Presseschau... 08.08.2016

+++ Main-Spessart: Angriffe auf minderjährige Geflüchtete +++ Junger Afghane erleidet in Gotha Stichverletzung bei Streit mit Deutschen +++ „Sieg Heil“ und andere Nazischmierereien in Zielitz (Sachsen-Anhalt) +++ Männer skandieren rassistische Parolen vor Flüchtlingsunterkunft +++ Mann beleidigt Muslima in Berlin-Johannistal +++

 

Main-Spessart: Angriffe auf minderjährige Geflüchtete

Innerhalb von zwei Wochen wurden im Landkreis Main-Spessart insgesamt drei Flüchtlinge von Unbekannten angegriffen. Die Polizei schließt ein rassistisches Motiv nicht aus.
In Neustadt am Main wurden zwei 17-Jährige von gleich vier Unbekannten angegriffen. In der Nähe eines Klosters sollen die Täter die beiden Asylbewerber zunächst zu Boden geschlagen und dann auf sie eingetreten haben. Als in der Nähe ein Auto auftauchte, flüchteten die Schläger. Beide Opfer erlitten Prellungen, einer von ihnen eine Schnittwunde am Unterarm.
Bereits zwei Wochen zuvor am Sonntag wurde ein 18-Jähriger Afghane von Unbekannten auf einem Radweg zwischen Wombach und Rodenbach angegriffen. Er ist in der gleichen Unterkunft wie die beiden 17-Jährigen untergebracht. In beiden Fällen ermittelt jetzt die Kriminalpolizei wegen gefährlicher Körperverletzung.

 

Junger Afghane erleidet in Gotha Stichverletzung bei Streit mit Deutschen

Bei einer Auseinandersetzung zwischen deutschen und afghanischen Jugendlichen in Gotha (Thüringen) hat ein junger Afghane eine Stichverletzung in der Brust erlitten. Auch zwei weitere Landsleute seien verletzt ins Krankenhaus gekommen, teilte die Polizei am Sonntag mit. Zu der Auseinandersetzung war es am Freitagabend im Gothaer Stadtzentrum gekommen. Die Polizei ermittelt gegen zwei 16 und 21 Jahre alte Deutsche. Sie seien nach bisherigen Erkenntnissen nicht als einschlägig Rechtsextreme bekannt.

 

„Sieg Heil“ und andere Nazischmierereien in Zielitz (Sachsen-Anhalt)

Unbekannte Täter haben in Zielitz in der Börde verschiedene Gebäude und Anlagen mit Naziparolen beschmiert. Die Tat geschah vermutlich in der Nacht von Freitag auf Samstag. An einem Haus sind die Parolen "Zielitz bleibt Braun" und "Refugees not welcome" zu lesen. Auch mehrere Plattenbauten wurden mit den Parolen besprüht. Ein Polizeisprecher teilte mit, dass ingesamt neun Hakenkreuze gefunden wurden. Der Sachschaden solle mehrere tausend Euro betragen.

 

Männer skandieren rassistische Parolen vor Flüchtlingsunterkunft

Wegen Verdachts der Volksverhetzung und Beleidigung ermittelt das Staatsschutzdezernat der Kriminalpolizei gegen drei 23, 28 und 29 Jahre alte Männer aus Oberhausen-Rheinhausen. Die Männer sollen in der Nacht zum Freitag kurz vor Mitternacht zu Fuß durch den Ortsteil Oberhausen gezogen sein und unter anderem vor einer Unterkunft rassistische Parolen skandiert haben.

 

Mann beleidigt Muslima in Berlin-Johannistal

Volksverhetzende Äußerungen hat ein 45-Jähriger gegenüber einer Frau in Johannisthal, einem Ortsteil von Berlin-Treptow gemacht. Nach Angaben der Polizei hatte die 20-jährige Deutsch-Iranerin Sonnabendabend zunächst bemerkt, dass der ihr entgegenkommende Mann sie fotografierte. Dann äußerte er Beleidigendes über Muslime. Die Polizei nahm den Täter wenig später fest. Gegen ihn wird wegen Volksverhetzung und Beleidigung ermittelt.

