Fußball verbindet – aber grenzt auch aus

Im Jahr der Weltmeisterschaft wird wieder viel diskutiert über Frauenfußball. Von naturgegebenen Körpereigenschaften ist die Rede, die es den Frauen unmöglich machten, guten Fußball zu spielen. Davon, dass der Sport viel zu hart sei, für das „schwache Geschlecht“ und überhaupt sei Fußball eben ein Sport für echte Männer. „Hetero, weiß und männlich? Fußball ist viel mehr“ ist der Titel der neuen Studie von Nina Degele und Caroline Janz, die sich mit Sexismus, Homophobie und Rassismus im Fußball auseinandersetzt.

Von Ulla Scharfenberg

Die Friedrich-Ebert-Stiftung, die die Studie herausgibt, veranstaltete anlässlich der Veröffentlichung ein Fachgespräch, an dem Vertreterinnen und Vertreter des Sports, der Politik und der Fußballfans teilnahmen. Moderiert wurde die Gesprächsrunde von Autor Ronny Blaschke, der jüngst sein Buch „Angriff von rechtsaußen. Wie Neonazis den Fußball missbrauchen“ in Berlin vorstellte. Die Freiburger Soziologieprofessorin Nina Degele fasst die Ergebnisse ihrer Untersuchung so zusammen: „Fußball verbindet, aber immer auch durch Ausgrenzung. Denn das Gefühl von Zusammengehörigkeit und Gemeinschaft entsteht durch die Abgrenzung von anderen. Wir wissen, wer wir sind, wenn wir wissen, von wem wir uns unterscheiden. Der Fußball bietet dafür zahlreiche Möglichkeiten.“

Emotionslos, Körperlos und zu technisch
In 18 Gruppendiskussionen mit fußballspielenden oder fußballbegeisterten Teilnehmerinnen und Teilnehmern bestätigte sich ihre These, typische Vorurteile, ob rassistischer, sexistischer oder homophober Natur, wurden mal offener, mal versteckter geäußert. Nina Degele stellt fest: „Junge Mädchen, die selbst begeistert Fußball spielen und Altherrenmannschaften, die noch nie ein Frauenfußballspiel gesehen haben, beziehen sich in ihren Bewertungen von Frauenfußball auf verblüffend ähnliche Geschlechterstereotypen.“ Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt die Fußballberichterstattung in den Medien. Fußballerinnen werden häufig auf ihr Äußeres reduziert und nur nach ihrer Attraktivität beurteilt, Der offizielle WM-Slogan „20Elf von seiner schönsten Seite“ ist da nur ein Beispiel. Birgit Prinz, die in den allermeisten Vermarktungskampagnen fehlt, äußerte sich schon 2004 im Stern sehr deutlich: „Wir möchten unseren Sport vermarkten, nicht unseren Hintern“. Die vermeintlichen Gründe, warum Frauen nicht Fußball spielen sollten, bzw. dies sicher nicht so gut könnten wie Männer, sind vielfältig. Die körperliche Unterlegenheit von Frauen wird angeführt, geringere Schnelligkeit und Kraft oder ein schlechteres Zweikampfverhalten. Frauen seien auch nicht so emotional, der Frauenfußball sei körperloser und viel technischer. Auch Tanja Walther-Ahrens, Delegierte der European Gay and Lesbian Sport Federation und Bildungsbeauftragte des Deutschen Fußball-Bundes, kennt diese Vorurteile. Erfahrungen mit der Bevorzugung von Männerteams machte die ehemalige Bundesligaspielerin schon früh. Abschrecken ließ sie sich davon allerdings nicht: „Mädchen gehen auf den Sportplatz nicht, weil sie ein politisches Statement abgeben wollen, sondern weil sie Fußball spielen wollen.“

Fußball ist alles - auch schwul!
In der Gruppendiskussion wurde kein Thema so verunsichert diskutiert wie Homosexualität. Manche negierten („schwul sein gibt’s nicht im Fußball“), andere machten Witze. Nina Degele spricht in diesem Zusammenhang vom „Tabu der Körpernähe unter Männern“. Homosexuelle Fußballerinnen müssen sich häufig mit einer doppelten Diskriminierung auseinandersetzen, als Frau und als Lesbe. So wird in der medialen Wahrnehmung Homophobie meist auf Schwule bezogen, aber es sind gleichermaßen die Lesben, die unter der Diskriminierung leiden, erklärt Nina Degele: „Gelten Kickerinnen qua Geschlecht als fehl auf dem Platz, bietet die lesbische Orientierung geradezu eine Erklärung für eine solche Absonderlichkeit. Bei männlichen Fußballspielern stimmen Sport und Geschlecht überein. Der große Bruch erfolgt erst über die homosexuelle Orientierung.“ Eren Ünsal, Leiterin der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung, setzt sich in der Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales für den Abbau von Vorurteilen ein: „In Berlin präsentieren wir uns gerne als besonders weltoffen und trotzdem ist Homophobie nachwievor ein gesellschaftlich relevantes Problem“. Das kann auch Dr. Tatjana Eggeling bestätigen, die Verbände, Vereine und Aktive im Umgang mit Homosexualität und Homophobie berät. Dass sich in Deutschland noch kein einziger Profifußballer geoutet hat, liege nicht zuletzt an den Medien. „Es geht darum, der erste zu sein beim Schwulenouting“ vermutet die Kulturwissenschaftlerin, die in Interviews immer wieder nach Namen homosexueller Profis gefragt wird. Hier liegt offenbar eine entscheidende Diskrepanz zwischen Sensationsgier und wachsender politischer Korrektheit in Bezug auf Homosexualität im Fußball vor. Nina Degele und Caroline Janz bemerken in ihrer Studie, dass der mediale Diskurs in den letzten Jahren von einer Korrektheitsoffensive dominiert würde und im Vergleich zu sexistischen oder chauvinistischen, homophobe Aussagen kaum noch Platz fänden.

