Presseschau... 15.07.2016

+++ Elfköpfige Gruppe greift zwei Geflüchtete in Dresden an +++ Betrunkener zeigt Hitlergruß in Chemnitz +++ Brutaler Übergriff in München: Polizei spricht von eindeutig rechts motivierter Gewalt +++ Thüringen: Auch Waffen bei Durchsuchungen wegen Hasskommentaren gefunden +++ 2015 gab es 690 Neonazidemos – Höchststand seit der Wiedervereinigung

 

Elfköpfige Gruppe greift zwei Geflüchtete in Dresden an

An der Kiesgrube in Leuben sind nach Polizeiangaben am Sonntag zwei Asylsuchende aus einer elfköpfigen Personengruppe heraus geschlagen und getreten worden. Während des Übergriffs wurden rechte Parolen skandiert. Anschließend wurden die beiden Männer von der Kiesgrube verjagt. In dem Stadtteil war es in der Vergangenheit zu einer Reihe von rechten Übergriffen gekommen.

 

Betrunkener zeigt Hitlergruß in Chemnitz

Ein Betrunkener hat am Mittwoch im Chemnitzer Stadtzentrum rechte Parolen gegrölt und den Hitlergruß gezeigt. Der 46 Jahre alte Mann lief zudem mehrfach auf eine vielbefahrene Straße und belästigte Passanten, wie die Polizei am Donnerstag in Chemnitz mitteilte. Ein Zeuge informierte die Beamten, die dem Treiben ein Ende setzten. Ein Atemalkoholtest ergab einen Wert von mehr als drei Promille. Gegen den Mann wird nun wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt.

 

Brutaler Übergriff in München: Polizei spricht von eindeutig rechts motivierter Gewalt

Nach der rassistischen Attacke vom Freitagabend, bei der vier oder fünf junge Männer einen 39-jährigen Deutschen afrikanischer Herkunft mit einer Holzlatte und Fußtritten bis zur Bewusstlosigkeit traktiert haben, ermittelt der Staatsschutz des Polizeipräsidiums auf Hochtouren. Für die Polizei steht fest, dass der Angriff ein eindeutig rechts motiviertes "Hate Crime" war. Das Kommissariat 44, zuständig für politische Kriminalität aus der rechten Ecke, sucht Zeugen des Geschehens. Noch gibt es keine heiße Spur.

 

Thüringen: Auch Waffen bei Durchsuchungen wegen Hasskommentaren gefunden

Bei Durchsuchungen wegen Hasskommentaren im Internet hat die Polizei bei einem Verdächtigen im Raum Zeulenroda auch Waffen gefunden. Bei dem 17-Jährigen seien eine augenscheinliche Luftdruckwaffe, ein Nebelwurfkörper und die Attrappe einer Handgranate entdeckt worden, teilte das Landeskriminalamt (LKA) am Donnerstag mit.
Auslöser war ein von der Staatsanwaltschaft Kempten geführtes und vom Landeskriminalamt Bayern koordiniertes Ermittlungsverfahren: In einer Facebook-Gruppe sollen über Monate hinweg der Nationalsozialismus verherrlicht und durch Hasspostings Straftaten wie Volksverhetzung begangen worden sein.

 

Schlagringe und Panzerfaust: Manche Neonazis besitzen legal Waffen

In Thüringen gibt es Personen, die von den Sicherheitsbehörden der rechten Szene zugeordnet werden, und die trotzdem ganz legal Schusswaffen zu Hause liegen haben. Eine "niedrige Zahl von Personen, die dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet werden", sei derzeit im Freistaat im Besitz einer sogenannten waffenrechtlichen Erlaubnis, sagt ein Sprecher des Thüringer Innenministeriums.
Dass es legal bewaffnete Rechtsextreme in Thüringen gibt, liegt nach Darstellung des Innenministeriums daran, dass sich die grundsätzliche Praxis der Behörden im Zusammenhang mit Waffen und Neonazis nicht in jedem Einzelfall anwenden lässt. Grundsätzlich sind die Waffenbehörden im Land demnach angewiesen, Rechtsextremen eine waffenrechtliche Erlaubnis zu verweigern oder zu entziehen. Alleine die Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen Partei reicht demnach aus, um jemanden als nicht geeignet zum Erwerb und Besitz einer Schusswaffe einzustufen. Allerdings müssten dazu "gerichtsverwertbare Tatsachen" vorliegen – was offenbar nicht in allen Fällen so ist.

