Presseschau... 02.08.2016

+++ Ausländerbehörde in Werder: Zynische Hinweise für Geflüchtete statt Papiere +++ Antisemitische Vorfälle: Viele Berliner Juden zeigen Attacken nicht an +++ Fälschte die AfD Unterschriften auf Unterstützerliste für Gemeindewahl in Hameln? +++

 

Ausländerbehörde in Werder: Zynische Hinweise für Geflüchtete statt Papiere

Ärger in Werder. Die Asylbehörde steht nicht zum ersten Mal in der Kritik. Ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde in Werder soll zwei Syrern mit einem zynischen Hinweis wichtige Dokumente verweigert haben.
Der Mitarbeiter soll den syrischen Antragstellern die Aufenthaltsgestattung verweigert haben. Begründet hat er das gegenüber einer ehrenamtlichen Betreuerin, die die beiden Syrer zu Amtsterminen begleitet, mit der Aussage, dass die beiden sich nicht in Deutschland integrieren, sondern vielmehr in ihr Land zurückkehren sollen, um es zu verteidigen. Erst vor wenigen Monaten war die mittelmärkische Behörde in die Kritik geraten: Ein ehrenamtlicher Helfer aus Bad Pelzig beschuldigte den Leiter er Behörde, Hans-Jörg Halle, einen Flüchtling als “Sozialschmarotzer” beschimpft zu haben. Auch er soll dem Schutzsuchenden geraten haben, wieder in sein Land zurückzukehren. Halle wies die Vorwürfe zurück. Der jüngste Vorfall soll sich bereits Mitte Mai abgespielt haben.

 

Antisemitische Vorfälle: Viele Berliner Juden zeigen Attacken nicht an

Am Wochenende wurde in Berlin-Moabit ein Gedenkschild für deportierte Juden beschädigt – zum siebten Mal seit Mai 2015. Beleidigungen auf offener Straße sind für erkennbare Juden in Berlin 2016 Alltagserfahrungen. Die Berliner Recherche- und Informationsstelle (Rias), die beim Verein für demokratische Kultur angegliedert ist und vom Senat gefördert wird, registriert solche Vorfälle. Sie ist in Deutschland bisher einzigartig.
Rias will den alltäglichen Antisemitismus sichtbar machen. „Wir wissen, dass viele ihre Erfahrungen nicht zur Anzeige bringen und deshalb nicht in der offiziellen Statistik auftauchen“, sagt Rias-Projektleiter Benjamin Steinitz. Anders als die Polizei erfasst Rias auch nichtangezeigte und Fälle ohne strafrechtliche Relevanz. „Antisemitische Vorfälle unterhalb der Strafbarkeitsgrenze prägen die Erfahrungen von Juden und Jüdinnen im Alltag“, sagt Steinitz.
Im vergangenen Jahr erfasste die Berliner Polizei unter der Rubrik Rechtsextremismus 151 antisemitisch motivierte Taten, davon fünf Gewaltdelikte. Rias registrierte dagegen im vergangenen Jahr inklusive der Polizeizahlen 405 antisemitische Vorfälle.

 

Fälschte die AfD Unterschriften auf Unterstützerliste für Gemeindewahl in Hameln?

Sitzungen des Hamelner Gemeindewahlausschusses bieten für gewöhnlich alles andere als Krimi-Atmosphäre. Nun sind bei der AfD Ungereimtheiten aufgetreten. Der Wahlleiter Dieter Schur verkündete bei der Sitzung des Ausschusses am Montag, die Alternative für Deutschland könne in einem Wahlbereich nicht zugelassen werden. Denn 10 der 37 eingereichten Unterstützer-Unterschriften seien offensichtlich gefälscht, Polizei und Staatsanwaltschaft seien eingeschaltet und ermittelten wegen Urkunden- und Wahlfälschung.
Schur war aufgefallen, dass ausgerechnet zehn Mitbürger bulgarischer Herkunft für den Kandidaten der ausländer- und zuwanderungskritischen AfD eingetreten sein sollen. Der Abgleich mit städtischen Unterlagen führte schnell zum Verdacht der Unterschriftenfälschung. Hatten die Bulgaren bei ihrer Anmeldung in Hameln noch in kyrillischen Buchstaben unterzeichnet, waren ihre Namenszüge nun einheitlich lateinisch. Ihre Befragung durch die Polizei hat nach Angaben Schurs ergeben: „Keiner hat etwas unterschrieben.“

