Presseschau ... 14.06.2016

+++ Lingen: Mann schießt mit Luftgewehr auf Flüchtlinge +++ Stuttgart: Fußballfans schießen auf Schwarzen Deutschen +++ Jena: Geflüchtete rassistisch beschimpft und mit Steinen beworfen +++ In Sachsen hat sich die rechte Gewalt gegen Politiker in einem Jahr verelffacht +++ Hamburg: Zahl der rechtsextremen Straftaten nahezu verdoppelt

 

Lingen: Mann schießt mit Luftgewehr auf Flüchtlinge

In Lingen (Niedersachsen) wurden ein Syrer und ein 5-jähriges Mädchen aus Mazedonien vor ihrem Flüchtlingsheim beschossen. Der Schütze, ein 21-jähriger Mann benutzte ein Luftgewehr. Nach Polizeiangaben zielte er von seiner Wohnung aus auf das nahe gelegene Heim. Ein fünfjähriges Mädchen aus Mazedonien und ein 18-jähriger Syrer, die sich außerhalb des Gebäudes aufhielten, seien leicht am Bein verletzt worden. Sie mussten im Krankenhaus behandelt werden.
Der Angriff ereignete sich bereits am Sonntag. Laut Polizei hatte sich zunächst die Mutter des Mädchens wegen der Beinverletzung ihrer Tochter bei der Polizei gemeldet. Sie habe geglaubt, ihr Kind sei von Unbekannten mit Steinen oder Sand beworfen worden. Später habe dann ein Zeuge beobachtet, wie aus dem Fenster im dritten Stock eines Wohnhauses in 40 Metern Entfernung geschossen wurde. Dabei sei dann der 18-Jährige verletzt worden.
Die Polizei stürmte daraufhin die Wohnung des Schützen und beschlagnahmte ein Luftgewehr samt Munition. Sie sah jedoch keine Haftgründe vorliegen und beließ den Mann auf freiem Fuß. Es sei aber keine Tötungsabsicht nachweisbar und weder von einer Wiederholungsgefahr noch von einer Fluchtgefahr auszugehen.

 

Stuttgart: Fußballfans schießen auf Schwarzen Deutschen

Ein dunkelhäutiger 21-Jähriger ist in der Innenstadt unterwegs, als mit einer Schreckschusspistole aus einem Auto heraus auf ihn gefeuert wird. Die Schützen sollen Deutschland-Trikots getragen und „Lauf, Schwarzer!“ gebrüllt haben. Wie die Polizei mitteilt, wollte ein 21 Jahre alter dunkelhäutiger Deutscher gegen 23 Uhr eine Kreuzung überqueren, als ein Kleinwagen herangefahren kam. Dessen Fahrer richtete durch das geöffnete Fenster plötzlich eine Waffe auf den 21-Jährigen und feuerte sie mit dem besagten Ruf mehrmals ab.

 

Jena: Geflüchtete rassistisch beschimpft und mit Steinen beworfen

Wie die Polizei mitteilt, wurden am Samstagabend in Jena zwei Männer aus dem Irak (23) und Algerien (35) rassistisch beschimpft und es wurde ein Stein nach ihnen geworfen. Die beiden Geflüchteten blieben unverletzt. Die Polizei konnte die Angreifer etwa einer halben Stunde nach der Tat stellen und den 35 Jahre alten mutmaßlichen Steinewerfer identifizieren. Ein Atemalkoholtest ergab bei ihm 1,6 Promille.
Die Polizei kam in der selben Nacht um 0.45 Uhr noch einmal zum Einsatz, als die Personengruppe um den vermuteten Steinwerfer im Steinweg von fünf bis sechs schwarz gekleideten und vermummten Personen angegriffen wurde. Hierbei wurden laut Polizei der 35-Jährige sowie ein 23-Jähriger verletzt.
Nach der Attacke gab es am Sonntag in der Jenaer Innenstadt eine spontane Solidaritätsdemo für die Asylbewerber. Es beteiligten sich etwa 100 Menschen.

