Presseschau ... 01.03.2017

Razzia gegen "Freundeskreis Thüringen / Niedersachsen" +++ So widerlich freuen sich AfD-Politiker über die Inhaftierung des "Welt"-Reporters Yücel in der Türkei +++ Erneute Zunahme rechter Gewalt im Jahr 2016 in Thüringen Opferberatungsstelle ezra veröffentlicht Jahresstatistik

 

Razzia gegen "Freundeskreis Thüringen / Niedersachsen"

Die Polizei hat am Dienstagmorgen einen Schlag gegen den "Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen" geführt. Mehr als 100 Beamte durchsuchten sechs Gebäude, deren Bewohner dem Umfeld der rechtsextremen Gruppierung zugerechnet werden. Dazu zählte auch das Privathaus von „Freundeskreis“-Chef Jens Wilke. Es seien ein Objekt in der Stadt Göttingen, vier Objekte im Landkreis Göttingen und ein weiteres in Thüringen durchsucht worden, teilen die Polizei und die Göttinger Staatsanwaltschaft mit. Die Beschuldigten stünden "im Verdacht, unter Inanspruchnahme von diversen Kommunikationsmitteln eine bewaffnete Gruppe gebildet zu haben". Bei den Durchsuchungen wurden Schlag- und Stichwerkzeuge, darunter auch verbotene Gegenstände, und eine Vielzahl von Datenträgern wie Mobiltelefone und Laptops sichergestellt. Nach Aussage der Staatsanwaltschaft handelte es sich bei den Waffen um Teleskopschlagstöcke, einen Schlagstock mit Reizgas-Kartusche, einen Schlagring, eine Einhand-Armbrust, eine Machete, zwei Säbel, einen Dolch, diverse Messer, ein Luftgewehr und schlagkraftverstärkende Quarzsandhandschuhe.

Zu den Tatverdächtigen gehört offenbar auch ein in Südniedersachsen einschlägig bekannte Neonazi, der seit einigen Monaten in Fretterode im Eichsfeld lebt, heißt es aus Ermittlerkreisen. Der Verdächtige, dem mit fünf weiteren Personen die Bildung einer bewaffneten Vereinigung vorgeworfen wird, tummelte sich in der Vergangenheit auch auf rechtsextremen Veranstaltungen in Thüringen.

 

So widerlich freuen sich AfD-Politiker über die Inhaftierung des "Welt"-Reporters Yücel in der Türkei

Der Fall hat das Potential die deutsch-türkischen Beziehungen nachhaltig zu schädigen. Deniz Yücel, deutsch-türkischer Journalist "Der Welt", muss nach 13 Tagen im Polizeigewahrsam in Istanbul auf unbestimmte Zeit in Untersuchungshaft. Aber während Medien und Politik hierzulande für die Freilassung Yücels kämpfen, freut sich die AfD über die Inhaftierung. Das zeigen die Reaktionen zahlreicher Politiker der Partei. So schreibt der Bundesvorsitzende des AfD-Nachwuchses "Junge Alternative", Markus Frohnmaier, auf Twitter: "National-Borderliner Yücel hätte in Deutschland schon längst wegen Beleidigung und Volksverhetzung Gefängnis von innen erleben sollen." Auch türkische Nationalisten freuen sich.

 

Erneute Zunahme rechter Gewalt im Jahr 2016 in Thüringen Opferberatungsstelle ezra veröffentlicht Jahresstatistik

Auch im Jahr 2016 hat die Zahl rechter und rassistischer Gewalttaten in Thüringen weiter zugenommen. Ezra, die mobile Beratung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen, hat in diesem Zeitraum 160 Fälle registriert. Dies entspricht einem Anstieg um mehr als 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Direkt betroffen von den Angriffen sind mindestens 277 Menschen.

 

Rechtsextremismus: Prozess gegen „Gruppe Freital“ beginnt

Am kommenden Dienstag beginnt in Dresden der Prozess gegen die mutmaßlichen Rechtsterroristen der „Gruppe Freital“. Laut Anklage haben sich die Beschuldigten im Juli 2015 zu einer rechtsextremen Vereinigung zusammengeschlossen. Fünf Anschläge auf Asylbewerber werden den Angeklagten zur Last gelegt.