 

2015 gab es 690 Neonazidemos – Höchststand seit der Wiedervereinigung

Neonazis haben im vergangenen Jahr so viele Aufmärsche veranstaltet wie nie zuvor seit der Wiedervereinigung. „Die Anzahl rechtsextremer Kundgebungen erreichte 2015 einen bis dahin nicht gekannten Höchststand“, meldet das Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Es seien insgesamt 690 Veranstaltungen registriert worden und damit mehr als dreimal soviel wie 2014. Damals waren es 225 Demonstrationen.
Mehr als 80 Prozent der rechtsextremen Kundgebungen im vergangenen Jahr hätten sich demnach mit den Themen „Asyl“, „Zuwanderung“ und „Islamisierung“ befasst, meldet das BfV. Die Gesamtzahl aller rechten Aufläufe dürfte noch höher sein. Der Verfassungsschutz zähle die Demonstrationen von „Pegida“ in Dresden nicht mit, da die Bewegung bislang nicht als rechtsextrem dominiert eingestuft wird. Der Verfassungsschutz nenne allerdings Veranstaltungen anderer Gida-Gruppierungen, die er als rechtsextrem bewertet, wie „MVGida“ (Mecklenburg-Vorpommern), „Thügida“ (Thüringen) und „Magida“ (Magdeburg). Die meisten Aufmärsche organisiert immer noch die NPD.

 

Ex-AfD-Mann wegen Körperverletzung verurteilt – keine Berufung

Ein ehemaliges AfD-Mitglied hat auf eine Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichtes Gardelegen wegen Körperverletzung verzichtet. Um eine Geldstrafe von 600 Euro wegen vorsätzlicher Körperverletzung und falscher eidesstaatlicher Versicherung sollte es in einer Berufungsverhandlung am Donnerstag vor dem Landgericht Stendal gehen. Ein ehemaliger AfD-Funktionär aus dem Altmarkkreis Salzwedel, der am 18. März dieses Jahres vom Amtsgericht Gardelegen wegen Volksverhetzung zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden ist, wollte gegen ein weiteres Urteil des Amtsgerichts Gardelegen vorgehen. Das hatte ihn am 18. November vorigen Jahres nach zweitägigem Prozess zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je zehn Euro (600 Euro) verurteilt.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass das ehemalige Mitglied des AfD-Kreisvorstands Salzwedel im Internet dazu aufgerufen hatte. Während der Sitzung kam es demnach zu einem Eklat, als der Angeklagte inmitten der Urteilsbegründung einfach aufstand und den Gerichtssaal verließ.

 

Erfundene Vergewaltigung durch Geflüchtete – Verurteilung wegen Falschaussage und Freiheitsberaubung

In die aufgeheizte Stimmung des Sommers 2015 platzt eine Horror-Meldung: „Versuchte Vergewaltigung in Holzkirchen“. Publikationen mit zumindest rechtspopulistischen bis –radikalen Hintergrund nahmen die Meldung gern auf und schmückten sie aus.
Eine 19-jährige Waakirchnerin, hatte in der Nacht des 23. Juli gegen 1 Uhr bei der Holzkirchner Polizei ein Sexualdelikt gemeldet. Sie sei von drei Ausländern belästigt und an intimen Stellen begrabscht worden. Die jungen Männer hätten sie bedrängt, durch den Fußgänger-Tunnel am Bahnhof gejagt.
Kurze Zeit nach der Aussage griff die Polizei drei junge Männer auf und setzte sie zunächst fest. Die drei mussten dann für zwei Wochen in Untersuchungshaft. Zwei der drei jungen Männer konnten nach Polizeiermittlungen jedoch glaubhaft machen, dass sie zur Tatzeit an einem anderen Ort waren. Mit den Ermittlungsergebnissen konfrontiert, gab die Waakirchnerin zu, den Vergewaltigungsversuch frei erfunden zu haben. Nun musste sie sich wegen Falschaussage vor dem Amtsgericht Miesbach verantworten.
Die Waakirchnerin erklärte, sie sei nicht fremdenfeindlich. Es existiere ein freundschaftliches Selfie mit dem jungen Afghanen. Sie habe niemandem schaden wollen, sondern habe sich in dem Moment als Opfer gefühlt.
Richter Klaus-Jürgen Schmid sprach die 19-Jährige Waakirchnerin nach ihrem Geständnis der Falsch-Aussage und der mittelbaren Freiheitsberaubung schuldig. Er verurteilte die junge Frau daher zu 160 Stunden sozialer Arbeit, die sie in vier Monaten abzuleisten muss. Außerdem muss sie den zwei zu Unrecht Beschuldigten, die zur Tatzeit gar nicht in der Nähe waren, jeweils 200 Euro zahlen. Darüberhinaus muss sie sich einer Suchtberatung unterziehen.

