Presseschau ... 27.04.2017

+++ Studentin aus Ägypten erst angefahren und dann verhöhnt +++ „Gruppe Freital“: Mutmaßlicher Rädelsführer packt aus +++ Prozess um gefesselten Flüchtling in Arnsdorf: Staatsanwalt mit dem Tod bedroht +++ Bundesweit etwa 8.500 „Reichsbürger“ +++

 

Studentin aus Ägypten erst angefahren und dann verhöhnt

Der Polizei in Cottbus ist nach einem tödlichen Unfall eine schwere, politisch höchst brisante Panne unterlaufen. Eine 22-jährige Studentin aus Ägypten wurde überfahren und erlag ihren schweren Verletzungen. Die Beifahrer sollen das Opfer ausländerfeindlich beschimpft haben. Ermittelt wurde deshalb zunächst nicht, sondern erst jetzt - wegen Volksverhetzung. Eine Woche nach dem Tod der jungen Frau und eineinhalb Wochen nach dem Unfall, ermittelt die Polizei nun nicht mehr nur gegen den 20-jährigen Fahrer des alten Hondas mit Dresdner Kennzeichen wegen fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr. Auf Weisung von Brandenburgs Polizeipräsidenten Hans-Jürgen Mörke läuft seit Dienstag beim Staatsschutz gegen die beiden Mitinsassen aus dem Cottbuser Raum ein offizielles Verfahren wegen Volksverhetzung und Beleidigung.

 

"Gruppe Freital“: Mutmaßlicher Rädelsführer packt aus

Im Terrorprozess gegen die rechtsextreme "Gruppe Freital" hat einer der beiden mutmaßlichen Rädelsführer ein umfassendes Geständnis abgelegt. Patrick F. räumte seine Beteiligung an allen fünf Anschlägen ein. Auch zu den Tatbeiträgen der anderen Angeklagten gab er umfassend Auskunft. Einen Sprengstoffanschlag auf eine Flüchtlingswohnung im sächsischen Freital im September 2015 habe er allein begangen, sagte der 25-Jährige vor dem Oberlandesgericht Dresden.

 

Prozess um gefesselten Flüchtling in Arnsdorf: Staatsanwalt mit dem Tod bedroht

Im Zusammenhang mit dem Verfahren wegen der Fesselung eines irakischen Flüchtlings im sächsischen Arnsdorf im Mai 2016 ist der zuständige Staatsanwalt bedroht worden. Nach Recherchen des Nachrichtenmagazins "MDR Exakt" wurde er wenige Tage vor dem Gerichtstermin am Montag von unbekannten Männern abends auf dem Heimweg verfolgt, beleidigt und bedroht. Der Vertreter der Anklage sei zudem schriftlich mit dem Tod bedroht worden, sollte er zu dem Prozess am Amtsgericht in Kamenz erscheinen. Am Montag war der Prozess gegen vier Männer aus Kamenz, die den 21 Jahre alten Flüchtling aus dem Irak im Mai 2016 mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt hatten, kurz nach der Eröffnung wegen "Geringfügigkeit" wieder eingestellt worden.

 

Bundesweit etwa 8.500 "Reichsbürger“

Die Innenministerien der Bundesländer haben etwa 8500 Personen im Visier, die sich als "Reichsbürger" bezeichnen. Das ergab eine Umfrage der Zeitung "Die Welt". Demnach ist die Zahl der "Reichsbürger" in Bayern mit 2700 am höchsten. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl liegt allerdings Thüringen ganz vorn. Die Quoten in Hamburg und Berlin sind am geringsten. Die "Reichsbürger" gelten allerdings nicht als homogene Gruppe, sondern sind eher zersplittert. Sie erkennen die Bundesrepublik nicht an und damit auch nicht staatliche Autoritäten wie die Polizei. "Reichsbürger" gehen davon aus, dass das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 noch existiert. Ein Teil der Szene vertritt nach Einschätzung der Behörden rechtsextreme Positionen.

 

Lüneburg: Haftstrafe für Holocaustleugner

Zum Auftakt des Prozesses gegen den ehemaligen SS-Mann Oskar Gröning, den „Buchhalter von Auschwitz“, am 21. ­April 2015 in der zum Gerichtssaal umfunktionierten Ritterakademie hatte Arnold H. zwei Schriften an einen ihm nicht bekannten Mann gegeben. Es war ein Journalist. Der informierte sofort die Polizei, die die Aktentasche von Arnold H. durchsuchte und dort 40 Kopien einer Schrift mit dem Titel „Massenmorde im Konzentrationslager Auschwitz?“ und 33 mit dem Titel „Zahl der Einäscherungen in Auschwitz-Birkenau“ sicherstellte. Die Strafkammer ging in ihrem Urteil laut Richter Kai Lange davon aus, dass Arnold H. den großen Auflauf auch mit internationaler Presse zum Prozess­auftakt gegen Gröning, der später wegen Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen zu vier Jahren Haft verurteilt wurde, für sich nutzen und seine Schriften verbreiten wollte. Die Kammer verurteilte den 81-Jährigen aus der Nähe von Hannover jetzt wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten – ohne Bewährung. Im Zuhörerraum saßen während der Verhandlung auch unrühmlich Bekannte aus dem rechten Spektrum. Die verurteilte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck war anwesend.

