Presseschau ... 05.04.2017

+++ Bornheim (NRW): Täter schießen Stahlkugeln auf Flüchtlingsunterkunft +++ Pegida in Dresden: Hitlergruß und Nebeltopf +++ Antisemitismus in Berlin: "Zeige niemals, dass du Jude bist" +++

 

Bornheim (NRW): Täter schießen Stahlkugeln auf Flüchtlingsunterkunft

Bislang unbekannte Täter haben mit Stahlkugeln auf eine Flüchtlingsunterkunft in Bornheim-Walberberg geschossen. Eine Zeugin meldete der Polizei Schäden am Haus, jetzt ermittelt der Staatsschutz. Nach bisherigen Erkenntnissen hat sich die Tat in der Nach von Samstag auf Sonntag ereignet. Die Kriminalpolizei geht davon aus, dass die Kugeln mit einer Schleuder oder ähnlichem abgeschossen wurden. Zu dem Zeitpunkt hätten sich mehrere Bewohner in dem Haus aufgehalten. Diese hätten nach dem Vorfall umgehend nachgeschaut, allerdings keine Personen gesehen oder ungewöhnliche Beobachtungen gemacht.

 

Pegida in Dresden: Hitlergruß und Nebeltopf

Die Polizei hatte auch am Montagabend wieder alle Hände voll zu tun. In der Dresdner Innenstadt kam es erneut zum Auflauf von PEGIDA und mehreren Gegendemonstrationen. Ein Marsch von Gegendemonstranten musste stoppen, weil ein 22-Jähriger aus einer Straßenbahn heraus den Hitlergruß in Richtung der Demonstranten zeigte. Und noch ein Dresdner muss sich nun wegen des Zeigens des Hitlergrußes verantworten. Der 20-Jährige wurde auf der Augustusbrücke von den Beamten festgenommen.

 

Antisemitismus in Berlin: "Zeige niemals, dass du Jude bist"

„Du darfst in der Öffentlichkeit niemals zeigen, dass du Jude bist.“ Diese letzten Worte seines Großvaters hat Levi Salomon tief verinnerlicht. Der Geschäftsführer des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) zeigt sich nach den antisemitischen Vorfällen an einer Friedenauer Gemeinschaftsschule beunruhigt. Denn die Warnung seines Großvaters ist heute für viele Juden in Berlin wieder bittere Realität. Die antisemitischen Übergriffe an einer Friedenauer Schule sind kein Einzelfall. 2016 wurden allein in Berlin 470 judenfeindliche Vorfälle gezählt.

 

Gruppe Freital: NPD-Abgeordneter als Helfer der Terrorgruppe

Alle Blicke im Saal wenden sich zur Tür, als der Vorsitzende Richter an diesem Märzmorgen um kurz vor elf Uhr den nächsten Zeugen aufruft: "Herr A., bitte!" Es dauert einen Moment, dann betritt Dirk A. den Gerichtssaal. Ein bulliger Kerl in Armyhose und Kapuzenpulli, das olivgrüne Lonsdale-Basecap hat er abgenommen, man sieht sein fleischiges Gesicht und die schütteren ergrauenden Haare. Sie sind millimeterkurz geschnitten. A. ist 39 Jahre alt, kommt aus Freital und arbeitet als Kurierdienstfahrer. Dirk A. ist außerdem NPD-Mitglied und seit 2014 Stadtrat in dem sächsischen Ort nahe Dresden. Und er weiß viel über die Terrorgruppe Freital. Der Stadtrat hat die mutmaßlichen Terroristen mit Informationen versorgt. Er spähte für sie Ziele aus und hetzte sie auf politische Gegner.

 

Villingen-Schwenninngen: Darf die Stadt einen Neonazi beschäftigen?