 

In Sachsen hat sich die rechte Gewalt gegen Politiker in einem Jahr verelffacht

Am Ende waren die Anfeindungen für Markus Nierth einfach zu viel geworden. Rechtsextreme wollten direkt vor seiner Haustüre demonstrieren. Der Ortsbürgermeister von Tröglitz in Sachsen-Anhalt fühlte sich machtlos, vom Staat im Stich gelassen. Er trat im Frühjahr 2015 zurück. Die Angst, seinen sieben Kindern könnte etwas passieren, war schlicht zu groß. Doch selbst in der Folgezeit bekam er Morddrohungen, seine Familie stand unter Polizeischutz.
Klar ist: In Deutschland gab es zuletzt einen deutlichen Anstieg von Übergriffen gegen Politiker und deren Einrichtungen. In Sachsen stieg die Zahl der Straftaten gegen Bürgermeister und Abgeordnete, die im Zusammenhang mit der Ausländer- und Asylthematik stehen, sogar dramatisch an: Zählte das sächsische Innenministerium 2014 nur fünf solcher Straftaten zum "Nachteil von Amts- und Mandatsträgern“, waren es im vergangenen Jahr mit 58 mehr als elfmal so viele.
Auch in Thüringen zeigt sich, wie sich das Klima der politischen Diskussion in den vergangenen Monaten radikalisiert hat. Die Zahl der Straftaten gegen thüringische Abgeordnete war im vergangenen Jahr mit 33 mehr als dreimal so hoch wie 2014 (neun). Und in diesem Jahr dürften es sogar noch mehr werden. Bis zum 25. Mai zählte das Landeskriminalamt bereits 17 Übergriffe.

 

Hamburg: Zahl der rechtsextremen Straftaten nahezu verdoppelt

2015 ordnete der Hamburger Verfassungsschutz 330 Personen dem rechtsextremen Spektrum in Hamburg zu, davon galten 140 als gewaltorientiert. Während sich diese Zahlen gegenüber 2014 (340/150) kaum verändert haben, hat sich die Zahl der politisch motivierten Straftaten des rechten Milieus auf 562 (2014: 296) nahezu verdoppelt. 500 davon galten als rechtsextremistische Taten (2014: 278). Auch die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewaltdelikte stieg auf 25 (2014: 19).
Als Hauptursache gilt der Anstieg der Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte, wobei Grote betonte, dass es in Hamburg glücklicherweise überwiegend bei Sachbeschädigungen und Schmierereien geblieben sei. "Die gestiegenen Taten von Rechtsextremisten gerade vor dem Hintergrund der Flüchtlingssituation werden wir nicht tolerieren", so der Innensenator. "Es gilt Null-Toleranz für jede Form der Fremdenfeindlichkeit."

 

Fahndung nach Rechtsextremen: Verschollene Kameraden

Es weckt düstere Erinnerungen. 13 Jahre war der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) abgetaucht, tötete in dieser Zeit zehn Menschen und verübte zwei Anschläge. Aktuelle Zahlen, die der taz vorliegen, zeigen nun: Momentan sind erneut 441 Rechtsextreme, die von den Sicherheitsbehörden gesuchten werden, nicht auffindbar. Und deren Zahl steigt.
Die verschwundenen Rechtsextremen werden wegen offener Haftbefehle nach Straftaten wie Nötigung, Diebstahl oder Betrugs gesucht – einige aber auch wegen Waffendelikten oder schweren Raubs. Ein Neonazi ist gar nach einem Mord flüchtig, ein weiterer wegen Totschlags. Beide Taten werden von den Behörden aber nicht als politisch eingestuft – so wie etliche der anderen Delikte auch, wegen denen nach den Rechtsextremen gefahndet wird. 79 der Untergetauchten verübten indes eindeutig politische Taten, 43 waren in rechtsextremen Gruppen organisiert.
Die Zahlen stammen aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken, Stichtag war der 22. März. Und sie zeigen: Die Sicherheitsbehörden bekommen das Problem nicht in den Griff. Denn ein halbes Jahr zuvor waren 372 Rechtsextreme flüchtig – 69 weniger.

