Presseschau .. 22.06.2016

+++ Neue Zahlen des BKA: 563 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte in der ersten Jahreshälfte +++ Hessischer Landrat kündigt wegen rechter Drohungen Rückzug an +++ Umfrage unter Bürgermeistern: Eine Welle des Hasses gegen Kommunalpolitiker +++ Brandanschlagsserie auf Autos in Berlin hatte rassistisches Motiv +++ 29 Hakenkreuze bei abgebrannter Flüchtlingsunterkunft +++ Berlin-Friedrichshain: Rassistische Beleidigungen und Hitergruß

 

Neue Zahlen des BKA: 563 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte in der ersten Jahreshälfte

Obwohl der Zustrom von Flüchtlingen abgeebbt ist, werden die Angriffe von Rassisten nicht weniger. Es sei „erschreckend“, dass auch in der ersten Hälfte des Jahres die Zahl der Gewaltdelikte „sehr hoch ist“, sagte am Montag Marc Schmitz, Kriminaldirektor beim Bundeskriminalamt, am Montag in Erfurt bei einem Symposium des Thüringer Verfassungsschutzes zu „Migration und Sicherheit“. Demnach zählte die Polizei von Januar bis Mitte Juni 563 Straftaten, darunter 97 Gewaltdelikte, gegen Asylunterkünfte. Im gesamten Vorjahr waren es knapp 100.
51 militante Attacken waren Brandstiftungen, außerdem gab es vier versuchte Tötungsdelikte. Zusätzlich waren Flüchtlinge außerhalb von Heimen und Wohnungen, zum Beispiel an Bushaltestellen oder auf öffentlichen Plätzen, bereits  824 Straftaten ausgesetzt, mit 142 Gewaltdelikten. Die Attacken abseits der Unterkünfte registriert das BKA gesondert seit Jahresbeginn.
Der Beamte sagte auch, es sei reines Glück, dass es bisher keine Todesopfer gegeben habe.
Außerdem sprach der Beamte von von 202 Angriffen „gegen Amts- und Mandatsträger in Verbindung mit der Asylthematik“. Gemeint sind vor allem Abgeordnete, Polizisten und Sozialarbeiter. Die Zahlen sind damit in der ersten Jahreshälfte höher gewesen als im Jahr 2015.

 

Hessischer Landrat kündigt wegen rechter Drohungen Rückzug an

Nach Drohungen gegen sich und seine Familie hat der Landrat des Main-Kinzig-Kreises in Hessen, Erich Pipa (SPD), angekündigt, im kommenden Jahr nicht mehr für eine weitere Amtszeit zu kandidieren. „Ich fühle mich vom Staat nicht geschützt“, sagte er am Montag. Seit September vergangenen Jahres hatte der Politiker wegen seines Engagements für Flüchtlinge Morddrohungen bekommen. Nach eigenen Angaben erhält er noch immer regelmäßig anonyme Briefe mit Beschimpfungen.
Aufgrund der andauernden Bedrohungslage sowie der Frustration über mangelnde Ermittlungserfolge der Polizei hatte Pipa seinen Rücktritt beschlossen. »Bürger helft mir«, sagte er am Montag und setzte eine öffentliche Belohnung für Informationen aus, die zur Ergreifung der Täter führen. 3.000 Euro stellte er von seinem eigenen Einkommen dafür zur Verfügung. »Ich möchte diesen feigen Menschen in die Gesichter sehen, die andere bedrohen«, erklärte er in einer Mitteilung.
Etwa alle zwei Woche kämen weitere Drohbriefe, die auch seiner Familie gelten, sagte Pipa. Obwohl er der Polizei konkrete Hinweise gegeben habe und auch den Absender eines Drohbriefs nannte, sei laut seinen Angaben nichts passiert. Im Brief einer „Initiative Heimatschutz Kinzigtal“ war Pipa im vergangenen September als „stinkende Ratte“ und „Kanaken-Landrat“ beschimpft worden. Außerdem wurde gedroht, ihn „aus dem Weg zu räumen“.