 

„Sieg Heil“ am Geburtstags-Lagerfeuer in Bad Wörishofen (Bayern)

Eine Geburtstagsfeier am Waldrand bei Bad Wörishofen hat am Donnerstagabend einen Polizeieinsatz ausgelöst. Mehrere Anrufe über Ruhestörung gingen im Lauf des Abends bei der Polizeiinspektion Bad Wörishofen ein. Offenbar feierten zahlreiche junge Leute mit einem großen Lagerfeuer südlich der Stadt. Während dieser Feier habe ein 16-jähriger Schüler hörbar „Sieg Heil“ gerufen, berichtet der Polizei. Den Ermittlern gegenüber habe er dann beteuert, die Nazi-Parole nur aus Spaß gerufen zu haben.

 

Wieder aufgesprühte Leichenumrisse in Dresden – „Identitäre“ bekennen sich

Wie die Linkspartei mitteilte, wurde in der Nacht zum Freitag vor einem Gebäude in Dresden, in dem auch deren Landesgeschäftsstelle ist, der Umriss einer Leiche mit weißer Farbe aufgesprüht. Daneben der Schriftzug "Eure Schuld Reutlingen". Dort hatte am 24. Juli ein bereits anerkannter Asylbewerber seine Freundin umgebracht und mehrere Menschen verletzt. Die Polizei vermutet eine Beziehungstat.
Seit etwa zwei Wochen sind solche Zeichnungen an Bahnhöfen im Landkreis Leipzig, Chemnitz, Heidenau, Königstein und Dresden wiederholt aufgetaucht. Nach früheren Angaben der Polizeidirektion Dresden bekannte sich die "Identitäre Bewegung", eine extrem rechte Strömung, zu den asyl- und fremdenfeindlichen Aktionen.

 

Schüsse auf Asylbewerberheim

Unbekannte haben bereits am Samstag, dem 23. Juli 2016 aus einem vorbeifahrenden Auto auf ein Asylbewerberheim in Niesky (Kreis Görlitz) geschossen. Menschen wurden bei dem Vorfall nicht verletzt, wie die Polizei in Görlitz mitteilte. In der Glasscheibe eines Fensters im ersten Stock sei ein sei etwa vier Millimeter großes Loch entstanden.
Womit geschossen wurde, war zunächst unklar. Denkbar ist eine Waffe. „Mit einem Steinwurf ist ein Loch dieser Größe eher schwer hinzukriegen“, sagte ein Sprecher der Polizeidirektion Görlitz.

 

AfD Sachsen-Anhalt rügt eigenen Spitzenpolitiker, weil er Abgrenzung von Neonazis fordert

Der Vorstand der AfD in Sachsen-Anhalt hat dem Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion, Daniel Roi, eine Rüge erteilt. Ihm wurde vorgeworfen, einen so genannten "Ruf der Vernunft" an die Medien weitergegeben zu haben. In der Erklärung hatten Roi und weitere AfD-Politiker eine Abgrenzung zu Rechtsextremen gefordert und waren auf Distanz zu Fraktionschef André Poggenburg gegangen.
In dem Schreiben, das an Journalisten weitergegeben wurde, forderten die Unterzeichner, dass die AfD sich zu einer Volkspartei entwickeln müsse. Dies schließe eine Zusammenarbeit mit Extremisten aus. Deshalb dürfe es keine Kooperation mit der Identitären Bewegung geben. Es müsse auch verhindert werden, dass die AfD ein Auffangbecken für NPD-Mitglieder werde. Die AfD dürfe sich auch nicht radikalisieren.

 

Kandidatin für Berlin-Wahl: Früher taz, jetzt AfD

Die Berliner SPD muss im Wahljahr einen spektakulären Übertritt zur AfD hinnehmen. Sibylle Schmidt, ehrenamtliche Parteifunktionärin mit linkem Lebenslauf, ist aus der SPD ausgetreten und kandidiert zur Abgeordnetenhauswahl im Septem­ber für die AfD. In Kreuzberg bewirbt sie sich um ein Direktmandat.
Das ist ein erstaunlicher Wandel. Schmidt ist Ur­-Kreuzbergerin. In den 1980ern be­trieb sie einen bekannten Konzertclub, war in der Kreuzberger Spaßpartei „KPD/RZ“ aktiv und machte zwischenzeitlich für die taz Marketing. Kurz vor dem Mauerfall organisierte sie in der DDR Punk-Konzerte und eröffnete später in Berlin-Mit­te die „Tanzschule Schmidt“, die in Wirklichkeit ein Club war.