 

Neue Ermittlungen gegen Ex-Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling

Nach einer nicht angemeldeten Demonstration am Reichstagsgebäude ermittelt die Berliner Polizei gegen Ex-Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling und mehrere ihrer Mitstreiter, unter anderem den niederländischen Pegida-Anführer Edwin Wagensveld.
Gemeinsam mit rund einem Dutzend weiterer Personen war Festerling mit der von ihr gegründeten Organisation "Fortress Europe" am Freitag an mehreren Stellen der Hauptstadt aufmarschiert, außer am Bundestag unter anderem auch am Bundeskanzleramt und am Brandenburger Tor. Auf Transparenten forderten sie unter anderem "Erdogan-AKP-Türken: Haut ab!", "Kein Islamunterricht an deutschen Schulen" und "Islamverbot: jetzt!". Vor dem Reichstag traten zwei der Aktivisten vermummt auf.
Ausgangspunkt für die Ermittlungen der Polizei: Versammlungen vor dem Bundestag sind zwar nicht generell verboten, ihre Zulassung muss aber mindestens eine Woche vorher beim Bundesinneministerium beantragt werden.
Im Juli hatte die Hamburger Polizei ein Ermittlungsverfahren gegen Festerling eingeleitet. Sie verdächtigt die Ex-Pegida-Frontfrau, die im Streit mit Lutz Bachmann aus der Führung der Anti-Islam-Bewegung ausgeschieden war, des "Anwerbens für einen fremden Militärdienst".

 

Polizei schnappt flüchtlingsfeindliche Kritzler in Dresden

Flüchtlingsfeindliche Schmierereien auf Sachsens Bahnhöfen sorgten in den vergangenen Wochen für Schlagzeilen. An mehreren Haltestellen wurden dabei mit Kunstblut verschmierte „Leichenumrisse“ entdeckt – darauf Zettelchen mit der Aufschrift „Migration tötet“.
Nun hat die Polizei bei einer neuerlichen Schmiererei am Samstagmittag vor dem Landtag vier Rechtsextreme erwischt. Herbeigeeilte Beamte, die die Männer mit einer Überwachungskamera beobachtet hatten, stellten die Identität des Quartetts fest. Bei den polizeibekannten Männern handelte es sich um drei Dresdner (31, 35, 50) und einen Freitaler (39).

 

Rentnerin betreibt rassistischen Telefonterror

Es waren beleidigende, ja fast schon rassistische Worte, die eine 69-jährige Tegernseerin gegenüber einer deutsch-griechischen Familie aus München äußerte. Die Frau hatte bei einer deutsch-griechischen Familie in München angerufen: „Sie sagte, wenn es uns in Deutschland nicht gefällt, sollen wir zurück nach Griechenland gehen. Zudem meinte sie, wir seien Schmarotzer,“ erklärt der 22-jährige Sohn der Familie, der die Anrufe entgegen nahm. Der Student kannte weder die Tegernseerin, noch war ihm die anrufende Nummer bekannt.
In den nächsten Tagen kamen aber noch drei bis vier weitere Anrufe der 69-Jährigen. Die landeten aber allesamt auf dem Anrufbeantworter der deutsch-griechischen Familie. Der Richter sprach die Anruferin der Beleidigung für schuldig und verhängte die Strafe, die die Staatsanwaltschaft gefordert hatte: eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 30 Euro für die Rentnerin, die schon einiges auf dem Kerbholz hat.

 

NSU-Prozess: „Staatlich betreutes Morden“ nicht nachweisbar

Zwischenbilanz im NSU-Prozess: Richter Manfred Götzl will die Rolle des Verfassungsschutzes nicht weiter aufklären - weil sie unerheblich ist für die Causa Beate Zschäpe. Schon jetzt ließ Götzl mehrfach erkennen, dass aus seiner Sicht die Beweisaufnahme im NSU-Verfahren bald abgeschlossen werden könnte. Quasi im Akkord schmetterte er in den vergangenen Wochen Dutzende zum Teil schon seit Jahren vorliegende Beweisanträge der Nebenklageanwälte ab.
Das betraf auch solche Anträge, die sich mit der Rolle des Verfassungsschutzes und seiner V-Leute befassten. Ob beispielsweise Uwe Mundlos und Beate Zschäpe während der Zeit der NSU-Mordserie in Firmen des Zwickauer Neonazis und V-Manns Ralf Marschner beschäftigt waren, habe „keine Aussagekraft auf die mögliche Verwirklichung der angeklagten Taten oder über die mögliche Schuld der Angeklagten“, erklärte der Richter.

