Presseschau ... 02.02.2017

+++ Niedersachsen: Flüchtlinge misshandelt? Vorfall von 2015 erst jetzt öffentlich +++ Ilmenau (Thüringen): Orientalisches Lebensmittelgeschäft mit Naziparolen beschmiert +++ Festnahme 16 Jahre nach Anschlag: „Ausgesprochen plausibel“ +++

 

Niedersachsen: Flüchtlinge misshandelt? Vorfall von 2015 erst jetzt öffentlich

Wie erst jetzt bekannt wurde, sollen zwei Mitarbeiter eines Wachdienstes in einer Flüchtlingsunterkunft in Lingen (Niedersachsen) drei pakistanische Flüchtlinge eingesperrt und schwer misshandelt haben. Laut Staatsanwaltschaft passierte der Übergriff am Abend des 20. Dezember 2015 in der damals als Flüchtlingsunterkunft genutzten Sporthalle des Gymnasiums Georgianum. Die beiden Angeklagten sollen ihre drei Opfer zunächst in einen Toilettenraum eingeschlossen und anschließend eines nach dem anderen herausgeholt und ihre Köpfe und Körper mit Faustschlägen malträtiert haben. Einer der Männer soll von den Sicherheitsleuten auch mit dem Kopf gegen eine Wand geschlagen worden sein. Die Pakistaner erlitten der Anklage zufolge unter anderem Prellungen und einen Nasenbeinbruch. Eines der Opfer soll durch Schläge gegen den Kehlkopf beinahe das Bewusstsein verloren haben. Die Vorwürfe gegen die 36- und 38-jährigen Männer kommen erst jetzt ans Licht. Am kommenden Dienstag beginnt der Prozess gegen sie vor dem Amtsgericht. Die Anklage: gemeinschaftliche Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Doch warum wurde der Fall erst jetzt, gut ein Jahr später, publik?

 

Ilmenau (Thüringen): Orientalisches Lebensmittelgeschäft mit Naziparolen beschmiert

In Ilmenau wurde das Geschäft "Damaskus", in dem man arabische und orientalische Lebensmittel kaufen kann, über Nacht von Unbekannten mit Graffiti beschmiert. Neben Hakenkreuzen stand auf der Eingangstür "Raus" und "Kanacken". Auf Facebook schrieb er: "An den unbekannten Hater, Ich weiß nicht, warum du das gemacht hast, ob wir uns persönlich kennen und ob ich dir vielleicht -ohne es zu wollen- was getan habe. Oder ob du einfach einem unbestimmten Hass Luft machen wolltest? Aber glaub mir, Hass löst keine Probleme - Hass ist das Problem! Ich lade dich zu einem Kaffee ein und höre mir gern deine Sorgen an.“

 

Festnahme 16 Jahre nach Anschlag: „Ausgesprochen plausibel“

Fast 17 Jahre nach dem Anschlag auf die Düsseldorfer S-Bahn-Station Wehrhahn könnte der Fall gelöst sein: Die Polizei nahm am Mittwochmorgen als Tatverdächtigen den 50-jährigen Ralf S. in Ratingen bei Düsseldorf fest. Gegen den Mann wurde Untersuchungshaft angeordnet. Bei dem Anschlag war im Juli 2000 eine Art Handgranate explodiert, die in einer Tüte an einem Geländer des S-Bahnhofs Wehrhahn hing. Sieben Frauen und drei Männer wurden teils schwer verletzt, eine Schwangere verlor ihr Baby. Alle Opfer kamen aus Osteuropa und waren Teilnehmer eines Sprachkurses an einer nahegelegenen Wirtschaftsschule. Sechs von ihnen waren auch Mitglieder lokaler jüdischer Gemeinden.

Auf die Spur kamen ihm die Behörden, weil Ralf S. im Gefängnis geprahlt haben soll, er habe an einem Bahnhof "die Kanaken weggesprengt". Er ist ein ausgewiesener Rechtsextremer. Am Telefon bezeichnet er Ausländer schon mal als "Scheiß-Kanaken- Drecksäcke". Am liebsten würde er sie mit einer 357er-Magnum erschießen: "Schwangere werden zuerst erschossen."

