Presseschau ... 02.08.2018

Das steckt wirklich hinter der Neonazi-Feindesliste, auf der 25.000 Menschen stehen +++ Zentralrat der Juden bestürzt über Wehrhahn-Urteil +++ Nach antisemitischen Thesen in der Thüringer Allgemeine: Autorin darf nicht mehr für Funke-Zeitungen schreiben +++ Rechtsextremismus: Ungebrochene Solidarität mit „Wolle“ +++ #MeTwo: Aufschrei einer Generation +++ Umgang mit Rassismus: Wisch und weg?!? +++ Studie: Antisemitismus bei Migrant*innen? +++ Niedersachsen: AfD will gegen Gedenkstättengesetz klagen +++ Wie sich die AfD aus der Magnus-Hirschfeld-Stiftung heraushalten lässt +++ Hitler-Attentäter ein "Verräter": AfD-Jungpolitiker empört mit Facebook-Beitrag +++ Skandal bei Brandenburger AfD: Abgeordneter beschäftigt angeblich dienstunfähige Ex-Polizistin +++ AFD-Treffen Bad Homburg: Wo sich der Kreis schließt +++ AfD-Akademikerverband geplatzt: Kritische Öffentlichkeit unerwünscht +++ Rechtsextremismus: Weiterhin hohe Gewaltbereitschaft im Norden +++ Hakenkreuz-Shirt: Rechte Partei verklagt Klum-Freund +++ Jeder Faschismus ist anders +++ Was Flüchtlinge im Ankerzentrum erwartet +++ Die Tür zum Familiennachzug ist nur einen Spalt weit offen +++ Reichsbürger in Memmingen vor Gericht: Drohung, Nötigung und „krude Gedanken“ +++ Keine Fluglizenz für Reichsbürger +++ Rechte Paranoia: Darum statten sich viele Reichsbürger mit Waffen aus +++ Österreich: Wiener Soziologe wehrt sich gegen Gewaltvorwurf von Identitären-Medium "Info-Direkt" +++ Ex-Neonazi: Früher habe ich Ausländer verprügelt, heute rette ich ihr Leben +++ Leichtathletik: Schweizer Sprinter gesperrt wegen rassistischer Facebook-Post +++ Sprachkritik: Deutsch-Rechts/Rechts-Deutsch

 

Das steckt wirklich hinter der Neonazi-Feindesliste, auf der 25.000 Menschen stehen

Es klingt extrem gefährlich: Deutsche Rechtsextremisten führen schon mindestens seit NSU-Zeiten Listen mit Tausenden Menschen, die sie zu "Feinden" erklärt haben. "Seit 2011", schreibt zum Beispiel Spiegel Online, "fanden die Sicherheitsbehörden bei Razzien und Festnahmen in der rechtsextremen Szene immer wieder Schreiben, auf denen mehr als 25.000 Personen mit Namen, Telefonnummern und Adresse als 'Feinde' aufgeführt waren." In Wirklichkeit sind es allerdings drei Listen mit 35.000 Namen: Die Listen stammten aus Ermittlungen gegen den rechtsterroristischen NSU, gegen den terrorverdächtigen Bundeswehr-Soldaten Franco A. und gegen Mitglieder der rechten Prepper-Gruppierung "Nordkreuz".

Bedrohung durch Rechtsextreme: Als ich auf einer Liste stand

 

Zentralrat der Juden bestürzt über Wehrhahn-Urteil

18 Jahre nach dem Bombenanschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn hat das Landgericht Düsseldorf ein Urteil gefällt. Der Angeklagte Ralf S. wurde freigesprochen. Die Beweise hätten nicht für eine Verurteilung gereicht, sagte der Richter. (BTN berichtete). Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat mit Bestürzung auf den Freispruch reagiert. „Das Urteil des Landgerichts Düsseldorf im Wehrhahn-Prozess hat mich bestürzt“, sagte Schuster unserer Redaktion. Auch wenn er den Freispruch des Angeklagten nicht nachvollziehen könne, so respektiere er die Entscheidung des Gerichts, sagte er. „18 Jahre nach dem Anschlag auf jüdische Sprachschüler in Düsseldorf-Wehrhahn werden die Täter noch immer nicht zur Rechenschaft gezogen“, beklagte Schuster. „Das ist nicht nur schmerzhaft sondern zutiefst enttäuschend.“ Jetzt müsse umso intensiver weiterermittelt werden, um den oder die Täter zu überführen, forderte der Präsident des Zentralrats der Juden.