 

Brandanschlag auf geplantes Flüchtlingsheim in Dresden aufgeklärt – zwei Verdächtige festgenommen

Die Polizei hat am Donnerstagvormittag zwei Verdächtige zu dem Brandanschlag auf das ehemalige "Hotel Visa" in Dresden-Cossebaude festgenommen. Das Gebäude auf der Breitscheidstraße war als Asylunterkunft im Gespräch, Ende Oktober 2015 wurde es in Brand gesetzt. Der Schaden: 1,5 Millionen Euro.
Nun wurden zwei 28 Jahre alten Männer aus Wilsdruff und Dresden gefasst, sie sollen das Gebäude aus rassistischen Motiven mit Benzin angezündet haben. Nähere Details könne man nicht nennen, da die Befragungen noch laufen. Beide Männer seien zuvor aber nicht mit rechtsextremen Straftaten in Erscheinung getreten.

 

Die NPD schlingert in die Pleite

Noch vor einem möglichen Verbotsurteil durch das Bundesverfassungsgericht droht der NPD die endgültige finanzielle Pleite. Die rechtsextreme Partei ist vor Gericht mit dem Versuch gescheitert, vorläufige staatliche Teilzahlungen zu erhalten, ohne selbst dafür Sicherheiten bieten zu müssen. Einen entsprechenden Eilantrag hat das Berliner Oberverwaltungsgericht bereits Ende Mai abgewiesen. Da Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) im Hinblick auf ein parallel laufendes Hauptsacheverfahren Auskünfte dazu zunächst verweigert hat, wurde der Beschluss erst jetzt bekannt. Die NPD hat nach Auskunft ihres Schatzmeisters Andreas Storr „alles ausgeschöpft“ und zuletzt sogar einen Goldbarren angeboten, um geforderte Sicherheiten zu leisten.

 

Die fatale Schwäche der NPD – scheitert deshalb der Verbotsantrag?

Die NPD steckt so tief in der Klemme wie schon lange nicht mehr in dem halben Jahrhundert ihrer Existenz. Bei den meisten Wahlen der vergangenen Jahre hat sie schwere Verluste erlitten, auch materiell. In mehreren westdeutschen Ländern blieben die Rechtsextremen unter einem Prozent und verpassten die staatliche Teilfinanzierung der Wahlkampfkosten. Und nun bekommt die NPD wohl auch die verpfändete Parteizentrale in Berlin erstmal nicht zurück, jedenfalls haben zwei Verwaltungsgerichte so geurteilt.
Dieser desolate Zustand ist nicht gerade bedauerlich, könnte jedoch eine fatale Wirkung haben. Das Bundesverfassungsgericht, das demnächst über den Verbotsantrag entscheiden wird, sieht erneut, wie schlecht es den Rechtsextremen geht. Das könnte jene Richter, die wegen der Schwäche der NPD an der Notwendigkeit eines Verbots zweifeln, bestärken.

 

NSU-Prozess zieht sich wohl bis September 2017

Der NSU-Prozess wird wohl noch länger dauern als geplant - das Gericht gab am Mittwoch "vorsorglich" neue Termine bekannt, die bis zum 1. September 2017 reichen.
Prozessbeobachter hatten damit gerechnet, dass der Prozess noch vor Weihnachten oder spätestens im Januar 2017 zu Ende gehen könnte. Das Gericht hatte in den vergangenen Wochen außerdem den Eindruck erweckt, in die Zielgerade des Prozesses einbiegen zu wollen. Viele Anträge auf weitere Aufklärung und neue Zeugen hatte es abgelehnt.
Nun aber scheint Richter Manfred Götzl noch einmal in die Tiefenaufklärung einsteigen zu wollen. Das könnte mit den Fragen zusammenhängen, die die Nebenkläger vergangene Woche an die Hauptangeklagte Beate Zschäpe richteten. Es sind Hunderte Fragen: von der Frage, ob Zschäpe wisse, wie die Opfer der NSU-Mordserie ausgewählt wurden bis zu jener, ob sie bei den Ausspähfahrten dabei gewesen sei und ob ihre Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt andere Beziehungen gehabt hätten.

