Presseschau ... 15.04.2016

+++ Herford: Feuer in Flüchtlingsheim, zwei Verletzte +++ Wien: „Identitäre“ stürmen Theateraufführung an der Uni +++ Bad Oldesloe wappnet sich gegen Neonazi-Demo

 

Herford: Feuer in Flüchtlingsheim, zwei Verletzte

Bei einer Brandstiftung in einer Flüchtlingsunterkunft in Herford haben eine Frau und ein Kind leichte Rauchvergiftungen erlitten. Polizei und Staatsanwaltschaft werten die Tat als versuchtes Tötungsdelikt, wie sie am Donnerstag mitteilten. Das Feuer war in der Nacht zu Donnerstag im Keller eines Hauses gelegt worden, das von Flüchtlingen bewohnt wird. Der Täter soll Brandbeschleuniger benutzt haben.
In der Nähe des Tatortes nahm die Polizei noch in der Nacht einen 37-jährigen Mann aus Herford fest. Er sei in der Vergangenheit mit einem Brandstiftungsdelikt aufgefallen, sagte Staatsanwalt Christoph Mackel. Damals habe es sich allerdings nicht um eine politisch motivierte Tat gehandelt. Ob sich der Verdacht gegen den Mann erhärte, müssten die weiteren Ermittlungen zeigen, sagte Mackel. Der Mann soll nach Angaben der Ermittler versucht haben, mit den Bewohnern das Feuer zu löschen. Anschließend habe er den Notruf betätigt. Der Staatsschutz ist eingeschaltet und prüft, ob das Feuer aus rassistischen Motiven gelegt wurde. "Wir ermitteln weiter in alle Richtungen", betonte eine Polizeisprecherin.

 

Wien: „Identitäre“ stürmen Theateraufführung an der Uni

Eine Aufführung des Theaterstücks „Die Schutzbefohlenen“ von Elfriede Jelinek im Audimax der Universität Wien wurde gestern von 20 bis 30 Rechtsextremen gestürmt. Laut Augenzeugen entrollten sie auf der Bühne eine Fahne der rechtsextremen "Identitären", verteilten Flugblätter mit der Aufschrift „Multikulti tötet“ und verspritzten Kunstblut. Die Darsteller der Aufführung des mit dem Nestroy-Preis ausgezeichneten Stücks waren Schutzsuchende aus Syrien, Afghanistan und dem Irak.
Das Audimax war mit etwa 700 Personen voll besetzt. Nach einem Handgemenge und Gerangel gelang es Teilen des Publikums, die Rechtsextremen hinauszudrängen. In acht Fällen wurden Anzeigen wegen Körperverletzung gegen die Neonazis erstattet.

 

Bad Oldesloe wappnet sich gegen Neonazi-Demo

Bad Oldesloe erwartet am Samstag den Ansturm von Neo-Nazis und eine große Gegenkundgebung. Unter dem unscheinbaren Motto „Gemeinsam für Deutschland“ hat der NPD-Funktionär Mark Proch für Sonnabend, 16. April, eine Neonazi-Demo in Bad Oldesloe angemeldet. Das Bündnis gegen rechts setzt mit "Bad Oldesloe bleibt bunt" dagegen und rechnet mit mindestens 1000 Protestlern. Bürgerliche Parteien, Vereine, Gewerkschaften, der Bürgermeister und Pastoren unterstützen den Aufruf ebenso wie linke Antifa-Gruppen von Flensburg über Lübeck und Hamburg bis Bremen.

 

Neubrandenburg: Gewerkschaft erteilt der AfD eine Absage

Best Practice aus Mecklenburg-Vorpommern: Der Deutsche Gewerkschaftsbund in Neubrandenburg hat für das 7. Demokratiefest am 1. Mai die Alternative für Deutschland (AfD) von der Teilnahme ausgeschlossen. Das sagte die DGB-Regional-Chefin Gisela Ohlemacher am Donnerstag auf Nordkurier-Anfrage. Die Ziele der Partei würden nicht mit dem Anliegen des Demokratiefestes - "Zeit für mehr Solidarität" - übereinstimmen, so die Gewerkschaftsfunktionärin. Die AfD hätte darum gebeten, sich wie andere Parteien mit einem Info-Stand am Demokratiefest zu beteiligen. "Unsere abschlägige Antwort wird am Donnerstag abgeschickt".

