Presseschau ... 11.08.2017

Sachsen-Anhalt: Ein rechter Angriff, der keiner sein soll +++ Sachsen: Warum sich ein CDU-Politiker mit der NPD trifft +++ Urteil zum Überfall auf Dönerladen in Ebersberg +++ Berlin-Neukölln: Rechtsextreme Gruppe soll 170 Straftaten verübt haben.

 

Sachsen-Anhalt: Ein rechter Angriff, der keiner sein soll

Tatort Ziegelwiese: In Halle wird ein Student aus Berlin fast getötet. Der Ankläger sieht kein politisches Motiv, die Polizei schweigt. Der Student spielt mit Freunden auf der Wiese "Bierball", trägt Dreadlocks. Gegen Mitternacht, so erinnert er sich , stellte sich neben die Bierballspieler die Gruppe der Rechten. „Wir sind Faschos“, habe einer gesagt. Und ob sie ein Bier kriegen. Vielleicht ging es auch um eine „Kippe“. Schmidt gibt ungefiltert wieder, wie er und seine Freunde reagierten. „Die sollen sich verpissen, haben wir gesagt.“ Prompt habe einer der Rechten „einem aus unserer Gruppe ins Gesicht geschlagen“. Schmidt und ein Kumpel nahmen den Angriff nicht hin, „wir haben angefangen, uns zu wehren. Es war sehr unübersichtlich“. Er wird durch einen Messerstich schwer verletzt, verliert seine Milz. Für die Staatsanwaltschaft Halle ist in der Messerattacke kein rechtes Motiv zu erkennen. „Das gefällt mir überhaupt nicht, die Geschichte in so eine Ecke reinzudrücken“, sagt Staatsanwalt Klaus Wiechmann. Die Frage, ob der Angeklagte der rechten Szene zuzuordnen sei, wehrt er ab, „nein, nein, das ist ein 16-Jähriger, nee“. Die Bundesregierung listet den Fall als rechtes Tötungsdelikt.

 

Sachsen: Warum sich ein CDU-Politiker mit der NPD trifft

Von Schlägereien bis zur Menschenjagd – immer wieder kommt es im sächsischen Bautzen zu Gewalt zwischen Neonazis und Flüchtlingen. Als Lösung für das Problem lässt sich der Vize-Landrat des Kreises ausgerechnet mit der rechtsextremen NPD ein.
Als „Hardcore“ beschreibt der Bautzener SPD-Kommunalpolitiker Sven Scheidemantel die Konkurrenz von der sächsischen CDU. Gemeint ist: Nirgendwo steht die Union aus seiner Sicht so weit rechts wie ganz im Osten der Republik. So komme es beim CDU-Bundesparteitag schon mal vor, dass die Delegierten aus Bautzen ihrer Parteichefin den Applaus verwehrten – weil sie ihre Asylpolitik ablehnen. „Die gehen voll gegen Merkel“, sagt Scheidemantel. Da überrascht es nicht, dass manche in der sächsischen CDU nichts gegen Gesprächspartner von ganz rechts außen einzuwenden haben. Wie gering die Berührungsängste sind, die Teile der „Sachsen Union“ mit dem Rechtsextremismus haben, dafür gibt es jetzt – wieder einmal – ein aktuelles Beispiel: den Fall des CDU-Vize-Landrats im Kreis Bautzen. Für „ein erstes Gespräch“, berichtet der NPD-Politiker Marco Wruck stolz auf Facebook, habe er sich am vergangenen Dienstag mit Udo Witschas von der Union getroffen.

 

Überfall auf Döner-Laden in Ebersberg: Das Urteil ist gefallen

Aus purem Rassismus haben acht Männer in einem Döner-Laden in Ebersberg randaliert und zwei Afghanen zusammengeschlagen. Drei von ihnen müssen nun in Haft. Die Richterin fand deutliche Worte gegen den „Mob“. Der Hauptangeklagte Markus N. (36) muss wegen eines rassistischen Anschlags auf einen Döner-Laden am Ebersberger Bahnhof vier Jahre und drei Monate hinter Gittern verbringen. Sein wichtigster Komplize (28) muss für zwei Jahre und vier Monate ins Gefängnis. Einen neunfach vorbestraften Helfer (28) verurteilt das Landgericht München II zu 14 Monaten Haft. Drei Männer bekommen Bewährungsstrafen, zwei eine Geldstrafe. Die Vorsitzende Richterin sagte, die Männer seien keine rechtsradikalen Gesinnungstäter, sondern hätten hirnlos rassistisch gepöbelt und gehandelt. «Das ist das Schlimmste. Das ist der Mob in unserer Gesellschaft.» 

