Presseschau ... 02.01.2017

+++ Attacke in Bautzen: Linke Jugendliche von Neonazis krankenhausreif geschlagen +++ Borna (Sachsen): Brandanschlag auf Wahlkampfbus von Die Linke +++ Freiburg: Schüsse aus Schreckschusspistole auf Geflüchtetenunterkunft +++ Köln: Racial Profiling zum Jahreswechsel +++

 

Attacke in Bautzen: Linke Jugendliche von Neonazis krankenhausreif geschlagen

Bei einem Angriff von Neonazis sind im sächsischen Bautzen nach Angaben der Linken mehrere Mitglieder ihres Jugendverbandes teils schwer verletzt worden. Bei dem Vorfall auf dem Kornmarkt am Freitagabend habe unter anderem ein Jugendlicher einen Kieferbruch und eine junge Frau eine Schädelprellung erlitten, teilte der Landesverband der Partei am Samstag in Dresden mit. Die Polizei war bemüht, den linken Jugendlichen eine Teilschuld dafür zu geben, dass die Situation eskalierte. Sie sprach von „Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen“, von denen sieben „augenscheinlich dem linken Spektrum“ zuzurechnen seien.

 

Borna (Sachsen): Brandanschlag auf Wahlkampfbus von Die Linke

Derweil wurde in der Nacht zum Freitag im sächsischen Borna ein Wahlkampfbus der Linkspartei im Landkreis Leipzig angezündet. Das Fahrzeug brannte aus. Da es durch die Beklebung eindeutig als Bus der LINKEN zu erkennen war, liege die Vermutung einer politischen Motivation dieses Brandanschlags nahe, so die Partei.

 

Freiburg: Schüsse aus Schreckschusspistole auf Geflüchtetenunterkunft

Unbekannte haben in Freiburg mit einer Schreckschuss-Pistole Böller auf eine Asylbewerber-Unterkunft geschossen. Bei dem Vorfall am frühen Freitagmorgen habe eine 37 Jahre alte Bewohnerin eine leichte Brandwunde erlitten, teilte die Polizei mit. Die Frau hatte zunächst zwei Knallgeräusche vernommen und war dann mit ihrem Sohn nach draußen gegangen, um nachzusehen. Dann fiel der dritte Schuss, die Böllerexplosion traf sie an der Wade. Ärztliche Hilfe brauchte sie nicht. Der Sicherheitsdienst habe drei Menschen gesehen, die davonliefen.

http://www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/boeller-auf-asylbewerber-unterkunft-geschossen-14243505.html

 

Köln: Racial Profiling zum Jahreswechsel

Nach den sexualisierten Übergriffen im letzten Jahr feierte Köln in diesem Jahr wohl das sicherste Silvester in der Stadtgeschichte. Über 1500 Polizisten waren im Einsatz. Am Hauptbahnhof führten sie offensichtlich rassistische Kontrollen durch, junge Männer mit Migrationshintergrund sollten die Feiern nicht „stören“. Während ein multikultureller Chor dort den Charity-Klassiker „We are the World“ sang, standen Hunderte junge Männer vor dem Hauptbahnhof in einem Polizeikessel. Ein Polizeisprecher erklärte den anwesenden Journalisten, es handele sich um eine „Problemgruppe“, die man vor dem Hauptbahnhof eingeschlossen habe. Am Silvesterabend ist es leicht, plötzlich dieser Gruppe zugerechnet zu werden. Im Hauptbahnhof sortiert die Polizei. Wer einen etwas dunkleren Hauttyp hat, muss den rechten Ausgang nehmen und landet im Kessel.

Auf Twitter hat sich indessen eine hitzige Debatte über Vorverurteilung, rassistischen Sprachgebrauch und eine Überreaktion der Polizei entwickelt. Hier hatte die Polizei erklärt, es würden „mehrere Hundert Nafris überprüft“. Der Begriff „Nafri“ steht im Polizeijargon für „Nordafrikanische Intensivtäter“, gemeint sind dabei junge Männer, die immer wieder durch Raub, Diebstahl und Drogendelikte auffallen. Gegen den Vorwurf des "racial profiling" setzte sich Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies bei einer Pressekonferenz zur Wehr.

 

Kraichtal (Baden-Württemberg): Böller beschädigt Flüchtlings-Wohncontainer

Ein unbekannter Täter hat in der Silvesternacht einen Wohncontainer von Asylbewerbern mit einem Feuerwerkskörper beschädigt. In der Unterkunft in Kraichtal (Kreis Karlsruhe) hielten sich nach Angaben der Polizei vom Sonntag mehrere Menschen auf. Verletzt wurde niemand.