 

„Kategorie C“-Konzert verhindert

Der Landkreis Cuxhaven und die Gemeinde Beverstedt haben zusammen mit den Sicherheitsbehörden ein für vergangenen Sonnabend geplantes Konzert der Bremer Hooliganband „Kategorie C“ in Beverstedt (Niedersachsen) verhindert. „Wir haben alles getan, was rechtlich möglich war“, sagt Beverstedts Bürgermeister Ulf Voigts (parteilos). Der Verfassungsschutz stuft die Gruppe um Sänger Hannes Ostendorf als rechtsextrem ein.
Am Donnerstag hätte die Polizei ihn von dem geplanten Konzert in Kenntnis gesetzt, berichtet Voigts. Er habe dem Pächter der Kneipe „Blabla“ daraufhin eine Untersagungsverfügung überreicht. Im hinteren Teil des Gebäudekomplexes befindet sich ein Festsaal. Der Pächter habe aber nur eine Konzession für die Kneipe im vorderen Teil, erklärt Voigts.

Auch in Gangkofen (Bayern) wurde am vergangenen Samstag ein Rechtsrockkonzert verhindert. Etwa 75 Angehörige des rechten Spektrums trafen sich am Samstag an einer Gaststätte. Weil der Wirt jedoch keine Genehmigung für das Konzert eingeholt hatte, wurde ihm die Durchführung  von polizeilicher Seite untersagt.

 

NPD-Postille mit dreister Wahlkampf-Masche

Sieht beinahe aus wie eine amtliche Broschüre – ist aber ein Nazi-Pamphlet: Ein Flugblatt der rechtsextremen NPD, das sich als neutrale "Entscheidungshilfe" tarnt, landet derzeit in vielen Briefkästen.
Auf der Innenseite folgen dann: 17 Thesen, vermeintlich zur Landespolitik, die der Leser mit "Zustimmung", "Neutral" oder "Ablehnung" beantworten soll. Beispiel: "An der Grenze zu Polen sollen wieder stationäre Grenzkontrollen eingeführt werden". Oder: "Der Bau von Minaretten soll in Mecklenburg-Vorpommern verboten werden." Letztlich soll der Leser dann schauen, wie vielen Thesen er positiv oder negativ gegenübersteht. Auf der Rückseite kommt dann die Auflösung – und die fiese Überraschung: "Sofern Sie den meisten Thesen zustimmen konnten, müssen sie ihre Stimme der NPD geben, denn alle Aussagen sind deren Standpunkten entnommen."
Die NPD-Broschüre adaptiert offensichtlich das Konzept des „Wahl-O-Mats“. In MV war die Erstellung eines solchen Wahl-O-Mats für die Landtagswahl, den die Landeszentrale für politische Bildung eigentlich hatte anbieten wollen, an der Haltung von CDU und SPD gescheitert. Sie hatten ihre Teilnahme am Wahl-O-Mat verweigert mit der Begründung, der Wahl-O-Mat reduziere komplexe Fragen der Politik auf einfache Antworten. Wenig komplex sind die Fragen, die die NPD ihren Lesern vorlegt, in der Tat – aber größtenteils auch nicht spezifisch rechtsextrem.

 

Einknicken vor Rechts? Stadt stoppt Plan für Asyl-Unterkunft in Rostock

Der Wirbel um die Unterbringung von Flüchtlingen in Groß Klein reißt nicht ab: Nach der Räumung einer Unterkunft für junge Asylbewerber, hat die Hansestadt Rostock nun auch die Planungen für eine weitere Unterkunft - für Familien - gestoppt. Auf Druck der Sicherheitsbehörden: Denn die sagen, sie können in Groß Klein nicht für die Sicherheit der Neu-Rostocker garantieren.
Aus Sicht von Ortsbereichschef Uwe Michaelis seien die Entscheidungen fatal: „Ich finde es bedenklich, wenn wir uns von den Rechten diktieren lassen, wo Flüchtlinge leben dürfen und wo nicht. Die werten diese Entscheidung doch als Sieg für sich.“