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, verwies auf die Bedeutung des Anschlags für die jüdische Gemeinschaft: „Die Festnahme des mutmaßlichen Täters zeigt, dass solche Fälle nicht nach einer gewissen Zeit ad acta gelegt werden dürfen. In Düsseldorf und darüber hinaus in der ganzen jüdischen Gemeinschaft hatte das Rohrbombenattentat für tiefe Verunsicherung gesorgt. Gerade für die damaligen Opfer ist es wichtig, dass der Täter gefasst ist.“

 

17 Jahre: Die Ermittlungsarbeit nach dem Düsseldorfer Bombenanschlag

Die Festnahme eines Verdächtigen ist der jüngste Erfolg der fast 17 Jahre dauernden Ermittlungsarbeit nach einem Bombenanschlag in Düsseldorf. Ein Rückblick.

 

Rechtsextreme Demonstrationen in Berlin: Nazis haben weniger Zulauf

Eine gute Nachricht: Die Zahl rechtsextremer Straßenproteste hat im letzten Jahr deutlich abgenommen. Wie das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz), das im Auftrag des Senats das rechte Demonstrationsgeschehen dokumentiert, am Mittwoch mitteilte, fanden 2016 nur noch 173 extrem rechte und asylfeindliche Demonstrationen statt. 2015 hatte es noch 234 solcher Veranstaltungen gegeben. Die Demonstrationen finden indessden verstärkt im Regierungsviertel statt und richteten sich allgemeiner gegen die Asylpolitik der Bundesregierung. „Aus ‚Nein zum Heim‘ ist ‚Merkel muss weg‘ geworden“, fasst Kilian Behrens vom apabiz diese Entwicklung zusammen.

 

„Migrantenschreck“: Rechter Waffenshop ist offline

Ist der Spuk vorbei? Der Onlineshop "Migrantenschreck" ist nicht mehr erreichbar. Mario Rönsch, Inhaber und Geschäftsführer der Betreiberfirma, die illegal Pistolen, Flinten und halbautomatischen Gewehren nachempfundene Schreckschusswaffen von Ungarn aus an deutsche Kunden versandte, muss die Website selbst gelöscht haben. Möglicherweise hat Rönsch Angst bekommen, die Behörden sind ihm auf den Fersen: Vor einer Woche durchsuchten Zollfahnder Wohnungen und Geschäftsräume von 29 seiner Kunden.

 

Deutlich mehr Verurteilungen wegen Volksverhetzung in Sachsen

Die Zahl der Verurteilungen wegen Volksverhetzung verdoppeln sich in Sachsen. Demnach hat sich in Sachsen die Zahl der Strafbefehle wegen Volksverhetzung im Vergleich zum Vorjahr von 67 auf 147 mehr als verdoppelt. Bei den Anklagen wegen Volksverhetzung hat sich im selben Zeitraum die Anzahl von 32 auf 97 sogar verdreifacht. Prominentester Fall ist Pegida-Chef Bachmann.

 

22-Jähriger nach gewaltsamem Angriff auf Syrer in Erfurt verhaftet

In Erfurt ist ein 22-jähriger Deutscher nach einem Angriff auf einen Syrer verhaftet worden. Wie das Landeskriminalamt Thüringen am Mittwoch mitteilte, soll der polizeibekannte Mann gemeinsam mit einem Komplizen den 28-jährigen Syrer zusammengeschlagen und auf ihn eingetreten haben.

 

Volksverhetzung: Hat Stadtrat aus Quedlinburg Migranten mit KZ in Verbindung gebracht?

Die Staatsanwaltschaft Halberstadt ermittelt gegen einen Quedlinburger Stadtrat wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung. Der parteilose Matthias Kirsch habe unter der Überschrift „Hübsche Verdienstquelle“ auf seiner Internetplattform „ichliebequedlinburg.de“ einen Beitrag veröffentlicht, in dem er muslimische Flüchtlinge mit dem nationalsozialistischen Vernichtungslager Auschwitz in Verbindung gebracht habe, sagt Oberstaatsanwältin Eva Vogel. Sinngemäß hieß es dort: Dass Arbeit nicht nur bei der Integration frei macht, wussten schon die „Desintegrierer von Anno Dunnemals“.