Kritik übt „NSU Watch NRW“ an der Darstellung der „Tagesschau“, dass Ralf S. aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde. Die Initiative unterstellt, dass Wesentliches im Ermittlungs- und Strafverfahren fehlte – von der Beweiswürdigung bis zur Einschätzung der Person des Angeklagten. „NSU Watch NRW“ wirft den Ermittlern des Anschlages vom 27.7.2000 vor schlampig gearbeitet zu haben und Ermittlungsergebnisse nicht richtig miteinander in Beziehung gesetzt zu haben. Zudem hätten die Ermittler die rechte Szene in Düsseldorf falsch eingeschätzt und Zusammenhänge verharmlost. Dass ein Indizienprozess, 18 Jahre nach der Tat, der sich vor allem auf die Aussagen von Zeugen stützt und deren Erinnerungen und Aussage-Verhalten in Zweifel zieht, weil sie sich nach so langer Zeit nicht mehr kongruent an ihre Aussagen vor mehr als einem Jahrzehnt erinnern, mit dem Freispruch endete, bezeichnet „NSU Watch NRW“ als „bitter“.

Kommentar: Lügen schützt vor Strafe 

 Dass Ralf S. nicht verurteilt wurde, liegt an zwei Faktoren. Erstens, er hatte sich als dauerlügender Dummkopf präsentiert. Das Gericht zweifelte einfach an seinen Geständnissen. Zweitens, vor 18 Jahren, als der Anschlag begangen wurde, war nur schlampig ermittelt worden. An rechten Terror aus Düsseldorf glaubten die Ermittler nicht. 

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1095943.wehrhahn-prozess-luegen-schuetzt-vor-strafe.html

 

Nach antisemitischen Thesen in der Thüringer Allgemeine: Autorin darf nicht mehr für Funke-Zeitungen schreiben

Die antisemitischen Einlassungen in einem Beitrag der Thüringer Allgemeine (TA) ziehen größere Kreise. Gegenüber MEEDIA hat sich nun die Funke-Gruppe zu der Kritik geäußert. Die Autorin dürfe in Zukunft nicht mehr in den Zeitungen der Gruppe publizieren. Derweil stößt die Krisenbewältigung des Blattes auf Zuspruch bei Kollegen und Organisationen. Die Thüringer Allgemeine veröffentlichte vergangene Woche einen Artikel über das Eröffnungskonzert des “Yiddish Summer” in Weimar, einem Musikfest über die traditionelle jiddische Kultur. Doch die Autorin Ursula Mielke ließ sich in ihrem Beitrag zu polemischen Äußerungen über das Festival und dessen Leiter Alan Bern hinreißen. Dass das Festival in Weimar stattfand und hierzulande überhaupt finanziert würde, hängt nach ihrer Ansicht mit Deutschlands “humanitären Schulden aus dem Zweiten Weltkrieg” zusammen. Nachdem sich bereits der Chefredakteur der Thüringer Allgemeine, Johannes M. Fischer, in seiner Kolummne wortreich für den Beitrag entschuldigte (“Er hätte nie erscheinen dürfen”), reagiert nun auch die Funke-Mediengruppe in einem Statement.

 

Rechtsextremismus: Ungebrochene Solidarität mit „Wolle“

In der rechtsextremen Szene genießt der im Münchner NSU-Prozess wegen Beihilfe zum Mord verurteilte Ralf Wohlleben Heldenstatus. Bereits fünf Tage nachdem Ralf Wohlleben aus der Haft entlassen wurde, taucht im Internet ein Lied auf, indem der Rechtsextremist wie ein Held gefeiert wird. Sänger ist der rechte Liedermacher „Fylgien“ aus dem brandenburgischen Templin, der Künstlername von Sebastian Döhring. Der Titel des Stücks lautet „Du bist zurück (für Wolle)“. Damit tritt genau das ein, was Beobachter bereits prophezeit haben: Die rechte Szene huldigt den im gesamten NSU-Prozess seinen Gesinnungsgenossen nie abschwörenden „Wolle“ (Wohlleben) und verleiht ihm Heldenstatus.

