Presseschau ... 02.05.2016

+++Demos am 1. Mai: Massive Gewalt von Neonazis bei Aufmärschen in Plauen und Bochum +++ AfD-Parteitag in Stuttgart: Ein brodelnder Kessel Braunes +++ Rassistische Attacke in Titisee-Neustadt +++ Berlin: Mann attackiert Gäste und beleidigt sie antisemitisch +++ Freital: Schon wieder Anschläge auf Linken-Parteibüro und Flüchtlingsunterkunft+++
 

Demos am 1. Mai: Massive Gewalt von Neonazis bei Aufmärschen in Plauen und Bochum

Von rechtsextremen Teilnehmern einer Demonstration ist am 1. Mai in Plauen (Sachsen) ein "massiver Gewaltausbruch" ausgegangen, teilte die sächsische Polizei mit. Sie habe gegen die Personen Wasserwerfer und Pfefferspray eingesetzt. Neonazis hatten bereits vor zwei Jahren am 1. Mai in der sächsischen Stadt demonstriert.  Nachdem sich die Polizei offenbar nicht in der Lage sah, den geplanten Nazi-Aufmarsch in Plauen abzusichern, wurde der rechte Protest kurzerhand aufgelöst. In der Folge gingen Teilnehmer des rechten Aufmarsch aggressiv gegen die Beamten vor. Immer wieder wurden seitens der Rechten versucht, linke Gegendemonstranten anzugreifen.

Auch in Bochum in Nordrhein-Westfalen ist es bei einer NPD-Kundgebung zu Ausschreitungen gekommen. Gegendemonstranten hätten am Sonntag Polizisten angegriffen, teilten die Beamten mit. Zwei Polizisten seien von Steinen getroffen und verletzt worden. Es gab rund 2400 Gegendemonstranten, die versuchen würden, den Aufzug der NPD mit rund 180 Teilnehmern zu unterbinden.  Aus ihren Reihen seien Steine, Flaschen und Rauchtöpfe auf die Einsatzkräfte geworfen worden. Die Polizei setzte Pfefferspray und Schlagstöcke gegen Protestierende ein, die versucht hatten, sich dem Aufmarsch der Neonazis in den Weg zu stellen. Etwa 200 von ihnen sind festgenommen worden.

In Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern demonstrierten ebenfalls Rechte. Etwa 400 NPD-Anhänger versammelten sich der Polizei zufolge in der Stadt. Auch hier gab es Gegendemonstranten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte erfolglos versucht, die NPD-Demo vor Gericht zu verbieten. Das Bündnis „Rostock Nazifrei“ zeigte sich angesichts von Schlägen, Tritten und Pfefferspray „fassungslos und erschüttert“ über den Polizeieinsatz.

 

Zwickau: Rechte stören DGB-Kundgebung und Rede von Justizminister Maas

In Zwickau störte eine Gruppe Rechter den Auftritt von Bundesjustizminister Heiko Maas mit Trillerpfeifen und Buh-Rufen. Die Rednerbühne musste am Sonntag von der Polizei geschützt werden. Die Meldungen aus Zwickau über die rechten Störer sorgten beim Bundesparteitag der Alternative für Deutschland für Jubel.

 

Erfurt: 200 Neonazis und Pfefferspray bei „Die Rechte“-Aufmarsch

In der Erfurter Innenstadt haben sich am 1. Mai etwa 200 Teilnehmer für eine Demonstration der Neonazi-Partei „Die Rechte“ versammelt. Am Rande einer Zwischenkundgebung haben sich die Neonazis und Gegendemonstranten mit Plastikflaschen beworfen. Um die Demonstranten zu trennen, hat die Polizei kurzzeitig Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt.

 

Berlin: NPD-Politiker gleich zwei Mal festgenommen, Antisemitischer Angriff auf linker Demo

In Weißensee, Hohenschönhausen und Oberschöneweide (Berlin) hatte die NPD zeitversetzt drei Kundgebungen angemeldet. An allen Standorten hatten verschiedene Parteien und Initiativen insgesamt fünf Gegenkundgebungen angemeldet, zu denen jeweils zwischen 200 und 400 Teilnehmer kamen. Die NPD konnte lediglich 40 bis 50 Sympathisanten für ihre Veranstaltungen aufbieten. Ein Polizeisprecher sprach am Sonntagnachmittag von einem weitgehend störungsfreien Verlauf der Kundgebungen, einzelne Zwischenfälle gab es dennoch. In Weißensee wurde ein NPD-Funktionär vorübergehend festgenommen, nachdem er versucht hatte, einen Polizisten zu attackieren. Zwei Stunden später fiel der Mann in Hohenschönhausen den Beamten erneut auf, diesmal, weil er eine Sonnenbrille trug, die ein Polizist zuvor verloren hatte.

