Nach den Rechten sehen: 700 Nazis, 10.000 Gegendemonstrant*innen +++ NPD-Bundesparteitag in Kirchheim: Europakandidaten heißen überraschend Voig und Rose +++ Berlin-Hellersdorf: Angriff auf Wahlkreisbüro von Sozialsenator von Berlin + Mitarbeiter des Flüchtlingsheim rassistisch beleidigt.
Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de
Magdeburg: 700 Nazis, 10.000 Gegendemonstrant*innen
Mehr als 10.000 Menschen haben am Samstag in Magdeburg gegen einen Aufmarsch von Neonazis protestiert. Die meisten kamen nach Angaben der Stadtverwaltung zu einer „Meile der Demokratie“, auf der zahlreiche Verbände, Vereine und Einrichtungen Flagge gegen Rechts zeigten. Zudem waren mehr als 40 Demonstrationen angemeldet. Laut Polizei waren etwa 700 Neonazis an dem Aufmarsch in einem Industriepark beteiligt. Ursprünglich sollte die Route näher an der Innenstadt verlaufen. Gegendemonstranten verhinderten das jedoch. 50 Angehörige der linken Szene hatten außerdem zwischenzeitlich Bahngleise besetzt. Beamte lösten die Sitzblockaden auf, wie die Bundespolizei mitteilte (LVZ, MZ-Web + Ticker, ngo-online). Ein Bericht auf Belltower.news folgt im Laufe des Tages.
NPD-Bundesparteitag in Kirchheim: Europakandidaten heißen überraschend Voigt und Rose
Während 180 Menschen vor dem Hotel im thüringischen Kirchheim protestierten (), kämpfte die NPD wieder einmal mit sich selbst: Während sich der amtierende Bundesparteivorsitzende Udo Pastörs seinen Listenplatz für die Europawahl wohl zuvor als gesetzt ansah und auch NPD-Funktionär Karl Richter sich Hoffnunge auf ein Ticket für Brüssel machte, entschieden sich die Mitglieder des NPD-Bundesparteitags rückwärtsgewandter als wohl von der eigenen Parteispitze erwartet: Sie wählten den ehemaligen NPD-Vorsitzenden Udo Voigt auf Platz 1 der Europawahl-Liste, Platz 2 ging weniger überraschend an NPD-"Historiker" Olaf Rose (Spiegel Online I & II, insuedthueringen.de, ZEIT online, mdr)
Saarbrücken: Kein NPD-Parteitag, dafür Aktionen gegen Neonazis
In der Festhalle Saarbrücken-Schafbrücke wollte die NPD am Samstag tagen. Stattdessen kamen an dem Tag viele Bürger und Künstler, um ihre Einstellung gegen Rassismus und die rechtsradikale Partei kundzutun. (Saarbrücker Zeitung, sr-online.de).
Berlin-Hellersdorf I: Angriff auf Wahlkreisbüro von Sozialsenator von Berlin
Die rechten Nein-Sager haben wieder zugeschlagen: In der Nacht zu Donnerstag griffen Unbekannte das Wahlkreisbüro von CDU-Sozialsenator Mario Czaja in Mahlsdorf an. Vor die Tür des Hauses wurde ein Plakat „Nein zum Heim“ gehängt. Auf der Facebook-Seite der „Bürgerbewegung Hellersdorf“, die seit Monaten gegen das Flüchtlingsheim in Hellersdorf mobilisiert, wurde der Anschlag als „Besuch“ beim „Hauptverantwortlichen für das Asyldesaster in ganz Berlin“ gefeiert und ein Foto der Aktion gepostet. Der Fraktionschef der Linkspartei im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, verurteiltete den „feigen Anschlag“ am Freitag als „Auswuchs fremdenfeindlicher Hetze“. Aus dem Umfeld des Senators hieß es, es werde geprüft, ob man Anzeige erstatte (taz).