 

#MeTwo: Aufschrei einer Generation

Tausende Menschen teilen unter dem Hashtag #MeTwo ihre Erfahrungen mit Alltagsrassismus in sozialen Medien. Längst geht es dabei nicht mehr nur um die Entscheidung eines Fußballers. „Habe bisher nichts zu #MeTwo getextet. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll“, hatte Sawsan Chebli (SPD) am Wochenende noch getwittert. Doch jetzt ist es genug. In den letzten Tagen überschlugen sich die #MeTwo-Tweets – und die rechte Hetze dagegen. Beleidigungen, wie sie auch gegen Chebli aufgrund ihrer Herkunft im Netz verbreitet werden – „palästinensischstämmige islamische SPD-Sprechpuppe“ und „Schaf im Wolfspelz“ sind harmlosere – lesen sich infam. „Dass die traurigen Erfahrungen, die Menschen hierzulande machen, als Gejammer abgetan werden, ist beschämend für unser Land“, sagt Sawsan Chebli im Interview mit dem „vorwärts“.

 

Umgang mit Rassismus: Wisch und weg?!?

Niedermachen statt prüfen: Es scheint für manche naheliegender, dass sich Menschen Rassismus einbilden, als dass sie ihn selbst nicht mitbekommen. Dieses Beiseitewischen ist Teil des Problems.

 

Studie: Antisemitismus bei Migrant*innen?

Die These, dass die steigende Migration nach Europa auch einen Anstieg eines muslimischen Antisemitismus mit sich bringe, ist zuletzt wiederholt geäußert worden. Eine internationale Studie geht dem auf den Grund.

In fünf Ländern Europas, darunter Deutschland, gab es laut einer Studie keinen Anstieg von Antisemitismus durch die Einwanderung von Muslimen. Judenfeindlichkeit sei ein Problem in der Mehrheitsbevölkerung, das nicht überwiegend von Minderheiten herrühre.

 

Niedersachsen: AfD will gegen Gedenkstättengesetz klagen

Schoa-Überlebende hatten gegen den Einzug der rechtsextremen Partei in den Stiftungsrat protestiert. AfD in Niedersachsen will mit einer Klage gegen den Landtag gegen das geänderte Gesetz über die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten vorgehen. Die Partei sieht sich durch die Gesetzesänderung aus dem Stiftungsrat ausgeschlossen und dadurch den Gleichbehandlungsgrundsatz ausgehebelt. »Deshalb hat die AfD-Fraktion im niedersächsischen Landtag am Montag eine Organklage am Staatsgerichtshof Bückeburg eingereicht«, teilte die Fraktionsvorsitzende Dana Guth in Hannover mit. Der Landtag hatte im Februar das Stiftungsgesetz geändert, damit fällt der AfD nicht automatisch ein Sitz im Stiftungsrat zu (BTN berichtete).

 

Wie sich die AfD aus der Magnus-Hirschfeld-Stiftung heraushalten lässt

Die Rechtsaußenpartei diffamiert die Arbeit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld als "ideologischen Gesellschaftsumbau". Eine AfD-Vertretung im Kuratorium wäre absurd. Doch es gibt einen Ausweg.  Über neun Monate nach seiner konstituierenden Sitzung hat der 19. Deutsche Bundestag noch immer keine neuen Mitglieder in das Kuratorium der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld gewählt. Es habe "Schwierigkeiten im Verfahren in Bezug auf die AfD" gegeben, hieß es dazu aus dem Büro des Grünen-Abgeordneten Sven Lehmann. Voraussichtlich erst im Herbst sei mit einer Wahl der Kuratoriumsvertreter zu rechnen. Es ist zunächst sehr zu begrüßen, dass die demokratischen Parteien es der AfD nicht einfach durchgehen lassen, eine explizite Gegnerin von LGBTI-Rechten in das Kontrollgremium zu schicken. Zur Erinnerung: Bereits im Januar hatte die Rechtsaußenpartei ausgerechnet ihre Abgeordnete Nicole Höchst nominiert, die gegen eine angebliche "Frühsexualisierung" an Schulen kämpft, die die "Ehe für alle" als "Befriedigung von Kleinstinteressengruppen" ablehnt und behauptet, dass es unter homosexuellen Männern mehr Pädophile gibt (queer.de berichtete). Um zu verhindern, dass sich die AfD als Opfer geriert und sich womöglich in das Kuratorium einklagt, bleibt eigentlich nur ein eleganter Ausweg: Der Bundestag verzichtet insgesamt auf die Entsendung von Abgeordneten in das Kontrollgremium. Das geht, denn die Satzung der Hirschfeld-Stiftung (PDF) sieht hier nur eine Kann-Bestimmung vor, keine Pflicht.