Homophobie als neuer Rassismus?
Michael Gabriel, Leiter der Koordinierungsstelle Fanprojekte (KOS), warnt davor, die Schuld für Homophobie im Fußball allein den Fans zu geben. Gabriel äußert die Theorie, dass ein Outing von den Fans besser aufgenommen würde, als beispielsweise von Sponsoren. „Die Realität der Fankurve ist eine Sonderwelt“ erklärt der Frankfurter, der sich der Probleme in den Stadien durchaus bewusst ist. „Das Engagement gegen Diskriminierungen im Fußball braucht einen langen Atem“, dass hätte die Arbeit gegen Rassismus gezeigt und gerade deshalb sei es wichtig positive Signale in den Faninitiativen zu stärken. Gegen Homophobie müsse auf allen Ebenen gearbeitet werden. Martin Gerster, Sprecher der Arbeitsgruppe Sport des SPD-Bundesverbands hält Fußball für „eine ganz besondere Burg“. In vielen gesellschaftlichen Bereichen gäbe es einen offeneren Umgang mit Homosexualität, der Sport hinke hinter her. Tatsächlich scheint es, als stünde der Kampf gegen Homophobie und Sexismus im Fußball noch ganz am Anfang. „Seit den 1980er Jahren nehmen Verbände, Medien und Institutionen Rassismus im Fußball verstärkt als Problem wahr und bekämpfen ihn“ erklärt Nina Degele, im Vergleich dazu „ist eine Häufung von Projekten und Aktionen gegen Homophobie und auch gegen Sexismus erst seit Mitte 2000 zu beobachten“. Es scheint fast, als hätte Homophobie den Rassismus in den Stadien abgelöst. Bei rassistischen Äußerungen müsse meist mit einer höheren Strafe gerechnet werden, als bei homophoben Beleidigungen, sowohl in der Fankurve als auch auf dem Platz. Als Torwart Roman Weidenfeller 2007 verdächtigt wurde, Gerald Asamoah als „schwarze Sau“ beschimpft zu haben, erklärte dieser nicht „schwarze“ sondern „schwule Sau“ gesagt zu haben. Das Sportgericht des DFB reduzierte seine Strafe daraufhin von sechs auf drei Spiele Sperre.

„Wir brauchen die heterosexuelle Mehrheit“
Um Vorurteile und Ressentiments im Fußball weiter abzubauen, schlägt Nina Degele zum Beispiel vor, Mädchen und Jungen länger gemeinsam trainieren zu lassen. Tanja Walther-Ahrens, Mitglied im Berliner Frauen/Lesben Sportverein Seitenwechsel e.V., unterstützt diesen Vorschlag und ergänzt, dass Vereine bereit sein müssten, sich mit dem Thema Diskriminierung auseinanderzusetzen, egal ob die Abwertung aufgrund von Geschlecht, sexueller Orientierung oder Hautfarbe passiere. Eine gezielte Sensibilisierung und die Schulung von Trainer/innen und Schiedsrichter/innen seien wichtige Schritte für mehr Toleranz.

Einen Tag vor dem offiziellen Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft, das im Berliner Olympiastadion ausgetragen wird, findet am Samstag die Parade zum „Christopher Street Day“ statt, die dieses Jahr unter dem Motto „Fairplay für Vielfalt“ steht. Der Deutsche Fußballbund (DFB) unterstützt den Fest- und Demonstrationszug der Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen, der am Brandenburger Tor endet. Dort wird DFB-Präsident Theo Zwanziger den Preis für Zivilcourage an Tanja Walther-Ahrens verleihen. Die Sportwissenschaftlerin wird sich auch weiterhin für den Abbau von Homophobie und Sexismus im Fußball einsetzen: „Wenn wir hier etwas ändern können, kann man vielleicht auch in der Gesellschaft etwas ändern“.

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Die Studie, "Hetero, weiß und männlich? Fußball ist viel mehr!" von Nina Degele und Caroline Janz, kann hier heruntergeladen werden.

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