die Kundgebung organisiert hatte.

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