 

Hitler-Attentäter ein "Verräter": AfD-Jungpolitiker empört mit Facebook-Beitrag

 Der Chef des niedersächsischen AfD-Nachwuchses, Lars Steinke, hat in einem Facebook-Post Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg als “Verräter” und “Feigling” bezeichnet. Das berichtet die “Welt”.  Steinke verbreitet in seinem Beitrag zudem eine in rechtsextremen Kreisen beliebte – aber von seriösen Historikern widerlegte – Behauptung: “Der Krieg war nämlich – entgegen der heutigen Propaganda – kein Krieg primär gegen Hitler, sondern gegen (...) das deutsche Volk.” 

 

Skandal bei Brandenburger AfD: Abgeordneter beschäftigt dienstunfähige Ex-Polizistin

Der AfD-Abgeordnete Jan-Ulrich Weiß (43) beschäftigt eine Berliner Beamtin, die wegen Dienstunfähigkeit frühpensioniert ist. Laut Amtsarzt kann Ex-Polizistin Jeanette K. (44) weder im Vollzugsdienst, noch in der Verwaltung arbeiten, heißt es im Ruhestands-Bescheid. Doch genau das tut sie bei Weiß. Im November 2017 wurde K. aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand geschickt, kriegt eine hohe Pension. Doch schon im Dezember begann sie bei Brandenburgs AfD-Fraktion zu arbeiten. 20 Stunden pro Woche für rund 1200 Euro. Im Potsdamer Landtag erledigte K. Büroarbeiten, die sie laut Amtsarzt-Gutachten gar nicht ausüben kann.

 

AFD-Treffen Bad Homburg: Wo sich der Kreis schließt

Mitten in einer der reichsten Kommunen spricht die hessische AfD über ihre Ängste – und sieht diese schon deshalb begründet, weil es Menschen gibt, die ihre Ängste teilen. Draußen die Idylle des Frankfurter Vororts, der zu einem der wohlhabendsten Kreise Hessens gehört. Drinnen, im Bürgerhaus Kirdorf, haben sich vielleicht vier Dutzend Leute auf Einladung der AfD versammelt. „Es gibt ja viele Kulturen auf der Welt. Aber es gibt nur eine Zivilisation. Das ist die europäische. Und wenn wir die behalten wollen, müssen wir was machen“, sagt der AfD-Bundestagsabgeordnete Christian Wirth. Und: „Der meistgehasste Mann auf der Welt ist der deutsche Mann. Der weiße Mann. Und wenn wir überleben wollen, gibt es nur ein Modell in meinen Augen. Das ist das australische.“ Wirth ist seit September im Bundestag und berichtet an diesem Abend auf Einladung des örtlichen Kreisverbands aus Berlin, von seiner Arbeit im Ausschuss für Inneres und Heimat, vor allem aber wettert er gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Man könnte es geistige Brandstiftung nennen, was er betreibt.

 

AfD-Akademikerverband geplatzt: Kritische Öffentlichkeit unerwünscht

Nachdem ein Treffen der Initiative „Korporierte in der AfD“ bekannt wurde, folgte die Absage. Sie wollte einen AfD-nahen Akademikerverband gründen. Am Samstag wollte die Initiative „Korporierte in der AfD“ einen eigenen Akademikerverband gründen. Die Gründung sollte im Thüringer Landtag stattfinden, von 14 bis 18 Uhr war das Treffen der Initiative um den Burschenschafter Christoph Birghan geplant. Kurzfristig sagten die Organisatoren die Veranstaltung ab, so interne Informationen. Die problematische rechtliche Lage scheint aber weniger zu der kurzfristigen Absage geführt zu haben, als vielmehr die öffentliche Aufmerksamkeit.