 

"Über die AfD gehen rechte Burschenschafter den Marsch durch die Institutionen an"

Christian Becker war selbst Burschenschafter, bei den Raczeks in Bonn. Seit Juli 2012 betreibt er mit einigen Mitstreitern den Blog "Burschenschafter packt aus", in dem er über rechte Umtriebe in der Szene berichtet. Im Jahr 2012 wurde er von den Raczeks ausgeschlossen. Welche Rolle spielt die Münchner Verbindung Danubia im rechten Lager?

Was macht die Burschenschaft Danubia aus Ihrer Sicht gefährlich?
„Sie versucht, die rechte Szene zu verbinden. Bei Veranstaltungsreihen wie den ‚Bogenhauser Gesprächen‘ sind diverse Vertreter der Neuen Rechten aufgetreten. Solche Veranstaltungen richten sich an schlipstragende Akademiker. Aber es gab bei der Danubia auch den Kameradschafter Pierre P.: Er wurde von der Danubia erst rausgeworfen, nachdem er im Verfassungsschutzbericht erwähnt worden war. Er ist inzwischen bei der Partei ‚Der Dritte Weg‘ aktiv und gilt für die Staatsregierung als Führungskader der rechtsextremistischen Szene in Bayern.“

 

Taktischer Schachzug? NPD-„Karriere“ von Nils Matischent beendet

Er war einer der radikalsten Vertreter der NPD Mecklenburg-Vorpommern und setzte den Landesverband mit seinen Verurteilungen und Eskapaden immer wieder unter Druck. Sogar im Verbotsverfahren wird Nils Matischent mehrfach erwähnt. Nun gehen der Neonazi und die NPD offiziell getrennte Wege – und die Partei verliert ein weiteres Kommunalmandat.
Es liegt nahe, dass sich die rechtsextreme Partei des Kleinkriminellen vor allem aufgrund der derzeitigen Situation entledigen möchte. Der Vorgang wirkt wie ein taktischer Schachzug – eine öffentliche Stellungnahme oder Distanzierung sucht man vergeblich. Erst vor Kurzem setzte Matischent dann auch seinen Aktionismus fort – und verteilte Flyer. Flyer der NPD.

 

Viele heiße V-Mann-Spuren

Die Frage, ob Deutschlands Geheimdienst seine Neonazis eher in Schach hält oder päppelt, ist mindestens so alt wie die Enttarnung des terroristischen Zwickauer Trios. Fast genauso alt ist die verschwörungstheroretisch angehauchte Frage, ob der Verfassungsschutz gar als heimlicher Auftraggeber tätig war.
Dass sie immer wieder gestellt wird, ist kein Wunder angesichts von Enthüllungen wie der aus der vergangenen Woche: Demnach hatte das NSU-Mitglied Uwe Mundlos in den Jahren 2000 und 2001 als Bauleiter in der Zwickauer Firma von Ralf M. gearbeitet, einem V-Mann des Bundesverfassungsschutzes. In derselben Zeit erschoss der NSU vier Menschen.

 

Dortmunder Verfassungsschützer: "Kann mich nicht erinnern, kenn ich nicht, sagt mir nichts."

Er war von 1998 bis 2001 in leitender Position für die rechte Szene zuständig. "Kann mich nicht erinnern, kenn ich nicht, sagt mir nichts." Mit seiner Aussage trieb der ehemalige Dortmunder Staatsschützer die NSU-Ausschussmitglieder buchständlich in den Wahnsinn, sie glaubten ihm kein Wort. Den Polizistenmörder Michael Berger habe er vor der Tat nicht gekannt, sagte der Zeuge. Obwohl Berger da schon tief in der Dortmunder Rechten Szene drin war. Selbst bekannte Gruppierungen wie der „Nationale Widerstand Ruhrgebiet“ sagten dem Zeugen angeblich nichts. Er sollte am Donnerstag (14.04.2016) dem NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags helfen, Verbindungen des dreifachen Polizistenmörders Michael Berger zur Terrorgruppe NSU zu suchen.

