Presseschau 05.11.2014

Nach den Rechten sehen: Polizei zerschlägt Neonazi-Versand im Unterallgäu - nach Anzeige bei Online-Wache +++ Totschlag in Limburg: Ein Tatverdächtiger begeht Selbstmord in Untersuchungshaft +++ Dortmund: Fanbeauftragter wird Opfer einer HoGeSa-Anmeldung .

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Polizei zerschlägt Neonazi-Versand im Unterallgäu - nach Anzeige bei Online-Wache

Ein großer Schlag gegen die Neonazi-Szene ist der Polizei im Unterallgäu gelungen. Wie die Beamten erst gestern bekannt gaben, wurden bereits am 13. Mai 2014 zeitgleich insgesamt acht Wohn- und Geschäftsräume durchsucht, fünf davon im Raum Unterallgäu/Memmingen. Dass die Razzia erst jetzt publik gemacht wurde, hat laut Christian Owsinski vom Polizeipräsidium Süd/West in Kempten ermittlungstaktische Gründe. Im Fokus der Fahnder stand dabei ein 31-jähriger Unterallgäuer, der zu diesem Zeitpunkt von Memmingen aus einen der deutschlandweit größten Versandhandel für rechte Musik und Propaganda-Artikel betrieben hat. Insgesamt geht es nun um über 900 Straftaten. Gleichzeitig hat der Mann laut Polizei eine Führungsfunktion bei einer Skinhead-Gruppierung inne, die im Großraum Memmingen aktiv ist. Nach Informationen unserer Zeitung handelt es sich dabei um „Voice of Anger“ (deutsch: Stimme des Zorns), eine Vereinigung mit 60 bis 80 Mitgliedern im Allgäu, die rechtsextremes Gedankengut pflegt und Agitation betreibt, sich nach Außen aber als Zusammenschluss darstellt, bei dem es rein um gemeinsames Musik hören und Geselligkeit geht. Ins Rollen gekommen sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Kripo Memmingen 2012 wegen eines Hinweises, der über das Kontaktformular der Polizei eingegangen war. Den Beamten wurde mitgeteilt, dass über den Onlineshop ein Pullover mit dem SS-Totenkopf vertrieben werde (Augsburger Allgemeine, II,  BR, schwaebische.de).

Totschlag in Limburg: Ein Tatverdächtiger begeht Selbstmord in Untersuchungshaft

Ein 43-jähriger Gefangener stirbt in Untersuchungshaft - die Ermittler gehen von Suizid aus. Der Mann war einer von drei Tatverdächtigen, die einen Mann aus Ruanda aus rassistischen Gründen totgeschlagen haben sollen. Im Falle des Tatverdächtigen, der sich in der Justizvollzugsanstalt Limburg offenbar das Leben genommen hat, hat die Staatsanwaltschaft eine Obduktion der Leiche angeordnet. Derzeit gehe man stark von einem Suizid aus, sagte der Sprecher. Der Tote ist einer von drei Tatverdächtigen, die vor knapp zwei Wochen einen 55-jährigen Mann aus Ruanda totgeschlagen haben sollen. Das Opfer wohnte in einer städtischen Unterkunft für Wohnungslose– so wie der jetzt Verstorbene und ein weiterer Verdächtiger, der ebenfalls 43 Jahre alt ist. Der dritte Tatverdächtige ist 22 Jahre alt und wohnte offenbar in der Nähe der Unterkunft. Der gewaltsame Tod des Mannes aus Ruanda hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt, weil die Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben einige Hinweise dafür hat, dass die drei Männer ihn aus rassistischen Gründen getötet haben könnten (FR).

Dortmund: Fanbeauftragter wird Opfer einer HoGeSa-Anmeldung 

Unter dem Namen des Fanbeauftragten von Borussia Dortmund, Jens Volke, wurde für kommenden Samstag von bisher unbekannten Tätern eine HoGeSa-Demonstration in Dortmund angemeldet. Volke bestätigte dies gegenüber Faszination Fankurve und erstellte Anzeige bei der Polizei. Die Anmeldung bei der Polizei erfolgte über das Internet. Als Kontaktmail wurde dabei „jjvolke@web.de “ angegeben. Das „jj“ soll für „Juden Jens“ stehen, sagte Volke, der sich von der Aktion in seinem Engagement gegen Rechtsextremismus in Dortmund nicht einschüchtern lassen möchte, gegenüber Faszination Fankurve. Es ist nicht die erste Attacke aus Kreisen rechter BVB-Fans, mit der Volke zu kämpfen hat. Im Februar 2013 wurde er in Donezk von drei rechten BVB-Fans angegriffen (Faszination Fankurve berichtete). Volke entstammt der Ultràgruppe The Unity, der er jahrelang angehörte. Die BVB-Fanabteilung gründete er mit, bevor er 2007 sein Amt beim BVB antrat. Dort macht er sich seit Jahren gegen Rassismus stark (faszination-fankurve.de).

