Presseschau ... 25.04.2017

+++ Heiligenstadt: Bombenleger hatte anscheinend Sympathien für rechte Gruppen +++ Haftbefehl: NPD-Stadtrat wegen Wahlfälschung gesucht +++ Bautzen: Freispruch für das Fesseln eines Geflüchteten +++

 

Heiligenstadt: Bombenleger hatte anscheinend Sympathien für rechte Gruppen

Der Bombenbauer aus Heilbad Heiligenstadt hat nach Informationen von Thüringen24 offenbar Sympathien für rechte sowie rechtsextreme Parteien und Gruppen bekundet. Der 20-Jährige wurde am Samstag in Großbartloff im Eichsfeldkreis lebensgefährlich bei einer Sprengstoffexplosion verletzt. Die Polizei stieß im Haus seiner Eltern auf ein verstecktes Labor, Sprengstoff sowie Chemikalien, mit denen weitere explosive Mischungen hergestellt werden könnten. In der privaten Wohnung des 20-Jährigen in Heilbad Heiligenstadt wurde ebenfalls Sprengstoff entdeckt.

 

Haftbefehl: NPD-Stadtrat wegen Wahlfälschung gesucht

Per Haftbefehl gesucht wird seit gestern der 33-jährige Dennis B., dem im Zusammenhang mit der Kommunalwahl 2014 in Bochum Wahlfälschung und Urkundenfälschung vorgeworfen werden. Der Gelsenkirchener war gestern Morgen um 10 Uhr nicht zur Hauptverhandlung vor dem Landgericht erschienen. Ein danach vom Vorsitzenden Richter Volker Talarowski ergangener Vorführungsbefehl blieb erfolglos.

 

Sachsen: Freispruch für das Fesseln eines Geflüchteten

Vier Männer aus Arnsdorf zwischen 29 und 56 Jahren zerrten damals einen psychisch kranken Flüchtling aus dem Irak aus einem Einkaufsmarkt und sollen ihn dann mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt haben. Die Staatsanwaltschaft Görlitz klagte sie deshalb wegen Freiheitsberaubung an. Die Verteidigung hingegen sah in dem Vorgehen von vornherein Nothilfe und die Umsetzung des Jedermann-Rechts auf Festnahme eines Tatverdächtigen. Das Interesse an dem Konflikt hat das zuständige Amtsgericht offensichtlich unterschätzt. Bereits um halb neun stehen rund 100 Demonstranten und zahlreiche Medienvertreter am Eingang. Anhänger von Pegida und der neurechten Ein-Prozent-Bewegung halten Plakate hoch mit Aufschriften wie „Zivilcourage ist kein Verbrechen“ oder „Schauprozess“ oder „Solidarität mit den Arnsdorfer Helden“. Dazwischen mengen sich Mitglieder des lokalen Motorradclubs Road Eagle, die Arnsdorfer Bürgermeisterin, Gemeinderäte, Angehörige der Angeklagten. Als die sich mit ihren Anwälten durch die Menge schlängeln, brandet Applaus auf.

 

Viel mehr rechte als linke Straftaten

Die meisten politisch motivierten Straftaten verübten im vergangenen Jahr Neonazis und andere Rechte. Die Polizei zählte 23.555 Delikte (2015: 22 960), darunter 1698 Gewalttaten (2015: 1485). Ein Mensch starb, 1283 erlitten Verletzungen. Das Todesopfer ist ein Polizist, der im Oktober im bayerischen Georgensmünd von dem Reichsbürger Wolfgang P. erschossen wurde. Zahlreiche rechte Straftaten ordnet die Polizei der „Hasskriminalität“ zu. Damit sind unter anderem rassistische Angriffe auf Migranten gemeint. Die Polizei stellte 2016 insgesamt 10 751 Straftaten „im Themenfeld Hasskriminalität“ fest (2015: 10 373). Die rassistischen Attacken, benannt als „fremdenfeindliche Straftaten“, stiegen um 5,3 Prozent und erreichten einen neuen Höchststand (2016: 8983 Delikte, 2015: 8529).

 

Verfassungsschützer sehen keinen Grund für Entwarnung

Trotz eines in jüngster Zeit festgestellten Rückgangs bei rechts- und linksextremistischen Straftaten sieht der Verfassungsschutz keine Trendwende in Sachsen. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht 2016 hervor. Während die Zahl der NPD-Mitglieder 2016 weiter deutlich abgenommen hat, verzeichneten andere rechtsextreme Parteien wie der III. Weg, die NPD-Jugendorganisation JN oder freie Neonazigruppierungen Zulauf. Außerdem kamen mit der Identitären Bewegung und den Reichsbürgern neue Beobachtungsobjekte hinzu.