 

2.300 bei Pegida in Dresden, Bachmann kündigt Hotline an

Am Montag hat es in Dresden wieder mehrere Demos gegeben. Bis zu 2 300 Anhänger von Pegida versammelten sich diesmal auf dem Neumarkt vor der Frauenkirche. In Sicht- und Hörweite protestierten mindestens 200 Gegner, wie die Forschungsgruppe „Durchgezählt“ meldete.
Lutz Bachmann kündigte später eine Hotline für diejenigen an, die sich auch ohne Internetzugang über die nächsten Veranstaltungen von Pegida informieren wollen. Außerdem begründete der Pegida-Gründer, warum es in der vergangenen Woche trotz Ankündigung keine Proteste gegen die Bilderberg-Konferenz in Dresden gegeben habe. Einerseits bringe das Hochhalten von Plakaten nichts, andererseits habe man die Sicherheitsvorkehrungen unterschätzt, sagte Bachmann. Er kündigte den „Aufbau kleiner Aktivistengruppen“ an. Was er damit konkret meinte, ließ er offen.

 

Erfolglose Anti-Drogen-Demo von Pegdia-Gründer in Dresden

„Keine Drogen in Dresden“ lautete das Motto einer Demo, die am Samstag durch Dresden führte. Angemeldet hatte sie René Jahn, der einst zu dem Pegida-Köpfen zählte. Ihm schlossen sich aber nur rund 35 Teilnehmer für das erklärte Ziel „Dresden wird die sicherste Stadt Deutschlands“ an.
Vor wenigen Wochen waren noch etwa 80 in gelben Warnwesten aufgetaucht. Ihr erklärtes Ziel ist die Eindämmung des Drogenhandels, der wie selbstverständlich mit Migranten in Verbindung gebracht wird. Jahn bezeichnete die Demo selbst als ernüchternd: „Es gibt noch genug Themen hier, wir machen auf jeden Fall weiter.“
Jahn und seine Anhänger hatten sich außerdem mit einer Art Umfrage an Ladenbesitzer gewendet. Sie wollten wissen, ob sie sich unsicher fühlten. Das Ergebnis: Die Unsicherheit ist deutlich erkennbar, als Gründe werden Migranten aber auch Pegida angegeben.

 

Geldstrafe für Neonazi nach Attacke gegen Journalisten

Ein Dortmunder Neonazi ist am Montag zu 1350 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Der 25-Jährige hatte auf einer Kundgebung der Partei "Die Rechte" einen Journalisten zu Boden gestoßen, der ihn gefilmt hatte. Einer anderen Journalistin wurde das Handy weggedrückt.
Der Angeklagte hatte die Taten zwar zugegeben, trotzdem einen Freispruch gefordert. Der 25-Jährige sprach vor Gericht von Notwehr. Die beiden Journalist hätten ohne sein Einverständnis Nahaufnahmen von ihm gemacht, obwohl er gar nichts besonders getan hätte. In beiden Fällen sei er schon auf dem Heimweg gewesen.
Eine Notwehrlage konnten die Richter nicht erkennen. Wer öffentliche Veranstaltungen verlasse und sich dabei noch in einer Gruppe befinde, müsse damit rechnen, fotografiert oder gefilmt zu werden, hieß es im Urteil.

 

"Trauermarsch" vertagt: Hoffnung für Bad Nenndorf

In Bad Nenndorf keimt Hoffnung auf, dass der Spuk der alljährlichen rechten "Trauermärsche" zum Wincklerbad in absehbarer Zeit ein Ende haben könnte. Bürgermeister Mike Schmidt (CDU) sprach  in einer ersten Reaktion auf die jetzt bestätigte Verschiebung der rechtsextremen Veranstaltung von einem "Gefühl der Erleichterung". Doch das, so der CDU- Politiker, sei kein Grund, im Widerstand gegen die Rechten nachzulassen. Und dafür hat er gute Argumente: Schließlich haben die Rechtsextremisten noch nicht wissen lassen, wann sie stattdessen in die Kleinstadt im Landkreis Schaumburg kommen wollen.
Die Internetseite der rechten "Trauermarschierer" ist seit Monaten nicht mehr aktualisiert worden. Eine Mobilisierung für die Demonstration ist kaum wahrnehmbar. Das war mal anders, zum Beispiel im Jahr 2010. Damals kamen annähernd 1.000 Neonazis in die Kurstadt. Seitdem sind die Teilnehmerzahlen im steilen Sinkflug. Auch das geschichtsklitternde Thema dieser Aufmärsche in Bad Nenndorf sei in der rechtsextremen Szene nicht mehr zugkräftig, so Steffen Holz vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Die Terminverschiebung also eine verkappte Exit-Strategie?