 

Rechtsextremismus: Weiterhin hohe Gewaltbereitschaft im Norden

Dem Verfassungsschutz bereite die anhaltende Gewaltbereitschaft der rechtsextremen Szene Sorge, auch die fremdenfeindlichen Gewalttaten würden zunehmen. Inhaltlich bietet der am Dienstag in Schwerin vorgestellte Bericht wenig Neues. Während klassische Neonazi-Strukturen ausführlich dargestellt werden, findet man zu neueren Phänomenen wie der Identitären Bewegung oder den Reichsbürgern nur rudimentäre Angaben.

 

Hakenkreuz-Shirt: Rechte Partei verklagt Klum-Freund

Die deutsche Partei „Die Rechte“ hat Strafanzeige gegen „Tokio Hotel“-Musiker Tom Kaulitz erstattet. Der Grund ist kurios. In der aktuellen Arte-Doku "Hinter die Welt" ist Tom Kaulitz bei einem „Tokio Hotel“-Konzert in Mexiko zu sehen. Dabei trägt der Partner von Topmodel Heidi Klum ein schwarz-weißes Hemd des Modelabels KT, das laut Anklage „ein deutlich erkennbares Hakenkreuz-Muster ziert“. Die Partei "Die Rechte" hat deshalb am 27. Juli Strafanzeige (§ 86a Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) gegen Kaulitz gestellt. Doch warum verklagt ausgerechnet eine rechte Partei Tom Kaulitz wegen eines angeblichen Hakenkreuz-Shirts, obwohl sie selbst Paragraph 86a abschaffen will? Um sich selbst rein zu waschen und einen Präzedenzfall zu schaffen.

 

Jeder Faschismus ist anders

Der Eindruck, dass Kultur und Staat verfallen, hat schon einmal zur politischen Verrohung beigetragen. Geschieht das jetzt wieder? Faschismus, der kommen könnte", sei geschaffen. Das Interview mit Naika Foroutan erschien zufällig an dem Tag, als Mesut Özil seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärte. Deutschland und Europa seien auf dem Weg in eine "präfaschistische Phase", sagte die Berliner Sozialwissenschaftlerin dem Tagesspiegel. Bisher ist in Deutschland viel über Hassrede und Rechtsruck, aber wenig über deren systematische Konsequenz, einen neuen Faschismus, geredet worden. Präfaschismus wäre der Weg dorthin. Für Foroutan, die sich vorsichtig und zugleich erschüttert ausdrückte, stehen wir am Beginn dieses Weges.  

 

Was Flüchtlinge im Ankerzentrum erwartet

Bayern hat als erstes Bundesland Ankerzentren für Flüchtlinge eingerichtet. Anker, das ist die Abkürzung für Ankunft, Entscheidung und Rückführung. Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD und Union auf die Einrichtung solcher Zentren geeinigt, bislang gibt es allerdings kaum Bundesländer, die sie auch wirklich umsetzen wollen. Den Anfang macht nun Bayern, dort gibt es seit diesem Mittwoch sieben solcher Ankerzentren. Doch was bedeutet das eigentlich? Alle Flüchtlinge, die neu nach Bayern kommen, werden künftig zuerst in diesen Zentren untergebracht. Das Besondere: Dort sind alle Behörden vertreten, die für die Flüchtlinge relevant sind. Neben der Zentralen Ausländerbehörde sind das zum Beispiel das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das über den Asylantrag entscheidet, oder die Verwaltungsgerichte, die die Entscheidung im Zweifelsfall überprüfen. Auch die Bundesagentur für Arbeit soll vor Ort sein, um Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive frühzeitig bei der Suche nach einem Arbeitsplatz zu unterstützen oder ihnen ein Qualifizierungsangebot zu machen. Entscheidend ist, dass die Flüchtlinge in den Ankerzentren bleiben sollen, bis über ihren Asylantrag endgültig – also auch durch die Gerichte – entschieden wurde. Nur wer anerkannt wird, soll anschließend auf die Kommunen verteilt werden, die anderen sollen möglichst direkt aus dem Ankerzentrum abgeschoben werden. In den Ankerzentren hat das Sachleistungsprinzip Vorrang vor Geldleistungen. Das kann allerdings nicht überall gleichermaßen umgesetzt werden. Während des Aufenthalts im Ankerzentrum gilt ein Arbeitsverbot. Es gibt auch keine Sprachkurse und keinen Schulunterricht. Geflüchtete sollen dort nur wenige Monate bleiben - in der Realität gelang das bei Probeläufen nicht.