 

Umfrage unter Bürgermeistern: Eine Welle des Hasses gegen Kommunalpolitiker

Beleidigungen per E-Mail, tote Ratten vor der Haustür bis hin zu tätlichen Angriffen: Deutsche Kommunalpolitiker sind mit einer Welle des Hasses konfrontiert. Wie eine Umfrage ergab, werden die Volksvertreter vor allem wegen der Flüchtlingspolitik attackiert.
Deutschlands Kommunalpolitiker sind wegen des Flüchtlingszuzugs vielerorts einer Hasswelle ausgesetzt. In fast jeder zweiten deutschen Kommune (47 Prozent) wurden haupt- und ehrenamtliche Bürgermeister, Mitarbeiter oder Gemeinderäte im Zusammenhang mit ihrer Flüchtlingspolitik bereits beschimpft oder beleidigt, wie aus einer Umfrage für das Monatsmagazin "Kommunal" hervorgeht. Das Spektrum reiche von Verunglimpfungen und beleidigenden Mails über Schmierereien an Hauswänden bis hin zu toten Ratten vor der Haustür.
Körperliche Angriffe seien dabei bisher die Ausnahme: Sechs Prozent der befragten Bürgermeister hätten angegeben, körperlich attackiert worden zu sein, davon die Hälfte im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik. Eine gesetzliche Verschärfung gegen Hassmails und "Politiker-Stalking" halten laut der Umfrage 52 Prozent der Befragten nicht für sinnvoll.
Gleichzeitig sind die Bürgermeister in der Flüchtlingspolitik optimistisch, wie die Untersuchung ergab. Lediglich 14 Prozent der Kommunen fühlten sich derzeit überfordert, hieß es.

 

Brandanschlagsserie auf Autos in Berlin hatte rassistisches Motiv

Vom 20. Mai bis zum 12. Juni – innerhalb von nur dreieinhalb Wochen – soll Florian M. in Oberschöneweide zehn Autos und Kleintransporter mit ausländischen Kennzeichen abgefackelt haben. Abgesehen hatte er es vor allem auf polnische Wagen. Dabei griffen die Flammen auf zehn weitere Autos über.
Für die Berliner Polizei ein schneller Fahndungserfolg: Anfang Juni übernahm der Staatsschutz die Ermittlungen, wenige Tage später – am 12. Juni – wurde Florian M. erwischt, als er erneut zwei Autos anzündete.
Ein Kripo-Fahnder der Direktion 6: „Er passte genau auf die von den Kollegen erstellte Personenbeschreibung.“ Reste von Grillanzündern und ein Feuerzeug steckten in seiner Bauchtasche.
Die Polizei durchsuchte noch in der Nacht seine Wohnung, fand 198 Aufkleber der NPD mit der Aufschrift „Asylflut stoppen“. In der Vernehmung gab er zu, dass er auch versucht hatte, ein rumänisches Fahrzeug anzuzünden.

 

29 Hakenkreuze bei abgebrannter Flüchtlingsunterkunft

Zwei Tage nach dem Brand eines für Flüchtlinge gedachten Wohncontainers am Stadtrand von Volkmarsen (Landkreis Waldeck-Frankenberg) ist die Brandursache weiter unklar. Man vermute einen technischen Defekt oder Brandstiftung als Ursache des Feuers, sagte ein Polizeisprecher.
Der Sprecher bestätigte, dass in der Nähe des Brandorts rechte Symbole gefunden worden: An einer Treppe zur rund 150 Meter entfernt gelegenen Kugelsburg seien 29 mit schwarzer Farbe gesprühte Hakenkreuze entdeckt worden.

 

Berlin-Friedrichshain: Rassistische Beleidigungen und Hitergruß

Ein 26-jähriger Tatverdächtiger soll bei einem Streit mit einem 31-Jährigen im Berliner Stadtteil Friedrichshain den rechten Arm zum sogenannten "Deutschen Gruß" gehoben und anschließend rechtsradikale Parolen gerufen haben. Alarmierte Polizisten nahmen den 26-Jährigen fest.