„Nicht hassen. Ich will nicht werden wie die“

Abdulkerim Şimşek ist 13 Jahre alt, als die Terroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) seinem Vater Enver in den Kopf schießen. Der Teenager muss erleben, wie über Jahre acht weitere Männer türkischer und griechischer Herkunft ermordet werden. Immer mit derselben Waffe. Am Ende stirbt noch eine deutsche Polizistin. Die Ermittler schließen einen rechtsextremen Hintergrund beharrlich aus, belügen und verdächtigen die Opferfamilien. Enver Şimşeks Sohn wird 2012 trotzdem deutscher Staatsbürger. Ein bewusster Schritt. Ein Jahr nach dem Bekanntwerden des NSU. Davon erzählt er in einem beeindruckenden Buch, das an diesem Dienstag erscheint (Yahoo Nachrichten).

NSU-Jahrestag: Der rassistische Blick

Drei Jahre NSU-Skandal und kaum etwas hat sich geändert. Der Ausländer ist immer verdächtig, der Deutsche allenfalls ein Einzeltäter. Kommentar in der taz.

NSU-Prozess: Zschäpe meldete sich zum NSU-Jahrestag krank

Die mit Spannung erwartete Vernehmung des früheren V-Manns «Piatto» im NSU-Prozess ist am Dienstag ausgefallen. Das Gericht hat den Verhandlungstag wegen Erkrankung der Hauptangeklagten Beate Zschäpe abgesagt. Am 4. November vor drei Jahren nahmen sich ihre beiden Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Eisenach das Leben, sie selbst steckte die Fluchtwohnung in Zwickau in Brand (radio-bamberg).

Zobes: Ein Dorf sieht braun

Die Anmeldung kam aus Dortmund, und sie löste bei den Behörden im Vogtlandkreis hektische Betriebsamkeit aus: Eine "Versammlung" mit bis zu 1.000 Teilnehmern soll am Samstag in Zobes, einem Ortsteil der Gemeinde Neuensalz, über die Bühne gehen. Veranstalter sind die Landesverbände Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg der extremistischen Partei Die Rechte. Deren Funktionäre waren maßgeblich an der Anti-Salafisten-Demonstration beteiligt, die am 26. Oktober in Köln eskalierte. Nun wollen sie am Rande eines Vogtland-Dorfs mit 400 Einwohnern Sachsens größtes Rechtsrock-Konzert der letzten Jahre veranstalten. Warum Zobes? Das Dorf war schon im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen geraten. Damals konnten die Jungen Nationaldemokraten dort auf einer Wiese am Ortsrand ihren "Sachsentag" mit Auftritten mehrerer Rechtsrock-Bands abhalten. Ein paar linke Aktivisten hängten Protestplakate auf, ansonsten blieben die gut 700 Neonazis unbehelligt. Das Grundstück, das nun erneut an Rechtsextremisten vermietet wurde, gehört einem Mann, dessen Ehefrau Beatrix Rink für die NPD im vogtländischen Kreistag sitzt. Die Stadt will die Veranstaltung nun verbieten - doch das scheiterte auch beim Nazi-Konzert 2013 schon (Freie Presse).

Aufgedeckt: Neonazis als Sicherheitsleute?

Sicherheitsdienste stehen immer wieder in der Kritik, oft wegen Gewalttätigkeiten: Jüngst sorgten Misshandlungsfälle in Flüchtlingsunterkünften in Nordrhein-Westfalen durch Sicherheitsleute für Aufsehen. Nun zeigen Recherchen von Panorama 3, dass ein Hamburger Sicherheitsdienstleister Verbindungen in die rechte Szene hat. Sie sollen für Recht und Ordnung im Einkaufszentrum im Hamburger Stadtteil Steilshoop sorgen: Wachleute des Deutschen Sicherheitsdienstes DSD im Auftrag der Leitung des Einkaufszentrums. Sie treten in Uniformen auf, sprechen mit Besuchern. Die Kunden des Einkaufszentrums ahnen nicht, wer dort für ihre Sicherheit verantwortlich ist. Denn nicht nur im Einkaufszentrum geht der DSD auf Streife: Als sich Anfang August rund 200 Rechtsextremisten in Thüringen versammelten, tauchte auch der DSD auf. In den Gebäuden des vom Verfassungsschutz beobachteten Vereins "Gedächtnisstätte" treffen sich bekannte Köpfe der europäischen Holocaustleugner-Szene. Als "Saalschutz" war der DSD aus Hamburg angereist. (NDR).

