Presseschau ...10.06.2016

+++ Dresden: Nazis bedrohen Flüchtlinge vor Unterkunft +++ Sächsische Linken-Politikerin erhält Drohbrief +++ „Identitäre“ stürmten Vorlesung an der Universität Klagenfurt +++ Amnesty International über Deutschland: Brandstiftungen, Sprengstoffanschläge, Staatsversagen

 

Dresden: Nazis bedrohen Flüchtlinge vor Unterkunft

Im Dresdner Stadtteil Laubegast geben Rechtsradikale in den Auseinandersetzungen um eine Flüchtlingsunterkunft keine Ruhe. Am Mittwochabend demonstrierten unter dem Motto »Nein zum Heim« erneut rund 80 Menschen gegen den Einzug von 48 Flüchtlingen in das ehemalige Hotel Prinz Eugen, der bereits am 1. Juni stattfand. Organisiert wurde die Demonstration von der rechten Bürgerinitiative „Laubegaster Wellenlänge“, auf deren Blog Slogans wie „Eure Flut baden wir nicht aus“ zu finden sind. Mehrere Augenzeugen berichteten, dass mindestens 20 bis 30 Neonazis mitdemonstrierten und durch die Nachbarschaft streiften.
Die neuen Anwohner in der Unterkunft und auch der Sprecher der Initiative „Laubegast ist bunt“, Claus Dethleff, bekamen am Abend die Bedrohlichkeit der rassistischen Demonstrationen zu spüren. Auf dem Weg zu einem Sprachkurs seien sie vor der Unterkunft auf mehrere vermummte Neonazis gestoßen, die die Gruppe beschimpften, berichtet Dethleff auf Facebook: „Auf dem Hinweg wurden wir bepöbelt, man nannte mich ‚Verräter‘ und spuckte vor uns aus.“ Die Männer wirkten demnach gewaltbereit. Die Flüchtlinge warteten auf ihren Abzug, bevor sie wieder in die Unterkunft zurückkehren konnten.
Die Polizei sei dabei wenig hilfreich gewesen, sagt Dethleff: Sie sei damit beschäftigt gewesen, eine Soldaritätsdemonstration von rund 50 Antirassisten zu kesseln. „Die Stimmung rund um die Unterkunft ist merklich angespannt. Einige Nazis wohnen direkt gegenüber“. Seit Mittwoch kursieren in Dresden zudem Flyer, die dem Aufruf zu einer Bürgerwehr ähneln. Unter dem Titel „Dresden wird sicherste Stadt Deutschlands“ wird moniert, das Sicherheitsgefühl habe abgenommen, Ladendiebstahl sowie Drogenhandel zugenommen – und aufgerufen: „Zeigen wir den Kriminellen, dass wir deren Aktivitäten nicht hinnehmen werden“.

 

Sächsische Linken-Politikerin erhält Drohbrief

Die stellvertretende Kreisvorsitzende der Linken in Mittelsachsen, Marika Tändler-Walenta, hat in der vergangenen Woche ein Schreiben mit einer ihrer Ansicht nach klaren Morddrohung erhalten. Darin heißt es: „Kann man für solches Viehzeug wie Sie nicht nochmal die Öfen in Buchenwald aktivieren? Linkes Drecks-pack“. Der Brief hat keinen Absender. Die Politikerin vermutet aber, dass er aus dem Raum Mittelsachsen verschickt wurde, da er mit einer Briefmarke vom 250. Jubiläum der Bergakademie Freiberg versehen ist.
Dass sie Nachrichten mit Beleidigungen und wüsten Beschimpfungen erhalte, sei für sie nicht neu. Marika Tändler-Walenta: „Aber dieser Brief hat eine weitergehende Qualität“. Sie habe Strafanzeige gestellt. Marika Tändler-Walenta ist nicht die einzige Politikerin aus Mittelsachsen, die sich relativ regelmäßig mit Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen konfrontiert sieht. Auch der SPD-Kreisvorsitzende und Döbelner Landtagsabgeordnete Henning Homann muss sich damit auseinandersetzen. Entsprechende Schreiben kämen per Post, E-Mail und via Facebook in seinem Landtagsbüro an. „Ein regelrechter Schwall kommt an, wenn ich meine klare Meinung – zum Beispiel gegen Rassismus – geäußert habe“, erzählte Homann.