Villingen-Schwenningen - Darf eine Stadtverwaltung einen Neonazi beschäftigen? Diese unbequeme Frage muss sich Oberbürgermeister Rupert Kubon gefallen lassen. Unter "seinen" 1400 Mitarbeitern befindet sich ein in der Region führender Kopf der Neonazi-Partei "Der III. Weg". Aus seiner tiefrechten Gesinnung macht der Mann keinen Hehl. Regelmäßig taucht er bei entsprechenden Veranstaltungen auf. Sein Geld aber verdient er bei der Stadt Villingen-Schwenningen. Die weicht auf Nachfrage aus.

 

Neuruppin: Freispruch für Neonazis nach Wohnungsüberfall

Nach mehrtägigen Verhandlungen endete gestern vor dem Neuruppiner Amtsgericht ein Prozess gegen drei Neonazis aus Wittstock/Dosse(Landkreis Ostprignitz-Ruppin, Brandenburg) mit Freisprüchen. Den Angeklagten war gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung vorgeworfen worden. Sie sollen im Februar 2015 in die Wohnung eines Linksalternativen in Wittstock/Dosse eingedrungen sein und den 22 Jährigen physisch misshandelt haben. Die angeklagten Neonazis gelten als gewaltbereite „Autonome Nationalisten“ und fielen in der Vergangenheit immer wieder bei Neonaziaufmärschen auf, einer von ihnen war zusätzlich von einer Polizeirazzia im Zuges des Verbotes der „Weisse Wölfe Terrorcrew“ (WWT) im Frühjahr 2016 betroffen. Einer der Angeklagten, Pierre S., sitzt zurzeit außerdem wegen anderer Straftaten in Haft. Im Fall des Wohnungsüberfalls reichten die Indizien gegen ihn und die beiden Mitangeklagten allerdings nicht aus. Das Gericht sprach die Angeklagten deshalb frei.

 

600 Euro Geldstrafe für Mordaufruf gegen Flüchtlinge auf Facebook

„Dreckspack! Auswandern und Verbrennen“ – so hatte ein 25-Jähriger im Juni 2016 einen Artikel auf der Facebook-Seite unserer Zeitung kommentiert. Für diesen Satz zu einer Schlägerei unter Flüchtlingen wurde der Fuldaer am Montag vor dem Amtsgericht zu einer Geldstrafe verurteilt. Es war nicht das erste Mal, dass der 25-Jährige sich öffentlich derartig geäußert hatte. „Ich weiß nicht, warum ich das geschrieben habe. Ich habe nicht nachgedacht. Ich würde es am liebsten ungeschehen machen“, sagte der Angeklagte gestern. Er kam ohne Anwalt zur Verhandlung, gab beide Taten sofort zu. Der 25-jährige Arbeitslose wurde wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 15 Euro verurteilt.

 

"Reichsbürger" von Georgensgmünd wird wegen Polizistenmordes angeklagt

Knapp ein halbes Jahr nach den tödlichen Schüssen auf einen Polizisten im fränkischen Georgensgmünd hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den mutmaßlichen Todesschützen erhoben. Wolfgang P., der zu den so genannten "Reichsbürgern" gehören soll", werden unter anderem Mord und versuchter Mord vorgeworfen, wie die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth mitteilte. Angeklagt wird auch ein Polizeibeamter. Nach Überzeugung der Anklage hätte der Beamte die Schüsse verhindern können.

 

Bachmann bietet Pegida als AfD-Plattform an

Pegida-Frontmann Lutz Bachmann bietet das islam- und asylfeindliche Bündnis als Plattform für den AfD-Wahlkampf an. Nachdem die Sachsen-AfD auf ihrem Parteitag in Weinböhla am Wochenende beschlossen habe, dass AfD-Mitglieder bei Pegida sprechen dürfen, erwarte er im Wahljahr eine Vielzahl von Auftritten. 2.000 Menschen erschienen im Montag bei Pegida in Dresden. Bachmann beleidigte auf der Versammlung  im Bundestag sitzende Politiker als „hochkriminellen Abschaum“.