10 Jahre nach dem Tod von Thomas “Schmuddel” Schulz planen Nazis ein Konzert

Am 28. März 2015 jährt sich der Tod des Punkers Thomas “Schmuddel” Schulz zum zehnten Mal. Der Vorsitzende, der neonazistische Partei “Die Rechte”, Christian Worch, hat für diesen Tag ein Rechtsrockkonzert unter dem Titel “Rock für Dortmund”, auf dem Dorstfelder Wilhemplatz, angemeldet (Ruhrbarone, DerWesten).

Waffen in schlechten Händen

Er musste seine drei Waffen - eine Pistole, einen Revolver, ein Gewehr - abgeben. Grund: Der Verfassungsschutz rechnete den NPD-Sympathisanten der rechtsextremen Szene zu. Der Rosenheimer bestritt dies, klagte gegen den Bescheid der Stadt - allerdings ohne Erfolg. Seit ein paar Tagen hat das Urteil des Verwaltungsgerichts München Rechtskraft (ovb-online.de).

Nazidemo zieht ungestört durch Marzahn

Weitgehend ungestört sind rund 270 Neonazis am Montagabend durch Marzahn gezogen. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und den wenigen Gegendemonstranten. Veranstaltet hatte den Aufzug die Partei „Die Rechte“. Sie machte sich die vorangegangene Mobilisierung zu einer entsprechenden Demo zunutze, die Anwohner angemeldet aber dann wieder abgesagt hatten. Die Demo richtete sich gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft. An der Schönagelstraße soll ein Containerdorf für rund 400 Flüchtlinge entstehen. Nach Angaben von Augenzeugen skandierten die Neonazis ausländerfeindliche und zum Teil auch volksverhetzende Parolen wie unter anderem "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus". Gegen 21.30 Uhr erklärte der Anmelder den Aufzug für beendet (Berliner Zeitung).

Sachsen-Anhalt-Monitor 2014: Rechtsextreme Einstellungen finden geringe Resonanz

Rechtsextremistische Einstellungen haben in Sachsen-Anhalt insgesamt einen eher geringen Resonanzboden. Damit bestätigt sich für die Wissenschaftler die Beobachtung der Vorjahre. So sind beispielsweise die seit 2007 erhobenen Einstellungen zu Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus weiterhin leicht zurückgegangen – und fallen teilweise sogar geringer aus als in Westdeutschland (mdr).

Dillenburg: Gericht verhandelt Mahnmal- und Friedhofsschändungen 

Vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Dillenburg sind am Dienstag die Schändungen des jüdischen Mahnmals in Bad Berleburg und am jüdischen Teil des Hermelsbacher Friedhofs am 9. November 2013 verhandelt worden. Angeklagt wegen Volksverhetzung sind zwei Männer: Robin S. (25) und Maik H. (23) aus Siegen. Ihnen wird Volksverhetzung in mehreren Fällen vorgeworfen. Nach acht Stunden wurde die Verhandlung vertagt. Laut Aussage eines Polizisten hat sich in Südwestfalen und in Nordhessen eine rechte Szene etabliert, die bundesweit aktiv ist (DerWesten).

Tirol: Streit mit Asylwerber löste Angriff am Bürglkopf aus

Dummheit oder Ausländerfeindlichkeit? Wenige Tage nach dem Angriff auf das Asylwerberheim Bürglkopf in Fieberbrunn ist die Antwort für die Polizei klar, der Fall gelöst. Vier junge Burschen aus dem Bezirk Kitzbühel, sie sind 17, 18, 19 und 21 Jahre alt, haben gestanden, in der Nacht zum 29. Oktober Knallkörper und ausländerfeindliche Parolen gegen das Heim gerichtet zu haben. Für die Ermittler besteht kein rechtsradikaler Hintergrund für die Tat. Dahinter stecke auch keine ausländerfeindliche Gruppierung. Dummheit oder Ausländerfeindlichkeit? Für Reinhold Gärtner, Politologe und Experte an der Universität Innsbruck, trifft auf die vier Betroffenen „beides“ zu. Denn: „Wieso bedrohe ich sonst eine ganze Gruppe an Menschen, anstatt es mit einem einzelnen, der mit etwas getan hat, persönlich zu klären?“, wirft Gärtner eine Frage zum Hintergrund der Tat auf. Denn Auslöser, so die vier jungen Männer, war ein Streit mit einem Asylwerber fünf Tage vorher in einem Nachtlokal in Fieberbrunn. Dabei wurde dem 17-Jährigen sein Handy gestohlen. Der Fall wurde angezeigt – ein Verdächtiger aus Tunesien, der im Asylheim untergebracht war, ausgeforscht. Doch dieser Mann ist mittlerweile gar nicht mehr dort untergebracht, wie Bezirkspolizeikommandant Martin Reisenzein gestern erklärte (tt).

 

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