Presseschau... 29.11.2016

+++ Berlin: Sicherheitsleute prügeln 28-Jährigen Bewohner von Flüchtlingsheim krankenhausreif +++ Hetze im Netz nimmt zu – oft kommen die Täter straflos davon +++ Waffenhandel „Migrantenschreck“: Wo der Hass keine Grenzen kennt +++

 

Berlin: Sicherheitsleute prügeln 28-Jährigen Bewohner von Flüchtlingsheim krankenhausreif

Wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt die Berliner Polizei gegen zwei Sicherheitsleute eines Asylbewerberheims in Berlin-Reinickendorf. Sie sollen einen 28-Jährigen am Sonntagvormittag derart geschlagen und getreten haben, dass dieser mit einem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht werden musste. Die Hintergründe für die brutale Aktion sind noch nicht bekannt.

 

Hetze im Netz nimmt zu – oft kommen die Täter straflos davon

Volksverhetzung und Gewaltdarstellungen auf Facebook werden oft nicht zur Anzeige gebracht. Und wenn doch, bleibt die Aufklärungsquote gering. Die Zahl der insgesamt eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen rechtsextremer und rassistischer Straftaten ist 2015 um rund 7300 auf 24.600 angestiegen. Etwa 9400 Verfahren mussten der Statistik zufolge eingestellt werden, weil kein Täter zu finden war. Dahinter steckten neben Hakenkreuz-Schmierereien auch viele Fälle von Hetze in der Anonymität des Internets.

 

Patrick Gensing zu Online-Hetze: „Was wir wahrnehmen, ist eine krasse verbale Gewalt“

Patrick Gensing kennt sich mit dem Phänomen der Hass-Kommentare aus. Der Journalist veröffentlichte im Mai das Buch "Rechte Hetze im Netz - eine unterschätzte Gefahr". Einen Bericht über den Anstieg von Ermittlungsverfahren wegen rechter Hetze im Internet kommentiert er so: Heute treten diese Kommentare so massiv auf wie nie. Es wird mehr, es wird radikaler. Was wir wahrnehmen ist eine krasse verbale Gewalt." Der Experte warnt: "Auf diese verbale Gewalt kann immer auch physische Gewalt folgen. Die verbale Gewalt bereitet Attacken und Anschläge vor."

 

Waffenhandel „Migrantenschreck“: Wo der Hass keine Grenzen kennt

Es ist mehr als beunruhigend: Seit Monaten bietet eine deutschsprachige Webseite illegale Schusswaffen zum Kauf an – speziell für Rechtsextreme, die Angriffe auf Asylbewerber und politische Gegner planen. Einer der angebotenen Revolver etwa wird mit den Worten beworben: „Machen Sie Ihrem Ärger Luft und nutzen Sie den Antifaschreck AS125 als Meinungsverstärker“. In einem Produktvideo schießt ein Vermummter mit dem Revolver auf Fotos von Spitzenpolitikern wie Heiko Maas oder Claudia Roth – sozusagen als Gebrauchsanweisung für den Einsatz der Schusswaffen.

 

AfD-Landesparteitag in BaWü: Höcke-Anhänger Seitz könnte im Bundestag landen

Auf dem Landesparteitag der AfD haben zwei Kandidaten aus Südbaden gepunktet, die dem nationalkonservativen Parteiflügel nahestehen. Thomas Seitz aus Lahr könnte AfD-Vertreter der Region im Bundestag werden.

 

Waffenrecht: Maas will "Reichsbürgern" Zugang zu Waffen erschweren

Bundesjustizminister Maas möchte den Verfassungsschutz einschalten, damit Extremisten wie die "Reichsbürger" keine Waffen bekommen.  Denkbar sei eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz, bevor ein Waffenschein erteilt werde. Maas warnte vor einer zunehmenden Gewaltbereitschaft sogenannter Reichsbürger. Mittlerweile sei das Aggressionspotenzial dieser Bewegung deutlich gestiegen.

 

Nach Angriff auf Polizisten: Greifswalder Reichsbürger stellt sich in Bayern

Bei einer Verkehrskontrolle Anfang November in Greifswald widersetzten sich drei Autoinsassen den Polizeibeamten. Ein 29-jähriger Reichsbürger versprühte Reizgas und floh. Nun fand er sich freiwillig und in Beisein eines Rechtsanwaltes bei der Polizei in Sonthofen ein.

 

Urteil nach Anschlag in Bautzen: Haft für Schaulustige bei Brand von Flüchtlingsheim

Zwei Männer, die beim Brand eines geplanten Flüchtlingsheims im sächsischen Bautzen gegafft und Löscharbeiten behindert hatten, sind zu Jugendhaftstrafen verurteilt worden. Das Amtsgericht Bautzen verhängte gegen die beiden 21-Jährigen zweieinhalb und drei Jahre Haft ohne Bewährung. Das ehemalige Hotel in Bautzen, in das Flüchtlinge einziehen sollten, war am 21. Februar vorsätzlich in Brand gesteckt worden – bis heute ist unklar, von wem. Verurteilt wurden die beiden Männer nun wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte im Zusammenhang mit dem Brand. Sie wehrten sich gegen einen Platzverweis der Polizei, in dessen Folge es auch zu Rangeleien kam.

 

Nauen: Prozess um Anschlag geht heute trotz Befangenheitsantrag weiter

Obwohl ein Schöffe im Prozess um den Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Nauen (Havelland) möglicherweise befangen ist, wird der Prozess zunächst fortgesetzt. Das Gericht werde erst später darüber entscheiden, ob sich der Schöffe mit der Bemerkung gegenüber dem als Rädelsführer angeklagten NPD-Politiker Maik S., er erzähle „Stuss“, angreifbar gemacht habe. Der Prozess wird am heutigen Dienstag zunächst fortgesetzt.

