Presseschau ... 30.12.2016

+++ Angriff auf Flüchtlingsheim in Nordhausen +++ Rassistische Parolen: Staatsschutz ermittelt gegen Fans von Arminia Bielefeld +++ Niedersachsen: „Reichsbürger" verletzt zwei Polizeibeamte +++ Thüringen wird zum Zentrum für Neonazi-Subkultur: Jede Woche ein Konzert +++

 

Angriff auf Flüchtlingsheim in Nordhausen

Ein unbekannter Mann griff in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag ein Flüchtlingsheim in Nordhausen (Thüringen) an. Ein eingeschlagenes Kellerfenster und eine beschädigte Tür hinterließ der Unbekannte bei seinem Angriff auf das Wohnheim, teilt die Polizei mit Erst bedrohte der Mann die Bewohner des Hauses verbal, dann klopfte er so heftig gegen die Eingangstür, dass sie dabei beschädigt wurde. Später nahm sich der Mann eine herumliegende Latte und zerstörte ein Kellerfester.

 

Rassistische Parolen: Staatsschutz ermittelt gegen Fans von Arminia Bielefeld

Der Staatsschutz in Bielefeld ermittelt gegen Mitglieder der Ultraszene von Arminia Bielefeld. In einem Pulk von 20 bis 30 Personen sollen die jungen Leute randalierend durch Oerlinghausen gezogen sein und rassistische Parolen gerufen haben. Mehrere Bürger hatten das der Polizei gemeldet. Polizisten stellten Feuerwerkskörper und Bengalos bei einem Teil der Verdächtigen sicher.

 

Niedersachsen: „Reichsbürger" verletzt zwei Polizeibeamte

In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen hatte die Polizei in den vergangenen Tagen Ärger mit sogenannten Reichsbürgern. Bei einer Personenüberprüfung hatte ein "Reichsbürger" im niedersächsischen Aerzen bereits am Mittwoch zwei Polizisten verletzt. Der 57-Jährige weigerte sich bei einer Verkehrskontrolle, seinen Ausweis vorzulegen. Zusammen mit dem Mann fuhren die Beamten zu seiner Wohnung, dort kam es zu einer handfesten Auseinandersetzung.
Unterdessen entdeckte die Polizei bei einem SEK-Einsatz gegen "Reichsbürger" im nordrhein-westfälischen Mönchengladbach mehrere Waffen. Wie die Beamten mitteilten, meldeten Zeugen am Vorabend, dass ein 51-Jähriger mit einer langen Waffe auf der Straße gesichtet worden sei. "Aufgrund der Gefahrenlage" wurde demnach ein Spezialeinsatzkommando (SEK) hinzugezogen.

 

Thüringen wird zum Zentrum für Neonazi-Subkultur: Jede Woche ein Konzert

Thüringen hat sich nach Einschätzung der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (Mobit) zu einem der Kernländer für den Rechtsrock entwickelt. 2016 seien in Thüringen rund 50 rechte Konzerte abgehalten worden. Das seien doppelt so viele wie noch 2007. „Der Thüringer Szene ist es gelungen, eine lebendige Neonazi-Subkultur zu etablieren“, sagt Stefan Heerdegen von Mobit. Zu den Konzerten reisten ebenso Besucher aus anderen Bundesländern an. „Auch die Bands kommen zum Teil aus ganz Deutschland und aus Europa.“

 

Chronik: Rechtsextreme Vorfälle in der AfD 2016

Das Credo der AfD lautet: Fischen am rechten Rand - ja. Rechtsextreme Mitglieder - nein. Doch immer wieder fallen Funktionäre der AfD mit verfassungsfeindlichen Aussagen auf oder offenbaren Verbindungen zu rechtsextremen Vereinigungen. Da die Partei in diesem Jahr mit derart vielen rechtsextremen Vorfällen und Äußerungen in Erscheinung trat, kann diese Chronik nur eine Auswahl der brisantesten Fälle zeigen.

 

Rassistische Beleidigungen gegen Zornedinger Pfarrer: Rentner zu Bewährungsstrafe verurteilt

Wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Bedrohung verurteilt das Ebersberger Amtsgericht am 7. November einen Münchner Rentner zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung sowie zu einer Zahlung von 600 Euro an den Verein "München ist bunt". Für das Gericht steht fest, dass der 74-Jährige zwei Schreiben an den damaligen Zornedinger Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende verfasst hat. Der 67-jährige gebürtige Kongolese hatte im Herbst 2015 einen rechtspopulistischen Artikel der Zornedinger CSU-Ortsvorsitzenden kritisiert. Dafür war er vom CSU-Vize rassistisch beschimpft worden und erhielt diverse Postkarten und Briefe

 

Heidenauer Krawall-Wochenende: Bisher mehr als 20 Täter verurteilt

Nach den rechtsextremen und flüchtlingsfeindlichen Krawallen in Heidenau im August 2015 wurden 2016 mehr als ein Dutzend Angeklagte in einem Strafprozess verurteilt, weitere Mittäter erhielten Strafbefehle, acht Verfahren wurden eingestellt. Nach Angaben des Justizministeriums auf eine Kleine Landtagsanfrage des Grünen-Politikers Valentin Lippmann waren 20 Verfahren anhängig – unter anderem wegen Landfriedensbruchs, Körperverletzung, Beleidigung, Sachbeschädigung und Verwendens von Nazi-Symbolen. Drei Hauptverhandlungen stehen noch aus, darunter ein Angriff auf einen Journalisten.

