+++ Stralsund: Halber Schweinekopf vor SPD-Büro +++ Thüringen: Dokumentationsstelle für Menschenrechte kann weiter arbeiten +++ Braun bis auf die Haut: Wer ist der tätowierte Nazi aus dem Stadion? +++
Stralsund: Halber Schweinekopf vor SPD-Büro
Unbekannte haben in der Nacht zu Donnerstag vor dem Stralsunder Büro der SPD den halben Kopf des Tieres und eine Schuldzuweisung für den Terror in Europa abgelegt. Unter dem Tierkadaver lag ein in Klarsichtfolie eingeschlagenes Stück Papier mit der Botschaft: „Ihr seid durch Unterstützung der Willkommenskultur mitverantwortlich am Terror in Europa und Deutschland.“ Abgesehen davon, dass es korrekt hätte heißen müssen, „mitverantwortlich für den Terror“, ist der so formulierte und zugleich abartige Angriff auf die SPD fast fehlerfrei formuliert. Der Polizei liegen bisher keine Erkenntnisse zu den Tätern vor.
Thüringen: Dokumentationsstelle für Menschenrechte kann weiter arbeiten
Die Thüringer Landesregierung hat Kritik gegen die Dokumentationsstelle für Menschenrechte, Grundrechte und Demokratie zurückgewiesen. In einer von der AfD beantragten Sondersitzung des Landtages sagte Bildungsministerin Klaubert, bei der Vergabe sei alles rechtmäßig verlaufen. Zugleich entschuldigte sie sich für die Beleidigungen durch die AfD. Auch die CDU distanzierte sich von der AfD-Rhetorik. In der Sache blieb sie aber bei ihrer Kritik.
Die zum 1. August in Thüringen eingerichtete Dokumentationsstelle für Menschenrechte, Grundrechte und Demokratie kann somit weiterarbeiten. Der Thüringer Landtag lehnte in einer Sondersitzung die Anträge von CDU und AfD ab, die Stelle wieder aufzulösen. Bildungsministerin Birgit Klaubert sagte, die Vergabe der Stelle an die Amadeu-Antonio-Stiftung sei rechtmäßig verlaufen.
Braun bis auf die Haut: Wer ist der tätowierte Nazi aus dem Stadion?
Wieder Brauner-Speck-Alarm in Brandenburg. Diesmal ist aber kein NPD-Politiker betroffen, sondern ein einschlägig bekannter Neonazi aus Thüringen. Es handelt sich um Daniel S. aus Ronneburg. Möglicherweise nimmt in seiner Heimat niemand Anstoß daran, welche Tattoos der Mann in der Öffentlichkeit zur Schau trägt – in Brandenburg aber schon. Hier ermittelt nun der Staatsschutz der Polizeidirektion West gegen ihn wegen Verwendens verfassungswidriger Organisationen.
Zu sehen ist auf seinem Bauch ein Hakenkreuz – aber auch sonst zeigt S. mit seinen Tattoos, was er ist: ein Neonazi. Neben Nazi-Größen aus dem Dritten Reich ließ sich der 25-Jährige den Reichsadler stechen, darüber den Schriftzug „Combat 18“. Dabei handelt es sich um eine europaweit aktive Neonazi-Terrororganisation, die der bewaffneter Arm des seit dem Jahr 2000 in Deutschland verbotenen Netzwerks „Blood and Honour“ ist. Combat steht für Kampfgruppe, die Zahl 18 für die Anfangsbuchstaben von Adolf Hitler. Obdendrein prangt auf der Brust des Neonazis der Totenkopf der SS-Totenkopfverbände.
S. hatte offenbar gute Kontakte nach Brandenburg. Neben ihm stand im Stadion der berüchtige Totschläger Sascha Lücke. Der hatte 1996 in Brandenburg/Havel den Punk Sven Beuter brutal zu Tode geschlagen und getreten. Auch ließ S. sich schon bei Demonstratioen der Nazi-Partei „Der III. Weg“ in Brandenburg sehen.
Mann fordert auf Facebook dazu auf, Geflüchtete zu vergasen – 600 € Geldstrafe
Wegen Volksverhetzung muss ein 52-jähriger Mann eine Geldstrafe von 600 Euro zahlen, urteilte nun das Amtsgericht in Zwickau. Der arbeitslose Angeklagte hatte auf seiner Facebook-Seite in zwei Fällen Asylbewerber verbal attackiert. Die Ermittler hatten Äußerungen wie "Es gibt sooooviel Platz für Asylanten (Dachau, Auschwitz, Buchenwald)" und "... das Dreckspack gehört vergast" sichern können. Dabei, so sagte Staatsanwalt Jörg Rzehak, sei sich der Angeklagte darüber im Klaren gewesen, dass seine Äußerungen in aller Welt nachlesbar seien.