 

AfD Saalekreis: Kreisvorsitzender Tillschneider wegen Facebook-Post angezeigt

Provokation gehört bei der AfD Saalekreis und ihrem Vorsitzenden Hans-Thomas Tillschneider zu den stets griffbereiten politischen Werkzeugen. Sie kommt vor allem auf der Facebookseite des Kreisverbandes zur Anwendung. Mit einem dortigen Post Ende vergangener Woche hat der Landtagsabgeordnete nun besonders heftige Reaktionen ausgelöst und sich eine Anzeige wegen Volksverhetzung eingehandelt. Tillschneider hatte dort ein Bild von sich veröffentlicht mit der Frage: „Kann es sein, daß wir ein Zigeunerproblem haben?“ Anlass dafür war die Antwort auf eine Kleine Anfrage im Landtag, die nach Tillschneiders Auffassung eine übermäßige Kriminalität und Hartz-IV-Bezug durch Rumänen und Bulgaren belegt.

 

AfD-Abgeordneter soll für NPD plakatiert haben

Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) hat eindeutig Politiker mit rechtsextremen Weltbildern in ihren Reihen. Jüngstes Beispiel sind die Auslassungen des Thüringer Fraktionsvorsitzenden Björn Hocke über das Holocaust-Mahnmal in Berlin. In den Ruch, zumindest noch im September 2013 Sympathie für die NPD gehegt zu haben, geriet jetzt auch der AfD-Landtagsabgeordnete Udo Stein aus Bühlertann: Er soll seinerzeit im Vorfeld der Bundestagswahl mit Plakaten und Flugblättern Wahlkampf für die NPD betrieben haben.

 

Pegida-Vokabular: Xavier Naidoos neuer Song

In Xavier Naidoos neuem Song "Marionetten" macht Naidoo klar, wie krude seine Weltanschauung ist. Er singt dort von Tatsachenverdrehern, von Volksverrätern statt Volksvertretern - kurz: den Marionetten. Die Puppen an den Fäden sind ein sehr beliebtes Bild für Politiker von Verschwörungs-Fans. Die sollen natürlich alle von Puppenspielern dirigiert werden. Leider lässt er offen, wer genau den hinter diesen ominösen Puppenspielern steckt. In der Regel meinen die Verschwörungstheoretiker damit aber die Reichen und Mächtigen. "Wie lange wollt ihr noch Marionetten sein? Seht ihr nicht, ihr seid nur Steigbügelhalter? Für eure Puppenspieler seid ihr nur Sachverwalter", singt Naidoo.

 

Neonazi-Aufmarsch in Halle am 1. Mai So wird der Gegenprotest organisiert

Halle rüstet sich mit ungewöhnlichen Maßnahmen für einen der größten Aufmärsche von Rechtsradikalen der vergangenen Jahre. Am 1. Mai wollen Neonazis aus ganz Deutschland in die Saalestadt kommen und nach eigenen Angaben um 12 Uhr auf dem Marktplatz aufmarschieren. Organisiert wird die Demo von der Partei „Die Rechte“. Neben zahlreichen Protestaktionen auf der Straße sollen die Hallenser den Rechtsextremen erstmals auch in Straßenbahnen zeigen, dass sie in der Saalestadt nicht willkommen sind.

 

Untersuchungsbericht: Münchner Amokschütze war rechtsextrem gesinnt

David S., der Todesschütze vom Olympia-Einkaufszentrum, hatte einen rechtsextremistischen Hintergrund. Im Bericht des bayerischen Innenministeriums zum Amoklauf am 22. Juli, der am Mittwoch dem Innenausschuss des Landtags vorgelegt worden ist, wird das mit zahlreichen Beispielen belegt. Zugleich jedoch betont Thomas Hampel, der Inspekteur der bayerischen Polizei, dass das Hauptmotiv des neunfachen Mörders "Rache" für jahrelanges Mobbing gewesen sei. Die Tat sei nach derzeitigem Stand "nicht politisch motiviert gewesen". Dass der selbst aus einer iranischen Familie stammende David S. eine rechtsextreme Gesinnung hatte, steht für die 65 Ermittler der Sonderkommission OEZ nach rund 2.000 Vernehmungen und Befragungen sowie der Auswertung von etwa 1.000 Videodateien fest. Da war die Bewunderung des 18-Jährigen für den norwegischen Attentäter Anders Breivik, die so weit ging, dass David S. seine Tat für den fünften Jahrestag des Utøya-Massakers plante.