 

Initiative aus Niedersachsen: Angriff auf die Finanzen der NPD

Auch wenn er die NPD nicht mag, muss bislang jeder Steuerzahler dazu beitragen, die rechtsextreme Schar am Leben zu erhalten. Bekommt doch jede Partei, die bei einer Europa- oder Bundestagswahl mindestens 0,5 Prozent und bei Landtagswahlen mindestens ein Prozent der Wählerstimmen erhält, einen staatlichen Zuschuss, nämlich einen Euro pro Wählerstimme. All diese Zuwendungen aus Steuergeldern darf es für verfassungsfeindliche Parteien nicht mehr geben, meint nicht nur Niedersachsens rot-grüne Landesregierung. Aber sie ist es jetzt, die den Anstoß für eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes gegeben hat.

 

Rechtsextreme Thügida im Verfassungsschutz-Visier mehrerer Bundesländer

Über Ländergrenzen hinweg steht die rechtsextreme Initiative Thügida unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Jüngstes Beispiel: In Niedersachsen existiert Thügida genauso wie in Sachsen oder auch in Sachsen-Anhalt. Dazu kommen verschiedene kleinere regionale Ableger – zum Beispiel im niedersächsischen Adelebsen.

 

Saarbrücken: Protest gegen NPD-Bundesparteitag

Die NPD hat für Samstag, den 11. März den Festsaal des Saarbrücker Schlosses für ihren Bundesparteitag gemietet. Gillo ist Hausherr im Schloss. „Die Räumlichkeiten des Schlosses werden öffentlich zur Vermietung angeboten, und nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung können wir die Anmietung dieser öffentlichen Räume durch die NPD nicht verbieten.“ Inzwischen stellt sich das Saarbrücker Bündnis „Bunt statt braun“ neu auf, das im Januar 2015 etwa 9000 Demonstranten gegen eine rechtsextreme Saargida-Demo auf die Straße brachte. Da am Samstag, 11. März, der Landtagsstraßenwahlkampf im vollen Gange sei, setze man auf Redner aus den Kirchen und der Jugend bei der Abschlusskundgebung einer Demonstration, die vor dem Schloss stattfinden soll.

 

Gaulands Nachfolger: Voll völkisch

Kalbitz war ohnehin schon der Stallwächter für Gauland, der im Landtag wegen Terminen für seine Partei oft fehlte. Nun will Kalbitz die Führung in Fraktion und Landespartei übernehmen. Er werde selbstverständlich kandidieren. „Ich glaube, dass dies in der Brandenburger AfD für eine inhaltliche Kontinuität steht“, sagte Kalbitz. Kontinuitäten sind für den 44-Jährigen sehr wichtig. Wie Gauland zählt er zum rechtsnationalistischen Flügel der AfD, gemeinsam mit dem Landesparteichef Björn Höcke aus Thüringen. 2001 gratulierte Kalbitz in einem Blatt eines Neonazi-Vereins dem der NPD nahestehenden „Freundschafts- und Hilfswerk Ost“ zum zehnjährigen Bestehen und hob dessen Arbeit in dem „oftmals aussichtslos scheinenden Kampf gegen den kulturellen und völkischen Tod auf jahrtausendealtem deutschen Kulturboden“ hervor.

 

Kommentar zu den Reaktionen auf Björn Höcke: Einer muss kehrt machen

Wie wehrhaft die Demokratie sein kann, wurde am vergangenen Freitag am ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald sichtbar. Und spürbar. Polizisten hielten jedes Auto an, das auf das Gelände der heutigen Gedenkstätte wollte. 

 

Politikwissenschaftler: Die AfD als Partei ist nicht rechtspopulistisch

Die AfD wird üblicherweise als rechtspopulistische Partei bezeichnet. Davon abgesehen, dass „rechtspopulistisch“ ein inflationär gebrauchter politischer Kampfbegriff im Parteienwettbewerb geworden ist und es immer noch keine allgemein akzeptierte wissenschaftliche Definition von Rechtspopulismus gibt, macht diese Bezeichnung die Bandbreite von inhaltlichen Positionen nicht deutlich, die von der AfD und ihren Akteuren vertreten werden. Im gesellschaftspolitischen Bereich kann die AfD als nationalkonservative Partei mit immer stärker werdenden Brücken zum Rechtsextremismus hin gekennzeichnet werden. Verstärkt werden die Brücken zum Rechtsextremismus durch das Agieren von Vertretern des äußersten rechten Rands der Partei.