Sigrid Schüßler wegen Anti-Islam-Hetze zu Geldstrafe verurteilt
Sigrid Schüßler war eine der prominentesten Politikerinnen der NPD, Exchefin des Rings Nationaler Frauen. Die vierfache Mutter ist Schauspielerin. Als Hexe Ragna trat sie im Kinderprogramm bei NPD-Veranstaltungen auf, tourte durch Schulen und Kindergärten.
Auf einer Pro-NRW-Demo in Köln im vergangenen November hielt sie eine Rede, bei der sie unter anderem verlauten ließ: „Der Islam gehört zu Deutschland wie die Scheiße auf dem Esstisch“. Am Donnerstag wurde in der Verhandlung das Urteil gegen sie gesprochen: 900 Euro wegen Beschimpfung von Religionsgemeinschaften. Ihr Verteidiger hatte während des Prozesses vergeblich mehrere Anträge gestellt. Unter anderem sollte Alice Schwarzer dazu aussagen, dass die Frau im Islam nicht wert sei.
Psychisch Kranker grüßt Polizei mit rechtsradikalen Parolen
Wegen Sachbeschädigung und dem Skandieren von Naziparolen wurde jetzt ein obdachloser Mann aus Wangen zu sechs Monaten und zwei Wochen Haft verurteilt. Die Strafe wurde trotz schlechter Sozialprognose zur Bewährung ausgesetzt.
Es war nicht das erste Mal, dass der 28-Jährige neben anderen Delikten auch mit üblen rassistischen Parolen und „Sieg-Heil“-Rufen gegenüber der Polizei aufgefallen war.
Ermittlungen zu beschossenem Flüchtlingsheim in Böhlen eingestellt
Mehr als ein Jahr nach dem Beschuss eines Flüchtlingsheims in Böhlen (Landkreis Leipzig) sind die Täter noch immer unbekannt. Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat die Ermittlungen inzwischen eingestellt. „Sämtliche in Betracht kommenden Ermittlungsmöglichkeiten“ seien ausgeschöpft worden, „leider ohne Erfolg“, teilte Behördensprecher Ricardo Schulz auf Anfrage am Donnerstag mit.
Die Fassade des ehemaligen Hotels in Böhlen war im Juli 2015 in zwei Nächten hintereinander beschossen worden. Teile der Glasverkleidung gingen zu Bruch. Bei den Geschossen handelte es sich laut Staatsanwaltschaft um kleine Stahlkügelchen. Das Haus diente im Sommer 2015 als Erstaufnahmeeinrichtung Sachsens. Inzwischen nutzt es der Landkreis Leipzig als Flüchtlingsheim.
Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet "Identitäre Bewegung"
Die rechte "Identitäre Bewegung" ist ins Visier von Verfassungsschützern des Bundes gerückt. Nach mehreren Landesämtern hat auch das Bundesamt für Verfassungsschutz die Gruppe unter Beobachtung gestellt. Das Amt sehe Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, sagte Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen. Zuwanderer islamischen Glaubens würden in extremistischer Weise diffamiert.
Neonazistische Haverbeck-Verehrer
Für „Die Rechte“-Vorstandsmitglied Sascha Krolzig ist sie die „unermüdliche Kämpferin für Deutschlands Freiheit und große Dame des deutschen Nationalismus“: Ende des Monats ist die notorische Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck wieder einmal zu Gast bei der Neonazi-Partei.
Der „Die Rechte“-Kreisverband im niedersächsischen Verden wirbt für den Auftritt der 87-Jährigen am 27. August. Angekündigt wird der Samstagnachmittag mit der Ikone der tiefbraunen Szene als „Solidaritätsveranstaltung für Ursula Haverbeck“. Den genauen Veranstaltungsort nennt die Neonazi-Partei in ihrer Mitteilung nicht. Verraten wird lediglich, er liege „im Raum Verden“.
Potsdam: Mann kündigt für heute öffentliche Gründung eine Ku-Klux-Klan-Ablegers an
Ein gewisser Danilo Krause will am Freitag angeblich einen Potsdamer Ableger des US-amerikanischen Ku-Klux-Klans gründen. Das sorgt nicht nur bei Polizei und Staatsanwaltschaft für Verwirrung. Von einem Schwindel über einen verwirrten Gründer bis zu einer wirklichen Veranstaltung ist theoretisch alles möglich. Der Polizei liegt keine Anmeldung vor.