 

2.700 Euro für „Hitler hat das einzig richtige getan“

Die deutsche Justiz hat durchaus ihre großzügigen Seiten: Sie genehmigte am Donnerstag einem 31-jährigen Libanesen vor Gericht einen Rückzieher und half ihm auf diese Weise, knapp 1 000 Euro zu sparen. Der 31-jährige Wickeder sollte sich vor dem Amtsgericht Werl wegen Volksverhetzung verantworten. Der Vorwurf: In einer öffentlichen Facebook-Gruppe war der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu thematisiert worden. Dazu habe der 1985 geborene Angeklagte als Kommentar u.a. veröffentlicht: „Hitler hat das einzig Richtige getan“. Sein einziger Fehler sei gewesen, „dass er welche am Leben gelassen hat, dieser Spacken“.
Für diesen Spruch handelte sich der Mann einen Strafbefehl über 2.700€ ein, gegen den er Widerspruch einlegte. Nachdem der Richter ihn darauf hinwies, dass er mit seinem Einkommen von 1200 Euro sogar eine Geldstrafe von 3600 Euro (90 Tagessätze a 40 Euro) zu erwarten habe, wenn es tatsächlich zu dieser Hauptverhandlung komme zog er seinen Widerspruch zurück.

 

Angst, Zorn und Vorurteile: Eine Ankunft von Geflüchteten in Meerane

Als die ersten Flüchtlinge am Dienstag ins Erstaufnahmeheim Meerane (Sachsen) gebracht werden, gibt es Protest. Wieso eigentlich? Ein Gespräch mit Asylgegnern. "Was sind die Flüchtlinge", fragt ihn sein Vater. "Viehzeug", sagt der Junge leise und lächelt Papa an. "Und was machen die", fragt der Vater. "Die spucken und kratzen", sagt der Junge. "Traust du dich noch auf die Straße gehen?" Der Junge schüttelt den Kopf. Ich gehe neben ihm in die Hocke und frage: "Hast du Ausländer in deiner Klasse?" Er schüttelt den Kopf. "Haben sie dich auf der Straße schon einmal geärgert oder dir was getan?" Er schüttelt wieder den Kopf. "Kennst du überhaupt Ausländer hier in Meerane?" Nochmal Kopfschütteln. Ich wende mich wieder zu dem Schnauzbartträger. "Das hat er vom Vater", sage ich. "Von mir? Nein, von mir hat er das nicht", sagt der Mann. "Er kuckt selber Nachrichten. Sag, dass du selber Nachrichten kuckst."
Es ist Dienstag, früher Vormittag. Ein Reisebus hat gerade 41 Asylbewerber in die Unterkunft gebracht. Die ersten Bewohner der neuen Erstaufnahmeeinrichtung. Die Ansammlung auf der anderen Straßenseite lehnt das Heim ab. Mal sind zehn Leute da, mal dreißig, es herrscht ein Kommen und Gehen. Mehrere Aktive der Facebookgruppe "Meerane unzensiert" sind unter ihnen, manche tragen das Gruppenlogo auf ihrer Kleidung. Die Gruppe sei weder gewalttätig noch rechts, sagt ein kahlköpfiger Mann. In der Presse würden nichts als Lügen stehen.

 

Rechte Stadtguerilla im Havelland

Wann wird Terror als Terror verfolgt? Im sächsischen Freital hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen zu einer rechtsextremen Bürgerwehr übernommen. In Nauen nicht. Wo liegen die Unterschiede? Und wie geht es in Nauen weiter?
Im März wurden drei Verdächtige festgenommen, die hinter einer Anschlagsserie in der Stadt stecken sollen. Kopf der Gruppe: der NPD-Stadtverordnete Maik Schneider (28). Schnell waren sie als „Nauener Zelle“ bekannt. Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter nannte sie eine „rechte Stadtguerilla“. Nauens Bürgermeister Detlef Fleischmann, ebenfalls Sozialdemokrat, bezeichnet sie als „Terroristen, die dieser Stadt mehr geschadet haben als es ganze marodierende Völkerscharen tun könnten.“