 

Berlin-Friedrichshain: Spaziergänger findet Karten und CDs mit Hakenkreuzen

Ein Mann hat am Samstagmorgen bei der Polizei angezeigt, dass er bei seinem Spaziergang in einem Park im Berliner Stadtteil Friedrichshain gegen 7 Uhr großflächig ausgelegte laminierte Karten und CDs entdeckte, auf denen teilweise Hakenkreuze und volksverhetzende Texte aufgebracht waren. Er sammelte diese Gegenstände ein und brachte der Polizei. Zum Inhalt der CDs konnte die Polizei am Abend noch nichts sagen.

 

Rassismus beim Volksfest: Geldstrafe für Feuerwehrmann

Natürlich hat Dennis G. nicht das Geringste gegen Ausländer. Oder, wie er seinen Anwalt erklären ließ: „gegen Menschen anderer Hautfarbe oder Rasse“. Dass er bei einem Volksfest im nordhessischen Witzenhausen gleich zweimal auf einen aus Nigeria stammenden Arzt losgegangen ist und ihn als „Drecksn*****“ beschimpft hat? Alles halb so wild, erklärte der Verteidiger, und auf keinen Fall ein Hinweis auf eine rechte Gesinnung. „Wenn ihm auf Helgoland ein Bayer auf den Fuß tritt, sagt er auch ‚Scheiß-Bayer‘ – ohne etwas gegen Bayern zu haben.“Das Amtsgericht in Eschwege wollte das freilich nicht ganz so entspannt sehen. Am Dienstag verurteilte es den 28-jährigen Fliesenleger und freiwilligen Feuerwehrmann aus Hannoversch Münden wegen versuchter Körperverletzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 6750 Euro (145 Tagessätze à 45 Euro). Ein 27-Jähriger, der mit ihm das Witzenhäuser Erntefest im August 2015 besucht und dabei nach Überzeugung des Gerichts ebenfalls rassistische Beleidigungen ausgestoßen hat, soll 2100 Euro zahlen (60 Tagessätze à 35 Euro). Beide Männer behielten sich vor, gegen das Urteil Berufung einzulegen.

 

Ausstiegshilfe in Freiburg: Polizei stattet 13 Neonazis Hausbesuche ab

Hausbesuche gegen Rechtsextremismus: Die Polizei hat in den vergangenen Tagen 13 Menschen mit rechtsextremen Bezügen im Großraum Freiburg aufgesucht. Die zehn Männer und drei Frauen im Alter von 18 bis 35 Jahren seien in der Vergangenheit mehrfach aufgefallen, teilte die Polizei am Freitag mit. Die Aktion fand in den Kreisen Breisgau-Hochschwarzwald, Lörrach und Waldshut-Tiengen statt.
Die Beamten hätten die Personen über die Hintergründe und Gefahren des Rechtsextremismus aufgeklärt, hieß es in der Mitteilung. Ziel dieser Gespräche sei es gewesen, den Betroffenen Alternativen und Möglichkeiten eines Ausstiegs aufzuzeigen.

 