 

„Demo für alle“: Homofeindliche Bewegung kehrt nach Wiesbaden zurück

Rund ein halbes Jahr nach der letzten "Demo für alle" kehrt die homofeindliche Bewegung nach Wiesbaden zurück: Im Kurhaus der hessischen Landeshauptstadt will sie am 6. Mai ein Symposium "Sexualpädagogik der Vielfalt. Kritik einer herrschenden Lehre" abhalten. Bereits im Januar 2016 hatte das von Hedwig von Beverfoerde angeführte Protestbündnis einen vermeintlich wissenschaftlichen Kongress in Stuttgart abgehalten, in dem Redner betonten, dass "Homosexualität generationenblind und lebensfeindlich ist" und eine "Pädophilenpropaganda im Unterricht" abzulehnen sei

 

Mord an Burak B. vor fünf Jahren: Gedenken und Forderungen

Fünf Jahre nach dem Mord an dem 22 Jahre alten Burak B. in Berlin-Neukölln ist die Tat noch nicht aufgeklärt. Angehörige und Freunde des Opfers treffen sich am Mittwochabend zu einer Gedenkkundgebung am Tatort. Dort wollen sie auch einen Grundstein für eine Gedenkskulptur legen. Für den Vormittag ist eine Pressekonferenz angekündigt.

 

Thüringen: Pfeffersprayende Bereitschaftspolizei und heftige Parteien-Kritik

Nicht nur im Internet haben die Fotos für teils harsche Kritik gesorgt, die zeigen, wie Thüringer Polizisten in Sonneberg Pfefferspray gegen Demonstranten einsetzten. Die Sache beschäftigt nun interne Polizeiermittler ebenso wie die Staatsanwaltschaft.

 

Schule und Diskriminierung: Wo fängt Rassismus an?

Dienstagnachmittag an der „Berufsbildenden Schule 2“ in Hannover: „Rassistische Äußerungen höre ich in meinem Betrieb oft“, erzählt Kai Wellhausen, angehender Fleischer. „Wenn ich dann frage: ‚Hast du schlechte Erfahrungen mit Ausländern gemacht?‘, ist die Antwort meistens: ‚Nö, ich mag die einfach nicht.‘“ Die Zustimmung seiner Mitschüler*innen zeigt, dass nicht nur er solche Erfahrungen gemacht hat. Um sich dem Thema zu stellen, ist die Schule seit 2015 Teil des deutschlandweiten Projekts „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“.

 

Der alltägliche Antisemitismus kehrt zurück

Ein jüdischer 14-jähriger Junge wird in einer Berliner Schule monatelang von muslimischen Mitschülern derart gemobbt, dass ihn die Eltern aus der Schule nehmen müssen. Dieser Fall ist am Wochenende bekanntgeworden – und es ist keineswegs der einzige antisemitische Vorfall der letzten Wochen. Solch alltägliche Erscheinungsformen des Antisemitismus haben nach Angaben Betroffener wie auch von Hilfsorganisationen in den vergangenen ein bis zwei Jahren zugenommen. In der Polizeistatistik wird das allerdings nicht sichtbar.

 

Plattform „Unzensuriert“: Die rechte Blase im Netz wächst

"Ein digitales Kampfmedium", sagt Ingrid Brodnig, österreichische Journalistin und Buchautorin ("Hass im Netz") über die Plattform "unzensuriert.at". Geschichten über Migranten oder auch unliebsame Journalisten seien dort zu lesen, keine Fake News im klassischen Sinne, aber meist tendenziösen Inhalts. Oft werde nur eine Seite der Geschichte erzählt "und kräftig zugespitzt". Die Macher seien eng verknüpft mit der rechtspopulistischen FPÖ.