 

Die rechte Szene in Sachsen-Anhalt: Neonazis erfinden sich neu

In Sachsen-Anhalt gibt es immer mehr Neonazis. Nach Angaben des Landes-Verfassungsschutzes ist die Zahl der Rechtsextremisten im Land im vergangenen Jahr leicht gestiegen. Die Szene habe sich verändert. Sie sei äußerlich unauffälliger, moderner und bediene sich neuer Aktionsformen, um auch Jugendliche anzusprechen, sagt der Referatsleiter Rechtsextremismus beim Verfassungsschutz, Hilmar Steffen.
Immer wieder versuchen sie mit martialisch wirkenden Aktionen auf sich aufmerksam zu machen. So Anfang des Monats in Gräfenhainichen (Kreis Wittenberg), wo eine Gruppe schwarz gekleideter junger Rechtsextremer mit weißen Masken und Fackeln durch die Stadt lief. „Die Unsterblichen“ nennt sich diese Bewegung, die in Sachsen-Anhalt schon vor einigen Jahren vermehrt auftrat.
„Der klassische Neonazi mit Bomberjacke und Springerstiefeln hat ausgedient“, sagt Steffen. Rechtsextremisten seien häufig nicht mehr als solche zu erkennen. Das gelte nicht nur für die „Unsterblichen“, sondern auch für die sogenannten „Autonomen Nationalisten“. Sie gelten als extrem gewaltbereit und sind in ihrer schwarzen Kleidung von Linksautonomen kaum zu unterscheiden.

 

Pressefreiheit in Thüringen: Die Polizei, Helfer der Rechten?

Journalisten wollten über ein Rechtsrockkonzert berichten – und kassierten Platzverweise. Jetzt klagen sie gegen die Einschränkung der Pressefreiheit.
Mit weißen Bannern hatten NPD-Kader die Zäune ihres Veranstaltungsgeländes im thüringischen Leinefelde verhüllt, wo die Partei ihren jährlichen „Eichsfeldtag“ feierte.
Die Journalistin und Rechtsextremismusexpertin Andrea Röpke wollte sich damit nicht abfinden. Feste wie diese seien Teil einer „rechtsextremen Erlebniswelt“. „Es ist unsere journalistische Aufgabe, hinter die Kulissen zu schauen und zu zeigen, was sich hinter solchen Festen verbirgt und was diese gerade für die Kinder bedeuten.“ Zusammen mit drei Kollegen, auch sie Experten in diesem Feld, versuchte Röpke über das Neonazi-Fest zu berichten. Was folgte, war eine Polizeiposse – die in Platzverweisen für die Journalisten gipfelte.
Unter dem höhnischen Applaus der Rechtsextremen mussten die Journalisten abziehen. Nun gibt es ein Nachspiel. Vergangene Woche reichten die Journalisten Klage vor dem Verwaltungsgericht Weimar ein. Die Polizei habe sich von den Neonazis instrumentalisieren lassen, kritisieren sie. „Die Platzverweise entbehren jeder Grundlage“, kritisiert Röpkes Anwalt Sven Adam. „Statt die Forderungen von Neonazis umzusetzen, muss die Polizei die Pressefreiheit durchsetzen.“

 