 

„Firewall“ gegen Nazis in Schwaben

Der Verfassungsschutz will über die extreme Rechte aufklären. Dabei liegt er häufig daneben – und mit ihm die Medien, die dessen Darstellung ungeprüft übernehmen. Oft sind es antifaschistische Initativen, die dagegen halten. Dafür wurde eine als „wichtige Firewall“ in Schwaben „gegen rechtspopulistische und faschistische Tendenzen“ ausgezeichnet .
Viele Zeitungen und Medien machen es sich in ihrer Berichterstattung über Neonazis zu einfach – so übernehmen die Informationen des Verfassungsschutzes ohne kritische Prüfung. Aktivisten des „antirassistischen Jugendaktionsbüro“ warnen seit ihrer Gründung 2013 vor der extremen Rechten in der Region – und greifen ein. Für dieses Engagement gegen Rechts in Schwaben wurde dem „Antirassistischen Jugendaktionsbüro“ im selbstverwalteten Jugendzentrum „react!OR“ in Kempten vergangenen Mai der erste Klaus-Bruno-Engelhardt-Preis verliehen. Peter Ohlendorf, Regisseur und Autor des Dokumentarfilms „Blut muss fließen“ über die deutsche subkulturell geprägte Neonaziszene, sieht im Preisträger „eine wichtige Firewall“ in Schwaben „gegen rechtspopulistische und faschistische Tendenzen.

 

„Merkel muss weg“-Aufzug in Berlin: Mehr Neonazis, weniger Pegida

Zum mittlerweile dritten Mal sind am Samstag über tausend Rechte in Berlin zur flüchtlingsfeindlichen „Merkel muss weg“-Demonstration in der Hauptstadt aufgelaufen, laut Polizeiangaben waren es rund 1350 Teilnehmer. Damit ist die Zahl der Besucher bei dem von „pro-Deutschland“-Funktionär Enrico Stubbe angemeldetem Aufzug weiter rückläufig.
Auch die Zusammensetzung des Aufzugs wird immer eindeutiger: Dominierten anfangs vor allem rechte Wutbürger aus flüchtlingsfeindlichen Initiativen und den regionalen Pegida-Ablegern, sind es mittlerweile überwiegend unterschiedlichste Neonazi-Gruppierungen, die auch ganz offen als solche auftreten: T-Shirts mit „Widerstand Mecklenburg“ oder „Division Brandenburg“,  mit NPD-Logo, „HKN KRZ“-Kürzel oder „Patrioten Berlin“ samt Reichsadler, Shirts von Neonazi-Bands wie „Weiße Wölfe“ oder „Gigi & die braunen Stadtmusikanten“ oder Fahnen wie von den „Freien Kräften Prignitz“. Teilnehmer von DML (Deutschland muss leben) e.V.  forderten ganz offen einen „Nationalen Sozialismus“ auf ihrem Transparent.

 

Flüchtlingsfeindliche Parolen mit gefaktem Profil von SPD-Politikern verbreitet

Bei Facebook pestet Sozialdemokratin Dr. Barbara Geilich gegen Ausländer, so sieht es zumindest aus. Doch das Profil ist ein Fake. Aus purem Zufall ist sie darauf gestoßen. Jetzt ermittelt der Staatsschutz.
Dr. Barbara Geilich erlebt ein Wechselbad der Gefühle. Rein zufällig stößt die 55-Jährige bei einer Recherche im Internet auf sich selbst – und kann einfach nicht glauben, was sie da findet: „Gefälschte Seiten, die mich als Unterstützerin einer absolut fremdenfeindlichen, rassistischen Politik darstellen“, fasst sie die Inhalte knapp zusammen. Dazu Fotos von ihr, die ganz offensichtlich von einer Veranstaltung stammen, bei der sie mit ihrem Chor zu sehen ist. „Die Fotos sind geklaut und zweckentfremdet.“
Barbara Geilich ist keine Frau, die sich mundtot machen lässt. Sie hat eine Nacht über die „kriminelle Netz-Attacke“ geschlafen und sich dann akribisch ans Werk gemacht: alles gesammelt, dokumentiert, ausgedruckt – um damit Anzeige bei der Polizei zu erstatten.