Ein Jahr nach den Ausschreitungen in Heidenau: Schwebende Unruhe

Zwei Nächte dauerten die Ausschreitungen vor einem Jahr, 33 Polizisten wurden zum Teil schwer verletzt, Fahrzeuge zerstört, und Heidenau, die Kleinstadt östlich von Dresden, stand auf einmal im Fokus der Weltöffentlichkeit – als Synonym für Fremdenhass und „Dunkeldeutschland“. Angela Merkel wurde bei ihrem Besuch beschimpft und beleidigt; Sigmar Gabriel bezeichnete die Randalierer, und wohlgemerkt nur die Randalierer, als „Pack“. Bis heute wird vor allem bei AfD-Mitgliedern und Pegida-Anhängern die Legende gepflegt, der Vizekanzler habe damit alle Kritiker der Asylpolitik gemeint.
Und heute? „In der Stadt herrscht eine schwebende Unruhe“, sagt der älteste der Vertreter der „Heidenauer Bürgerinitiative“, ein Ur-Heidenauer und Handwerker im Ruhestand, der beinahe jeden im Ort kennt. „Beim nächsten kleinen Anlass kann das hier wieder hochgehen.“ Er kenne Leute, die bei den Krawallen dabei waren, Menschen, von denen er das nie gedacht hätte, und auch nicht, dass sie selbst noch die dümmsten Gerüchte verbreiten, etwa, dass Flüchtlinge für 50 Euro im Supermarkt klauen dürften.

 

Soundtrack eines rechten Gefühls

Die Identitäre Bewegung inszeniert sich als hippe Subkultur, mit "Neofolk" als Begleitmusik. Einblicke in eine fremde Nischenwelt.
Ganz am Ende der Leipziger Straßenbahnlinie 3, Endhaltestelle Knautkleeberg, sieht es schon schwer nach karger sächsischer Countryside aus. Nach rund einem Kilometer Fußmarsch erreicht man den Schlosspark Knauthain, einen mehrfach umgebauten Herrensitz aus dem Jahre 1703, der heute eine Softwarefirma beherbergt und vor dem teure Sportwagen parken. Mittelalterliche Feuerpfannen weisen in der Dämmerung den Weg zum Gelände.
Auf einer von Mauern umfriedeten Wiese steigt das Festival Fire & Sun, neben dem Runes & Men eines der zentralen Treffen des sogenannten Neofolk. Die obskure Nische der Gothic-Szene existiert bereits seit den Achtzigern, ein kontroverses Schattengewächs, das sich inhaltlich zwischen romantischer Naturbetrachtung, schwarzer Esoterik und soldatischem Faschofetischismus bewegt. Die Bands heißen Traum'er Leben, Of The Wand & The Moon, Stein und, als Headliner, Jännerwein. Eine Abendkasse gibt es nicht. Tickets mussten Wochen vorher auf dem Postweg angefordert werden.

 

Wenn Israel-Hass zum Lernziel wird

Hildesheim ist eigentlich eine langweilige Stadt. Nicht der Ort, an dem man eine "Hassfabrik" vermuten würde. Die aber meint der Sprecher des israelischen Außenministeriums in Gestalt der Hildesheimer Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) ausgemacht zu haben: "Das ist keine Universität – das ist eine Hassfabrik", sagte Emanuel Nahson der "Jerusalem Post". Als wollte sie ihn bestätigen, twitterte HAWK-Präsidentin Christiane Dienel zurück: "Wer ist hier die Hassfabrik?" Von Langeweile keine Spur.

 

Berliner AfD-Spitzenkandidat im Interview – Journalist dekonstruiert jede einzelne Aussage

Georg Pazderski, 65, ist ein umgänglicher Mann mit Sinn für System. Das Wahlprogramm der AfD samt Argumenten für seine Thesen hat der Ex-Militär übersichtlich in Spalten auf DIN-A4-Zetteln notiert – die er in der Hosentasche mit sich herumträgt. Er kann sie inzwischen auswendig.
Georg Padzerski: wir schüren keinen Hass, sondern wir sprechen Probleme an und schlagen Lösungen vor. Und über manche Reaktionen darauf muss ich mich schon wundern: Auf dem Christopher-Street-Day hat die AfD ein Plakat mit einem homosexuellen Pärchen gezeigt, daneben steht der Satz, wir möchten so weiterleben wie bisher und haben damit Probleme, wenn bestimmte Leute unsere Homosexualität angreifen. Und was ist dann passiert? Unser Wagen wurde angegriffen, es wurden die Reifen zerstochen, die Plakate heruntergerissen. Da frage ich mich: Wie tolerant sind diejenigen, die von anderen immer Toleranz fordern? Ich würde mir wünschen, dass andere genauso tolerant sind wie wir.

