"Deutscher Wein statt Ami-Fusel": Der Antiamerikanismus der extremen Rechten

"Etwa 50 Aktivisten marschierten durch die Weindörfer Herxheim am Berg, Kallstadt und Erpolzheim“, schreibt die rheinland-pfälzische NPD auf ihrer Homepage über eine Aktion im September 2007. "Beim Marsch durch die engen Gassen der Dörfer wie durch die malerisch schönen Weinberge erschallten Kampflieder der deutschen Jugend.“ Unterwegs verteilten die Neonazis ein Flugblatt: "Deutscher Wein statt Ami-Fusel! Nur die NPD schützt einheimische Winzer!"

Von Michael Hahn

Nicht immer kommt der Amerikahass der extremen Rechten so beduselt daher. Meistens äußert er sich offen aggressiv. "Endlich sind sie mal im Herzen getroffen“, freute sich der Rechtsextremist Horst Mahler nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in einem ARD-Fernsehbeitrag. Am 2. Juli 2005, kurz vor dem US-Nationalfeiertag, wollte die NPD im oberpfälzischen Grafenwöhr, einem der größten US-Militärstandorte in Deutschland, ein "antiamerikanisches Kulturfest“ organisieren. Und bei neonazistischen Aufmärschen finden sich oft Transparente mit Aufschriften wie: "US-Kriegsverbrecher stoppen“ oder "U-S-A: Internationale Völkermordzentrale“ – eine Parole, die in den 1980-er Jahren bei linken Demonstrationen beliebt war.

Verunsicherung bei rechtsextremen Annäherungsversuchen

Mit derartigen Sprüchen versuchen Neonazis gelegentlich, an Friedenskundgebungen oder globalisierungskritische Demonstrationen teilzunehmen oder inhaltlich anzuknüpfen. Meistens stoßen sie auf klare Ablehnung. Aber immer wieder gibt es auch Veranstalter oder Demonstranten, die verunsichert reagieren - wie beispielsweise bei den Protesten im Vorfeld des zweiten Irakkriegs, als u.a. die Kameradschaft München ungehindert an Kundgebungen von attac teilnehmen konnte. Doch mit demokratischer Kritik an der US-Regierungspolitik hat der Amerikahass der extremen Rechten wenig gemein.

Nationalsozialistischer Amerikahass

Was stört deutsche Neonazis eigentlich an den USA? Historisch steht sicher die deutsche Niederlage im Zweiten Weltkrieg im Vordergrund. Neben der Sowjetunion spielten die USA eine zentrale Rolle bei der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus. Das ärgert die Neonazis bis heute. Die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse, die Demokratisierung und Liberalisierung in Westdeutschland sind für sie "Siegerjustiz“ und "Umerziehung“. In den neuen Bundesländern knüpft die extreme Rechte dabei an die offizielle DDR-Redensart von "angloamerikanischen Kriegsverbrechen“ an. So gehören die Aufmärsche zum Jahrestag der alliierten Bombardierung Dresdens zu den wichtigsten Mobilisierungen der NPD und der Kameradschaftsszene. Mit dem Begriff "Bombenholocaust“ versuchen sie, den NS-Völkermord an den europäischen Juden zu relativieren und zu verharmlosen.

Hitler selbst äußerte sich übrigens zwiespältig zu den USA. Bewunderung für deren technologischen Errungenschaften (Ford als Vorbild für Volkswagen!) mischte sich mit Verachtung für die vermeintliche "Dekadenz und Verweichlichung" der us-amerikanischen Gesellschaft: eine Denkfigur, in der europäischen extremen Rechten eine lange Tradition hat. Die USA hätten "jahrhundertelang auf dem Wege der Auswanderung die besten nordischen Kräfte Europas erhalten“, schrieb Hitler 1928. Einige Jahre später sagte er dann: "Meiner Ansicht ist dies Land dekadent. ... Die amerikanische Gesellschaft ... ist halb verjudet, und die andere Hälfte halb vernegert. Wie kann man erwarten, dass solch ein Staat zusammenhält?“

Die Frage der "Kriegsschuld"