 

Fall Gedeon: Statt Rauswurf bestellt die AfD Gutachter

Eigentlich wollten die Fraktionsmitglieder im baden-württembergischen Landtag über Gedeons Ausschluss entscheiden. Doch soweit ließ es der AfD-Abgeordnete dann gar nicht kommen. Der wegen Antisemitismus-Vorwürfen umstrittene Politiker ließ sich auf einen Kompromiss ein und erklärte am frühen Nachmittag, er werde seine Mitgliedschaft in der Fraktion ruhen lassen. Zumindest vorerst. Bis zum September soll eine Kommission prüfen, ob die Vorwürfe berechtigt sind. Danach soll der Fall erneut beraten werden.
Mit seinem Rückzug wolle er eine Spaltung der Partei abwenden, sagte Gedeon nach dem Entschluss. Tatsächlich hatte Fraktionschef Jörg Meuthen damit gedroht zurückzutreten, wenn Gedeon nicht ausgeschlossen würde. Der 54-Jährige sieht sich von der heutigen Entscheidung bestätigt: "Ich denke, dass ich mich klar durchgesetzt habe", sagte er in Stuttgart.

Lesenswerter Kommentar von Josef Schuster, Zentralrat der Juden: AfD nicht bereit, sich eindeutig von rechtsextremen Strömungen zu distanzieren

„Das Buch von Wolfgang Gedeon ist antisemitisch und mit der klaren Absicht geschrieben, gegen die angeblich alles beherrschenden Juden zu hetzen“, erklärte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, dazu am Dienstag in Berlin.
„Dass der AfD-Fraktionsvorsitzende und Parteivorsitzende Jörg Meuthen ein unabhängiges Gutachten einholen will, bevor über den Fraktionsausschluss von Gedeon entschieden wird, zeige wieder einmal: Die AfD ist nicht bereit, sich eindeutig von rechtsextremen Strömungen zu distanzieren. Der Fraktionsausschluss von Herrn Gedeon wäre der einzig richtige Weg.“ Die AfD solle ohne weiteres Zögern dieses eindeutige Signal gegen Antisemitismus setzen, machte Schuster deutlich.

 

In der Hitze der Macht – In der AfD gab es vier Putschversuche in vier Tagen

Putschversuch Nummer eins: Petry gegen Meuthen. Der Bundesvorsitzende Meuthen droht mit Fraktionsaustritt, sollte sein Landesverband nicht für den Ausschluss des für seine antisemtischen Äußerungen bekannt gewordenen Abgeordneten Wolfgang Gedeon stimmen.
Für Petry ist Meuthen ein Problem. Er will eine alleinige Spitzenkandidatur von ihr für den Bundestag nicht unterstützen. Petry weiß das. Würde sie Meuthen ihre Unterstützung bei der heiklen Abstimmung verweigern und würden nur wenige Abgeordnete gegen einen Ausschluss Gedeons stimmen, wäre zumindest dieses Problem gelöst.
Putschversuch Nummer zwei: Meuthen gegen Petry.

 

André Poggenburg will AfD-Fraktionsvorsitz abgeben – und Landtagsvizepräsident werden

Nach massiver Kritik von der Parteibasis will Sachsen-Anhalts AfD-Chef André Poggenburg den Fraktionsvorsitz abgeben - und Landtagsvizepräsident werden. Er sei am Dienstag von seiner Fraktion einstimmig für dieses Amt nominiert worden, sagte Poggenburg. Er wolle dennoch weiterhin Parteichef im Land bleiben. Nachfolger als Fraktionschef solle sein Stellvertreter Matthias Büttner werden.
Zuvor war von zahlreichen Abgeordneten und Kreischefs der AfD ein offener Brief veröffentlicht worden, der sich indirekt auch gegen Poggenburg wandte. Darin wurde unter anderem eine schärfere Abgrenzung von Rechtsextremisten gefordert.