NPD-Funktionär aus dem Rems-Murr-Kreis auch bei „Weiße Wölfe Terrorcrew“ aktiv

Im März klingelte es bei 16 Neonazis in zehn Bundesländern gleichzeitig an der Haustür. Die Beamten durchsuchten deren Wohnungen und beschlagnahmten Propagandamaterial und Waffen. Es war eine Aktion gegen die rechtsextreme Szene. Im Visier der Staatsdiener: die „Weisse Wölfe Terrorcrew“ (WWT).
Das Amt des württembergischen „WWT-Sektionsleiters“ hatte der 30-jährige Alexander S. aus Fellbach inne, der auch in der NPD aktiv war. Der Einzelhandelskaufmann ist ein Paradebeispiel für die enge Verknüpfung der Partei mit der militanten Naziszene. S. kandidierte für die NPD bei Bundestagswahlen und engagierte sich als Vorsitzender des Rems-Murr-Kreisverbandes und als „Organisationsleiter“ auf Landesebene für die Nationaldemokraten.
Gleichzeitig nahm er an Treffen kroatischer Faschisten im österreichischen Bleiburg teil. Auf Fotos sieht man ihn dort in einem T-Shirt mit dem Logo der „Deutsch-Kroatischen Waffenbrüder“. Das ist eine Clique um den Skinhead Markus Frntic aus Kirchheim am Neckar. Der war Südwest-Chef der Neonazi-Organisation „Blood and Honour“ (B&H) – bis zum Verbot des deutschen Ablegers im Jahr 2000. „Blood and Honour“ galt lange Zeit als wichtigste Organisation in der Struktur der rechtsextremen Musikszene.

 

Musik als Ideologie-Träger

"Ich bin ja kein Nazi, aber . . ." So fängt es an. Eine Plattitüde hier, eine abfällige Bemerkung dort, ein "Ich fand die Türken ja schon immer suspekt" in geselliger Runde. Der Aussteiger Felix Benneckenstein erzählt in einem Vortrag für die zehnten Klassen des Viscardi Gymnasiums von seiner Zeit als Demo-Organisator und Redner in der "Kameradschaftsszene" und wie er es schaffte, sich wieder davon loszusagen. Mittlerweile arbeitet er bei der Organisation "Exit", die Mitgliedern der rechtsextremen Szene hilft, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern.
"Ich habe mich am Anfang nicht als Nazi verstanden", erklärt Benneckenstein den schweigenden Zehntklässlern, die seinen Vortrag mit großem Interesse verfolgen. "Im Gegenteil, gegen die historischen" Nazis hatte ich eine Ablehnung."

 

Antrag zurückgezogen: Politikwissenschaftler darf NPD-Kritik äußern

Juristischer Etappensieg für den Dresdner Politologen Steffen Kailitz: Er darf wieder warnen, die NPD plane "rassistisch motivierte Staatsverbrechen". Richter Jens Maier hob daraufhin den von ihm Anfang Mai erlassenen Beschluss auf, mit dem er dem renommierten Wissenschaftler des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung die Äußerungen untersagt hatte.
NPD-Anwalt Peter Richter kündigte an, nun in einem Hauptsacheverfahren gegen Kailitz vorgehen zu wollen und schnellstmöglich Klage zu erheben. Kailitz zeigte sich für ein solches Verfahren zuversichtlich: "Wir haben Wissenschaftsfreiheit in Deutschland. Damit ist klar, dass ich da nur gewinnen kann."

 

NSU-Ausschuss Brandenburg startet im Juli

Haben die Brandenburger Behörden Erkenntnisse über das NSU-Trio nicht rechtzeitig weitergereicht? Diesem Vorwurf soll ein Untersuchungsausschuss des Landtags nachgehen - und zwar noch bevor die Abgeordneten sich in die Sommerpause verabschieden.
Dem Ausschuss geht es vor allem um einen einschlägig vorbestraften Neonazi, der vom Landesverfassungsschutz unter dem Decknamen "Piatto" als V-Mann geführt wurde. Die Abgeordneten wollen aufklären, in welcher Beziehung der V-Mann zu den NSU-Mitgliedern Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe und weiteren im Münchener NSU-Prozess Angeklagten stand und welche Informationen "Piatto" an den Verfassungsschutz weitergab.