Sachsen: Gericht findet keine Zeit für rechtsextreme Ultras

Die Hooligangruppe Faust des Ostens terrorisiert Ausländer und Fußballfans, wird als rechtsextrem eingestuft. Seit Jahren verfolgen Ermittler die Gruppe. Doch zum Prozess kommt es nicht. Schon das Gründungsdatum verhieß nichts Gutes. Am 20. April 2010, Hitlers 121. Geburtstag, besiegelten in der Dresdner Torwirtschaft junge Hooligans einen Bund. Sie sahen sich als "disziplinierten Haufen von 50 Mann, der nicht besoffen, sondern motiviert die Bullen wegknallt". Polizisten, westdeutsche Fußballfans und Ausländer erklärten sie zum Ziel ihrer Angriffe. Ihr Name: Faust des Ostens (FdO). An der rechten Gesinnung der Gruppe aus dem Fan-Umfeld von Dynamo Dresden gibt es keinen Zweifel. Einen solchen Klub marodierender Ultras kann der Rechtsstaat nicht dulden. Seit nunmehr sieben Jahren verfolgen sächsische Ermittler die Umtriebe der rechtsextremen Gruppe - doch zum Prozess kommt es nicht.

 

AfD will schädlichen Streit um Höcke beilegen

Der Zuspruch für die AfD nimmt ab. Das Ausschlussverfahren für den Rechtsaußen Björn Höcke macht der Partei zu schaffen. Jetzt soll ein Mitgliederbrief für Einigkeit sorgen. In einem Schreiben, das am Sonntagabend an mehr als 25.000 Mitglieder versandt wurde, riefen die Vorsitzenden der AfD-Landesverbände – darunter auch Bundeschefin Frauke Petry – zu Einigkeit auf. Die vergangenen Wochen seien „innerparteilich von scharfen Diskussionen um die Ausrichtung der Partei und um einzelne Personen geprägt“ gewesen. Nun müsse man „im gemeinsamen Kampf gegen die Altparteien die Reihen schließen.“

 

Prozess wegen versuchten Mordes nach Anschlag auf Flüchtlingsheim in Eisbergen

Wegen eines Brandanschlags auf eine Flüchtlingsunterkunft im nordrhein-westfälischen Eisbergen müssen sich seit Dienstag drei Männer und eine Frau vor dem Bielefelder Landgericht verantworten. In dem Prozess geht es unter anderem um versuchten Mord. Der Anklage zufolge sollen sie im September 2015 teils betrunken beschlossen haben, zwei Molotowcocktails auf die Unterkunft zu werfen. Während die Frau und ein Mann im Auto warteten, schleuderten die anderen beiden Männer die Brandsätze über einen Zaun gegen die Flüchtlingsunterkunft.

 

Schnellroda: Rechtes vom Rittergut

Schnellroda in Sachsen-Anhalt ist Treffpunkt der Neuen Rechten um Verleger Götz Kubitschek. Das sorgt für Umsatz im Dorf, für "Ja, aber"-Debatten und Familienkonflikte. Reportage auf ZEIT online.

 

Interne Strategiepapiere der Identitären Bewegung geleaked

Interne Dokumente der Identitären Bewegung zeigen, wie straff die rechtsextreme Gruppe organisiert ist. Auf mehr als 50 Seiten wird vom Facebook-Posting bis zur Wortergreifungsstrategie bei Veranstaltungen alles erklärt, was die Öffentlichkeistarbeit der Identitären ausmacht. Sogar die Fahrtkostenabrechnung über den rechten Verein Ein Prozent wird den Mitgliedern erklärt. Flugblätter müssen eigens bei einer „nationalen Leitung“ abgesegnet werden.

 

Spahn-Aussage Bringen Flüchtlinge wirklich mehr Homophobie nach Deutschland?