 

BGH bestätigt Urteil gegen früheren SS-Mann: Späte Gerechtigkeit für die Opfer von Auschwitz

Mit Oskar Gröning ist zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert ein früherer SS-Mann wegen Beihilfe zum Mord in einem NS-Vernichtungslager rechtskräftig verurteilt worden. Der frühere „Buchhalter von Auschwitz“ wurde wegen Beihilfe zum Mord in dem nationalsozialistischen Vernichtungslager verurteilt. Der Bundesgerichtshof lehnte die von Gröning sowie mehreren Nebenklägern beantragte Revision gegen das Urteil des Landgerichts Lüneburg ab. Dieses hatte Gröning im Juli 2015 zu vier Jahren Haft verurteilt, weil er als SS-Unteroffizier in Auschwitz im Sommer 1944 bei der Ermordung von mindestens 300.000 Menschen geholfen haben soll.

 

Antisemitismus: taz gewinnt im Prozess gegen Ken Jebsen

Die taz darf auch zukünftig schreiben: „Auch Ken Jebsen, nach antisemitischen Äußerungen beim Sender rbb rausgeflogen [...]“. Das hat am 10.11.2016 das Oberlandesgericht Köln entschieden. In einem Artikel über die „Neurechte Friedensbewegung“ und deren Demonstrationen im Berliner Regierungsviertel am 13.03.2015 hatte die taz das geschrieben. Auf Antrag von Jebsen verbot das Landgericht Köln der taz zunächst die unterstrichene Äußerung.

 

„Bärgida“: Der letzte friedliche Protest

Zum 100. Abendspaziergang der Berliner Abendlandretter haben sich trotz großspuriger Ankündigung nur knapp 80 Teilnehmer eingefunden. Deutschland- und Preußenfahnen sowie Mistgabeln aus Pappe waren die Utensilien, die die knapp 80 Teilnehmer zum 100. „Bärgida-Abendspaziergang“ präsentierten.

 

Bautzen: Landrat trifft sich mit NPD-Chef

Nach Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens (parteilos) hat nun auch Landrat Michael Harig (CDU) angekündigt, mit jenen rechtsradikalen Kräften ein Gespräch zu führen, die an der asylfeindlichen Stimmung in der Stadt und im Landkreis maßgeblichen Anteil tragen. Wie vor einigen Tagen bekannt wurde, stimmte Harig einem Treffen mit dem NPD-Kreisvorsitzenden Marco Wruck zu. Das Gespräch ist für Mitte Dezember geplant. Die Neonazis jubeln, ihnen sei mit dem Gespräch ein Erfolg gelungen.

 

Berlin: Chronik antisemitischer Vorfälle an Friedrichstadt-Palast projiziert

An die Fassade des Berliner Friedrichstadt-Palastes ist am Montagabend eine bundesweite Chronik antisemitischer Vorfälle und Straftaten projiziert worden. Die aufgeführten Beispiele zeigten den alltäglichen Antisemitismus, den Juden in Deutschland in den unterschiedlichsten Formen erlebten. Sie reichten von Beleidigungen in der U-Bahn über Sachbeschädigungen an jüdischen Einrichtungen und Hasskommentaren im Netz bis zu gewalttätigen Übergriffen auf offener Straße.

 

Rassismus in Berlin „Obwohl du schwarz bist, siehst du gut aus“

Er wird für einen Drogendealer gehalten, beschimpft, angerempelt. Isaiah Lopaz (36) erlebt in Berlin mindestens einmal die Woche Rassismus. Die schmerzhaften Worte hat er lange ertragen – und geschwiegen. Jetzt schleppt er sie in die Stadt zurück. In schwarzen Lettern auf weißen T-Shirts. Er will die Menschen so mit ihren eigenen Vorurteilen konfrontieren.

 

Ich war Praktikant bei der Berliner AfD

Ich habe mir früher oft Sorgen gemacht, was mal aus mir werden soll. Aber hätte ich damals gewusst, dass ich mal Praktikant in einer Partei sein werde, die gegen Migration, Klimaschutz und den Islam Stimmung macht—ich hätte mich geschämt. Andererseits wollte ich aber schon immer mal in die Haut des Bösen schlüpfen: Als Spion im Berliner Abgeordnetenhaus AfD-Luft atmen und das ausländerfeindliche, populistische Gesicht der Partei entlarven.

 

Europas ambivalenter Humanismus – Menschenrechte und Rassismus

Die Idee des Humanismus ist mit der europäischen Tradition verbunden. Aber Letztere beinhaltet auch Kolonialzeit, Rassismus und ausbeuterischen Kapitalismus. Der europäische Rassismus habe deshalb eine besondere Dimension, betont die Historikerin und Drehbuchautorin Fatima El-Tayeb in ihrem neuen Buch "Undeutsch. Die Konstruktion des Anderen in der postmigrantischen Gesellschaft".

 

Hipsterisierung – deshalb werfen sich die amerikanischen Rechtsextremen in Schale

Faschistische Bewegungen nutzen in den USA Mode, um ihr Gedankengut salonfähig zu machen. Vorn am Rednerpult sagte der Mann mit der Hipster-Frisur: „Heil Trump, Heil unserem Volk, Sieg Heil.“ Und im Publikum hoben adrett behemdete Schnösel den Arm zum Hitler-Gruss. Die vom amerikanischen Monats­Magazin „The Atlantic“ publizierte Filmaufnahme, die diese Szene festhielt, sorgte vor einer Woche für Schockwellen.

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