 

„Identitäre“ stürmten Vorlesung an der Universität Klagenfurt

Eine Gruppe von „Identitären“ hat am Donnerstagnachmittag eine Vorlesung an der Universität Klagenfurt gestürmt. Wie Rektor Oliver Vitouch am Abend erklärte, war eine Gruppe von zehn teils verkleideten Männern mit Kamera und Megafon in den Hörsaal gekommen. Der Rektor forderte die Männer zum Gehen auf, sie verließen den Saal aber erst, nachdem er die Polizei gerufen hatte.
Vitouch wollte einen der Männer festhalten, wurde daraufhin bedroht und erhielt einen "leicht verschmerzbaren Schlag in die Magengrube", wie er erklärte. Auf ihrer Facebook-Seite prahlte die rechtsextreme Gruppierung, dass man während Ringvorlesung zum Thema Flucht und Asyl den Hörsaal betreten hat und dabei ein großes Transparent mit der Aufschrift "Integration ist eine Lüge" empor hielt. Die Störer waren auf unterschiedliche Weise verkleidet. Einer hatte sich laut Rektor Vitouch ein mittelalterliches Holzjoch umgeschnallt, ein anderer trug eine Burka. Nach Angaben der Polizei inszenierte die Gruppe in dem Hörsaal mit Steinen aus Styropor eine Steinigung.
Es war nicht die erste Aktion der „Identitären Bewegung“ an einer österreichischen Universität. Vor zwei Monaten haben 30 bis 40 „Identitäre“ eine Aufführung des Elfriede-Jelinek-Stücks "Die Schutzbefohlenen" im Audimax der Wiener Universität gestört. Sie stürmten die Bühne, entrollten Transparente und Fahnen. Außerdem wurden Flugblätter mit dem Text "Multikulti tötet" in das etwa 700 Personen umfassende Publikum geschmissen und Kunstblut verspritzt.

 

Amnesty International über Deutschland: Brandstiftungen, Sprengstoffanschläge, Staatsversagen

Deutschland kommt laut Amnesty International seinen menschenrechtlichen Verpflichtungen nicht nach. Der Staat lasse die Opfer rassistischer Gewalt im Stich und dabei sei die Zahl solcher Angriffe so hoch wie nie zuvor, sagte Generalsekretärin Selmin Çalışkan bei der Vorlage eines Berichts zu rassistischer Gewalt in Deutschland. "Der Staat ist nicht in der Lage, Menschen vernünftig vor rassistischen Angriffen zu schützen."
Vor allem seien deutsche Flüchtlingsheime nur unzureichend gegen fremdenfeindliche Attacken geschützt. Es gebe keine einheitlichen Schutzkonzepte, kritisierte die Menschenrechtsorganisation. Außerdem gebe es deutliche Anzeichen für institutionellen Rassismus in Behörden, beklagte Çalışkan. Die Behörden hätten aus dem Versagen im Fall der rechten Terrorzelle NSU wenig gelernt.
Amnesty-Forscher und Hauptautor, Marco Perolini, berichtete über eine stark gestiegene Zahl an Hasskriminalität in Deutschland. Der Anstieg sei besorgniserregend. Die deutschen Behörden schafften es nicht, diese Straftaten aufzuklären, angemessen zu verfolgen und scheiterten auch bei der Präventionsarbeit.
Die Organisation forderte die Bundesregierung auf, von unabhängigen Stellen untersuchen zu lassen, inwieweit institutioneller Rassismus bei den Strafverfolgungsbehörden, vor allem der Polizei, verbreitet sei. Von der Innenministerkonferenz verlangte Amnesty, sich auf ein bundesweites Konzept zum Schutz von Asylunterkünften zu verständigen. Außerdem müsse das polizeiliche Erfassungssystem für rechte und rassistische Taten überarbeitet werden.