 

Berlin-Neukölln: Rechtsextreme Gruppe soll 170 Straftaten verübt haben

Eine Linken-Anfrage hat ergeben, dass in Neukölln eine rechtsextreme Clique für mehr als 170 Taten verantwortlich sein könnte. Die Polizei setzte eine Ermittlungsgruppe ein. In Neukölln ist immer noch eine kleine, aber äußerst rege Truppe junger Rechtsextremer aktiv. Davon gehen sowohl Beamte aus Polizei und Justiz als auch Beobachter der Linkspartei aus. Nach einer Anschlagserie auf Räume und Autos mutmaßlicher Flüchtlingshelfer in den vergangenen Monaten wurden jedenfalls keine Verdächtigen festgenommen. Das geht aus einer noch unveröffentlichten Antwort der Senatsinnenverwaltung auf eine Anfrage der Linken im Abgeordnetenhaus hervor.

 

Nackedei-Schüßler: Richter abgelehnt, sechs Fans und kein Urteil

Ergebnislos wurde am Donnerstag die erste Verhandlung wegen Volksverhetzung gegen die ehemalige NPD-Funktionärin Sigrid Schüßler vor dem Landgericht in Bamberg vertagt. Mit einem freizügigen Foto hatte sie auf Facebook um Unterstützung geworben. Gerade mal sechs Personen folgten dem Aufruf.

 

Thüringen: AfD attackiert Polizei-Spitze und Demokratie-Institut scharf

Die AfD attackiert die Ordnungsmacht: Als „Schande für die Chefetage der Thüringer Polizei“ bezeichnet AfD-Fraktionsgeschäftsführer Stefan Möller die Kooperation mit dem Jenaer Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft - für die AfD das sprichwörtlich rote Tuch ist: Es geht um die am 2. August geschlossene Kooperation der Thüringer Polizeiführung mit dem Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena, dessen Direktor Matthias Quent ist. Für die AfD ist es ein „linksradikale Institut“ – und das Verhalten der Polizeiführung „eine Schande“, wie Stefan Möller als parlamentarischer Geschäftsführer der AfD formuliert. Matthais Quant, Leiter des IDZ, erwidert: "Offenbar fürchtet Herr Möller nichts so sehr wie den Schulterschluss der Demokraten und eine gesamtgesellschaftliche, sachliche Auseinandersetzung mit den Ursachen und den Erscheinungsformen von Demokratie- und Menschenfeindlichkeit."

 

Goslar wehrt sich gegen rechte Demo am Samstag

Goslar ist bunt und nicht braun. Das will die Stadt am kommenden Samstag unter Beweis stellen. Hintergrund ist eine rechte Kundgebung am Bahnhof. Dort wollen Neonazis für eine große Demo werben, die sie im kommenden Jahr in Goslar durchführen wollen. Deren Motto: "Tag der deutschen Zukunft – unser Signal gegen Überfremdung." Das "Bündnis gegen Rechts" hält dagegen und hat eine Gegendemo unter dem Motto "Goslar ist weltoffen – kein Platz für Rassisten" angemeldet. Dazu hätten sich einige Redner angekündigt. Unterstützt werde die Gegendemo von Gewerkschaften, Kirchen, Partein und Vereinen.

 

Aachen/Wassenberg: Haftstrafe für Neonazi aufgehoben

Das Landgericht Aachen hat am Mittwochnachmittag einen jungen Rechtsextremen vom Vorwurf der Beihilfe nach Attacken auf Flüchtlinge in Wassenberg freigesprochen. Ein Gerichtssprecher sagte auf Anfrage, die Kammer habe in dem Berufungsverfahren das Urteil des Amtsgerichts Heinsberg gegen den 20-Jährigen aufgehoben. Das Jugendschöffengericht hatte vor rund einem Jahr mehrere Jugendliche und Heranwachsende zu Jugendstrafen auf Bewährung verurteilt. (bnr.de berichtete) Das Urteil ging zurück auf verschiedene Angriffe durch junge Neonazis auf Asylsuchende in der südwestlich von Mönchengladbach liegenden Gemeinde.