Berlin-Hellersdorf II: Mitarbeiter des Flüchtlingsheims rassistisch beleidigt
Aus einer Gruppe von etwa neun Personen heraus wurde ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes am Sonntagmittag vor dem Asylbewerberheim in Hellersdorf fremdenfeindlich beleidigt. Gegen 13 Uhr erreichten die Personen die Unterkunft in der Carola-Neher-Straße, teilte die Polizei mit. Während ein Mitglied der Gruppe auf einer Gitarre spielte, machte eine weitere Person Aufnahmen mit einer Videokamera. Als die Gruppe sich dem Eingang zum Wohnheim näherte, forderte der 34-jährige Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes die Personen auf, das Grundstück zu verlassen. Daraufhin wurde er von einem Mann aus der Gruppe beleidigt, der sich anschließen mit seinen Begleitern entfernte. Alarmierte Polizisten stellten und überprüften kurz darauf in der Nähe neun Personen, von denen mindestens zwei Männer als der „rechten Szene“ zugehörig gelten (Tagesspiegel).
Neue rechte Kleinstparte: Deutsche Konservative Partei
Bei der "Deutschen Konservativen Partei" hat man keine Berührungsängste mit Neonazis und vielen anderen "interessanten" Gestalten, berichtet der Störungsmelder.
Limbach-Oberfrohna: Heute JN-Stand neben Pestalozzischule - Proteste angemeldet
Die Jungen Nationaldemokraten (JN) Limbach-Oberfrohna haben für Montagmorgen einen Infostand neben der Pestalozzischule angemeldet. Das bestätigt das Landratsamt Zwickau. Schulleiterin Ramona Sonntag kritisiert die Genehmigung: Sie fordert einen Abstand von mindestens einem Kilometer Entfernung von Bildungseinrichtung für solche Aktionen. Arndt Schubert von der sächsischen Bildungsagentur erklärt dazu, dass die Schule die Aktion nicht unterbinden könne, weil sie außerhalb des Geländes liege. In solchen Fällen werden unter anderem die Schüler über die Schülerräte vorgewarnt. Die Stadt sowie das Bunte Bürgerforum rufen zu einer Gegendemonstration auf: "Ich habe für Montag von 7 Uhr bis 11 Uhr für den Vorplatz der Pestalozzischule ebenfalls eine Kundgebung unseres Netzwerkes des guten Willens und all derer angemeldet, die mit der Werbung der JN und der NPD unmittelbar bei unserer Pestalozzischule nicht einverstanden sind", sagt der Präventionsbeauftragte der Stadt, Dietrich Oberschelp. "Bei den Schülern handelt sich um Minderjährige, die wir beschützen müssen." Er hoffe, dass möglichst viele Bürger kommen (Freie Presse).
NPD Berlin: Berliner NPD setzt trotz drohenden Parteiverbots weiter auf Kooperation mit militanten Nazis
»In ihren Reden würdigten die Teilnehmer die einmaligen Leistungen der ungarischen und deutschen Soldaten sowie der europäischen Freiwilligen der Waffen-SS, die noch 1945 in schwersten Abwehrschlachten versuchten, die plündernden, mordenden und vergewaltigenden Bolschewistenhorden der Roten Armee von ungarischer, deutscher und europäischer Heimaterde fernzuhalten«, berichtet Eckart Bräuniger auf der Internetseite des Berliner Landesverbandes der NPD über eine neonazistische Gedenkveranstaltung in der ungarischen Hauptstadt Budapest. Dieses Zitat aus der geheimen Materialsammlung der Bund-Länder-Kommission zur Prüfung der Erfolgsaussichten eines neuen NPD-Verbotsverfahrens dient dem Beleg des positiven Bezuges auf nationalsozialistische Organisationen (ND).
Karl Richter: Der gescheiterte Hoffnungsträger
Bei der Nominierung der Spitzenkandidaten für die Europawahl konnte NPD-Bundesvize Karl Richter keinen aussichtsreichen Listenplatz ergattern. Nach der Niederlage bei den Landtagswahlen und seiner Entmachtung als Chefredakteur der „Deutschen Stimme“ (DS) dürfte dies für Richter ein weiterer Tiefpunkt in einer ganzen Serie von Rückschlägen sein. Die Hoffnung des 52-jährigen wird jetzt wohl auf den Kommunalwahlen im März 2014 liegen (Publikative.org).