 

Offenbar Rechtsextreme aus Sachsen an Krawallen in Lille beteiligt

An den Krawallen deutscher Fußballfans in Lille sind offenbar rechtsextreme Hooligans aus Sachsen beteiligt. „Wir mischen mit“ postet bei Facebook ein Fanatiker aus Dresden und zeigt dazu Bilder und ein Video von den Ausschreitungen in der französischen Stadt. Darüber ist auf einem breiten Foto die Deutschlandfahne zu sehen. Auf ihr prangt in altdeutschen Buchstaben „Gefechtsbereit“. Auf die Seite des Hooligans kommt man über den Facebook-Account der Gruppierung „Faust des Ostens“, die der sächsische Verfassungsschutz der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene zurechnet.
Gegen Mitglieder von „Faust des Ostens“ ermittelt schon länger die Dresdener Staatsanwaltschaft. Seit 2013 liegen Anklagen gegen mehrere mutmaßliche Anführer der Gruppierung vor. Ihnen wird vorgeworfen, Rädelsführer einer kriminellen Vereinigung zu sein.
Auf einem im Internet auf mehreren Seiten zu sehenden Foto aus Lille posieren Fans aus Sachsen mit der Reichskriegsflagge des Kaiserreichs. Ein Hooligan zeigt zudem den Hitlergruß. Ein weiterer hält einen Schal mit der Aufschrift „Dresden Ost“ hoch. Dabei handelt es sich um einen Trupp, der zumindest Kontakte zu Rechtsextremisten unterhält. Ein weiterer Fan zeigt einen Schal mit der Aufschrift „Perverse Menschenfresser“ und gibt sich damit offenkundig als Anhänger einer gleichnamigen Gruppierung Zwickauer Fußballfans zu erkennen.

 

Hajo Funke zum Rechtsextremismus bei der EM: AFD und Pegida entfesseln den Rassismus

Nach Einschätzung von Rechtsextremismus-Forscher Hajo Funke sind die rassistischen Vorfälle während der EM in Frankreich ohne Zweifel auf die rechten und islamfeindlichen Parolen von AfD und Pegida zurückzuführen. „Wir erleben seit knapp zwei Jahren eine Entfesselung der Ressentiments“, sagte der Politikwissenschaftler von der Freien Universität Berlin dem Tagesspiegel. Der radikale Flügel der AfD um Alexander Gauland und Björn Höcke sowie die Pegida-Bewegung hätten einen „ethnozentrischen und rassistischen Nährboden geschaffen“, der Fremdenfeindlichkeit ein stückweit salonfähig gemacht habe, so Funke weiter.
Ob die Äußerungen Gaulands über Nationalspieler Jérôme Boateng oder den Wirbel um die Gesichter auf der Kinderschokolade: Beides seien Beispiele dafür, wie eine „En Vogue“-Stimmung“ geschaffen wurde. „Die fühlen sich als Volkes Stimme stärker.“ Diese Rechtsextremen seien jedoch nicht nur anfällig für diese „rhetorischen Brandfackeln“, sondern nach Funkes Einschätzung zusätzlich gewaltbereit.

 

Gefährliches Spiel – deutsche Neonazis bei der EM

Das Foto rechtsextremer Hooligans, die in Lille eine Reichskriegsfahne an einem Café aufgehängt hatten, ging am Sonntagabend um die Welt. Waren sie es, die wenige Stunden später schwarz vermummt auf ukrainische Fußballfans einprügelten? Einer, der sicher mehr dazu erzählen könnte, ist Michael Brück. Er gilt als Kopf der Dortmunder militanten Neonaziszene und sitzt für die rechtsextreme Partei Die Rechte im Stadtrat. Als die Kamera am Anfang des EM-Spiels Deutschland-Ukraine über die Zuschauer schwenkte, sah man ihn inmitten der Fans. Neben ihm Matthias Deyda, ebenfalls ein stadtbekannter Dortmunder Neonazi.

 

Brück genießt das Spiel. In Dortmund und mehreren anderen Städten hat er Stadionverbot. Andere Bilder zeigen Brück am Nachmittag direkt vor dem mit deutschen Rechtsextremen gefüllten Cafe. Außen am Zaun: die Reichskriegsfahne.