 

Hessen: Zwei Polizisten unter „Reichsbürger“-Verdacht

Staatsbedienstete, die den Staat bekämpfen: Nach Angaben des Innenministeriums stehen zwei Polizisten im Verdacht, der "Reichsbürger"-Ideologie anzugehören. Sorgen macht den Behörden auch, dass viele der Rechtsextremen Waffen besitzen. Gegen einen der beiden läuft bereits ein Disziplinarverfahren, gegen den zweiten wird es gerade vorbereitet, schreibt Innenminister Peter Beuth (CDU). Angefragt hatte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Lisa Gnadl.

 

„Reichsbürger“-Verdacht: Disziplinarverfahren gegen Allgäuer Bürgermeisterin

Monika Zeller gerät in Erklärungsnot. Die 56-jährige Bürgermeisterin von Bolsterlang im Oberallgäu und mehrere Gemeinderäte stehen unter dem Verdacht, mit der "Reichsbürger"-Bewegung zu sympathisieren. Nach jüngsten Erkenntnissen hat Zeller aber nicht nur einen "Reichsbürger"-Referenten in den Gemeindesaal eingeladen, sondern auch an einem Kongress der verfassungsfeindlichen Bewegung teilgenommen. Bei der Landesanwaltschaft läuft ein Disziplinarverfahren gegen Monika Zeller.

 

Rechte Hetze getarnt als Hilfsbereitschaft

Wieder hetzen Rechtsradikale im Internet gegen Flüchtlinge. Besorgnis herrscht deshalb im Münchner Sozial-, im Kommunal- und im Kreisverwaltungsreferat. Denn im Hetzblog ist eine Karte mit den Standorten zahlreicher Münchner Flüchtlingsunterkünfte veröffentlicht. Die anonymen Betreiber der Seite "Asylterror" nutzen nach eigenen Angaben einen Server außerhalb Europas und fordern unter dem Deckmantel der Hilfsbereitschaft dazu auf, Adressen von Flüchtlingsunterkünften zu nennen.

 

NSU: Mögliche neue Spur im Fall Kiesewetter

Die Bundesanwaltschaft geht zehn Jahre nach dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter einer möglichen neuen Spur nach. Grund ist ein NSU-Schriftzug am Tatort in Heilbronn. Er ist auf TV-Aufnahmen zu sehen, die zwei Tage nach den tödlichen Schüssen der rechtsextremen Terrorzelle NSU entstanden sind. Darüber hatte die „Bild“-Zeitung berichtet.

 

NSU: Spuren, die keine sein dürfen

Vor zehn Jahren, am 25. April 2007, wurde die Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn durch einen gezielten Kopfschuss hingerichtet, ihr Kollege Martin A. überlebte wie durch ein Wunder. Der Mord an der damals 22-jährigen Polizistin gilt als zehnte und letzte Bluttat des NSU, des Nationalsozialistischen Untergrundes. Doch wirklich aufgeklärt ist dieser Anschlag genauso wenig, wie all die anderen jener Mordserie an ansonsten ausschließlich Menschen mit migrantischen Hintergrund.

 

Antisemitismusbericht: Juden in Deutschland fühlen sich bedroht

In Deutschland lebende Jüdinnen und Juden fühlen sich durch Antisemitismus stärker bedroht. Dies geht aus einem Bericht hervor, den der Unabhängige Expertenkreis Antisemitismus (UEA) am Montag in Berlin vorstellte. Nach einer ersten Bestandaufnahme 2012 ist dies der zweite Bericht über die Entwicklung des Antisemitismus in Deutschland im Auftrag des Bundestags. Gründe für die in der jüdischen Bevölkerung wahrgenommene Gefahr sind laut UEA zum einen Verunsicherungen durch Rechtspopulismus und Antisemitismus unter Muslimen - besonders im Hinblick auf Geflüchtete. Zum anderen wird die wachsende Bedeutung sozialer Medien, in denen Hassbotschaften und Hetze leicht verbreitet werden können, als Bedrohung empfunden. »Wer Antisemitismus ausleben möchte, kann dies in sozialen Netzwerken hemmungslos und weitgehend unreguliert tun«, so das Gremium.