Der Satz auf dem Plakat lautet: „Mein Partner und ich legen keinen Wert auf die Bekanntschaft mit muslimischen Einwanderern, für die unsere Liebe eine Todsünde ist.“ Sie spielen Gruppen gegeneinander aus.

Nein, das tun wir nicht. Wir stellen fest, was Tatsache ist: In manchen muslimischen Ländern steht auf Homosexualität die Todesstrafe. Gerade aus solchen Ländern kommen viele Menschen zu uns, die Homosexualität ablehnen. Auch Übergriffe gab es schon.

 

Neonazis als Dauercamper in Hessen

Nazi-Rock schallte vom Platz eines Dauercampers am Gederner See und er hatte die Reichskriegsflagge gehisst. Am vergangenen Wochenende bekam er auch noch Besuch von Gesinnungsgenossen. Die Stadt Gedern als Campingplatzbetreiber hat dem rechtsextremen Dauercamper gekündigt – aber erst, nachdem eine Familie nachdrücklich auf die Neonazis aufmerksam gemacht hatte.
In einem anonymen Schreiben fragte sie: „Warum werden Nazis als Dauercamper auf dem Campingplatz Gedern geduldet?“ Die Familie war mit ihren Kindern übers Wochenende zum Campen nach Gedern gefahren. Als sie ankam, war auf dem Platz des Dauercampers „die schwarz-weiß-rote Fahne mit stilisiertem Reichsadler gehisst“, schreibt sie. Und weiter: „Wenn man zur Toilette oder zur Dusche wollte, schallte einem schon verfassungsfeindlicher Nazi-Rock von Landser und ähnlichen entgegen.“ Am Wochenende habe er dann auch noch Besuch von anderen Nazis bekommen.

 

Kommentar zu den „Zensur!“-Schreiern: Ach ja, die Meinungsfreiheit

In Deutschland ist die Meinungsfreiheit in Gefahr. Seit  Hassbotschaften, Schmähungen, Diffamierungen, Rufmorde und Morddrohungen das Internet und soziale Netzwerke wie Facebook überschwemmen ist sie in Gefahr wie nie zuvor – bedroht allerdings nur von allen, die dem Hass öffentlich entgegentreten.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) bedroht die Meinungsfreiheit, weil er den Druck auf Facebook erhöht,  Hasskommentare schneller und systematischer als bisher zu löschen. Sie wird von der staatlich geförderten und gemeinnützigen Amadeu-Antonio-Stiftung bedroht, die soeben eine Broschüre mit Hinweisen veröffentlicht hat, wie mit der „Hetze gegen Flüchtlinge in sozialen Medien“ umzugehen sei.
Das ist irre? Zumindest ist es das gemeinsame Credo aller, die kein Pardon mehr kennen, wenn jemand einen Zusammenhang von Flüchtlingsschutz und Menschenwürde behauptet, aller, die die Zurückweisung von Hass und Rufmord zur „Zensur“ erklären. In diesem Lager – präziser wäre: Kampfgemeinschaft – stehen die rechtsradikale Zeitung Junge Freiheit und der Publizist Roland Tichy die islamophobe „Achse des Guten“ um Henryk M. Broder, Anhänger der rechtsextremen „identitären Bewegung“, der auf die Verbreitung von Verschwörungstheorien spezialisierte Kopp-Verlag, der rassistische Blog „politically incorrect“  und  was sich derzeit sonst noch auf dem Markt intellektueller Unredlichkeit und  trostloser Unanständigkeit tummelt.