 

Holocaustäußerungen von AfD-Mann Gedeon: Meuthen droht mit Rücktritt

AfD-Chef Meuthen will den Fraktionsvorsitz niederlegen, wenn ihm seine Fraktion im Ausschlussverfahren Gedeon nicht folgt. Seine und die Glaubwürdigkeit der AfD stünden auf dem Spiel.
Jörg Meuthen will den Singener Abgeordneten aus der Fraktion ausschließen, weil er Äußerungen von ihm für antisemitisch hält. Offenbar befürchtet er aber, dass viele in der AfD-Fraktion diese Einschätzung nicht teilen und somit die erforderliche Zweidrittelmehrheit für einen Ausschluss nicht zustande kommt. Gegenüber dem SWR und dem ZDF sagte Meuthen am Donnerstag, seine und die Glaubwürdigkeit der AfD stünden auf dem Spiel. Wenn die Fraktion ihm nicht folge, könne er ihr als Chef nicht mehr vorstehen. Er wolle mit dieser Ankündigung Schaden von der Partei abwenden. In der AfD habe Antisemitismus keinen Platz.

 

Überfall auf indische Studenten in Jena: Vier Jahre Psychiatrie für Haupttäter

Im Prozess um eine brutale Attacke auf drei indische Studenten in Jena verhängte das Jugendschöffengericht am Amtsgericht Jena am Donnerstagnachmittag Haftstrafen gegen die drei Angeklagten, die in zwei Fällen zur Bewährung ausgesetzt werden.
Der 19-jährige Hauptangeklagte erhielt eine Jugendstrafe von vier Jahren und wird in einem psychiatrischen Fachkrankenhaus untergebracht. In diese Strafe flossen noch weitere Anklagen wegen gewalttätiger Übergriffe ein.
Die beiden 20- und 21-jährigen Mitangeklagten, die ebenso wie der 19-jährige nur eine rudimentäre Schulbildung haben, werden wegen gefährlicher Körperverletzung zu je einem Jahr und neun Monaten Haft verurteilt, ausgesetzt auf zwei Jahre zur Bewährung. Zu erzieherischen Zwecken müssen beide Angeklagten je vier Wochen in den Jugendarrest.
In der Urteilsbegründung stufte der Richter die Tat als „fremdenfeindlich“ ein. Die Attacke auf die drei indischen Studenten hatte sich am 16. Juni 2015 um 0.30 Uhr. Die Täter hatten die Inder zunächst beleidigt und anschließend einem der Inder die Flasche aus der Hand geschlagen. Die wunderten sich über den Angriff. Es folgten Tritte und Schläge der deutschen Angreifer. Ein Inder brach sich dabei den Kiefer und musste operiert werden. Zwei Polizisten vor Ort hatten den Vorfall zunächst nicht als fremdenfeindlich deklariert. Es war auch kein Dolmetscher hinzugezogen worden.

 

Brandanschlag auf Flüchtlingsheim Flensburg: Polizei ermittelt zwei Verdächtige

Selten musste die Flensburger Kripo unter höherem Druck in einer Brandsache ermitteln. Unbekannte hatten in der Nacht des 16. Oktober 2015 einen Molotow-Cocktail auf die noch leer stehende Flüchtlingsunterkunft in einem leerstehenden Hochhaus geworfen.
Zentrale Bedeutung für die Ermittlungen der Polizei hatten die über 600 Haushaltsbefragungen, die im Nahbereich des Tatortes durchgeführt wurden.  Es gab sieben Durchsuchungen, Beweismittel wurden sichergestellt. Zwei Männer – 22 und 25 Jahre alt – hält die Kripo für die Urheber des Brandanschlags. Beide gehören nicht zur rechten Szene, beide gehören eher zum bürgerlichen Spektrum, so Jurga weiter. Den Tatvorwurf bestreiten die Beschuldigten, die im Übrigen die Aussage verweigerten.