 

Die Linke fordert NSU-Untersuchungsausschuss für Schweriner Landtag

Nach dem Eingeständnis des NPD-Abgeordneten David Petereit, schon 2002 in einer Szenezeitschrift einen Dankestext „an den NSU“ veröffentlicht zu haben, hat die Linke ihre Forderung nach einem NSU-Untersuchungsausschuss auch im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern untermauert.
Er erinnerte daran, dass sowohl die Ermordung von Mehmet Turgut 2004 in Rostock als auch zwei Banküberfälle in Stralsund dem rechtsextremistischen Terrortrio NSU zugerechnet werden. Einen NSU-Untersuchungsausschuss nach dem Vorbild anderer Landtage und des Bundestages auch in Schwerin einzurichten, hatte bislang keine Mehrheit gefunden.

 

Sächsische Behörden fordern Auslieferung von V-Mann „Primus“

Die sächsische Justiz wird in der Schweiz die Auslieferung eines Neonazis und früheren V-Manns des Bundesamtes für Verfassungsschutz beantragen. Das sagte ein Sprecher des Justizministeriums in Dresden der Deutschen Presse-Agentur. Gegen Ralf Marschner, der von 1992 bis 2002 in Zwickau als V-Mann „Primus“ zumindest im Umfeld des NSU tätig war, liegt seit Ende 2012 im Zusammenhang mit einer Insolvenzverschleppung ein Vollstreckungshaftbefehl vor. Der 44-Jährige lebt seit Jahren in der Schweiz. Hoffnungen, seiner habhaft zu werden, macht man sich im Justizministerium in Dresden aber nicht.
Es gehe in erster Linie darum, eine Vollstreckungsverjährung zu vermeiden, sagte Ministeriumssprecher Jörg Herold. Würde das Ministerium die Auslieferung nicht bei den Berner Bundesbehörden beantragen, könnte das 2009 vom Amtsgericht Chemnitz in Abwesenheit gegen Marschner verhängte Urteil zu einer Zahlung von 90 Tagessätzen à 50 Euro ab dem nächsten Jahr nicht mehr vollstreckt werden. Aussicht auf Erfolg habe der Auslieferungsantrag kaum, weil Insolvenzverschleppung in der Schweiz nicht strafbar sei. Marschner war als V-Mann in der Zwickauer Neonazi-Szene im Einsatz. In dieser Zeit soll er die beiden mutmaßlichen Terroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU), Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, in seinen Unternehmen beschäftigt haben.

 

Kein Opferschutz in Halle

„Wir hatten den Eindruck, dass die Polizei uns vernachlässigt“, berichteten Betroffene eines schweren Angriffs von Neonazis den Mitarbeitern der Mobilen Beratung für Opfer rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt. Die jungen Erwachsenen wurden in einem Park in Halle aus einer Personengruppe von fünf bis sechs dunkel gekleideten Personen angegriffen. Am Ende der Attacke lag einer der Freunde stark blutend am Boden, er musste operiert und auf einer Intensivstation behandelt werden. Drei weitere Personen wurden bei dem Angriff verletzt.
Der 24jährige musste operiert und auf der Intensivstation behandelt werden. Drei weitere Personen wurden verletzt. Entsetzt sind die Opfer des Angriffs aber nicht nur wegen der ihnen zugefügten Gewalt, sondern auch über die aus ihrer Sicht mangelhafte Arbeit der örtlichen Polizei. Als die ersten Beamten eintrafen, hielten sich nach Darstellung der Opfergruppe noch mögliche Tatverdächtige beziehungsweise ­Personen aus deren Umfeld unter den Umstehenden auf. Obwohl sie die Polizisten darauf hingewiesen hätten, habe deren Verhalten eher den Eindruck von Desinteresse erweckt.
Für Kritik sorgte auch die Berichterstattung in der Mitteldeutschen Zeitung, in der der Angriff der Neonazis zunächst als Zusammenstoß zwischen linker und rechter Szene dargestellt wurde.