Das nationalsozialistische Regime ging rigide gegen us-amerikanische Einflüsse in Kunst und Kultur wie beispielsweise Jazz und Swing vor. Doch außenpolitisch bemühte man sich zunächst, die USA nicht zu provozieren. Das änderte sich erst im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs. Von nun an galt US-Präsident Franklin D. Roosevelt als "Weltfeind", der sich vom "internationalen Judentum" gegen Deutschland aufhetzen ließ. Bis heute findet sich in fast jedem rechtsextremen Versandkatalog mindestens ein Buchtitel, der Roosevelt für den Zweiten Weltkrieg (mit)verantwortlich macht.

Diese Abwehr von allem, was real oder imaginiert der us-amerikanischen Gesellschaft und den Besatzungstruppen zugerechnet werden konnte, war im übrigen in vielen gesellschaftlichen Kreisen in der alten Bundesrepublik noch bis weit in die 1950-er Jahre verbreitet. Beispielsweise als offene Abwehr gegen "die Negermusik“.

Neonazistischer Bombenterror

In den 1980-er Jahren schlug der Amerikahass westdeutscher Neonazis ins Mörderische um. So verübte eine Terrorgruppe um den Neonazi Odfried Hepp mehrere Bombenanschläge in us-amerikanischen Kasernen-Wohnvierteln, bei denen mehrere US-Soldaten schwer verletzt wurden. Hepp verfasste auch einen Theorietext, in dem er die radikale Linke zur Zusammenarbeit gegen die "amerikanischen Besatzer“ aufforderte (der Vorschlag wurde brüsk zurückgewiesen). Die meisten Mitglieder der Bande wurden schon 1983 gefasst, Hepp selbst konnte sich zunächst ins Ausland absetzen, verbüßte aber später eine lange Haftstrafe und ist mittlerweile aus der Szene ausgestiegen.

Auch andere Strömungen der extremen Rechten gingen gegen die USA in Stellung. In den 1990-er Jahren zettelten nationalkonservative Intellektuelle im Umfeld der Wochenzeitung "Junge Freiheit“ eine Debatte über die deutsche "Westbindung“ an und forderten eine Loslösung vom us-amerikanischen Einfluss.

Globalisierung und "Amerikanisierung"

Doch allmählich tritt der klassische Revanchismus in den Hintergrund. NPD und "Freie Nationalisten“ setzen immer mehr auf aktuelle Themen wie Globalisierung und soziale Fragen. Die Begriffe "Globalisierung“, "Amerikanisierung“ und "US-Imperialismus“ sind dabei für die NPD praktisch austauschbar. Im "Aktionsprogramm“ der NPD finden sich Sätze über die Politik der US-Regierung gegenüber dem Irak oder den "Angriffskrieg gegen Jugoslawien“ 1999, die so oder ähnlich auch in einem Flugblatt von attac stehen könnten. "Die USA betreiben seit ihrer Gründung eine imperialistische Politik. Sie begann mit der weitgehenden Ausrottung der Indianer und wird ihr Ende nicht in der Bombardierung Afghanistans und des Irak gefunden haben.“ In der von den USA angestrebten "neuen Weltordnung“ dürfe das Kapital "an beliebigen Orten auf der Welt produzieren ..., um so die Ausgaben für soziale Sicherungssysteme, Löhne und Naturschutz minimieren zu können.“ Dagegen fordert die NPD "selbständige Volkswirtschaften", den "Abzug aller fremden Truppen aus Deutschland“ und ein "Interventionsverbot für raumfremde Mächte“.

Dass Deutschland selbst sich in Osteuropa "Lebensraum“ erobern und deutsche Konzerne in anderen Ländern "Löhne minimieren“ dürfen, war für Neonazis schon immer eine Selbstverständlichkeit.