 

Debattenkultur: Die Rechtspopulisten haben die Linken rhetorisch überholt

Donald Trump hat es schon lange kapiert. Marine Le Pen auch. Norbert Hofer sowieso. Es geht um die Sache mit dem Volk und dem Maul. Trump, Le Pen und Hofer, sie alle halten Reden, die eine mal breitere, mal schmalere Masse der Bevölkerung ansprechen. Die behaupteten Tatsachen mögen fragwürdig sein, ihre Wirkung ist es nicht. Denn Trump, Le Pen, Hofer und die anderen im Club der Populisten erreichen einen beachtlichen Teil der Gesellschaft. Wie kann es sein, dass die Leute einem Hire-and-fire-Kapitalisten wie Trump zutrauen, eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen? Das liegt auch an der Sprache der Populisten.
Wer will, dass sich die Gesellschaft verändert, muss auch die Sprache der Gesellschaft sprechen. Dringlicher formuliert: Schließt die Leute nicht aus! Reißt die soziokulturellen Mauern nieder! Ja, man kann über Geschlechterrollen sprechen, ohne Judith Butler gelesen zu haben. Und ja, man kann auch die Auswüchse des Neoliberalismus kritisieren, ohne "Das Kapital" von Karl Marx durchgeackert zu haben. Aber halt, ein kurzer Einwurf, bevor die Verschwörungstheoretiker-Falle zuschnappt: Ganz sicher ist die Welt zu komplex für einfache Erklärungsmodelle und eindimensionale Argumentationen. Das darf aber keine Ausrede sein, um einen Großteil der Gesellschaft von vornherein auszugrenzen.

 

Die hässliche Fratze des Touristenparadieses: Die extreme Rechte in Kroatien

Mangelnde Sprachkenntnisse können in Kroatien sogar hilfreich sein für Urlauber, die unbeschwerte Erholung suchen. Denn so bleiben für sie zahlreiche Graffiti an den Hauswänden, die sonst die idyllische Stimmung trüben konnten, bloß unbedeutende Schmierereien.
"Serben sollen hängen" oder "Tod den Serben" ist da zu lesen, und nicht selten sieht man ein großes "U" - das Symbol des faschistischen Ustascha-Regimes während des Zweiten Weltkrieges - oder deren Kampfruf "Za dom spremni" ("Für das Vaterland bereit"). Als störend nehmen ausländische Urlauber höchstens die zahlreichen Hakenkreuze wahr, die ihnen auf dem Weg zum Strand oder beim romantischen Abendessen begegnen.
Diese hässliche Fratze des Touristenparadieses ist traditionell rund um den 4. August besonders sichtbar, wenn in Kroatien der Jahrestag der Militäraktion "Oluja" ("Sturm") von 1995 gefeiert wird. Damals eroberte die kroatische Armee in wenigen Tagen die von Serben kontrollierten Gebiete des Landes. Bei der Offensive wurden allerdings auch zahlreiche Morde an serbischen Zivilisten verübt, schätzungsweise 200.000 Serben wurden aus Kroatien vertrieben.

 

Hausverbot auf Russisch

In jüngster Vergangenheit finden im europäischen Raum immer mehr Versuche der Einschüchterung an russlandkritischen Autoren statt. Die involvierten Akteure haben stets Verbindungen zur rechtsextremen Szene.
Boris Reitschuster, langjähriger Moskau-Korrespondent der Zeitschrift Focus und Autor des Buches “Putins verdeckter Krieg", geriet erst kürzlich in das Fadenkreuz des russischen Staatsfernsehens. Er widmet sich seit Jahren der Aufarbeitung russischer Destabilisierungsmechanismen und untersuchte u.a. russische Geldflüsse an rechtsextreme, europäische Organisationen. Während sein Buch in Deutschland nur beiläufig Anklang fand, scheint die Rezeption in Russland eine weitaus Größere zu sein. Erst kürzlich veröffentliche der russische Fernsehsender TWZ eine gegen ihn gerichtete Hetzkampagne.
Auch der WDR-Reporter Hajo Seppelt, der mit seinen Recherchen über den russischen Sportminister Witalij Mutko maßgeblich zur Enthüllung des aktuellen russischen Doping-Skandals beigetragen hatte, wurde jüngst zur Zielscheibe russischer Einschüchterungsversuche.