 

Homophober Zwischenruf Landtagspräsident lehnt Änderung des Protokolls ab

Sachsen-Anhalts Landtagspräsident Hardy Peter Güssau (CDU) hat die Protokoll-Korrektur zu dem schwulenfeindlichen Zwischenruf des AfD-Abgeordneten Andreas Gehlmann abgelehnt. Gehlmann hatte während einer Parlamentsdebatte indirekt Gefängnisstrafen für Homosexuelle gefordert. Der Fall hatte bundesweit Empörung ausgelöst.
Gehlmann habe nicht bestritten, die Worte „Das sollten wir in Deutschland auch machen“ gesagt zu haben, als es in einer Asyl-Debatte um Haftstrafen für Homosexuelle in den Maghreb-Staaten ging. Im Brief an den AfD-Mann formuliert Güssau scharf, Gehlmann habe seine Wortwahl ja selbst bestätigt - nicht ohne anschließend zu betonen, er habe den „Zwischenruf im Videomitschnitt (...) trotz mehrmaligen, aufmerksamen Studiums nicht feststellen können.“ Gehlmann behauptete, seine Worte seien an anderer Stelle gefallen, als im Protokoll vermerkt. Güssau hielt dagegen, dies ergebe grammatikalisch keinen Sinn.

 

Pegida in Dresden: Bachmann stellt Vertrauensfrage

Nach dem Ausschluss seiner ehemaligen Mitstreiterin Tatjana Festerlings aus dem Pegida-Führungskreis hat sich deren Mitbegründer und Chef Lutz Bachmann der Unterstützung seiner Anhänger versichert.
Bei der ersten Kundgebung des rechtspopulistischen Bündnisses seit Bekanntwerden des Bruchs in der Führungsspitze forderte Bachmann die Teilnehmer am Montagabend in Dresden auf, per Handzeichen seinem Organisationsteam das Vertrauen auszusprechen. Ein Großteil der Anwesenden kam der vorab nicht angekündigten Aufforderung nach.
Zugleich wies Bachmann den von Festerling gegen ihn erhobenen Vorwurf eines laxen Umgangs mit Spenden zurück. Er listete eine ganze Reihe von Ausgaben auf, die der Pegida-Verein etwa für Beschallungsanlage, Funkgeräte, den Auftritt des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders im April vergangenen Jahres oder für Feiern für die Pegida-Ordner aufgewendet habe. Zu den Einnahmen des Bündnisses äußerte er sich nicht. Auch das ihm von Tatjana Festerling angelastete mangelnde Engagement über die Grenzen Dresdens hinaus ließ Bachmann nicht gelten.

 

Was ein Reporter erlebt, der das Gespräch mit den „Lügenpresse“-Kritikern von „Compact“ sucht

Im Frühling lud das alternative Nachrichtenmagazin Compact seine Leser auf eine besondere Reise ein. Für 885 Euro ging es vier Tage in die Sächsische Schweiz. Burgen, Festungen, Preußens Glanz und Sachsens Gloria. Das Abendland, wie es einmal war. Reisestart war in Dresden, der Pegida-Hauptstadt, am 20. April, Adolf Hitlers Geburtstag. Zufall?
Wir wollten ein Porträt über den überraschenden und seltenen Auflagenerfolg eines neuen politischen Magazins schreiben. In der Vergangenheit wurde vor allem über Compact gesprochen – aber nicht mit den Machern. Viele Mythen und Gerüchte ranken sich um das Blatt, unter anderem sollte es von Putin finanziert und gesteuert werden. Darauf fanden wir trotz großen Rechercheaufwands jedoch keine Hinweise.
Im Februar schrieben wir dann eine Interviewanfrage an den Chefredakteur Jürgen Elsässer. Seine knappe Antwort: "Es sollte sich langsam herumgesprochen haben, dass wir dem Mainstream keine Interviews geben."
Von diesem Nein ließen wir uns nicht abschrecken und fuhren im März auf die Leipziger Buchmesse.

 

Hilfspolizisten in Sachsen: Kaum im Dienst , fordert De Mazière schon Ausweitung ihrer Befugnisse

Gegen Raser gebe es Blitzmarathons, "warum nicht mobile Polizeieinsätze gegen Einbrecher?", hatte die "Rheinische Post" de Maizière gefragt. Der antwortete, dass es das ja schon in vielen Ländern gebe. Und: "Sehr nützlich ist eine sogenannte Wachpolizei" – also Kräfte mit Kurzausbildung, begrenzten Befugnissen, Uniform und Waffe: "Sie können als Wache in besonders belasteten Vierteln eingesetzt werden. Sie würden die Präsenz der Polizei erhöhen und können Meldungen machen. Sachsen hat die Wachpolizei bereits eingeführt - das ist ein zukunftsweisendes Modell."
Der Haken: Sachsens Wachpolizisten dürfen gar nicht "in besonders belasteten Vierteln" eingesetzt werden. Ihre Befugnisse sind auf die Unterstützung der Polizei bei Fest- und Gewahrsamnahmen - "Personenbewachung" - einerseits und "zur Verhinderung oder Abwehr von Angriffen gegen gefährdete Objekte" andererseits beschränkt.