Der CDU-Spitzenpolitiker Jens Spahn findet, es sei ein Thema, über das zu wenig geredet werde: Homophobie, also Schwulenfeindlichkeit, von Flüchtlingen. „Mich nervt einfach, dass wir dieses Problem gar nicht besprechen – aus Angst, man könnte sich irgendwie verheddern in seinem Multikulti-Wohlfühldasein“, hat er dieser Tage der „B.Z.“ gesagt.
Über die Flüchtlinge sei viel Homophobie ins Land gekommen. „Wir sehen in unserer Beratung aktuell keinen Anstieg von Diskriminierungen homosexueller Menschen“, sagte Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes dieser Zeitung. Und auch beim Lesben- und Schwulenverband (LSVD) heißt es zur Frage gestiegener Homophobie aufgrund der Flüchtlingszuwanderung: „Es gibt keine Studien, die das belegen.“ Eine Studie der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) aus dem Jahr 2016 stellt allerdings fest, die Sexualmoral der Flüchtlinge erscheine im Vergleich zur liberalen deutschen Mehrheitsgesellschaft als intolerant und prüde.

 

Buchtipp: Angst für Deutschland von Melanie Amann

Die Spiegel-Redakteurin Melanie Amann kennt die Alternative für Deutschland wie keine andere Beobachterin. Seit die rechtspopulistische Partei mit ihrer EU-Skepsis das öffentliche Interesse erregt hat, stehen Frauke Petry, Alexander Gauland oder Beatrix von Storch für eine kaum verstandene Bewegung, die Nationalismus, Rassismus oder Homophobie allmählich hoffähig macht. 

 

Ausschuss des Europaparlaments stellt Weiche für Aufhebung von Le Pens Immunität

Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat sich am Dienstag dafür ausgesprochen, die Immunität der rechtsextremen französischen Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen aufzuheben. Der Ausschuss folgte damit einer Aufforderung der Staatsanwaltschaft von Nanterre bei Paris. Diese hatte Ende 2015 gegen Le Pen Ermittlungen wegen "Verbreitung von Gewaltbildern" im Internet eingeleitet.

 

Februar 2017 in rechten Medien: Der Schulz-Höcke-Effekt

Zwei Männer sorgten in rechten Medien für reichlich Diskussion. Und wie gehen solche Websites eigentlich mit Fake News aus der „Bild“ um? Der Februar zeigte, dass rechte Medien nicht ganz so alternativ sind, wie sie es gerne von sich behaupten. Wie im Januar dominierten die Themen der regulären Medien auch die am rechten Rand: Der Aufstieg von Martin Schulz, der Skandal um Björn Höcke – und der gleichzeitige Absturz der AfD. Viele Artikel verbrachten viel Platz damit, zu analysieren, welches Phänomen für welches verantwortlich war.

SOS Mitmensch: Populistenpause startet

Einen Monat lang keine Aufmerksamkeit für die populistische und extreme Rechte in sozialen Netzwerken. Einen Monat lang das wertvolle Gut „Aufmerksamkeit“ richtig schätzen und einsetzen lernen. Die von SOS Mitmensch heute gestartete und bis 31. März dauernde „Populistenpause“ ist eine bislang einzigartige politische Mitmachaktion. Der Pausenmonat sei eine Chance zur Bewusstseinsbildung und zugleich eine große Herausforderung, betont die Menschenrechtsorganisation.

 

Hate Speech: Mit Algorithmen gegen digitale Hetze

Täglich veröffentlichen Millionen von Menschen Beiträge und Kommentare auf Facebook, Twitter und Co. Einige davon haben vor allem ein Ziel: andere Menschen zu beleidigen, zu diffamieren und gegen sie zu hetzen. In der Flut dieser Beiträge fällt es schwer, den Überblick zu behalten. Abhilfe schafft hier ein Programm von Wirtschaftsinformatikern der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), mit dem sich Hate Speech automatisch erkennen lässt. Es klingt ein wenig deprimierend, wenn man sich den Arbeitsalltag von Uwe Bretschneider anschaut: In den letzten Jahren hat sich der Wirtschaftsinformatiker mit verschiedenen Formen des digitalen Mobbings beschäftigt – und wie sich dieses computergestützt erkennen lässt. „Es ist traurig, diese Kommentare zu lesen. Als Forscher versucht man natürlich trotzdem, sachlich zu bleiben und diese Eindrücke nicht mit nach Hause zu nehmen“, so Bretschneider, der am Lehrstuhl für E-Business der MLU an seiner Promotion arbeitet.

drucken