 

Rheine (NRW): Hakenkreuze und „NSU“-Schriftzüge gesprüht

Wie die Polizei mitteilt, wurde in der Nacht vom 26. auf den 27. Dezember 2016 in Rheine (Nordrhein-Westfalen) eine Parkhauswand von Unbekannten mit zwei Hakenkreuzen und dem Schriftzug „NSU“ besprüht. Zwei Nächte zuvor hatten ebenfalls Unbekannte sieben parkende Autos beschädigt, in eines davon wurde ein Hakenkreuz geritzt.

 

Verfassungsgericht NPD-Verbot offenbar vor dem Aus

Die Bundesländer gehen davon aus, dass das von ihnen beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angestrebte NPD-Verbot scheitern wird. Das verlautet aus mit dem Verbotsverfahren befassten Kreisen. „Wir sind nicht wahnsinnig optimistisch“, sagte ein Insider. „Es kann sehr gut sein, dass wir das verlieren werden.“ Dass die NPD „ideologisch eindeutig verfassungswidrig“ sei, sei nicht zu bestreiten, fügte er hinzu. Und man hoffe, dass das Verfassungsgericht dies auch feststellen werde. Ein Verbot gelte aber mittlerweile als eher unwahrscheinlich, weil die Richter vermutlich zu der Einschätzung gelangen würden, dass die NPD zu unbedeutend sei, um sie verbieten zu müssen.

Auch die Bundesregierung geht laut einer internen Einschätzung inzwischen davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bei seiner Urteilsverkündung Mitte Januar 2017 dem Verbotsantrag des Bundesrats nicht stattgeben wird. In ihrer internen Analyse kommt die Regierung zu dem Ergebnis, dass die NPD in ihrem politischen Wirken und durch ihre ausbleibenden Wahlerfolge „nicht die Schwelle zur Gefährdung überschritten“ habe. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird am 17. Januar 2017 verkündet.

 

Halbzeit im Nauener Prozess

Zum Jahreswechsel ist das Verfahren um die mutmaßlich kriminelle Vereinigung von Neonazis, die im brandenburgischen Nauen mehrere Anschläge beging, zur Hälfte geschafft. Geständnisse mehrerer Mitangeklagter belasten NPD-Lokalpolitiker Maik Schneider als Anführer. 

 

Dorothea Marx: Pädophilen-Ring mögliche Verdienstquelle für NSU

Es war eine der bizarrsten Nachrichten des vergangenen Jahres: Könnte der mutmaßliche NSU-Terrorist Uwe Böhnhardt etwas mit dem Mord an der kleinen Peggy zu tun haben? Am Leichenfundort des Mädchens in Thüringen waren DNA-Spuren des Rechtsextremisten gefunden worden. Und seither wird über den konkreten Fall hinaus ermittelt, ob die rechte Szene stärker mit Kindesmissbrauch und -prostitution zu tun hat, als bislang bekannt. Eine langwierige Recherche.

 

Unbekannte bringen „Irminsul“ auf Externsteinen an

Auf den Externsteinen im Landkreis Lippe (Nordrhein-Westfalen) thronte am Neujahrstag eine Holzsäule, die offenkundig eine Nachbildung der Irminsul sein sollte. Die Feuerwehr Horn-Bad Meinberg baute sie am Sonntagabend mit großem Aufwand wieder ab. Die Denkmalstiftung des Landesverbandes will Anzeige erstatten. Die Holzsäule war weiß-schwarz-rot angestrichen. Die Irminsul war ein Heiligtum der Sachsen, das Karl der Große zerstört haben soll. Immer wieder wird vermutet, es habe auf den Externsteinen gestanden. „Der Platz ist immer wieder mystifiziert worden, im Nationalsozialismus wurde die Irminsul als Gegensymbol zum christlichen Kreuz verherrlicht", sagt Dr. Zelle, Direktor des Landesmuseums. Eine wissenschaftliche Grundlage gebe es dafür nicht.

 

Verfassungsschutz Hamburg: Rechte Szene stagniert, „Reichsbürger“ und „Identitäre“ beobachtet

Seit diesem Jahr beobachtet der Verfassungsschutz auch in Hamburg die "Reichsbürger" und die "Identitäre Bewegung". Insgesamt wächst der rechtsextremistische Bereich nicht, so der Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes Torsten Voß. So stagnierten beispielsweise die Mitgliederzahlen der NPD. Es gebe allerdings neue Gruppierungen.