 

NSU-Prozess: Heftiger Streit verzögert Konfrontation der Gutachter im NSU-Prozess

Das Aufeinandertreffen der beiden Gerichtspsychiater im NSU-Prozess hat sich am Mittwoch wegen eines teils lautstark ausgetragenen Streits zwischen Verteidigung und Bundesanwaltschaft verzögert. Oberstaatsanwältin Anette Greger sagte, Pedro Faustmann sei als weiterer Sachverständiger neben dem vom Gericht bestellten Henning Saß nicht nötig. Das Gericht könne sich auch so ein Bild von dem Gutachten machen, das Saß über die Hauptangeklagte Beate Zschäpe erstattet habe. Die Verteidigung Zschäpes hatte Faustmann mit einer „Methodenkritik“ zu Saß‘ Gutachten beauftragt. 

 

NSU-Untersuchungsausschuss:  Ex-Polizeichef verarbeitet Erinnerungen im Reißwolf

"Das weiß ich nicht mehr." "Daran habe ich keine Erinnerung". Wenn der Untersuchungsausschuss des Landtags Zeugen aus Politik, Verfassungsschutz oder Polizei zu den Ermittlungen im Kasseler NSU-Mordfall Halit Yozgat befragt, hören die Mitglieder das oft. So war es auch am Mittwoch, als der frühere Landespolizeipräsident Norbert Nedela  den Abgeordneten Rede und Antwort stehen sollte. Nedela war Landespolizeichef, als der Mord 2006 in Kassel geschah. Der Pensionär ließ auch durchblicken, dass er kein besonders gutes Verhältnis zum damaligen Landesverfassungschef Lutz Irrgang hatte. Wenn es um Details ging, wurde Nedela allerdings von seinem Gedächtnis im Stich gelassen. Gleich zu Beginn begründete er das damit, dass er solche Einzelheiten des Polizeidienstes verdrängt habe. Auf Erinnerungsstützen konnte der Ex-Polizeichef nach eigenen Angaben auch nicht zugreifen. Er habe nach seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand alle seine persönlichen Unterlagen und Notizen vernichtet. "Ich habe alles in den Reißwolf geben lassen, weil ich mit dem Kapitel meines Lebens bei der Polizei abschließen wollte", sagte Nedela.

 

Woher stammen die Facebook-Bilder der AfD?

Auf Facebook ist die AfD enorm erfolgreich: Täglich werden neue Parteibotschaften auf Fotos gestanzt, bei denen dann Tausende Nutzer auf "Gefällt mir" klicken und sie weiterverbreiten. Für die Bebilderung bedient sich die Partei unter anderem bei ausländischen Fotografen, bei Wikipedia und auch mal bei der Deutschen Presseagentur (dpa). Einige dieser Fotografen sind verärgert und prüfen nach Hinweisen von ZAPP nun juristische Schritte.

 

Uni distanziert sich von "Biodeutsche“-Äußerung

Die Universität Greifswald hat sich erstmals öffentlich von Äußerungen des Jura-Professors und AfD-Landtagsabgeordneten Ralph Weber distanziert. In einer am Mittwoch verbreiteten Mitteilung wirft sie dem für die Ausübung des Mandats beurlaubten Hochschullehrer „unsägliche Äußerungen” auf dessen Facebook-Seite vor. „Dafür muss er sich als Privatperson und als Abgeordneter verantworten”, heißt es weiter. Nach der massiven Kritik an seinem im Internet veröffentlichten Beitrag zog Weber am Mittwoch zwei der besonders umstrittenen Formulierungen zurück. Um „künftige Missdeutungen auszuschließen”, habe er die Ausdrücke „Deutschland den Deutschen” und „Biodeutsche” im Text gestrichen, teilte er auf seiner Facebook-Seite mit. Er warf einzelnen Medien „böswillige Fehldeutungen” vor und kündigte an, dagegen „mit geeigneten rechtlichen Mitteln” vorgehen zu wollen.

 

Protest gegen Schändung am Ort der zerstörten Synagoge

Knapp sechs Monate nachdem die Gedenkstätte für die Opfer des Naziterrors am Ort der zerstörten Synagoge im Brentanopark Rödelheim durch antisemitische Parolen geschändet wurde, zeigen Rödelheimer Flagge. Sie wenden sich gemeinsam gegen Rechtsextremismus und Hass.

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