Für eine gewisse Verwirrung nicht nur bei Staatsanwaltschaft und Polizei sorgte dieser Herr, der am Freitag um 16 Uhr auf dem Platz der Einheit einen Potsdamer Ableger des „Ku Klux Klan“ gründen möchte. Der rassistische und gewalttätige Geheimbund, dessen Männer weiße Kapuzen samt Augenschlitzen tragen und brennende Kreuze als Symbol benutzen, stammt aus dem Süden der USA. Er wurde 1865 gegründet. Zwar gibt es in Deutschland kleinere „Ortsgruppen“, etwa in Nordrhein-Westfalen, großflächig tritt der KKK hier aber nicht auf.
Tambach-Dietharz: Kinderhospiz wehrt sich gegen Neonazi-Werbeaktion
Das Kinderhospiz Mitteldeutschland in Tambach-Dietharz wehrt sich gegen die Werbeaktion eines Südthüringer Neonazis. Der rechtsextreme Gasthaus-Betreiber hatte auf Facebook ein Essen versteigert. Der Erlös der Aktion sollte dem Kinderhospiz gespendet werden. Ein Sprecher des Hospizes sagte, man habe durch Hinweise von Nutzern sozialer Netzwerken von der Aktion erfahren und sei "entsetzt von der schonungslosen Instrumentalisierung des Schicksals von über 40.000 Familien in Deutschland, deren Kind oder auch Kinder an einer lebenslimitierenden Krankheit leiden".
Der Verein sehe sich außerstande, solche Spenden anzunehmen, erklärte der Sprecher. Zwar sei das Hospiz auf finanzielle Zuwendungen angewiesen, aber "bei der Spendenaktion handelt es sich unserer Auffassung nach um eine als politischer Akt in Szene gesetzte intendierte Spende".
Kempinski-Hotel in Berlin: Israel existiert hier nicht
Sie wollen nach Israel telefonieren? Diese Nummer gibt es hier nicht: Claude Lanzmann, Regisseur von „Shoah“, über eine verstörende Erfahrung in einem vornehmen Hotel mitten in Berlin.
Vor achtundvierzig Stunden saß ich in meinem Zimmer und durchstöberte die „Gebrauchsanweisung“ des Hotels, in der die verschiedenen Dienstleistungen beschrieben werden. Zu den Unterlagen gehört die Liste mit den Vorwahlnummern für die verschiedensten Länder der Welt. Aufgeführt sind Rumänien, die Vereinigten Staaten, Thailand, Belgien, die Ukraine... Und nun schaute ich zweimal hin: Wir sind in Berlin, im August 2016, im Hotel Kempinski, und Israel existiert nicht. Israel fehlt auf der Liste der Länder, die man aus dem Zimmer direkt anrufen kann.
Nach der Aussage eines Mitarbeiters handelt es sich bei der Maßnahme um eine bewusste Entscheidung der Direktion des Kempinski-Hotels. Die bestreitet das: Israel sei schlicht vergessen worden.
Jamel: „Pyromide“ erinnert an Brand auf Grundstück der Neonazi-Gegner
Trauriges Jubiläum: Am 13. August 2015 ist die Scheune von Birgit und Horst Lohmeyer in Jamel (Landkreis Nordwestmecklenburg) abgebrannt. Das hat das Künstlerpaar zum Anlass genommen, am Sonnabend geladenen Gästen ein Denkmal zu präsentieren.
An der Stelle der abgebrannten Scheune steht jetzt die „Pyromide“. „Das Denkmal soll dazu beitragen, nicht zu vergessen. Dieses Werk ist auch ein gutes Signal dafür, dass aus der Zerstörung etwas Neues geschaffen wurde“, sagt Birgit Lohmeyer.
Deutschland verändert sich radikal - und kaum einer bekommt es mit
Was an den Wahlergebnissen der AfD so verwundert hat: Zu ihr liefen Wähler aus allen Schichten und Parteien. Akademiker, Arbeiter, von CDU-Anhängern bis hin zu Linken. Kaum einer hatte das vorhergesehen – weder Demoskopen noch Beobachter.
Blicken Historiker einmal auf 2016 zurück, könnten sie es als Jahr bezeichnen, in dem sich die politische Landschaft in Deutschland für immer veränderte. Aber eben nicht, wie viele fürchten, durch einen Rechtsruck. Denn dieses alte Denkmuster funktioniert nicht mehr.
„Es sind nicht mehr die Lager Rechts und Links, die den entscheidenden politischen Unterschied machen, sondern die Frage, ob man sich nach außen öffnet oder nach innen schließt“ sagt Armin Nassehi, Professor an der LMU München für Soziologie und Politik. Zur Zeit hätten diejenigen, die eine geschlossene Gesellschaft propagieren, ihr Momentum. Und das nicht nur in Deutschland.