 

Schweiz: "Gad abfahre mit dene huere Moslems"

Sie sind anonym, stolz auf die Schweiz und wollen eine angebliche Islamisierung des Landes verhindern: die rechtsnationalen Helvetic Brothers, deren Facebook-Seite über 11'000 Menschen gefällt. Nun haben sie einen Ableger in der Ostschweiz gegründet. "Multikulti-Scheiss", "Gad abfahre mit dene huere Moslems", "Gottverdammti Guetmensche". Kein Zweifel: Wer auf der Facebook-Seite der Helvetic Brothers Kommentare abgibt, mag Ausländer, insbesondere Moslems, nicht.
Die Helvetic Brothers sind eine anonyme Gruppierung, die im vergangenen Sommer erstmals mit einer Aktion in der Öffentlichkeit für Aufruhr sorgte. Im Aargau, aber auch in Olten oder Sursee hatte sie Plakate mit Botschaften wie "Islamisierung stoppen" oder "Nein zum schleichenden EU-Beitritt" angebracht.

 

Kunstaktion am Landtagsschloss in Potsdam: Wolfsmenschen gegen Rechtsextremismus und Gewalt

Mit 63 Skulpturen von bis zu zwei Meter großen Wolfsmenschen ruft der Brandenburger Künstler Rainer Opolka zum Widerstand gegen Rechtsextremismus und Gewalt auf. Die Skulpturen sind von Donnerstag an bis zum 1. Mai auf dem Alten Markt am Landtagsschloss in Potsdam zu erleben. Opolka ist dann jeden Tag auf dem Alten Markt, um mit Besuchern der Freiluftausstellung über rechtsextremistische Gewalt und den Widerstand dagegen in der Zivilgesellschaft zu sprechen.
"Anlässe für die Schaffung der Skulpturen waren die Mordserie des NSU und dann die ersten brennenden Flüchtlingsheime", sagte Opolka am Mittwoch beim Aufbau der Skulpturen. "Ich hatte einen Aufschrei der Kunst- und Kulturschaffenden erwartet, aber außer ein paar Theateraufführungen passierte wenig."

 

 

„Drecksband“? Frei.Wild mahnt die Ruhrbarone ab, die ziehen vor Gericht

In einem Artikel mit der Überschrift „Der Echo braucht Frei.Wild“ hat der nordrhein-westfälische Blog „Ruhrbarone“ die Band „Frei.Wild“ als  „Drecksband“ bezeichnet, die „hässlicher als Pur“ sei und eine „Spackenband“ obenrdrein. Das wollten die Südtiroler, die selbst nicht gerade für ihre harmlose Sprache, dafür aber umso mehr für rechtsoffenheit und nationalistische Aussagen bekannt sind, natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Die von Frei.Wild beauftragten K&E Rechtsanwälte für Kultur & Entertainment fordern die „Ruhrbarone nun auf, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, in der wir uns verpflichten, die angemahnten Äußerungen zu löschen und künftig zu unterlassen.
Die Antwort auf das Unterlassungsschreiben der Rechtsanwälte ist bemerkenswert:
Ich bin der Überzeugung, dass die Bezeichnung der Gruppe Frei.Wild als „Drecksband“ keine persönliche Beleidigung der einzelnen Musiker ist, sondern dass es mein Recht ist, auch eine abwertende Meinung über diese Gruppe zum Ausdruck zu bringen. Dies gilt umso mehr als auch Ihr Mandant, die ‚Frei.Wild GbR Burger Forer Gargitter Notdurfter‘, sich gerne einer sehr deutlichen Sprache bedient. So werden in dem Stück „Das Land der Vollidioten“ große Teile der Bevölkerung Deutschlands, Italiens oder beider Länder als Vollidioten bezeichnet (…)Dass der ‚Frei.Wild GbR Burger Forer Gargitter Notdurfter‘ die Aussage sie sei „hässlicher als Pur“ nicht gefallen hat, kann ich persönlich gut nachvollziehen, allerdings halte ich ästhetische Urteile durch die Meinungsfreiheit für gedeckt“.

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