 

Das Prinzip Wieschke: Wie sich die NPD-Thüringen auch ohne Verbot selbst zerlegt

Am 17. Juni 2016 verkündete die Neonazi-Partei „Die Rechte“ (DR) den Wechsel des ehemaligen NPD-Mitglieds und NPD-Stadtrates Enrico Biczysko in den DR-Kreisverband Mittelthüringen. Illustriert wurde der Artikel zum Parteiübertritt mit einem Bild von Michel Fischer, dem Landesorganisationsleiter und seit kurzem Beisitzer im DR-Bundesvorstand, und Biczysko selbst.
Bereits vor einigen Wochen war der Greizer Neonazi David Köckert als Landesorganisationsleiter zurückgetreten. Köckerts und Biczyskos Kritiken richten sich an den selben Personenkreis: Der Klüngel um den ehemaligen Landesvorsitzenden Patrick Wieschke. Neben Wieschke dürfte es sich hierbei vor allem um den Marionetten-Vorsitzenden Tobias Kammler und um den „Technischen Mitarbeiter“ Karsten Höhn handeln. Es sind vor allem die drei, die von der Partei finanziell und strukturell profitieren. Neben finanziellen Leistungen lassen sowohl Wieschke als auch Kammler seit Jahren zahlreiche kostenintensive Gerichtsverfahren durch die Partei finanzieren und haben den Landesverband damit und mit einer desaströsen Wahlkampfplanung 2014 völlig heruntergewirtschaftet.

 

Thüringische Neonazis in der Offensive: Die Hemmschwelle sinkt

Parallel zum Niedergang der NPD geht in Thüringen eine Vielzahl rechter Akteure von der AfD bis zur wiederbelebten »Anti-Antifa« immer mehr gegen Muslime, Nichtdeutsche und Linke vor.
Die AfD agitiert gegen eine geplante Moschee in Erfurt. Ebenfalls in Erfurt griffen am Himmelfahrtstag 15 mutmaßliche Neonazis aus Hooliganspektrum das Autonome Jugendzentrum (AJZ) Erfurt an, versprühten Reizgas und schlugen auf anwesende Jugendliche ein. Die Opfer erlitten Schnitt­verletzungen, Platzwunden, Hämatome und Augenreizungen.
In Saalfeld stalkt die wiederbelebte »Anti-Antifa Ostthüringen« nicht nur auf Facebook die Politikerin Katharina König (Die Linke). Ende März posierte ein Dutzend Neonazis vermummt vor dem Saalfelder Wahlkreisbüro der Abgeordneten, Mitte April detonierte eine selbstgebastelte Sprengvorrichtung vor der Eingangstür ihres Wahlkreisbüros und verrußte den gesamten Eingangsbereich. Bereits Anfang des Jahres erhielt König eine Morddrohung in einem anonymen Brief.

 