 

Die Tür zum Familiennachzug ist nur einen Spalt weit offen

Subsidiär Geschützte dürfen wieder ihre engsten Angehörigen nachholen. Allerdings mit vielen Einschränkungen. Viele werden Geduld brauchen.

 

Reichsbürger in Memmingen vor Gericht: Drohung, Nötigung und „krude Gedanken“

Vor Gericht stand nämlich ein 46-Jähriger Türkheimer, der der „Reichsbürgerszene“ zugeordnet wird. „Reichsbürger“ erkennen den Staat und seine Behörden nicht an und kommen dementsprechend häufig mit dem Gesetz in Konflikt. Dabei ging es um viele Vorfälle, unter anderem diesen: Der Führerschein war dem 46-Jährigen schon 2014 entzogen worden – die Polizei erwischte ihn trotzdem beim Autofahren. Um den Mann daran zu hindern, einfach wegzufahren, hatte sich dabei ein Polizist vor dessen Fahrzeug gestellt. Nachdem sich diese Situation ohne größeren Konflikt lösen ließ, rief der Angeklagte abends bei der Polizei an und erklärte, dass der betreffende Beamte sich nicht vor Autos stellen solle, weil er sonst umgefahren werden könnte. Am Ende wurde der Türkheimer zu neun Monaten Haft, ausgelegt auf drei Jahre Bewährung, verurteilt. Außerdem muss er insgesamt 1.500 Euro an das Familienpflegewerk zahlen. 

 

Keine Fluglizenz für Reichsbürger

Wer im begründeten, vom Verfassungsschutz mit Belegen unterlegten Verdacht steht, der sogenannten “Reichsbürger”-Bewegung anzugehören, ist luftsicherheitsrechtlich unzuverlässig. Dies hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf in einem Eilverfahren mit Beschluss vom 06. Juni 2018 entschieden und einen entsprechenden Antrag eines (wohl ehemaligen) Lufthansa-Mitarbeiters auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner auch erhobenen Klage zurückgewiesen. Zuverlässig im Sinne von § 7 LuftSiG ist nur derjenige, der die Gewähr bietet, jederzeit das ihm Mögliche zum Schutz der Sicherheit des Luftverkehrs zu tun. Der Betreffende muss nach dem Gesamtbild seiner Persönlichkeit das erforderliche Maß an Verantwortungsbewusstsein und Selbstbeherrschung aufbringen, selbst bei dem Inaussichtstellen von Vorteilen oder bei der Androhung von Nachteilen die Belange der Sicherheit des Luftverkehrs zu wahren und die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz vor Eingriffen, insbesondere vor Flugzeugentführungen und Sabotageakten, jederzeit in vollem Umfang zu erfüllen.

 

Rechte Paranoia: Darum statten sich viele Reichsbürger mit Waffen aus

Hinter den Welt- und Wahnvorstellungen steckt eine heterogene Bewegung, zusammengehalten von rechtsradikalen Verschwörungstheorien und weißglühender Paranoia. Entsprechend gefährlich ist die Szene auch jenseits ihrer klar rechtsextremen Anhängerschaft. Wir haben es mit einer Ideologie zu tun , die fast schon zwangsläufig zur Radikalisierung führt. Da wurde ich zum Beispiel in einen Schützenverein eingeladen. Missmutige Motorradfahrer wollten dort, inmitten von automatischen Maschinengewehren, den Sturz der verhassten BRD GmbH planen. Denn diese wolle ja, davon ist man in der Szene überzeugt, das deutsche Volk ausrotten. Aber auch bei weniger unheimlich klingenden Veranstaltungen, etwa einem esoterischen Verschwörungstheoretikertreff, trifft man auf die Militanten. Natürlich: Wer glaubt, das deutsche Volk sei Opfer einer Weltverschwörung, unterjocht von gekauften Marionettenpolitikern, ominösen Schattenregierungen und finsteren Eliten, solle gar ausgerottet werden, der glaubt sich auch verteidigen zu müssen. Der glaubt, in Notwehr zu handeln.