 

Oranienburg: Clubbesitzer ruft dazu auf, bei „Links-Nazis“ Hausbesuche zu machen

Das Forum gegen Rassismus und rechte Gewalt habe nichts mit der Farbattacke auf die „Alte Fleischerei“ zu tun, richtet es aus. Der Restaurant-Inhaber hat im Internet von „Links-Nazis“ gesprochen und zu „Hausbesuchen“ aufgerufen. Die Polizei ermittelt wegen der Farbattacke.
Was ist passiert? Diesen Montag, 11. Juli, postete „Alte Fleischerei“-Inhaber Dirk Arndt auf Facebook die Nachricht, dass sein Restaurant in der Nacht zu Montag „Opfer einer heimtückischen und feigen Attacke der Antifa geworden“ sei. Der Eingang wurde mit gelben Farbbeuteln beworfen, laut Arndt hätten „Links-Nazis“ sein Eigentum beschädigt und der „Kreis der Verdächtigen“ könne nicht groß sein. Am Montag hatte ein AfD-Infoabend in seinen Räumlichkeiten stattgefunden.
Dirk Arndt hatte nach der Farbattacke zu „Hausbesuchen“ im sozialen Netzwerk aufgerufen. Auch teilt der Restaurant-Inhaber dort Bilder und Videos von mitunter rechtslastigen Seiten. Am Mittwoch soll er von der AfD einen Blumenstrauß für seine Reaktion auf den Farbanschlag bekommen haben.

 

Obskure Gedenkaktion „Schwarze Kreuze“

Bereits im dritten Jahr in Folge hat es am 13. Juli bundesweit im rechten Lager die Aktionskampagne „Schwarze Kreuze“ gegeben, bei der dazu aufgerufen wurde, vermeintliche „deutsche Opfer“ von angeblicher Ausländergewalt namentlich durch schwarze Holzkreuze mit Inschriften oder daran befestigten Zetteln zu kennzeichnen und sie damit in die öffentliche Erinnerung zu bringen. Dahinter steckt die Forderung nach einem so genannten „Volkstrauertag für deutsche Opfer“. Initiiert wurde die Idee als eine Fortsetzungsform der rechtsextremen Volkstod-Kampagne vom Berliner Neonazi-Rapper Patrick Killat alias „Villain051“, der auch in diesem Jahr wieder mit einer entsprechenden Propaganda-Videobotschaft im Internet die Werbetrommel rührte. Dazu wurde diesmal über die sozialen Medien eine eigene Informations- und Mitteilungsseite eingerichtet. Bundesweit wurden Kreuze an rund 70 Orten aufgestellt.

 

Bad Nenndorf atmet auf: "Trauermarsch" abgesagt

Jahr für Jahr zogen am ersten Wochenende im August stets Hunderte Neonazis durch Bad Nenndorf. Und: Jahr für Jahr stellte sich ein breites Bündnis gegen die Rechtsextremen und ihren sogenannten Trauermarsch. Für dieses Jahr haben die Neonazis ihren „Trauermarsch“ zum örtlichen Wincklerbad jedoch abgesagt.
Der Grund für die Absage sei unbekannt, sagte eine Sprecherin des Landkreises.
Er sei "hocherfreut", sagte der Bürgermeister der Gemeinde Nenndorf, Mike Schmidt (CDU): "Die Demokratie hat gewonnen." Allerdings liege harte Arbeit hinter den Menschen in Bad Nenndorf. Jahr für Jahr habe man den Rechten mit einem stimmungsvollen Protest deutlich gezeigt, dass sie in dem Kurort unerwünscht seien.
Möglicherweise haben die sinkenden Teilnehmerzahlen der vergangenen Jahre die Rechtsradikalen dazu bewogen, in diesem Jahr vorerst nicht durch die Stadt im Landkreis Schaumburg zu ziehen. Hatten sich 2010 noch rund 1.000 Neonazis an dem Aufzug beteiligt, waren es im vergangenen Jahr lediglich gerade so 200.