 

Rechtsextremer mit unerlaubter Waffe

Der 31-Jährige stand zum wiederholten Mal vor Gericht in Cham. Nun schickte ihn der Richter für längere Zeit ins Gefängnis.  Er ist ein „alter Bekannter“ bei Gericht gewesen, der am Donnerstag wegen unerlaubten Waffenbesitzes vor Gericht stand. Selbst wenn der über und über Tätowierte, der in schwarzer Jogginghose mit der Aufschrift „Deutsches Reich“ und der entsprechend aufgedruckten Fahne seine rechte Gesinnung deutlich machte, erst 31 Jahre alt ist. Auch bei Richter Wolfgang Voit hatte er vor kurzem erst auf der Anklagebank gesessen. Nun muss er acht Monate ins Gefängnis. Die Staatsanwältin hatte neun Monate für ihn gefordert.

 

Rassismus im grönländischen Fußball: Die Sache mit den Bananen

Tekle Ghebrelul stammt aus Eritrea. Er floh zunächst nach Dänemark und wurde später Nationalcoach von Grönland. Jetzt erhielt er die Kündigung. Weil er Konsequenzen gegen rassistische Ausfälle gefordert hatte.

 

Morddrohungen gegen Macher von Berliner Hitler-Ausstellung

Enno Lenze bekommt bis zu 500 Hassnachrichten pro Woche. Er engagiert sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus. Lenze ist einer der Macher der Ende Juli eröffneten Schau "Hitler – wie konnte es geschehen". Im einstigen Reichsbahn-Bunker am Anhalter Bahnhof wird auf drei Etagen anhand Hunderter zeitgenössischer Exponate die Zeit von der Geburt Hitlers bis zum Tod des Diktators dokumentiert. Bis zu 500 rechte Hassnachrichten bekommt Lenze deswegen pro Woche – vorrangig über Facebook. Viele bestünden aus Beschimpfungen, das sei für ihn schon fast normal. Mittlerweile seien aber auch Morddrohungen darunter, so Lenze. Um auf das Problem aufmerksam zu machen, hat er diese Nachrichten nun veröffentlicht. "Wir wollen die Menschen zwingen, sich damit auseinanderzusetzen, dass dieser Hass existiert." 120 der Hassnachrichten stehen deswegen für eine Woche auf der Facebook-Seite des Berlin-Story-Verlages zur Abstimmung. Die Drohungen, die von den Nutzern als schlimmste ausgewählt werden, sollen auf eine Ausstellungstafel gedruckt und zugunsten eines Aussteigerprogramms für Rechtsextreme versteigert werden.

 

Kapitulation vor Antifeminismus?

Der Heinrich-Böll-Stiftung hat ihr Online-Lexikon "Agent*In" vom Netz genommen. Ein Kommentar.  Ein kritisches Lexikon zum Antifeminismus wollte die grünennahe Heinrich-Böll- Stiftung zur Verfügung stellen. Doch wer die Seite anklickt, erfährt nur, dass das Projekt zurzeit ruht. Dafür gibt es auf der Homepage der Heinrich-Böll-Stiftung eine Erklärung, die eine Kapitulation vor einer wochenlangen rechten Kampagne darstellt.

 

 