Freital: Nazis wollen zum Jahrestag der Anti-Asyl-Krawalle marschieren

Die Neonazis sind in Feststimmung. Ein Jahr nach den teilweise gewalttätigen Demonstrationen am ehemaligen Leonardo-Hotel in Freital mobilisieren Asylgegner für diesen Samstag zur "Ein-Jahr-Feier" nahe der Flüchtlingsunterkunft, die nach einem Beschluss des Landkreises vom Mai schrittweise geräumt werden soll. Zuletzt lebten dort 330 Asylbewerber.
"Wir haben es geschafft! Wir haben gezeigt, dass sich Widerstand lohnt!", erklären die Veranstalter. Als "Gäste" angekündigt haben sie führende Rechtsextremisten aus dem In- und Ausland. Erwartet werden unter anderem der sächsische Landeschef der Partei "Die Rechte", Alexander Kurth aus Leipzig, NPD-Mann David Köckert vom thüringischen Pegida-Ableger Thügida, den mehrfach wegen Gewaltstraftaten verurteilte Gründer des Potsdamer Pegida-Ablegers Pogida, Christian Müller, sowie der Schweizer Rechtsextremist Ignaz Bearth. Anmelder ist nach Informationen der "Sächsischen Zeitung" der Dresdner Rechtsanwalt Jens Lorek, der schon mehrfach bei fremdenfeindlichen Demos in Freital und auch als Organisator bei Pegida in Dresden auftrat.

 

Rechte Mythen: Stundenlohn fürs Steinewerfen

Es ist unglaublich: Demonstranten werden in Deutschland dafür bezahlt, gegen Rechts auf die Straße gehen. Sogar diese Autonomen mit ihren schwarzen Kapuzenpullis, die ja gemeinhin als ausgemachte Feinde des deutschen Staatswesens gelten. Bis zu 25 Euro auf die Hand pro Stunde soll es geben, um gegen „besorgte Bürger“ von Pegida & Co. anzubrüllen.
Dafür – auch das deckt ein Zeitungsartikel schonungslos auf – gibt es sogar Strukturen: Die Linksradikalen sind brav in Vereinen und einer GmbH organisiert, mit Satzung, Vorstand und allem was man so aus der Kleingarten-Kolonie kennt. Sie verfügen zudem über eine Flotte von 48 Bussen. Enthüllt hat all das ausgerechnet die taz.
Keine Behauptung ist zu absurd, als das Rechte sie nicht für bahre Münze nehmen und als Beleg für ihre Vermutungen über den politischen Gegner verwenden würden. Wie Erika Steinbach etwa, die den Text auf Twitter teilte. Oder von Neonazis die darüber Vorträge auf Youtube halten und triumphierend daraus zitieren. Als die Jusos bei ihrem Bundeskongress im November 2015 dann einen Scherz-Antrag der gleichen Güte stellten, reagierte das rechte Netz wie bestellt. „Gefordert“ hatten die Jusos eine „Erhöhung des Demo-Solds auf 45 Euro pro Stunde, um auch weiterhin eine permanente Bereitstellung von 48 Bussen mit willigen Berufsdemonstranten zu garantieren.“

 

Bund und Länder missachten die Rechte geflüchteter Kinder

Schlechte Hygiene, kein Ort zum Spielen oder Lernen: Kinder in Flüchtlingsunterkünften werden benachteiligt. Internationale Standards gelten hierzulande wenig. In einem Lagebericht des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen Unicef, der an diesem Dienstag vorgestellt wird, heißt es: "Flüchtlingskinder sind generell schlechter gestellt als ihre deutschen Altersgenossen – obwohl sie die gleichen, verbrieften Rechte haben".
Besonders schlecht geht es Flüchtlingskindern, wenn sie in Not- oder Massenunterkünften wohnen. Die Verweildauer dort steigt derzeit, obwohl die Zahl der ankommenden Flüchtlinge rückläufig ist. Gesetzlich erlaubt sind höchstens drei Monate, dann sollten Familien in kleinere Folgeunterkünfte oder Wohnungen umziehen. Die meisten Kinder lebten aber ein halbes Jahr oder noch länger in Massenunterkünften. "Vielfach ist dort der Kinderschutz nicht gewährleistet", beklagt Unicef, "es fehlt an Hygiene, an ausreichenden Spiel- und Lernmöglichkeiten sowie an psychosozialen Hilfen."