 

Roter Roller mit Naziaufklebern gestohlen: Antifa Göttingen macht Gefangene

Der rote Roller gehört dem 32-jährigen Daniel A., den die Göttinger linke Szene als "Nazi" bezeichnet. A. hat am Donnerstag kurz nach 13 Uhr Anzeige wegen Diebstahls erstattet. Das mit Aufklebern der rechten Szene beklebte Gefährt war unverschlossen vor A.s Wohnhaus abgestellt und gestohlen worden.
Mit einem Pappschild um den Lenker ("Seit 36 Stunden Gefangener der Antifa") zeigen Fotos auf einer linken Internetseite seit Donnerstag einen Motorroller, der in der Nacht zu Dienstag in Hardegsen von einem Hof gestohlen wurde. Auf der Website wird vorgeschlagen, den Roller mit einer Drahtbürste zu „entnazifizieren“.

 

Neonazis greifen Journalisten an – Wenn die Schutzinstrumente versagen

„Polizisten sind keine Personenschützer für Pressevertreter“, tönte der ehemalige Polizeipräsident von Berlin, Klaus Kandt, Ende 2014 im Innenausschuss. Hintergrund waren Forderungen vom Chef der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in Berlin, Andreas Köhn, dass die Polizei die Pressefreiheit zu garantieren und zu schützen habe.
Vorausgegangen waren der Auseinandersetzung massive Bedrohungen und Angriffe durch Neonazis bei einem Aufmarsch in Berlin-Marzahn. Auch ich war in Marzahn. Auch ich kenne die Neonazis, die dort Kollegen bedrohten und angriffen sehr gut. Einer der Neonazis kündigte am Rande eines Aufmarsches der AfD im Herbst 2015 in Berlin an, ich werde eines Tages „was aufn Kopp“ bekommen. Der Versuch der Einschüchterungen ist beim Begleiten von Neonaziaufmärschen und rassistischen Protesten für Journalisten trauriger Alltag.

 

Reichsbürger nehmen Kanzlerin Merkel ins Visier

Nun sind sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Joachim Gauck ins Visier der verschwörungstheoretische Reichsbürger geraten. Hierfür hätten sich Unbekannte eines Tricks bedient, der Merkel und Gauck im schlimmsten Fall Schulden in Millionenhöhe und die Zwangsvollstreckung beschert hätte.
Das Justizministerium teilte mit, dass Merkel und Gauck mit der sogenannten Malta-Masche bedroht worden seien.
Reichsbürger lassen sich im Register des Uniform Commercial Code (UCC) in den USA eintragen und dort Forderungen in Millionenhöhe gegenüber angeblichen Schuldnern vermerken. Diese Forderungen werden dann an Inkassounternehmen auf Malta abgetreten, die damit vollstreckbare Titel vor maltesischen Gerichten erwirken.
Die Betroffenen aus Deutschland müssen dann persönlich vor Gericht auf Malta erscheinen, um sich dagegen zur Wehr zu setzen. Tun sie das nicht, droht ihnen im schlimmsten Fall in Deutschland die Vollstreckung. Die entsprechenden Einträge im UCC-Register seien aber auf Betreiben der Bundesregierung bereits wieder gelöscht worden.
Seit Monaten setzen die sogenannten Reichsdeutschen mit dieser Methode deutschlandweit Richter, Justizangestellte und Gerichtsvollzieher unter Druck.

 