Wissenschaftler zur NS-Zeit: Warum Großvater vielleicht tat, was er tat
Als sich Naomi Schenck an die Arbeit machte, die Biografie ihres verstorbenen Großvaters zu schreiben, wusste sie durchaus, dass der Chemiker einst Mitglied der NSDAP war. Doch im Laufe ihrer Recherchen entdeckte sie, in welchem Ausmaß Günther Schenck und seine Kommilitonen Mitläufer waren. Und wie locker sie das später wegwischten. Naomi Schenck führte viele Gespräche mit Familienmitgliedern, ehemaligen Kollegen und Kommilitonen.
Wie in Skandinavien die Populisten aufstiegen
Was in Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland noch Aufsehen erregt und Sorgen hervorruft, ist seit mehr als 40 Jahren in den skandinavischen Staaten Alltag. Ein Blick auf die Entwicklung in Nordeuropa kann helfen, das Phänomen zu verstehen. Welche Chancen haben rechtspopulistische Parteien, sich langfristig zu etablieren?
Die Geburtsstunde des skandinavischen Rechtspopulismus liegt 43 Jahre zurück: In der "Erdrutschwahl" vom 4. Dezember 1973 erreichte die erst ein Jahr zuvor gegründete Dänische Fortschrittspartei (Frp) auf Anhieb 15,9 Prozent der Stimmen. Sie stellte damit die zweitstärkste Fraktion im dänischen Parlament.
Nur in Schweden blieb der Rechtspopulismus bisher von der politischen Macht ausgeschlossen. Erst seit 2010 hat sich mit den Schwedendemokraten (SD) eine Rechtsaußen-Kraft im Parteienspektrum dauerhaft etabliert.
Heftige Debatte in Frankreich – Badetag nur für Frauen fällt ins Wasser
Es sollte nur ein Badetag für Frauen und ihre Kinder in einem Spaßbad in Pennes-Mirabeau nördlich von Marseille werden. Doch er schlug so hohe Wellen in ganz Frankreich, dass er nun ins Wasser fällt. Denn einer Reihe rechtsextremer und konservativer Politiker und Aktivisten erschien die Vorstellung unerträglich, dass verhüllte muslimische Frauen ein privates Freibad für einen Tag reservieren wollten.
Ursprünglich war die Idee, den „Speedwater Park“ in Pennes-Mirabeau am 17. September, also nach Ende der Hochsaison, zu privatisieren, um nur Frauen und Kindern – Jungen bis zehn Jahren – Eintritt zu gewähren. Den Frauen wurde der Bikini verboten und anders als zu Normalzeiten der Ganzkörper-Burkini erlaubt – aber nicht vorgeschrieben. Stattdessen hieß es auf dem Einladungs-Flyer, der Bereich von der Brust bis zu den Knien sollte bedeckt bleiben, beispielsweise mit einem Badeanzug und einem Hüfttuch oder Schwimm-Shorts.
„Unser Ziel ist es, Frauen dem Wasser näher zu bringen“, erklärte die Schatzmeisterin des organisierenden Vereins Melisa Thivet. „Manche können wegen ihrer Scham, sich zu entblößen, nicht baden gehen.“ Doch die Debatte wurde hysterisch und frankreichweit geführt. Es handle sich um das „Zeichen einer Islamisierung der Gesellschaft, die die Republik bedroht“, schimpfte die konservative Abgeordnete Valérie Boyer. „Wir können solche Praktiken in unserem Land nicht tolerieren!“ Auch der rechtsextreme Front National witterte eine „Tarnmaske des Islamismus“ hinter den Badeplänen.
Beim Nazi im virtuellen Wohnzimmer
Bei einem Nazi mal ins Wohnzimmer schauen? Ein aufwendiges Online-Projekt macht das jetzt möglich und hilft dabei die rechtsextreme Erlebniswelt zu entzaubern. Der Multimediale Raum bietet viele Informationen und Einblicke in die rechtsextreme Szene. Bis in den Kleiderschrank und die Waffenkiste des Nazis können sich die User durchklicken.
Auf den ersten Blick sieht es aus wie das Zimmer eines gewöhnlichen Jugendlichen. Erst auf den zweiten Blick wird Besucherinnen und Besuchern klar, wo sie gelandet sind: mitten im Zimmer eines Neonazis. Das interaktive und online frei zugängliche Projekt „Kein Raum für Rechts!“ macht es möglich, virtuell in die Welt rechtsextremer Menschen einzutreten und rechtsextreme Symbolik wahrzunehmen, zu erkennen und zu deuten. Das dient als Basis, um sich gegen Rechtsextremismus abzugrenzen, zu intervenieren und sich für die Demokratie einsetzen zu können.