 

Wahlen in Berlin: SPD wirft NPD Zerstörung von Plakaten vor

Die Berliner SPD wirft der NPD vor, in den Ortsteilen Karow, Buch und Rudow systematisch Wahlplakate der SPD zu zerstören. In einer Mitteilung von Montag heißt es, dass die NPD die Plakate zerrissen hätte und an ihre Stelle NPD-Plakate aufgehangen habe. Die SPD habe die Vorfälle zur Anzeige gebracht.
Berlins SPD-Landesgeschäftsführer teilte mit: "Die Verhinderung von demokratischem Wahlkampf in Karow und Buch hat inzwischen Tradition. Plakate werden systematisch zerstört, SPD-Aktive an den Infoständen ebenso eingeschüchtert wie interessierte Wählerinnen und Wähler."

 

Petra Pau: „Ausmaß rassistischer Gewalt ist alarmierend“

Frau Pau, der Attentäter von München hatte anscheinend eine rechtsextreme Einstellung und tötete neun Menschen mit Migrationshintergrund. Wie gefährlich ist Terror von rechts?

Wir haben es landauf landab mit rechtsterroristischen Strukturen und mit radikalisierten Einzeltätern zu tun. Es ist wichtig, dass wir das ideologische Rüstzeug, mit dem die Täter morden, nicht nur beim militanten Islam zum Thema machen, sondern auch beim militanten Rechtsextremismus. Wir müssen darüber sprechen, dass ein junger Mensch bewusst nach dem Vorbild von Anders Breivik, dem rechtsextremen Massenmörder aus Norwegen, gehandelt hat. Das Ausmaß rassistischer Gewalt ist extrem alarmierend, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass alleine in 2015 mehr als eintausend politisch rechts motivierte Gewalttaten allein von den Behörden registriert wurden.

Auch die rechtsextreme Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) ermordete neun Menschen mit Migrationshintergrund, dazu eine deutsche Polizistin. Sehen Sie Parallelen?

Unbedingt. Das betrifft nicht nur München. Das gilt für Freital, das gilt für Nauen, das gilt auch für meinen Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf. Die NSU-Täter haben sich als legitime Vollstrecker eines vermeintlichen Volkswillens in den 90er und 2000er Jahren gesehen. Sie waren bundesweit vernetzt und agierten nach dem Prinzip des „führerlosen Widerstands“.

 

Trauer um die Opfer von München: Es kann eben nicht jeden treffen

Nach den Gewalttaten von Würzburg und Ansbach – und spätestens nach München – denken viele: Jetzt ist der Terror auch bei uns. Das stimmt aber nicht ganz.
Wir müssen versuchen, den Hass differenziert zu beschreiben. Ist es Hass mit ideologischer Beihilfe des IS? Ist es Hass aus Frust, Hass wegen Krankheit oder Hass in der Tradition rechter Mörder? Abhängig davon dürfen wir es Amok nennen, ein Familiendrama oder eben Terror.
Wir sind nicht gleich im Angesicht des Hasses. Das Attentat von München war ein rassistisches Verbrechen. Der Täter verehrte Hitler und wartete den fünften Jahrestag der Morde von Utøya ab. Acht von neun Opfern waren Menschen nicht bio-deutscher Herkunft.
Der einzige Redner, der genau das am Sonntag betonte, war der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter: „Die grausame Tat, der fast ausschließlich Menschen mit Migrationshintergrund zum Opfer fielen, [war] ein Anschlag auf das bunte, das vielfältige und tolerante München.“

 

Dialektik der Demokratie: Zehntausende demonstrieren in Köln gegen Freiheitsrechte in der Türkei

Der Protesttag in Köln war nicht frei von Ironie. Sowohl Erdogan-Anhänger wie ihre Gegner demonstrierten angeblich für Demokratie und gegen den Militärputsch in der Türkei - jedenfalls ausweislich ihrer Demo-Motti. „Ja zur Demokratie, nein zum Staatsstreich“ stand auf dem Transparent der Rednertribüne der Pro-Erdogan-Demonstration.
„Für Demokratie und Meinungsfreiheit in der Türkei“ demonstrierte derweil die Parteijugend von SPD, Grünen, Linkspartei und FDP. Auch sie sind durchaus keine Freunde des Putsches. Doch trotz ähnlich wirkender Parolen liegen Welten dazwischen: In der Einschätzung des türkischen Staatspräsidenten scheiden sich die Geister. Für die rechten Türken ist Recep Tayyip Erdogan Garant der Demokratie, für die linken Deutschen ist „Erdowahn“ deren Totengräber.
In Köln wurde am Sonntag ein Volksfest des Nationalismus zelebriert. Tausende rote Fahnen mit Stern und Halbmond wehten bereits zu Beginn der Veranstaltung am Versammlungsort. Die ersten Reden der Pro-Erdogan-Kundgebung wurden konsequenterweise auf Türkisch gehalten und nur zum Teil übersetzt. Inbrünstig wurde die türkische Nationalhymne gesungen und die deutsche instrumental abgespielt. Laut Medienberichten sollen sich Tausende türkische Rechtsextremisten unter den Demonstranten befunden haben.