 

Nord-AfD auf wackeligem Grund – Interne Streits und Positionierung weit rechts

In der Öffentlichkeit erscheint der Landesverband der AfD in Schleswig-Holstein weiterhin zerstritten. Das Programm zur Landtagswahl zeigt zudem, wie rechts sich der AfD-Landesverband positioniert. In der Präambel heißt es nicht nur,  dass ein „Meinungskartell aus etablierten Parteien, Medien, Kirchen und Gewerkschaften“, das „Recht auf freie Meinungsäußerung“ behindern und „Andersdenkende“ beschimpfen würde.

 

Kommentar: Okay, dann wähl‘ ich AfD!

Bislang galt die AfD ja vor allem für jene als wählbar, die bei der CDU zunehmend die konservative Linie vermissen. Neuerdings aber wird die Partei auch gern mal vor Ort als Druckmittel eingesetzt – obwohl zwischen Geratal und Großbreitenbach noch kein einziger Vertreter in einem Kommunalparlament sitzt. Und das geht so: Ist im Haushalt der Kommune xy zum Beispiel kein Geld zur Anschaffung eines Ballfangnetzes für einen Sportplatz vorhanden, wird den Verantwortlichen mit der Wahl der AfD gedroht. Bekommt eine Straße keine Geschwindigkeitsbegrenzung, heißt es: "Dann müssen Sie sich nicht wundern, wenn wir AfD wählen!"

 

Interview: „Ralf S., der Attentäter von Düsseldorf, wird zum verrückten Einzeltäter erklärt“

Bei den Ermittlungen zum Wehrhahn-Attentat im Juli 2000 machten die Düsseldorfer Behörden viele Fehler. Gespräch mit Frank Laubenburg, von 1999 bis 2014 Mitglied des Rates der Stadt Düsseldorf.

 

Fachtag zu Ausgrenzung in der queeren Szene: "Wir gewinnen, wenn wir uns mit Rassismus auseinandersetzen"

Am 28. Januar fand in Bochum der Fachtag "Eine Community für alle?! – Rassismus-Erfahrungen und LSBTIQ*" statt. Rund 140 Menschen trafen sich im Kulturzentrum Bahnhof Langendreer und sprachen über die unsichere Situation geflüchteter queerer Menschen, rassistische Ausgrenzungen innerhalb der Szene sowie über die Gefahren des Rechtspopulismus der AfD und mögliche Gegenstrategien.

 

Naziparolen: Bautzen reichts

Dutzende Fassaden sind in der sächsischen Kleinstadt mit politischen Parolen beschmiert. Die Hausbesitzer fühlen sich von der Stadt alleingelassen. Deswegen schreiten Bürgerinnen jetzt selbst zur Tat: In einer Nacht- und Nebelaktion hatten Sabine Veit und Andreas Fieseler zur Farbe gegriffen und dem unteren Teil der Fassade des Bürgerhauses am Ende der Reichenstraße einen neuen Anstrich verpasst.

 

Wenn Straftaten zur Hetze gegen Flüchtlinge genutzt werden

Im Internet kursieren verschiedene Karten, die angeblich über Straftaten von Flüchtlingen und Migranten informieren. Doch die gesammelten Daten stecken voller Fehler und Ungereimtheiten. Gelistet sind hunderte Fälle, markiert am jeweiligen Tatort und dokumentiert durch Polizeimeldungen und Medienberichte. Die „Einzelfall-Map“ auf Google vermittelt dem Betrachter auf den ersten Blick ein erschreckendes Bild. Die Macher wollen anonym bleiben, schreiben aber, der Anlass für ihre Recherche seien die Übergriffe auf Frauen an der Kölner Domplatte gewesen.

 

Verwirrung um angebliches Breitbart-Jobangebot: Titanic bestreitet „Headhunter“-Anruf bei Matussek

Mit einem ungewöhnlichen Posting in eigener Sache wandte sich Ex-Spiegel-Autor Matthias Matussek heute an seine Facebook-Community. Der 62-Jährige machte so öffentlich, dass er einem Anrufer des Satire-Magazins Titanic auf den Leim gegangen sei, der sich als Headhunter ausgegeben und ihm einen Job bei der rechtslastigen News-Plattform Breitbart angeboten habe. Seltsam: Die Titanic bestreitet das.

drucken