 

Anzeige gegen AfD-Politiker aus Sachsen-Anhalt wegen sexueller Nötigung

Der Staßfurter AfD-Landtagsabgeordnete Matthias Büttner sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt: Eine ehemalige Mitarbeiterin hat ihn wegen versuchter Vergewaltigung beziehungsweise sexueller Nötigung angezeigt. Es geht in der Anzeige um einen Vorfall vom 16. November. Zu dieser Zeit war Büttner gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin zu einem interfraktionellen Treffen von AfD-Wirtschaftspolitikern nach Erfurt gereist. Dort soll er ein gemeinsames Doppelzimmer gebucht und versucht haben, gegen den Willen der Frau sexuelle Handlungen vorzunehmen.

 

Köln: Gericht bestätigt Verbot von NPD-Demo und untersagt auch AfD, zu demonstrieren

Die rechtsextreme NPD und die populistische AfD müssen auf publikumswirksame Auftritte in der Kölner Silvesternacht verzichten. Die Polizei hat in der Stadt Kundgebungen beider Parteien verboten und im Falle der NPD am Donnerstag vom Verwaltungsgericht Unterstützung bekommen. Ob auch die AfD vor Gericht zieht, war zunächst noch offen. Polizeipräsident Jürgen Mathies hatte sich für die Verbote auf Sicherheitsgründe berufen.

Köln steht im Fokus der extremen Rechten: Ein Jahr nach den Silvesterübergriffen am Kölner Hauptbahnhof wollen Rechtsextremisten und Rechtspopulisten ab Samstag im Wochenrhythmus mindestens drei Mal in der Domstadt demonstrieren.

 

Salonfaschisten im Rittergut – Die Medien der Neuen Rechten

In einem Dorf in Sachsen-Anhalt betreibt der Publizist Götz Kubitschek eine neurechte Denkfabrik unter dem Namen „Institut für Staatspolitik". Kubitschek verlegt dort das schmale Theorie-Magazin „Sezession“, in dem die Autoren mit umstürzlerischen und antidemokratischen Ideen liebäugeln. Der thüringische AfD-Chef Björn Höcke sagt, diese Denkfabrik versorge ihn mit „geistigem Manna“.

 

Abschied vom Sippenoberhaupt: Neonazis bei Trauerfeier für ehemaligen SS-Mann

In Salzgitter beteiligten sich ehemalige Anführer der verbotenen „Wiking-Jugend“, völkische Aktivisten, NPDler und Hooligans an der Trauerfeier für den ehemaligen SS-Angehörigen Sepp Biber. Mit ihm ist einer der letzten überlebenden Angehörigen der SS gestorben, der zur verbotenen „Wiking Jugend“ (WJ), wie auch zur rassistischen „Artgemeinschaft – Germanischen Glaubensgemeinschaft“ gehörte, aber vor allem wegen seiner äußerst umtriebigen Tochter Edda bundesweit in der Szene bekannt wurde. Die Mutter Erika war im Dritten Reich Anführerin des „Bundes Deutscher Mädel“

 

"Zu heiß": Neonazi-Konzert mit „Lunikoff“ in Schneeberg abgesagt

Der rechte Liedermacher Lunikoff wollte bei einer Privatfeier in der Stadt einen Auftritt geben. Doch das für Mittwochabend in Schneeberg geplante Neonazi-Konzert ist ausgefallen. Die Organisatoren hatten die Entscheidung getroffen, nachdem immer mehr Details über das eigentlich geheime Konzert die Runde machten. Es sei "zu heiß" geworden.

http://www.freiepresse.de/LOKALES/ERZGEBIRGE/AUE/Zu-heiss-Neonazi-Konzert-in-Schneeberg-faellt-aus-artikel9770330.php

 

Kann die Realität rassistisch sein?

Wer Rechten und Rechtsextremen etwas entgegensetzen möchte, muss auch unangenehme Wahrheiten zulassen. Dafür ist ein schmerzhafter Kurswechsel nötig.