Netzwerk berät Opfer rechter Übergriffe

Jeff ist ein durchtrainierter 21 Jahre alter Mann, fröhlich, selbstbewusst, Vater einer sieben Monate alten Tochter. Er hat ein Abitur in der Tasche, macht zurzeit ein Freiwilliges Soziales Jahr und hat klare Zukunftspläne. Und dann sagt er Sätze, die nicht zu diesem Bild passen: „Ich kann wieder aus dem Haus, tagsüber auch alleine. Am Wochenende konnte ich sogar aufs Lichterfest gehen.“ Berater des Netzwerks Leuchtlinie für Betroffene rechter Gewalt haben ihm geholfen.
Am Abend des 12. Juni ist das geschehen, was Jeff aus der Bahn geworfen hat – und weswegen er Hilfe brauchte. Er war das Opfer einer Attacke, die bundesweit für Aufsehen sorgte. Der 21-Jährige, der dunkle Haut hat, ging am späten Sonntagabend vom Katharinenhospital, wo sein Töchterchen behandelt wurde, zum Hauptbahnhof. In der Lautenschlagerstraße richtete ein Mann aus einem Auto eine Schreckschusswaffe auf ihn, schrie „Lauf, Schwarzer“, und drückte mehrfach ab. Jeff rannte um sein Leben, erzählt er.
Der junge Mann bekam am nächsten Morgen die Telefonnummer des Netzwerks Leuchtlinie. „Erst dachte ich, ich brauche das nicht. Am Abend aber war ich am Ende. Ich sah Blitze und in meinem Kopf hat es nur noch geknallt“, berichtet er. Er wählte die Nummer und bekam Rat und Hilfe. „Es wurde nichts beschönigt und nichts dramatisiert. Insgesamt hatten wir einen sehr freundschaftlichen Kontakt“.

 

Sächsische Zeitung: Auch Deutsche sind unter den Tätern

Am Dienstag vergangener Woche wurde in Dresden an der Haltestelle Amalie-Dietrich-Platz ein Heranwachsender überfallen. Der mit einem Messer bewaffnete Täter konnte fliehen, er sprach "Deutsch mit ostdeutschem Akzent". Einen Tag später überfielen "zwei bewaffnete Unbekannte" einen Supermarkt in Nossen, Landkreis Meißen. Am Montag dieser Woche wiederum stellte ein Mieter im Dresdner Stadtteil Cotta im Morgengrauen einen Täter, der durch das offene Fenster der Erdgeschosswohnung bereits Kopfhörer und eine Brille gefischt hatte: "Der Dieb, ein 32-jähriger Tunesier, sitzt nun in Untersuchungshaft."
Über all diese Vorfälle ist in der Sächsischen Zeitung berichtet worden, und zwar anders, als dies noch im Juni geschehen wäre. In der Ausgabe vom 2. Juli druckte die Regionalzeitung einen Text in eigener Sache, Überschrift "Fakten gegen Gerüchte", Vorspann: "Warum die Sächsische Zeitung künftig die Nationalität von Straftätern immer nennen wird. Egal, ob es sich um Deutsche oder um Ausländer handelt." Wenn noch nicht klar ist, woher jemand kommt, ist schlicht von Unbekannten die Rede.

 

Warum das Kanzleramt seine Nazi-Vergangenheit nicht erforschen ließ

Ausgerechnet das Bundeskanzleramt fehlt bisher. Zahlreiche Ministerien und Bundesbehörden haben ihre NS-Vergangenheit erforschen lassen – und die Frage, ob und wie einstige Nazi-Beamte auch in der Bundesrepublik in den Häusern weiter wirken konnten. Ausgerechnet das Bundeskanzleramt fehlt bisher. Zahlreiche Ministerien und Bundesbehörden haben ihre NS-Vergangenheit erforschen lassen – und die Frage, ob und wie einstige Nazi-Beamte auch in der Bundesrepublik in den Häusern weiter wirken konnten.

Herr Frei, warum hat ausgerechnet die Schaltzentrale der Politik, das Kanzleramt, die Fortwirkung der NS-Vergangenheit noch nicht erforschen lassen?

Mir scheint, in der Politik herrschte lange die Auffassung vor, dass das Bundeskanzleramt als eine neue, erst 1949 gegründete Behörde gar nicht unter Kontinuitätsverdacht stehe – dem langjährigen Amtschef Hans Globke zum Trotz, dessen NS-Vergangenheit die SPD ja schon in den frühen fünfziger Jahren skandalisiert hatte. Inzwischen gehört es für viele Institutionen – in der Politik, aber auch in Wirtschaft und Gesellschaft – fast schon zum guten Ton, dass man sich ernsthaft um eine kritische Offenlegung der eigenen Geschichte oder Vorgeschichte bemüht. Da hat es einen Sinneswandel gegeben, dem jetzt, so ist zu hoffen, auch das Bundeskanzleramt folgt. Das hat mit dem Generationenwechsel zu tun, vielleicht auch mit dem Aufsehen, das vor einigen Jahren unsere Studie über das Auswärtige Amt und seine Vergangenheit ausgelöst hat.

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