 

Zum Menschenbild der Neuen Rechten: Der Einzelne hat kein Recht

Die Völker sollen in ihren angestammten Kulturräumen bleiben. Auf diese ethnopluralistische These könnte man die Ideologie der neuen Rechten reduzieren, dann würde man allerdings Details verpassen, die auf der Suche nach einer politischen Antwort auf das Programm von Parteien wie der AfD wichtig werden könnten.
Mit Heidegger einig sind sich die Theoretiker der Identitären Bewegung (die wenige Stunden vor Brumliks Vortrag durch Berlin-Mitte marschiert war), dass Subjekte eigentlich nur relativ zu ihrer Generation und ihrem Volk existieren. „Das schicksalhafte Geschick des Daseins in und mit seiner 'Generation’ macht das volle, eigentliche Geschehen des Daseins aus“, schrieb Heidegger. Deswegen können Einzelne sich auch nicht auf ihre universellen Rechte berufen – die gibt es für die neuen Rechten schlicht nicht: „Der Sammelbegriff ‚Mensch ‘ ist in seiner identitären Bedeutsamkeit nur für die jeweiligen Völker angebracht“, sagt etwa Walter Spatz.
Die Identitären treten aber nicht nur mit einem antiuniversalistischen und völkischen, sondern auch einem antikapitalistischen und antiglobalistischen Programm an, wobei sie sich auch auf Motive eines linken Diskurses beziehen: Wahre Kultur sei homogen und raumbezogen, argumentieren die Identitären, Digitalisierung und Globalisierung entfremdeten die Menschen ihrem Leben. Im Entfremdungsmotiv könne man ein Echo der Frankfurter Schule hören, meinte Brumlik.

 

Zentrum für politische Schönheit: Krasser Scheiß

Dem Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) kann es bei seinen Flüchtlingsaktionen nie krass genug zugehen: Holocaust-Verweise schwingen da gern mal mit (2014), echte Leichen müssen im Spiel sein (2015), und jetzt sollen Tiger Flüchtlinge fressen, als performatives Re-Enactment der brutalen Grenzpolitik.
Angesichts der Zustände am Mittelmeer genau die richtige Tonlage, denken offenbar viele, die die sogenannten Künstler – wie bislang noch jedes Mal – für ihre Tabulosigkeit feiern. Aber wer sich Kampagnen wie „Flüchtlinge fressen“ ausdenkt, der hat sich von der Verrohung der Flüchtlingspolitik anstecken lassen.
Was das ZPS kritisiert, ist in der Tat ein Skandal: dass die, die es am nötigsten haben, Fähren und Flugzeuge nach Europa nicht besteigen dürfen und deshalb sterben. Aber an er Empörung über die Mittelmeertoten bedient sich das ZPS wie All-inclusive-Sauftouristen an der Hotelbar, und es endet im moralischen Vollrausch.

 

Europa hat ein Problem: Faschismus

Unser Kontinent erlebt gerade eine furchterregende Ära: Blutig und hasserfüllt. Der Mord an der Labour-Abgeordneten Jo Cox ist traurig und widerwärtig - ein mutmaßlicher Neonazi der Täter. Warum hat Europa - besonders mit seiner Geschichte - Angst davor, die größte Herausforderung der kommenden Jahrzehnte beim Namen zu nennen? Der Faschismus geht um.

 

Der deutsche Vernichtungskrieg Krieg gegen die Sowjetunion begann heute vor 75 Jahren

Vor wenigen Wochen beschloss der Bundestag die Resolution zur „planmäßigen Vertreibung und Vernichtung von über einer Million ethnischer Armenier“, begangen „im Auftrag des damaligen jungtürkischen Regimes“. Den Anlass für die dann lange diskutierte Resolution bildete der 100. Jahrestag, an dem der völkermörderische Terror gegen die Armenier 1915 begann.
Nun jährt sich am heutigen 22. Juni der Beginn des deutschen Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion zum 75. Mal. Dieser bezweckte, so müsste die entsprechende Resolution lauten, „die planmäßige Vertreibung und Vernichtung von vielen zehn Millionen sowjetischen Staatsbürgern“ – begangen „im Auftrag der damaligen deutschen Regierung“. In der Begründung könnte stehen: Am 2. Mai 1941 verständigten sich Vertreter der Wehrmacht und des Landwirtschaftsministeriums, möglichst viele Lebensmittel für deutsche Soldaten, Frauen und Kinder in Russland zu requirieren. Im Protokoll vermerkten sie: „Hierbei werden zweifellos zig Millionen Menschen verhungern, wenn das für uns Notwendige aus dem Land herausgeholt wird.“

 

"Die Mutigen müssen aufstehen gegen diese Idioten"

Der Comicautor Nils Oskamp wurde in den 80er-Jahren von Neonazis in Dortmund brutal zusammengeschlagen - weil er es wagte, sich ihnen entgegenzustellen. Seine Erfahrungen von damals hat er in einer Graphic Novel verarbeitet. Wie es dazu kam und wie sich die heutige Neonaziszene in Dortmund von der vor 30 Jahren unterscheidet, erzählte er im Gespräch.