Unverhohlener Antisemitismus

Und wen macht die NPD verantwortlich für den "US-Imperialismus“? Spätestens hier merkt man, dass der Text doch nicht von Attac stammen kann. Schuld seien "die völkerverachtenden Strategen der US-Regierung, die sich mit dem Begriff ‘US-Ostküste’ am besten symbolisch klassifizieren lassen.“ Die us-amerikanische "Ostküste“ ist seit über einhundert Jahren - und weit über die Neonazi-Szene hinaus - ein unmissverständliches Code-Wort für das us-amerikanische Judentum. Die Metropole New York mit ihrem hohen jüdischen Bevölkerungsanteil gilt in der extremen Rechten als Inbegriff von Finanzkapital, Völkervermischung und Sündhaftigkeit.

Ganz unverhohlen antisemitisch formuliert es der sächsische Landtagsabgeordnete und NPD-Stratege Jürgen Gansel. Er definiert Globalisierung als "das planetarische Ausgreifen der kapitalistischen Wirtschaftsweise unter der Führung des großen Geldes. Dieses hat, obwohl seinem Wesen nach jüdisch-nomadisch und ortlos, seinen politisch-militärisch beschirmten Standort vor allem an der Ostküste der USA.“

Die Mär von der kulturellen "Zersetzung"

Begleitet werden die vermeintlichen us-amerikanischen Weltherrschaftspläne von "Kulturimperialismus“, heißt es im NPD-Aktionsprogramm weiter: "Um Widerstand gegen diese Ausbeutungspolitik zu brechen, muss jede Form der kulturellen Zersetzung gefördert werden. ... Auf diese Weise wird ein wesentlicher Aspekt der völkischen Identität zerstört. Dies ermöglicht später auch die Vernichtung der biologischen Basis eines Volkes. Das klassische Medium des Kulturimperialismus ist das Fernsehen. Dieses wirkt kulturnivellierend und insbesondere dann, wenn amerikanische Produktionen gezeigt werden, gemeinschaftszersetzend.“ Hier zeigt sich der Hass auf "die amerikanische Kultur“ mit ihrem Individualismus und Liberalismus. Dagegen setzen die Neonazis ihre "völkische Gemeinschaft“, in die sich der und die Einzelne einzufügen hat und alles "Fremde" und "Andere" unerwünscht ist.

Den Vorurteilen aus der Mitte entgegen treten

"Weltherrschaft", "nomadisch", "zersetzend": Das sind die klassischen Begrifflichkeiten der antisemitische Phantasien. Damit knüpft die NPD nahtlos an die nationalsozialistische Propaganda gegen das "halb verjudete“ Amerika an. Aber sie greift auch geschickt einige antiamerikanische Ressentiments auf, die weit über die eigentliche rechtsextreme Szene hinaus zu finden sind. Dass sich in den USA alles nur ums Geld drehe, die us-amerikanische Gesellschaft extrem gewalttätig und die US-Kultur seicht sei, dass us-amerikanische Lebensmittel gesundheitsschädlich und "gepanscht" sind ("Ami-Fusel“), davon sind auch viele Deutsche überzeugt, die keineswegs mit der NPD sympathisieren.

Häufig wird in diesem Zusammenhang die Frage gestellt, wie Einfallstore für die extreme Rechte vermieden werden können: Zusammengefasst lässt sich in wenigen Sätzen folgendes sagen: Eine demokratisch-aufklärerische Kritik an der Politik der jeweiligen US-Regierung und an manchen Entwicklungen in der us-amerikanischen Gesellschaft geht anders und hat völlig andere Ansatzpunkte. Diese Kritik sollte am konkreten Beispiel ansetzen und argumentieren, anstatt Allgemeinheiten über das vermeintliche Wesen "der Amerikaner“ und ihre Kultur zu kolportieren. Und sie sollte die eigenen deutschen Zustände nicht aus dem Auge verlieren.

Zum Thema

| Was ist Antisemitismus

Weblinks

| Nazis in der Friedensbewegung: Aktivitäten und Einfluss – Einschätzung und Bilanz Nazis in sozialen Protestbewegungen

Literatur

| Dan Diner: "Feindbild Amerika: Über die Beständigkeit eines Ressentiments“. München 2002

| DGB-Jugend Berlin-Brandenburg u.a.: "Auf dem Weg zum Gipfel. Nazis und Globalisierungsproteste“ (Broschüre). Berlin 2007

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