 

Wie eine Frauenseite rechte Propaganda als weibliche Selbstermächtigung verkauft

Es geht um Urlaub, um Kochrezepte, um die stylischsten Outfits fürs Büro. Vor allem aber um alleinerziehende Mütter und fremdgehende Männer. Hin und wieder beschäftigt sich ein Artikel mit politischen Themen, vordergründig jedoch liest sich „Frauenpanorama.de“ wie ein 101 Guide für Single-Mütter, die von ihren Männern sitzengelassen wurden. Kaum merklich kommen nicht nur semi-professionelle Krimi-Autorinnen und Start-Up-Gründerinnen zu Wort, sondern auch gut organisierte Neonazi-Kader. So alternativ und emanzipiert sich das "Frauenmagazin" auch gibt, die Inhalte offenbaren sich vor allem als populistisch und antidemokratisch.

 

Kommentar: Antisemitismus? Nicht unser Problem

An einer Berliner Schule ist ein jüdischer Schüler beleidigt worden. Jetzt hat er die Schule verlassen. Die Deutschen sind gut im Gedenken, aber bei Alltagsantisemitismus schauen sie lieber weg, meint Kolumnistin Katja Bauer.

 

Political Correctness: Sprach-Zensur oder sprachliche Zivilisation?

Über die politisch korrekte Nutzung von Sprache wird immer wieder wild diskutiert. Eigentlich soll sie die Diskriminierung von Minderheiten und Unterdrückten verhindern. Werden die Regeln aber zu starr, können sie geradezu neurotische Züge annehmen, sagen Experten.

 

Gesetz gegen Hassrede: So will Maas Facebook und Co. büßen lassen

Will Heiko Maas soziale Netzwerke zu Zensurmaschinen machen? Sein Gesetz gegen Hassrede gerät von allen Seiten unter Beschuss. Die Bundesregierung wird es jetzt trotzdem beschließen, mit einer interessanten Änderung.

 

Bus-Mahnmal kommt nach Berlin

Zwei Monate nach seiner heftig umstrittenen Errichtung ist ein aus Schrott-Bussen bestehendes Friedensmahnmal vor der Dresdner Frauenkirche abgebaut und nach Berlin transportiert worden. Hier soll die Skulptur ab November zu sehen sein. Die aus drei senkrecht stehenden Buswracks geformte Skulptur des deutsch-syrischen Künstlers Manaf Halbouni erinnert an das zerstörte Aleppo und bezieht sich auf ein Bild aus der syrischen Stadt, das im März 2015 um die Welt ging. Dort waren die Busse als Schutz vor Heckenschützen aufgestellt worden, Bewohner der vom Bürgerkrieg zerstörten Stadt hatten sich dahinter in Sicherheit gebracht.

 

Verden: Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus hat ihre Arbeit aufgenommen

Sein Büro hat Brandstetter zwar in der Koordinierungsstelle von Wabe in Verden. Beim Weser-Aller-Bündnis: Engagiert für Demokratie und Zivilcourage am Holzmarkt wird der 38-jährige Hamburger aber die wenigste Zeit anzutreffen sein. Denn sein Einsatzgebiet umfasst 13 Landkreise, reicht von Cuxhaven bis Schaumburg und von Osterholz bis Lüchow-Dannenberg. Nicht weniger klein ist das Handlungsfeld von Marc Brandstetter. „Ich bin Ansprechpartner bei Fragen zum Rechtsextremismus“, fasst er es zusammen.

 

Völkermord-Klage der Herero: „Für Deutschland ein Desaster“

Vor einem New Yorker Bezirksgericht läuft seit Mitte März ein besonderes Verfahren: Der Herero-Führer Vekuii Rukoro verklagt Deutschland wegen des Völkermords an seinen Vorfahren im heutigen Namibia. Im Jahr 1904 hatten deutsche Schutztruppen in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika den Widerstand der Herero blutig niedergeschlagen. Die Soldaten trieben Tausende Angehörige des Volkes in die Wüste Omahek, wo sie verdursteten. Beobachter des New Yorker Verfahrens hatten damit gerechnet, dass sich das Gericht für nicht zuständig erklären würde. Doch Bundesrichterin Laura Taylor Swain überraschte: Sie bemängelte, dass kein Vertreter der Bundesrepublik Deutschland anwesend war und setzte einen neuen Gerichtstermin für Juli an.

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