 

Pegida in Bayern: Die Bewegung schrumpft

Das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz sieht die Pegida-Bewegung auf dem absteigenden Ast. Immer weniger Menschen kämen zu den Demonstrationen, sagt Bayerns Oberster Verfassungsschützer Burkhard Körner. Das habe noch vor einem Jahr ganz anders ausgesehen.
Die Alternative für Deutschland habe viele Anhänger im rechtsextremen Spektrum, sagt der oberste bayerische Verfassungsschützer. Zwar sei die AfD insgesamt bisher kein "Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes", wohl aber einzelne Mitglieder.

 

Verfassungsschutzchefin zu Rechtspopulismus: „Nicht auf dem rechten Auge blind“

Beate Bube und ihre Behörde in Baden-Württemberg haben die Entwicklung der AfD genau im Blick. Ein Beobachtungsobjekt sei sie aber nicht.

Frau Bube, der Rechtspopulismus ist auch in Deutschland auf dem Vormarsch. Sind rechte Populisten eine Gefahr für unsere Verfassungsordnung?

Beate Bube: Was verstehen Sie unter Populismus? Wir verstehen darunter eher eine Methode als einen Inhalt. Populismus, das ist eine plumpe Gegenüberstellung „wir hier unten“ gegen „die da oben“, oder es werden vermeintlich einfache Lösungen für tatsächlich doch eher komplexe Probleme angeboten. So etwas machen gelegentlich auch demokratische Parteien.

 

Frauke Petrys Bester: 33,4 Prozent durch Volksnähe und Alltagsrassismus

Volker Olenicak steht auf dem Marktplatz von Bitterfeld. Die Stadt ist eine AfD-Hochburg, Olenicak ihr Stimmenkönig. Mit 33,4 Prozent wurde er direkt in den Magdeburger Landtag gewählt. Es war das beste Wahlkreisergebnis für die AfD in ganz Deutschland: Er holte das stärkste Ergebnis für die AfD in Deutschland: 33,4 Prozent. Das Erfolgsmodell von Volker Olenicak aus Bitterfeld? Nähe zum Volk – und ein unbefangener Alltagsrassismus.

 

Ein Jahr nach Angriffen in Connewitz: Antifa veröffentlicht Namen rechter Tatverdächtiger

In Leipzig sind am Freitag Plakate der Antifa mit Namen von mutmaßlichen Teilnehmern rechtsextremer Krawalle aufgetaucht. Auf den Plakaten sind 215 Namen von mutmaßlichen Teilnehmern der rechtsextremen Ausschreitungen vom 11. Januar 2016 in Leipzig aufgelistet. Überschrieben sind die Plakate mit der Aufschrift "Zwei Jahre 'Legida' - Ein Jahr nach dem Naziangriff in Connewitz". Daneben ist ein großes Logo der Antifa zu sehen. Am Ende der Namensaufzählung steht "Wir kennen euch alle!". Die Polizei teilt mit, sie prüfe derzeit die strafrechtliche Relevanz des Plakats. Woher die Daten stammten, sei unklar.

 

Audio: Der auffällige Wolfgang P., Reichsbürger von Georgensgmünd

Die Nachbarn wissen nicht viel über Wolfgang P., bis er im Oktober 2016 einen SEK-Beamten erschießt: Er gibt gern mit seinem Auto an, macht irgendetwas mit Finanzen und verhält sich immer seltsamer. Wolfgang P. ist Reichsbürger, sein Haus im bayerischen Georgensgmünd erklärte er zu seinem Reich, das niemand betreten darf. Als die Behörden mitbekommen, dass er auch Waffen hortet, eskaliert die Situation.

 

Frauenrechte vs. Populismus: Was Feminismus bedeutet

2016 war geprägt von einem kulturell-gesellschaftlichen Rückschlag. Feminismus ist keine irgendwie alberne Flause im Kampf gegen den Faschismus. Er ist für diesen Kampf essentiell, denn der Neofaschismus ist im Kern ein Männlichkeitskult. Die neue Rechte ist schon immer bei Genderthemen völlig durchgedreht. Viele der Techniken von Bedrohung und Herumtrollen, die jetzt benutzt wurden, um extremistische Führer an die Macht zu bringen, wurden in den letzten fünf Jahren online erprobt, als sich Gruppen von Männern und Jungs zusammenschlossen, um „Feminazis“ mundtot zu machen und Frauen aus dem Internet zu drängen. Einige von uns haben schon vor Jahren deswegen Alarm geschlagen und darauf hingewiesen, dass auch junge weiße Männer sich radikalisieren und in gewalttätige rassistische und frauenfeindliche Fantasien abrutschen, und dass das ernst genommen werden sollte.