 

Intoleranz als Tabubruch: Wie mit Pegida alles anfing

Bei Pegida begann, was 2016 auch woanders salonfähig wurde: das Zelebrieren von Islamablehnung und Intoleranz als ein bewusster Tabubruch. Die zwei Galgen für Angela Merkel und Sigmar Gabriel, die Pegidisten auf einem Marsch im Herbst 2015 herumtrugen, waren dabei nur ein besonders auffälliger Ausdruck einer politischen Inszenierung, die von Anfang an auf Skandalisierung setzte und bewusst vor allem westdeutsche Tabus brach, nämlich durch das Zelebrieren von Xenophobie, Intoleranz und Islamablehnung.

 

Soziologe zu Aufstieg der Rechtspopulisten: „Die Scham wird in Wut verwandelt“

Stehen wir an der Schwelle zu einem autoritären Jahrhundert?

Soziologe Sighard Neckel von der Uni Hamburg: Wir beobachten im Augenblick, dass sich überall autokratische und oligarchische Regierungen etablieren. Nicht nur an den Rändern der westlichen Welt wie in der Türkei oder Russland, sondern auch mitten im Zentrum wie jetzt in den USA. Die Verbindung von Kapitalismus und Demokratie, die wir jahrzehntelang hatten, wird brüchig.

 

Eine Ideengeschichte des „front national“: Alte Klamotten als letzter Schrei

Sie sei eine „Alles-Fänger-Partei“, „eine ideologische Schichttorte“, sie lasse „entgegengesetzte Einflüsse kohabitieren und bindet diskordante Motivierungen zusammen“, schreibt der Historiker Grégoire Kauffmann in seinem jüngst erschienenen Essay „Le nouveau FN. Les vieux habits du populisme“. Die Partei entziehe sich gängigen Klassifizierungen und verstehe es geschickt, ihren „Stammbaum“ zu verbergen. Der FN, doch keine rechtsextreme Partei? Der Wegfall des Wörtchens „extremistisch“ vom Erfolg von Marine Le Pens Strategie der „Entteufelung“ („dédiabolisation“). Trotzdem erweist sich bei genauem Hinsehen, wie viel vom diabolischen alten FN im „entteufelten“ neuen steckt. Und wie stark dieser aus heterogenem politischem Ideengut schöpft, das zum Teil bis in die Zeit der grossen Revolution zurückreicht. Am Anfang stand eine neofaschistische Schlägertruppe namens „Ordre nouveau“.

 

Trump und der König der Verschwörungstheoretiker

Alex Jones ist selbst ernannter „innenpolitischer Wachhund“ und König der amerikanischen Verschwörungstheoretiker. Generell glauben viele Amerikaner, was Jones erzählt. Zu ihnen gehört auch Trump – und bekam äußerst hilfreiche Unterstützung im Wahlkampf. Seine Gegner halten Jones für wahnsinnig. Hört man sich den Unsinn an, den er Tag für Tag auf seiner Internetseite „Infowar“ verkündet, kann man durchaus zu diesem Schluss kommen. Denn tatsächlich ist der 42-Jährige mit der heiser-markanten Stimme ein lebendig gewordenes Hirngespinst, das Tag für Tag seinen Verfolgungswahn auslebt.

 

Giphy Datenbank: Verbotene Hitler-Bilder bei Whatsapp und iMessage

In Chat-Programmen wie Whatsapp und Facebook Messenger finden Nutzer massenhaft Bilder von Adolf Hitler und Nazi-Deutschland. in der Gif-Datenbank Giphy, die unter anderem im Facebook Messenger, Whatsapp und per App in Apple iMessage verfügbar ist, gibt es auch ein beachtliches Angebot an rechtsextremen Dateien. Strafbar machen sich zunächst diejenigen, die die verbotenen Bilder in die Datenbanken wie zum Beispiel Giphy hochladen. Straffrei blieben Nutzer, die die verbotenen Bilder in einem Privatchat bei Programmen wie Whatsapp oder Facebook Messenger an nur eine andere Person schicken, so Solmecke. Wird das Bild jedoch in eine Whatsapp-Gruppe gesendet, liege schnell eine strafbare Verbreitung vor.

 

Glocken waren zu laut: Neonazis zeigen Dortmunder Pfarrerin an

Nachdem acht Aktivisten der Neonazipartei „die Rechte“ kurz vor Weihnachten den Turm der Dortmunder Reinoldikirche stürmten und für ihre Propaganda nutzten, erstatten sie nun Strafanzeige gegen die Pfarrerin der Kirche. Es geht um den Vorwurf der Körperverletzung: Susanne Karmeier hatte während der Turmbesetzung angeordnet, die Glocken der Kirche läuten zu lassen, um das Gebrüll der Rechten zu übertönen. Dafür bekam sie in den Sozialen Medien viel Beifall. Die rechten Aktivisten jedoch fühlen sich jetzt als Opfer, beklagen, die Glocken seien so laut gewesen, dass die Ohren der Aktivisten weh getan hätten.

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