 

Kampf gegen rechte Gewalt in Sachsen: Geschichtsunterricht als Pflichtfach

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich hat angekündigt, im Zuge des Kampfes gegen die rechte Gewalt im Freistaat Geschichte in der zehnten Klasse wieder zum Pflichtfach zu machen. Zur Vorbeugung gegen rechte Gewalt sollten die Schüler umfassend über die Geschichte des 20. Jahrhunderts unterrichtet werden. Dabei sollten sie den "Unterschied zwischen Freiheit und Demokratie einerseits und Totalitarismus und Diktatur andererseits" verstehen lernen. Bislang können sich sächsische Schüler in der zehnten Klasse zwischen Geschichte und Geografie entscheiden.
Als weitere Schritte im Kampf gegen Rechtsextremismus nannte Tillich einen verstärkten Einsatz von mobilen Fahndungsgruppen. Sie sollen an regionalen Schwerpunkten Präsenz zeigen und Informationen sammeln, Personenkontrollen und Festnahmen durchführen. "Wir verunsichern die Szene", sagte Tillich. Es werde deutlich gemacht, "dass es in Sachsen keine rechtsfreien Räume gibt".

 

Bayerns Verfassungsschützer in Sorge: Internet-Gruppen können sich radikalisieren

Die Grenzen zwischen Rechtsextremismus und dem bürgerlichen Lager verschwimmen. Das ist die Beobachtung von Burkhard Körner, dem Präsidenten des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Besonders Internet und soziale Netzwerke bereiten den Verfassungsschützern Sorgen.
Körner berichtete zunächst von einem signifikanten Anstieg von Straftaten gegen Flüchtlinge und Asylbewerberheime. Auch in Bayern. Allein das sei schon bedenklich. „Aber noch bedrohlicher“, so Körner, sei es, dass zwei Drittel dieser Straftaten von Menschen begangen würden, die bisher nicht durch rechtsextremistisches Verhalten aufgefallen seien. Und noch eine Beobachtung: Die früher scharfe Abgrenzung zwischen rechtsextremistischen Gruppen und Menschen, die dem bürgerlichen Lager zugerechnet werden, würden immer mehr verwischen. Besondere Sorge bereite ihm rechtsextreme Hetze im Internet: Es gebe immer mehr Menschen, „die im normalen Leben bürgerlich“ seien, „im Internet aber die Sau rauslassen“.

 

„Die Rechte“ ruft ihre Anhänger zum Auschwitz-Prozess in Detmold

Der „Die Rechte“-Kreisverband Ostwestfalen-Lippe versucht, seine Anhänger für die letzten Verhandlungstage im Auschwitz-Prozess gegen den ehemaligen SS-Wachmann Reinhold Hanning zu mobilisieren.
Vermeintlicher Anlass für den Aufruf der „Rechten" ist eine Anfrage des Ehepaares Gottschalk an die NRW-Landesregierung mit dem Ziel, die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck von den letzten Auschwitz-Prozesstagen auszuschließen. „Nach dem dreisten Gebaren der Gottschalks wäre es ganz besonders erfreulich, wenn an diesen letzten Verhandlungstagen möglichst viel kritische Öffentlichkeit im Saal zugegen ist", heißt es auf der Homepage wörtlich.
Bernadette Gottschalks Großeltern und andere Verwandte sind in Auschwitz ermordet worden. Der Cousin ihres Vaters, Imre Lebovits, ist einer der Nebenkläger in dem Verfahren gegen den 94-jährigen Angeklagten, der sich wegen der Beihilfe des Mordes an mindestens 170.000 Menschen im Konzentrationslager Auschwitz verantworten muss.