 

Facebook löscht Video über rechte Attacken bei Demo in Berlin

Ein Video des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Anisemitismus (JFDA) hat in den vergangenen Tagen das Netz bewegt. Es dokumentiert einen Aufmarsch von Rechtsextremen am 30. Juli in Berlin. Laut JFDA wurde es bereits 15.000 Mal angesehen. Doch mittlerweile hat Facebook das Video gelöscht.
Das Video zeigte unter anderem, wie ein Teilnehmer während der Veranstaltung unter dem Motto "Merkel muss weg" wegen des Zeigens eines Hitlergrußes kurzzeitig festgenommen wurde sowie die verbale Attacke auf eine muslimische Familie und das Bedrängen einer Journalistin.  Zudem zeigte es Ausschnitte aus Reden und Parolen, die während des Aufzuges mit rund 1300 Demonstranten skandiert wurden.

 

Entschädigung für tschechische Roma: Ein preisgünstiger Völkermord

Es ist eine längst überfällige Geste, und eine geizige noch dazu: 2.500 Euro Entschädigung erhalten tschechische Roma, die das Grauen der deutschen Konzentrationslager überlebt haben. Hunderttausende Menschen aus ganz Europa fielen aufgrund ihrer „Fremdrassigkeit“ und als „geborene Asoziale“ dem Massenmord der Nazis zum Opfer, darunter viele aus den besetzten Gebieten im Süden und Osten des Kontinents.
Die Justiz der jungen Bundesrepublik leugnete die rassistische Dimension des Verbrechens – mit einer offensichtlich rassistischen Begründung. Die Sinti und Roma hätten schließlich schon immer Anlass gegeben, sie „besonderen Beschränkungen zu unterwerfen“, heißt es in einem Gerichtsurteil von 1956.
Es gibt noch ein gutes Dutzend Überlebende, für die die neue Regelung nun gilt – ein symbolisch großer Schritt, in der konkreten Ausgestaltung jedoch lächerlich. Während die früheren Opfer ihre Familien in den Gaskammern der Konzentrationslager verloren und mit ihren Nachkommen zum Teil in bitterer Armut leben mussten, konnten viele Täter in der Bundesrepublik fast nahtlos an ihre Kriegskarrieren anknüpfen.

 

Bad Nenndorf feiert seinen Sieg über die Neonazis

Seit 13 Uhr hat es geheißen: "Alles Party!" Bad Nenndorf feierte mit Musik, Luftschlangen und Seifenblasenregen seinen Erfolg über die Rechtsextremisten. "Wir haben durchgehalten und jetzt haben wir unsere Bahnhofstraße zurück", rief Sigrid Bade am Mittag freudestrahlend den rund 250 bis 300 "Partygästen" entgegen. Sie gehört zu jenen Bad Nenndorfern, die sich seit vielen Jahren im Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" gegen den Mummenschanz der rechten "Trauermärsche" engagieren.
Erleichterung und Freude über das Fortbleiben der Neonazis, das war am Sonnabend die zentrale Botschaft, die von der Kurstadt ausging. Aber in die Freude mischte sich auch Nachdenklichkeit: "Sie sind nicht hier, aber sie sind auch nicht weg", formulierte Bad Nenndorfs Bürgermeisterin Gudrun Olk (SPD) und rief auf zu Wachsamkeit.

 

„Bierfestival“ in Berlin: Wer hier Bier trinkt, protestiert gegen Rechts

Einerseits will man weltoffen sein auf der Biermeile in Berlin. Andererseits wird dort in diesem Jahr deutsche Reinheit verherrlicht. Geht beides? Ein Besuch auf dem Internationalen Bierfestival 2016.
Nichts kann die Arbeiterpaläste erschüttern, die den Boulevard säumen und schon so viel gesehen haben – proletarisches Aufbauwerk und proletarische Revolte, sozialistische Mai-Paraden und Wende-Demonstrationen, Verfall und Neuanfänge, Hipster und Hartz IV.
Wer an diesem Wochenende das Glas leert, bekennt sich zum Kampf gegen Rechts. Denn die "Biermeile", wie das Festival auch genannt wird, stehe, so heißt es in der Festivalordnung, für Vielfalt und Weltoffenheit. Rassismus, Rechtsextremismus, Gewalt hätten hier keinen Platz, entsprechende Gesinnungsbekundungen sofortigen Platzverweis zu Folge, damit das Bierfestival bleibe, was es sei: Ein bunter und unterhaltender Streifzug durch die friedliche Welt des Bieres.

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