 

Neonazis in Bautzen: Nach der Menschenjagd

„Wenn Bautzen ein rechtes Nest ist, dann wäre so ein linker Vogel wie ich, der auf humanitäre Werte setzt und sich ganz klar für die Flüchtlingspolitik engagiert hat, niemals gewählt worden“, sagt Ahrens, Oberbürgermeister von Bautzen, in der Talkshow. Seit einem Abend im Herbst, dem 14. September, ist die Stadt wieder einmal im öffentlichen Fokus. Etwa 80 Einheimische, zumeist rechtsgerichtete junge Männer, trieben Asylsuchende durch Bautzen. Vom Kornmarkt über die Friedensbrücke, die sich hoch über der Spree spannt, bis in die Flüchtlingsunterkunft.

 

Kommentar zu Forderungen des AfD-Vize: Was Gauland unter der guten alten Zeit versteht

Alexander Gauland (75), der stellvertretende Bundesvorsitzende der AfD, möchte sich nicht „verbieten“ lassen, von „Mohrenköpfen“ und „Zigeunerschnitzel“ zu sprechen. Die Zeit ist so lange her, dass junge Deutsche davon vermutlich nie gehört und sehr alte Menschen wie Gauland es vermutlich schon vergessen haben. In jener Zeit wurden Sinti und Roma in Deutschland „Zigeuner“ genannt, beispielsweise im Bericht eines Gendarmeriepostens vom März 1943: „ Zufolge Auftrags des Landratsamtes Mosbach vom 22. März 1943 habe ich zusammen mit vier Gendarmen der Reserve 53 Zigeunermischlinge mit Sondertransport von Mosbach nach Auschwitz transportiert und dort in das Konzentrationslager eingeliefert.“ Für die Nationalsozialisten gab es weder Sinti noch Roma, sondern ausschließlich Zigeuner, die als Rasse vernichtet werden sollten. Diskriminierung und Vernichtung standen in engem Zusammenhang.

 

Die Wirtschaft muss endlich den Populismus bekämpfen – und die ökonomische Unzufriedenheit verringern

Von politischen Entwicklungen halten sich Unternehmer und Manager meist fern. Sie lobbyieren zwar ständig für weniger Steuern oder weniger Regeln. Doch was die großen Linien abseits des engen Eigeninteresses angeht, schweigen viele Wirtschaftsvertreter. Die freundliche Auslegung wäre, sie sind zu bescheiden, ihre Meinung zu äußern. Die unfreundliche wäre, sie wollen es sich um keinen Preis mit einer politischen Kraft verderben, egal mit welcher. Doch die  Kultur des Hasses ist auch für die Unternehmen gefährlich.

 

Rassistische Ausschreitung in Polen nach tödlicher Messerstecherei

Nach einer tödlichen Messerstecherei in der Silvesternacht hat es am Sonntag in der polnischen Stadt Elk rassistischen Unruhen gegeben. Die Polizei nahm nach Angaben einer Sprecherin 21 Demonstranten fest, die ein Kebab-Geschäft mit Pflastersteinen und Knallkörpern angegriffen hätten. Die Sprecherin beschrieb die Festgenommenen als "aggressiv".

 

Neonazis aus der DDR in der Bundesrepublik – Die Stasi und der Rechtsterror

Für sie interessierte sich die Staatssicherheit ganz besonders: Im Westen aktive Rechtsextreme mit Wurzeln in der DDR. Sie waren über Flucht oder Abschiebung in die Bundesrepublik gekommen. Karl-Heinz Hoffmann und seine Wehrsportgruppe stehen exemplarisch für diese Verbindung. Die Stasi sammelte massenhaft Material über die Gruppe. Heute sind diese Akten eine schier unüberschaubare Quelle von Informationen über Neonazis der damaligen Zeit in West und Ost.

 

Postfaktische, populistische Hate Speech – Die Netzaufreger 2016

Emotionen statt Fakten – immer häufiger zählt das in politischen Diskussionen. Der Trend zum Postfaktischen ist aber nur eine von mehreren Schattenseiten, die das Internet 2016 von sich offenbart hat. Was waren die großen Netzaufreger des Jahres? Netzaufreger 1: Fake News. Wir schreiben den 24. Juni 2016.

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