 

Ist die Freiheit der Wissenschaft in Gefahr?

Der Politologe Steffen Kailitz vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung hatte publiziert, die NPD plane, rassistisch motivierte Staatsverbrechen und wolle acht bis elf Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben. Gegen diese Aussage hatte die Partei geklagt. Es gab eine einstweilige Verfügung. Der Politologe darf seine Analyse nicht öffentlich wiederholen. Steffen Kailitz hat dagegen Widerspruch eingelegt. Heute beginnt die Verhandlung am Landgericht Dresden.

 

Nazis, Rocker, Hammerskins

Zuletzt wurden Konzerte im Neonazitreffpunkt „Thinghaus“ in Grevesmühlen (Mecklenburg-Vorpommern) noch untersagt. Jetzt scheinen die Behörden Rechtsrock-Veranstaltungen wieder zu genehmigen. Am Samstag den 04.06.2016 fand dort ein Konzert mit mehreren Nazibands statt. Unter dem Motto „Thingtanz“ spielten die Gruppen „Hausmannskost“ und „Exzess“ aus Brandeburg, sowie „Timebomb“ aus Schleswig-Holstein vor rund 100 Rechtsextremen.
Der mehrfach vorbestrafte Neonazi Sven Krüger organisierte die Veranstaltung und gab sich Mühe alles nach Vorschrift durchzuführen. Gegen 15 Uhr kontrollierte die Polizei gemeinsam mit dem Organisator das Gebäude um sicherzustellen, dass alle notwendigen Auflagen erfüllt sind.

 

Geschichtsunterricht in Rostock: Schülernachhilfe von rechts

NPD- und AfD-Politiker, die in der Schule über Rechtsextremismus sprechen: Klingt nach einem gewagten Experiment? Doch genau so haben es sich nach Angaben der betroffenen Schule Schüler eines Rostocker Gymnasiums gewünscht. Im Rahmen eines Geschichtsprojekts luden Neuntklässler des Innerstädtischen Gymnasiums die umstrittenen Gesprächspartner in die Schule ein und sorgten damit für viel Wirbel.
Neben dem Landtagskandidaten Holger Arppe von der Alternative für Deutschland (AfD) haben die Jugendlichen auch den NPD-Abgeordneten David Petereit interviewt. Beide Politiker sind bereits wegen menschenfeindlicher Äußerungen aufgefallen. Der Ex-AfD-Landeschef Arppe wurde im vergangenen Jahr wegen Volksverhetzung verurteilt, ebenso wie Petereit.
„Diese Einladungen waren verantwortungslos“, sagt die Bildungsexpertin der Linken, Simone Oldenburg, gestern in Schwerin. Als Schulleiter sei er natürlich informiert gewesen, dass die vier Schüler der beiden Gruppen NPD- und AfD-Politiker einladen wollten. Dass es sich um Arppe und Petereit handelte, habe er nicht gewusst. Über Rechtsextremismus in der Schule direkt mit rechtsextremen und rechtspopulistischen Politikern zu sprechen, ist nach Ansicht des Landesschülerrats keine gute Idee. „Dafür sind Lehrer zuständig, die neutral und sachlich über das Thema aufklären“, sagt der Vorsitzende Benjamin Braun.

 