 

Rechtsextreme stören Stockholm Pride

In der schwedischen Hauptstadt Stockholm haben sich am Samstag 50.000 Teilnehmer für die Stockholm Pride getroffen. Dabei gab es einen kleineren homophoben Zwischenfall, als Teilnehmer einer rechtsextremen Gruppe die Parade blockieren wollten.
Einige Mitglieder der „Nordischen Jugend“, einer rechtsextremen Gruppe, blockierten mit ihren Transparenten den Zug. Darauf forderten sie unter anderem einen „Schutz der Kernfamilie“: Ein Plakat zeigte ein heterosexuelles Paar, das seine Kinder mit einem Schirm vor dem Regenbogen schützt, ein anderes zeigte eine durchgestrichene Regenbogenflagge. Teilnehmer der Parade fingen daraufhin an, mit den ungebetenen Gästen zu streiten, Medienberichten zufolge kam es zu kleineren Wortgefechten und Handgemengen. Einige Teilnehmer der Stockholm Pride wollten den Rechtsextremen das Plakat aus der Hand reißen.

 

66 Abc-Schützen werden wegen Neonazis später eingeschult

66 Abc-Schützen werden ihre bevorstehende Einschulung in besonderer Erinnerung behalten: Wegen einer ursprünglich geplanten Demonstration von Neonazis hat die "Berlin-Schule" in Bad Nenndorf die Feier in diesem Jahr um einen Tag auf Sonntag verschoben. Mittlerweile ist der Neonazi-Aufmarsch abgesagt.
Zwar haben die Rechtsextremisten ihren für den 6. August angemeldeten Aufmarsch, der direkt an der Grundschule vorbeiführt hätte, inzwischen abgesagt. Rektor Torsten Rolke will aber trotzdem an dem neuen Termin festhalten: "Wir bleiben auf der sicheren Seite."
Seit 2006 sind die Rechtsextremisten bisher stets am ersten Sonnabend im August mit einem "Trauermarsch" zum Bad Nenndorfer Wincklerbad gezogen. Dort befand sich bis 1947 ein britisches Verhörzentrum und Militärgefängnis für Nationalsozialisten. Zuletzt beteiligten sich rund 200 Neonazis.

 

Was wir selbst gegen Hatespeech tun können

Mit der Aktion „No Hatespeech Movement“ hat der Europäische Rat eine Plattform ins Leben gerufen, die Beleidigungen und Hetze im Internet den Kampf ansagt. Jeder, der sich aktiv gegen Hassrede einsetzen möchte, kann auf der Homepage der Bewegung schlimme Kommentare und auch ganze Hasswebsites melden, gegen die das Team dann vorgeht.
Zu einem freundlicheren Umgangston im Netz können wir auch beitragen, indem wir uns immer wieder selbst fragen, ob unser Gesprächs- und Kommentierungsniveau angemessen ist.

Überlegt euch doch eine Antwort zu jeder dieser Fragen, bevor ihr etwas postet oder kommentiert:

► Ist es für mich in Ordnung, zu wissen, dass jeder diesen Kommentar lesen kann und ich dafür gerade stehen muss?
► Würde ich diesen Kommentar dem Betroffenen so auch ins Gesicht sagen?
► Möchte ich selbst so einen Kommentar zu meiner Meinung lesen?
► Ist der Kommentar sinnvoll begründet und nicht beleidigend geschrieben?
Wenn ihr diese Fragen alle mit „Ja“ beantworten könnt, dann könnt ihr guten Gewissens auf „Posten“ drücken.
Ansonsten: Lasst es sein!

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