 

Ausländerbehörde Bielefeld droht mit Schild: „Wer hier meckert, wird erschossen“

So fühlt man sich als Neuankömmling sicher nicht willkommen: Bei der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld (ZAB) wurden Asylsuchende kürzlich mit dem geschmacklosen Schild "Wer hier meckert wird erschossen!" begrüßt.
Die Behörde ist zuständig für die Erstaufnahme von Asylsuchenden und Aufenthaltsgenehmigungen und damit eine der ersten Anlaufstellen für asylsuchende Menschen in Bielefeld. Ausgerechnet hier werden Flüchtlinge an der Pforte so unsensibel empfangen.
Menschen, die in Deutschland auf der Suche nach Schutz vor lebensbedrohlichen Situationen seien, benötigten alles andere als Todesdrohungen, sagte Lina Droste von der Flüchtlingshilfe Lippe e.V.. Das Schild sei menschenverachtend und spiegle die aktuelle "rassistische Realität" in Deutschland wider.
Die Pressestelle der Stadt Bielefeld richtete der "Neuen Westfälischen" am Wochenende aus, dass das Schild spätestens Montagmorgen – bevor die Behörde wieder öffne – beseitigt werde. Dem Urheber des Schilds "drohen erhebliche Konsequenzen". Ob das Schild tatsächlich entfernt wurde, ist bisher nicht klar.

 

Köln: Wie eine Gemeinde nach dem Brandanschlag zusammenrückt

Einen „barbarischen Akt“ nannte Pfarrer Regamy Thillainathan (34) in seiner Predigt vor seiner Kirchengemeinde in Rondorf die feige Brandstiftung im Pfarrheim. Hier war eine achtköpfige Flüchtlingsfamilie aus dem Irak untergebracht. Die Gemeinde will nun ein großes Zeichen der Solidarität setzen. Das Haus ist durch den Anschlag unbewohnbar geworden. Kommenden Sonntag wird vor dem zerstörten Pfarrheim ein Solidaritätsmahl stattfinden.

 

Morddrohungen gegen Grüne Jugend Rheinland-Pfalz

Nach einem Aufruf gegen "Party-Patriotismus" zur Fußball-Europameisterschaft hat die Grüne Jugend Rheinland-Pfalz nicht nur einen Proteststurm ausgelöst, sondern auch etliche Morddrohungen erhalten. Im Laufe des Tages werde die Partei-Jugendorganisation Strafanzeigen erstatten, sagte deren Sprecher Benjamin Buddendiek am Montag der Presse in Mainz. Unter dem umstrittenen Facebook-Appell vom vergangenen Freitag, während der Fußball-EM keine Deutschland-Flaggen in der Öffentlichkeit zu zeigen, befanden bis Montagmorgen bereits über 24.000 meist vernichtende Kommentare.
Nach dieser Forderung sind die Grünen Rheinland-Pfalz zu ihrer Jugendorganisation auf Distanz gegangen. Auch Politiker anderer Parteien hatten erzürnt auf den Aufruf reagiert.
Die Landessprecherin der Grünen Jugend Rheinland-Pfalz, Jennifer Werthwein, fühlt sich teilweise missverstanden. «Wir wollen, dass wir eine ehrliche Patriotismus-Debatte führen», sagte sie am Montag in Mainz. Patriotismus sei Nährboden für aggressive Taten. "Was wir vielleicht ein bisschen falsch eingeschätzt haben ist, dass Menschen das persönlich nehmen." Der Aufruf sei bewusst überspitzt gewesen und habe kein Verbot sein sollen. Sie sprach von zahlreichen "Hasskommentaren" im Netz und kündigte Strafanzeigen bei Morddrohungen, sexistischen Beleidigungen und Volksverhetzung an.

 

Hasskriminalität: Polizisten sollen im Netz auf Streife gehen

Die Hasskriminalität im Internet nimmt in Sachsen-Anhalt immer mehr zu. Bis Ende Mai wurden bereits 201 dieser Straftaten erfasst, teilte das Innenministerium mit. Im kompletten vergangenen Jahr waren es noch 152 Delikte, 2014 nur 41. Es handele sich dabei überwiegend um rechtsradikale Hetze. Die Landesregierung will dagegen nun verstärkt vorgehen und hat die Einführung einer "Internetstreife" in den neuen Koalitionsvertrag geschrieben.
Die Hass-Postings "treffen alle, die sich sichtbar mit Flüchtlingen solidarisieren", sagte der Grünen-Politiker Sebastian Striegel. Er sei selbst schon mehrfach Opfer solcher Angriffe geworden – von wüsten Beleidigungen bis hin zu Todesdrohungen.

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