Warum die AfD eigentlich „Rasse“ meint, wenn sie von Kultur spricht

Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass Gauland im Grunde Rasse meine, wenn er Kultur sage. Denn wenn er von einem hier geborenen Christen wie Jérôme Boateng eine Integrationsleistung erwarte, die Teile der AfD-Wählerschaft in Ostdeutschland nie erbracht hätten, dann sei Deutschsein offenbar keine Frage der Sprache, des Geburtsorts und des Verhaltens, sondern durch eine mystische Blutsgemeinschaft definiert.
Kultur war auf der deutschen Rechten eben nie etwas, das freundlich zur Teilhabe einlud, sondern ein Abgrenzungsbegriff. Früher distanzierte man sich damit allerdings nicht vom Islam, sondern von Frankreich, dem man unterstellte, quasi genetisch immer dazu verurteilt zu sein, bloße Zivilisation zu bleiben.
Zugespitzt wurde die polemische Antithese Kultur gegen Zivilisation, dann nach der Reichsgründung, als der Nachbar jenseits der Rheines für Deutsche zum Inbegriff all dessen wurde, was ihnen an der Moderne verdächtig vorkam. Der Erbfeind verkörperte die als negativ empfundenen großen "-ungs": Vermassung, Intellektualisierung, Internationalisierung, Mechanisierung, Ökonomisierung, Nivellierung.

 

AfD wirbt auf Facebook mit rumänischen Models

"Mach mit! Verändere die Politik!" Mit diesem Spruch warb die AfD Baden-Württemberg auf Facebook im April für ihre Partei. Zu sehen sind ein Mann und eine Frau, die begeistert den Daumen nach oben strecken. Die Werbung hat die AfD mittlerweile entfernt - denn wie mehrere Medien berichten, handelt es sich bei den Models um Rumänen. Und das, wo die Partei doch immer wieder mit ausländerfeindlichen Parolen um sich wirft.
Berichten zufolge handelt es sich um Carla Caucean, einstige Miss Rumänien, und das ebenfalls rumänische Model Adi Ene. Das Foto von Caucean stammt von der Fotoplattform "istockphoto". Wer über eine Lizenz verfügt, kann das Bild herunterladen und verwenden - allerdings nur unter Nennung der Quelle. Das hat die AfD nicht getan.
Der Landesverband hatte dafür zunächst keine Erklärung parat, außer: Die Bilder kämen von einem anderen Landesverband, man werde die Sache prüfen, hieß es. Prüfung hieß in diesem Fall erst einmal: Offline nehmen.

Nazis wegwürfeln

Wie ein glänzender Sisyphos sieht Artúr van Balen aus, als er den ersten aufgeblasenen Spiegelwürfel schultert. Den Gang leicht nach vorn gelehnt, trägt er den anderthalb Meter großen Folienballon Richtung Dortmunder Nordstadt. Die frühen Sonnenstrahlen brechen sich in dem Würfel und werfen helle Fresken auf die Gesichter der mitlaufenden Gruppe. Griechische Mythologie meets Bee Gees. Heute, am vierten Juni, findet hier der bisher größte Naziaufmarsch des Jahres statt: Der „Tag der deutschen Zukunft“. Fast 1.000 Rechtsradikale werden am Ende durch die Stadtteile Dorstfeld und Huckarde laufen.
Wer Profi ist, hat sich aus Folie einen Werkzeuggürtel gebastelt, mit Taschen für Cutter und Panzertape. Katherine ist eine von ihnen. Zusammen mit Artúr hat sie schon die erste Würfelaktion koordiniert. Das war zur Weltklimakonferenz in Frankreich. Dem Mutterland der Barrikade. Mit den Würfeln wollen die Künstler den Pariser Protesten nun ein Update verpassen. Sie sind angepasst an die globalisierte Welt: aufblasbar, leicht durch die Straßen zu tragen und per Post zu verschicken. Ein mobiler Protest. In Portland, New York und London war die Spiegelmauer schon. Die „Barrikade des 21. Jahrhunderts“ nennt Artúr von Balen das.