 

Österreich: Wiener Soziologe wehrt sich gegen Gewaltvorwurf von Identitären-Medium "Info-Direkt"

Dass er eher links eingestellt ist, stellte ein Wiener Soziologe gar nicht in Abrede. Er sei aber weder militant noch gewaltbereit, erklärte er bei einem Medienprozess gegen die als rechtsextrem eingestufte Plattform Info-Direkt in Linz. Genau das wurde ihm, seiner Ansicht nach, in einem Beitrag in der Print- und Onlineausgabe vorgeworfen. Hintergrund des Artikels war eine Demo in Wien. Der Soziologe, der sich als Rechtsextremismusforscher einen Namen gemacht hat, wurde darin namentlich als einer der Angreifer gegen ein Mitglied der Identitären Bewegung genannt. Er sei aber nur als Beobachter und in seiner Funktion als Streetworker anwesend gewesen, betonte er vor Gericht. Der Linzer Richter sah in der Namensnennung eine Verletzung des Schutzes der Identität und sprach dem Wissenschaftler 2000 Euro Entschädigung zu. Vom Vorwurf der üblen Nachrede wurde das Medium freigesprochen. Nicht rechtskräftig.

 

Ex-Neonazi: Früher habe ich Ausländer verprügelt, heute rette ich ihr Leben

Max* (Name geändert, der Redaktion bekannt) ist klein und schmal. Seine Gesichtszüge und seine weiße Haut wirken jung und zart. Unter der Brille lächeln seine blauen Augen. Er trägt Sneakers, eine schwarze kurze Hose und ein weißes T-Shirt auf dem steht: “Hass hilft” – der Slogan einer Spendenaktion gegen Rechts. Max wirkt wie ein schüchterner Schuljunge. Aber er ist 26 Jahre alt – und war früher Neonazi. Früher hat Max Ausländer verprügelt, heute ist er ein anderer Mensch. Er arbeitet inzwischen als Notfallretter beim Roten Kreuz. Wer da auf der Trage liegt, interessiert ihn nicht. “Ob es ein Deutscher, ein Ausländer oder ein Mensch mit Migrationshintergrund ist, ist vollkommen egal – da ist jemand, der meine Hilfe braucht, und das ist alles was zählt.” Er hat den Ausstieg geschafft, auch wenn der Weg steinig war – dafür ist er als Teenager viel zu leicht in die rechte Szene reingerutscht.

 

Leichtathletik: Schweizer Sprinter gesperrt wegen rassistischer Facebook-Post

Der Schweizer Sprinter Pascal Mancini ist vom Verband für die Leichtathletik-Europameisterschaften in Berlin (6. bis 12. August) gesperrt worden, nachdem er rechtsextreme und als rassistisch empfundene Äußerungen auf seiner Facebook-Seite gepostet hatte. Der 29-Jährige habe damit wiederholt gegen eine Vereinbarung verstoßen, die Veröffentlichung seiner politischen Ansichten zu unterlassen, teilte der Schweizer Leichtathletik-Verband mit. "Der Zentralvorstand ist der Ansicht, dass die Verfehlungen des Athleten in Verbindung mit seiner bekannten Gesinnung nicht zu tolerieren sind", begründete Swiss Athletics. Gegen Mancini wird ein Disziplinarverfahren eröffnet, ihm wurde die Lizenz entzogen. Er hatte nach Angaben der Neuen Zürcher Zeitung Äußerungen des prominenten belgischen Nazi-Kollaborateurs Léon Degrelle verbreitet. Außerdem hatte er auf Facebook ein Affen-Video aus Anlass des Sieges der Franzosen bei der Fußball-WM gepostet. 

 

Sprachkritik: Deutsch-Rechts/Rechts-Deutsch

Rechte und Rechtsextreme schreiben mit Zorn und Eifer das Internet voll - doch ungeübten Lesern könnte es schwerfallen, sie auch zu verstehen. Spiegel Online-Kolumnist Sascha Lobo erklärt die wichtigsten Vokabeln.

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