Neonazi als Krankenpfleger in Osnabrücker Psychiatrie?
Er trägt keine Springerstiefel, brüllt keine Hassparolen und verhält sich auch sonst unauffällig, jedenfalls im Dienst. Ein Krankenpflegeschüler aus dem Ameos-Klinikum nimmt in seiner Freizeit an Demonstrationen rechtsextremer Gruppierungen teil, die antidemokratische, antisemitische und rassistische Ziele verfolgen. Ein Neonazi in einer psychiatrischen Klinik? Geschäftsleitung und Betriebsrat des Ameos-Klinikums sind von dieser Frage unangenehm berührt, aber eine Kündigung steht nicht zur Diskussion (Neue Osnabrücker Zeitung).
Fankongress Berlin: Mit EXIT gegen Rechtsextremismus
Zwei Tage lang haben rund 700 Fußball-Anhänger auf dem Fankongress in Berlin debattiert. Die großen Themen: Gewalt in den Stadien, Homophobie und Rechtsextremismus. Die Veranstalter waren am Ende zufrieden, viele Workshops seien "aus allen Nähten geplatzt". Das Verhältnis zur Polizei bleibt allerdings schwierig. Die Deutsche Fußball Liga gab bekannt, künftig mit dem Aussteigerprogramm "Exit" zu kooperieren (RBB I & II, Hamburger Abendblatt, ZEIT online). Ein Bericht auf Belltower.news folgt.
Wandlitzer Willkommenskultur
Auf dem Bürgerbegegnungsfest am Sonnabend wurde eine positive Bilanz gezogen: Flüchtlinge bereichern die Gemeinde. Anfangs hatte es große Ängste gegeben (ND).
Zschäpe und der NSU: Rosa und Braun
Von Anetta Kahane
Vor ihr auf dem Tisch lag ein Brillenetui, das sie ab und an berührte. Es war rosa. Nicht pink, nicht quietschig hellrot. Ein Rosa, so zart, fein und hell, gegen das die Unschuld einer Wolke im Morgenrot bereits grob anmuten würde. Beate Zschäpe betrachtete es, während ein Zeuge im Prozess aussagte.
Ihr Halstuch konnte mit der Anmut dieser rosa Farbe nicht mithalten, obwohl es fast ebenso blumig und leicht wirkte. Sie schaute an sich herab, zum Tuch, zum Etui, dann hob sie den Blick versonnen und klimperte mit ihren großen Augen lächelnd ihren Anwalt an, während sie sich mit der Hand durch ihr dunkles Haar fuhr. Ihr Anwalt lächelte vertraut zurück. Die beiden tuschelten. Sie war stets lieb und nett, die Liese, die Beate, die Diddlmaus, so bezeugten es ihre Bekannten. Niemand hätte vermutet, dass sie „sowas“ macht, Menschen umbringen, die Liese? Kann man sich nicht vorstellen.
Hat sie sich verstellt? Ist das Rosa eine Verkleidung der mutmaßlichen Mörderin? Nein. Sie ist tatsächlich durch und durch rosa. Sie anzuschreien, sie solle doch gefälligst so schwarz und braun aussehen, wie sie in ihrem Inneren sei, hätte keinen Sinn gemacht. Ebenso wenig wie es für Opfer und Hinterbliebene der NSU-Morde Sinn gemacht hatte , anzunehmen, jenes Rosa würde Beate Zschäpe ansprechbar machen für das Leid, das sie verursachte.
Worauf diese Kolumne hinausläuft, lesen Sie hier in der Berliner Zeitung
Nazis lauern in Sozialen Netzwerken
Einst marschierten sie durch Straßen, heute durch das World Wide Web. Längst hat die rechtsextreme Szene das Internet für sich entdeckt - und nutzt es auf unterschiedlichsten Wegen zu Propaganda- und Rekrutierungszwecken. Die Universität Bielefeld reagierte jetzt auf das Phänomen und lud no-nazi.net zum Vortrag ein (Mindener Tageblatt).