 

„Sie wollen, dass du schweigst“ – Kongress BetaVision macht fit gegen Nazis im Netz

„Wir haben uns nichts weniger vorgenommen, als das Netz zurück zu erobern“, sagte Theresa Lehmann aus Berlin bei der Eröffnung der Konferenz „BetaVision“am Freitagabend im Boizenburger Fairhafen. Um Interessierten das Handwerkszeug dafür mitzugeben, wurde das ganze Wochenende ein Programm mit verschiedenen Workshops angeboten. „Sie wollen, dass Du schweigst – Umgang mit Hate Speech“ hieß beispielsweise der Vortrag von Merle Stöver. „Wer einmal zur Zielscheibe des geballten Hasses in anonymen Nachrichten und Kommentarspalten geworden ist, weiß, was Drohungen und Beleidigungen auslösen können“, schrieb sie in ihrer Ankündigung.
„Die Veranstaltung ist insgesamt entspannt, gut besucht und vor allem ohne Störungen verlaufen“, zog Leo Bellersen von der Amadeu Antonio Stiftung, die die Konferenz organisiert hatte, am Montagnachmittag sein Resümee. Etwa 60 Teilnehmer aus ganz Deutschland und Österreich seien angereist, aber auch ungefähr 20 Jugendliche aus Boizenburg hätten die Gelegenheit genutzt, an den Vorträgen, aber vor allem auch an dem parallel laufenden Graffiti-Workshop teilzunehmen.

 

Kritik, Hetze und Hass: Wie ist es möglich, durch ein Megafon zu flüstern?

Ist folgende Idee von Kritik vorstellbar? Wenn ich sage, ich will genau andersrum sein als dieser Typ, der mit einer Fackel im Hintern zu einer Fußballfeier ging und diese dann anzündete - genau andersrum, weil Pyrotechnik aus seinem Hintern zu holen und damit Menschen zu verletzen genau das Gegenteil von Kritik ist, wenn Kritik etwas ist, was das Licht der Öffentlichkeit versucht auf Stellen zu lenken, an denen gerade die Sonne nicht scheint? Etwas, das sich um die Geste schert, wenn sie Kunst ist, aber ansonsten eben nicht als Geste gedeutet werden will? Weil sie nichts aus dem Hintern holt, sondern auf etwas zeigt, meinetwegen mit beiden Händen?

 

Polizei: Twittern in der Grauzone?

Die Polizei twittert und hat viel Erfolg damit. Das ist rechtlich nicht unbedenklich, finden Juristen und Politiker und fordern ein neues Gesetz. Die Bundesregierung aber winkt ab. So bringt sich die Polizei selbst bei, was sie darf.
Die Berliner Polizei ist ein Star auf Twitter. Stolze 104.000 Follower hat sie, ihr Einsatz-Account hat sogar 118.000 Follower. Das sind mehr als bei Justizminister Heiko Maas, mehr als bei Schlager-Sängerin Helene Fischer. Zusammengenommen haben die Berliner Polizisten mit ihren zwei Accounts insgesamt mehrere Romane geschrieben: Gut 10.000 Tweets à 140 Zeichen, das sind mehr als eine Million Anschläge. Die Polizei will sich damit bürgernah zeigen, sagt sie, Vertrauen aufbauen, transparent sein, Nachwuchs anwerben. Vor einem Monat wurde im Zuge der Aktion “24hPolizei“ zum dritten Mal von Freitagabend bis Samstagabend für 24 Stunden konsequent durchgetwittert: Fast alle Notrufe sind im Sekundentakt raus in die digitale Welt. Material gab es genug, schließlich ist die Polizei rund um die Uhr im Einsatz.

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