 

Wie Neonazis das Run-DMC-Logo für ihre Zwecke missbrauchen

Ein schwarzes Shirt mit dem fetten weißen Schriftzug "HKN KRZ". Ein Wortspiel mit einer verfassungswidrigen Botschaft – so gesehen bei einem Neonaziaufmarsch in Dortmund am vergangenen Wochenende. Setzt man die Vokale ein, entsteht das Wort "Hakenkreuz". Mehrere Demonstranten wurden mit dem besagten T-Shirt gesehen. Es gab auch eine Fahne mit den Buchstaben "HTLR" oder Shirts mit dem Aufdruck "NTNL SZLST". In einschlägigen Onlineshops werden solche T-Shirts als "anwaltlich geprüft und discotauglich" beschrieben.
Dass Neonazis verbotene Inhalte abändern und für ihre Botschaft nutzen, sei nicht neu, sagt eine Sprecherin der Amadeu Antonio Stiftung, die sich für eine demokratische Kultur engagiert. "Von allem was sich in der Jugendkultur durchsetzt, gibt es in der Regel ein Pendant in der rechten Szene." Zwei rote Balken und ein fetter weißer Schriftzug – auch dieses Logo kommt aus der Jugendkultur. Die Vorlage stammt von der amerikanischen Hip-Hop-Band Run DMC. Die HipHop-Pioniere hatten die Typographie erstmals 1986 auf dem Cover ihrer Single "My Adidas" genutzt. Das Motiv ist beliebt, in dem Stil werden Bandnamen, Stadtnamen oder eben politische Botschaften auf Stoffe gedruckt.

 

Bilderberg-Konferenz: Verschwörungen im Taschenbergpalais?

Wenn die Bilderberger sich treffen, kommen die Mächtigsten der Welt zusammen. Über die Gespräche auf den Konferenzen dringt nur selten etwas nach außen., Verschwörungstheorien haben deshalb Hochkonjunktur. Welche das sind, was dahinter steckt - und was auf dem Treffen wirklich passiert, erklärt der Bilderberg-Kenner Thomas Gijswijt im Interview.

Rund um die Bilderberg-Konferenz ranken sich viele Verschwörungstheorien. Welche sind das?

Eine schöne Theorie ist die Königskur- oder Königswahl-Theorie. Danach werden wichtige politische Amtsträger nicht von den Wählern bestimmt, sondern von den Bilderbergern. Zum Beispiel Bill Clinton, der 1991 als noch relativ unbekannter Gouverneur an dem Treffen teilnahm und ein Jahr später zum amerikanischen Präsidenten gewählt wurde. Keiner hatte gedacht, dass er gute Chancen hat, Präsident zu werden -  also gibt es da einen logischen Zusammenhang, lautet die Annahme.
Es sind immer Versuche, sehr komplexe historische Entwicklungen mit sehr einfachen Mitteln zu erklären. Außerdem gibt es noch die Kapitalisten-Theorien der Linken und der Globalisierungsgegner: Die Bilderberger, also das eine Prozent der Reichsten der Welt, die haben den bösen Euro beschlossen, die werden auch TTIP beschließen.

 

Neofolk und Darkwave auf rechtslastiger Spur

Zum wiederholten Mal ist Leipzig am 25. Juni Schauplatz für ein Konzertereignis aus der Neofolk- und Dark Wave-Szene. Die lockt bekanntlich auch immer wieder  ein rechts-esoterisch eingestelltes Publikum an. Unter dem Titel „Fire & Sun“ wird auf das Gelände vom Schloss Knauthain geladen – ohne Abendkasse und nur mit Internetvorbestellung. Im dortigen Schlosspark gab es bereits am 20. Juni des Vorjahres ein entsprechendes Happening.

 

Rassistische Gewalt in Russland

Durch Attacken russischer Skinheads und Neonazis wurden in diesem Jahr mindestens 18 Menschen verletzt und einer getötet – 2015 gab es elf Tote und 82 Verletzte. Sechs Personen erhielten ernst zu nehmende Todesdrohungen.
Schwerpunkte der rassistischen Gewalt waren im vergangenen Jahr Moskau (drei Tote und 31 Verletzte) und St. Petersburg (drei Tote und 14 Verletzte). 2014 töteten Skinheads und Neonazis 36 Menschen und verletzten 133. Die meisten ihrer Opfer stammen aus Zentralasien, wo der Binnenstaat Kirgisistan mit rund 5,5 Millionen Einwohnern liegt. Innerhalb der letzten drei Jahre wurden mehr als 500 000 Migranten aus Russland abgeschoben, wie die Moskauer Flüchtlingshilfeorganisation Civic Assistance Committee mitteilt.