Sexismus: Google sagt interne Diskussionsrunde nach Hasskampagne ab

Im Vergleich zu vielen anderen Techunternehmen pflegt Google eine relativ offene Diskussionskultur. So gibt es nicht nur mehrere interne Diskussionplattformen, die Gründer und Chefs stellen sich auch regelmäßig bei sogenannten "Town Hall Meetings" den – zum Teil recht offenen – Fragen ihrer Angestellten. Mit besonderer Spannung war die aktuellste Runde dieser Diskussionsrunden erwartet worden, erfolgte sie doch vor dem Hintergrund eines von einem Mitarbeiter im gesamten Unternehmen zirkulierten, sexistischen Textes, der schlussendlich zu dessen Entlassung führte. Doch dazu kommt es zumindest vorerst nicht: Google hat das Treffen abgesagt, da man um die Sicherheit seiner Angestellten fürchte, wie es heißt. Leak Zuvor waren zahlreiche der über ein internes System namens "Dory" eingereichten Fragen nach außen durchgesickert. Über dieses System könnten die Google-Mitarbeiter abstimmen, welche Fragen ihren Chefs schlussendlich gestellt werden sollen. Von Aktivisten der rechtsextremen Alt-Right-Bewegung wurden zudem Namen, Fotos und biografische Details einzelner Google-Angestellter in Umlauf gebracht, die sich gegen das sexistische Manifest zu Wort gemeldet haben. In Berufung auf interne Quellen bei Google spricht Recode denn auch davon, dass es bereits konkrete "Doxxing"-Attacken gegen einzelne Angestellte gegeben hätte. Der Autor des betreffenden Textes, James Damore, sieht sich hingegen als Opfer einer Schmutzkübelkampagne von Google-Topmanagern, immerhin wollte er ja nur eine Diskussion anregen. Dass er sein erstes Interview nach dem Rauswurf ausgerechnet dem Alt-Right-Youtuber Stefan Molyneux gegeben hat, soll seine Position innerhalb von Google aber weiter an den Rand gedrängt haben.

 

Donald Trump über alles: Amerikas rechte Medie

Es sind Berichte aus einem anderen Amerika. Fox News, InfoWars oder rechte Youtuber sind zwar nicht direkt verbunden. Aber sie alle bestrahlen das breite Spektrum von Trumps Anhängerschaft. Ein Paralleluniversum.

 

Faktencheck: Yousuf K., der Millionenmann, den es nicht gab

Ein Casino wirbt mit einer Falschnachricht. Und facht Ressentiments gegen Asylbewerber an. „Asylant knackt Millionen-Jackpot! Das Geld schickt er ins Ausland und bezieht weiterhin Hartz 4.“ Das ist eine Überschrift, die aufregen soll. Und es ist eine Überschrift, die Geld bringen wird. Der Artikel steht auf einer Internetseite, die sich Web24News nennt. Es geht um Yousuf K.. Yousuf ist angeblich 36 Jahre alt, lebt unbefristet im bayerischen Bamberg, ist arbeitslos und hat eine Million Euro gewonnen, die er seinem Onkel im Ausland überwiesen haben soll. Aus Angst, die deutschen Behörden könnten ihm das Geld sonst wegnehmen. Es ist alles da für einen konstruierten Aufreger. So einer ist es auch: Nichts davon stimmt. 

 

Frankenthal: Ermittlungen gegen hochrangigen Stadt-Mitarbeiter

Der Mann soll im Internet rassistische Kommentare veröffentlicht haben. In seinen Kommentaren soll der Stadt-Mitarbeiter Flüchtlinge als Straftäter bezeichnet haben. Unter anderem schrieb er angeblich, sie seien Auslöser von „Pilzinfektionen". Das Pikante: er war zu dem Zeitpunkt Abteilungsleiter für Asylbewerberleistungen. Laut Staatsanwaltschaft hat die Verwaltung direkt nach der Veröffentlichung der Kommentare Anzeige erstattet. 

 

"Ironie" statt Volksverhetzung - Ex-Polizist freigesprochen

Ein früherer Polizist ist in Aachen vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen worden. Die Berufungskammer des Landgerichts hob nach Angaben eines Gerichtssprechers von Mittwoch ein Urteil eines Amtsgerichts auf, das den Mann wegen Volksverhetzung in zwei Fällen zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt hatte. Der 53 Jahre alte Vorruheständler soll zu einem Internet-Beitrag zur Sauberkeit in einem Flüchtlingsheim sinngemäß geschrieben haben, die Verfasserin solle bei der nächsten Putz-Aktion ein bisschen mehr Reinigungsbenzin und ein paar Feuerzeuge mitnehmen - mit einem Smiley dahinter. Wegen der erkennbaren Ironie habe die Kammer keine ernsthafte Aufforderung zur Gewaltanwendung gesehen, sagte Gerichtssprecher Daniel Kurth.

 

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