 

Schuster hält jüdisches Leben für bedroht

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat die Beschlüsse des AfD-Bundesparteitags in Köln kritisiert. „Gegen nationale und religiöse Minderheiten wird ohne Skrupel und ohne Verantwortungsbewusstsein Stimmung gemacht“, erklärte deren Präsident Josef Schuster am Sonntag in Berlin. „Die Rechtspopulisten der AfD befinden sich nach meiner Einschätzung ganz klar auf dem Weg in den Rechtsextremismus“, so Schuster weiter. Die AfD strebe Einschränkungen der Religionsfreiheit an, „die jüdisches und muslimisches Leben hierzulande bedrohen“.

 

Memmingen: 220 Menschen demonstrieren gegen rechte Gewalt

Vor neun Jahren erstach ein Neonazi Peter Siebert mit einem Bajonett in Memmingen. Unter dem Motto „Remembering means fighting – Gegen Nazis und ihre Umtriebe“ erinnerten etwa 220 Menschen daran und forderten ein konsequentes Vorgehen gegen die Strukturen der Rechten in der Region.

 

Köln: Tausende protestieren gegen Antisemitismus und Rassismus

In Köln hatte nahezu die gesamte Stadtgesellschaft zum Protest gegen die rechtspopulistische Partei aufgerufen: Künstler, Politiker, Karnevalsvereine, Religionsgemeinschaften und zahlreiche Initiativen hatten sich gegen den Parteitag der AfD ausgesprochen. Oberbürgermeisterin Henriette Reker sagte: „Für mich ist die Entscheidung der AfD, ihren Bundesparteitag ausgerechnet in Köln durchzuführen, eine klare Provokation.“

 

AfD-Wahlprogramm: Weniger Flüchtlinge, mehr deutsche Kinder und Euro-Ausstieg

Die AfD setzt im Bundestagswahlkampf auf rigorose Maßnahmen gegen Migranten und Flüchtlinge und die Stärkung der deutschen Familie. In ihrem Wahlprogramm, das bei Bundesparteitag in Köln beschlossen wurde, finden sich auch altbekannte Forderungen wie der Ausstieg aus dem Euro oder bundesweite Volksentscheide.

 

AfD: Spaltung nach der Wahl?

Auf dem Kölner Parteitag hat Frauke Petry den Machtkampf gegen den rechtsextremen Flügel der AfD verloren, sagt Rechtsextremismus-Forscher Matthias Quent. Beim Duo der Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, Alexander Gauland und Alice Weidel, sieht Quent eine klare Aufgabenteilung.

 

Das Phänomen AfD

Eine Partei verändert Deutschland - dieses Fazit zieht Justus Bender, Redakteur der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", in seinem Buch über die AfD. Die "Spiegel"-Redakteurin Melanie Amann geht noch einen Schritt weiter, wenn sie statt von der "Alternative" von der "Angst für Deutschland" schreibt. Eine Analyse über eine noch junge Partei liefern beide Werke.

 

Mysteriöse Wahlwerbung: Internationale Unterstützung für die AfD?

In den nächsten Tagen werden Millionen Deutsche eine Gratiszeitung im Briefkasten finden: das „Extrablatt“. Es wirbt dafür, bei den beiden kommenden Landtagswahlen die AfD zu wählen. Die Auflage ist so hoch, dass sie keiner ignorieren kann: 400.000 Stück in Schleswig-Holstein, 2,6 Millionen in Nordrhein-Westfalen. Plakatwerbung kommt dazu. Großes Thema der Kampagne ist das „Staatsversagen in der Asyl-Masseneinwanderung“. So heißt es in einer Pressemitteilung des Vereins, der die Werbung unters Volk bringt: der „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“. Der Verein verbirgt, wer hinter seiner Werbung für die AfD steckt – und wer sie bezahlt. Es geht um sehr viel Geld. Bisher verteilte der Verein sein „Extrablatt“ vor fünf Landtagswahlen, zuletzt im Saarland. Dazu buchte er für Hunderttausende Euro Plakatflächen. AfD-Politiker freuten sich, beteuerten aber, sie wüssten nicht, wer ihre Gönner seien.

 

Wahl in Frankreich: Welche Chancen hat Le Pen?

Europa atmet auf: Eigentlich ist alles noch mal gut ausgegangen. Das könnte man zumindest meinen, wenn man sich die Kommentare vieler Medien zur ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahl anschaut. Der Liberale Emmanuel Macron gewinnt vor der Rechtsradikalen Marine Le Pen. Und in der Stichwahl, so die einhellige Hoffnung, wird sich eine ganz große Koalition finden, die einen Wahlsieg des Front National und damit das Ende der Fünften Republik verhindern. Und doch ist die weit verbreitete Erleichterung über das Wahlergebnis in Frankreich trügerisch. Das gilt besonders mit Blick auf das Wahlverhalten der jüngeren Wähler.

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