 

Wie die Auschwitz-Täter feierten

Auschwitz gehört zu den meistfotografierten Konzentrationslagern überhaupt. Vor etwa zehn Jahren tauchten plötzlich neue Bilder auf - solche, die die Täter zeigen. Sie stammen aus der Fotosammlung des SS-Obersturmführers Karl Höcker und wurden nun in einer umfassenden Publikation herausgebracht.
116 Fotografien von Mai 1944 bis Januar 1945 sind im "Höcker-Album" versammelt. Das Besondere: Sie zeigen SS-Personal, Wachleute und hochrangige Besucher des Vernichtungslagers bei Freizeitaktivitäten - auf der 30 Kilometer entfernten Solahütte beim Sonnen, Musizieren, bei der Jagd, beim Feiern oder auf dem Schießstand. Abgebildet sind unter vielen anderen die Lagerkommandanten Richard Baer und Rudolf Höß oder der KZ-Arzt Josef Mengele, von dem es zuvor kein einziges bekanntes Bild aus Auschwitz gab.
Freizeitaktivitäten und Ausflüge waren für das Personal des Vernichtungslagers Stiftungsmomente eines Referenzrahmens und eines damit verknüpften Gruppenzusammenhalts, der das hundertausendfache Morden ohne Unrechtsbewusstsein erst ermöglicht hätte.

 

"Barbara." hat jetzt eine Pop-up-Ausstellung am Boxi

"Barbara." ist die Berliner "Banksy": Man weiß nicht, wer es ist und ob "Barbara." tatsächlich eine Frau ist, aber die Streetart-Plakate sorgen für eine Menge Aufmerksamkeit. Jetzt stellt sie im ganz realen Leben aus - als Pop-up-Ausstellung am Boxhagener Platz in Berlin-Friedrichshain. Und zwar so lange, bis das letzte Plakat geklaut ist.
Sie tauchen plötzlich an Papierkörben, Straßenschildern oder Häuserwänden auf. Die Streetartkünstlerin "Barbara." entwirft über Nacht meist schwarze Plakate mit einem Reim oder Spruch drauf und pinnt es irgendwo an.
Die Bilder werden in den sozialen Netzwerken geteilt und gefeiert. Niemand weiß so recht, wer hinter dem Pseudonym steckt und ob es überhaupt eine Frau ist. Gehen wir der Einfachheit halber trotzdem davon aus, dass es eine Frau namens Barbara ist. Sie hat am Donnerstag eine Pop-up-Ausstellung am Boxhagener Platz in Berlin-Friedrichshain - nun ja - eröffnet. Das heißt, die Plakate hingen einfach so da, wie sonst auch immer. Der Titel der Ausstellung ist: "Das Kleben ist schön".

 

Nein, die Suchmaschine ist nicht rassistisch

Mit einem kurzen Tweet hat Kabir Alli aus Virginia am Dienstag eine Welle der Empörung ausgelöst. Er beinhaltet ein kurzes Video, in dem Alli erst "three black teenagers" in die Google-Bildersuche eingibt, und danach "three white teenagers". Das erste Suchergebnis besteht überwiegend aus sogenannten mugshots, also Polizeifotos von Festgenommenen. Das zweite zeigt fast ausschließlich Stockfotos von glücklich lächelnden Weißen. Mehr als 60.000 Menschen haben das Video seither per Retweet verbreitet. Ist Google rassistisch?
Die kurze Antwort: Nein. Das Unternehmen teilte daraufhin mit, Suchmaschinen würden nur reflektieren, was im Internet zu finden sei. Der vermeintliche Rassismus stecke in den Schlagworten zu den Bildern. Auf die hat ein Suchmaschinenbetreiber aber natürlich keinen Einfluss.

 

 

drucken