Der traditionellen "Revolutionären Mai-Demonstration" der linken Szene in Berlin hatten sich nach Angaben der Polizei rund 13.000 Menschen angeschlossen. Die Veranstalter sprachen von 20.000 Teilnehmer. Es kam zu kleineren Ausschreitungen und Festnahmen. Am Rande der Demonstration kam es zu einem antisemitischen Übergriff von Seiten der Teilnehmer_innen des "Pro-Palästina-Blocks": Wie das Jüdische Forum bei Facebook berichtet, wurden Demonstrant_inne mit Israel-Fahne verbal und körperlich attackiert. Ein Demonstrant schlug mit seiner Palästinafahne auf die pro-israelischen Demonstrant_innen ein, wie das "Jüdische Forum für Demokratie" auf Facebook berichtet. Auch wurde die Gruppe mit Flaschen beworfen.

 

AfD-Parteitag in Stuttgart: Ein brodelnder Kessel Braunes

Die Alternative für Deutschland hat am Sonntag auf einem Bundesparteitag in Stuttgart ihr Grundsatzprogramm verabschiedet. Darin heißt es unter anderem, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Die AfD wendet sich gegen Burkas, den Bau von Minaretten und das Schächten von Tieren, die von Juden und Muslimen praktizierte Schlachtung. Sie will die EU nur als Wirtschaftsgemeinschaft erhalten und den Euro abschaffen. Sie spricht sich für den Abzug ausländischer Soldaten und Atomwaffen aus Deutschland ab. Einen Austritt aus der Nato festzuschreiben, konnte knapp verhindert werden. Politiker von Union und SPD sowie religiöse Dachorganisationen kritisieren die AfD scharf.
CDU-Vize Armin Laschet sagte, die AfD habe einen "Angriff auf fast alle Religionen" beschlossen. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt bezeichnete das Grundsatzprogramm als "reaktionär" und hat die Haltung der Partei zum Islam als "irrsinnig" kritisiert. "Die AfD hat sich ein tief reaktionäres Programm gegeben und betreibt mit Rassismus und Islamfeindlichkeit eine Spaltung unserer pluralistischen und demokratischen Gesellschaft".

Die AfD-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen und Frauke Petry hatten auf dem Parteitag auch eine Regierungsbeteiligung in Aussicht gestellt. Meuthen nannte die AfD eine "Volkspartei, die die Geschicke unseres Landes auf längere Sicht mitlenken" wolle. Petry sagte: "Wir wollen Mehrheiten zu einer Veränderung erringen."

Kommentar: Nach Stuttgart ist noch klarer, womit man es bei der Partei zu tun hat. Die AfD ist nicht nur rechts, sondern auch eine Partei der Rehthaber.

Gegen den Islam und den Euro, für Fracking und die Wehrpflicht - das ist das neue Parteiprogramm der AfD.

Der AfD-Parteitag hat die Auflösung des Landesverbandes Saar gebilligt. Der Vorstand hatte die Saar-AfD wegen Kontakten ins rechtsextreme Milieu aufgelöst.

An den Demonstrationen gegen den AfD-Parteitag am Stuttgarter Messegelände beteiligten sich etwa 1.500 Menschen, es kam vereinzelt zu Rangeleien, die Polizei nahm einen erheblichen Teil der Protestierenden in Gewahrsam: 600 von ihnen. Weil unter den Festgenommen auch viele Pressevertreter waren, kritisiert die deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion den Polizeieinsatz scharf. Die Proteste am Samstag in der Stuttgarter Innenstadt sind weitestgehend friedlich verlaufen. Hier demonstrierten laut Polizei 1.800 Menschen, nach Veranstalterangaben waren es mindestens 4.000 Leute.

 

Rassistische Attacke in Titisee-Neustadt 

Ein polizeibekannter Schläger hat in Titisee-Neustadt (Baden-Württemberg) zuerst einen jungen dunkelhäutigen Jugendlichen angegriffen und dann einen jungen Mann, der sich schützend vor das Opfer stellte. Der polizeibekannte Mann näherte sich dem 17-jährigen zunächst und beschimpfte ihn rassistisch. Er schlug ihm ins Gesicht und trug dabei einen massiven Ring. Ein couragierter 18-Jähriger eilte zur Hilfe, stellte sich zwischen den Täter und den Verletzten, um weitere Übergriffe zu verhindern. Er wurde seinerseits vom Beschuldigten mit einer Glasflasche auf den Oberkörper geschlagen und stürzte beim Zurückweichen unglücklich auf den linken Ellenbogen. Der Täter ist flüchtig, die beiden Verletzten wurden vom DRK behandelt.

Die Polizei hatte zu dem Vorfall zuerst gemeldet, es habe sich bei dem Opfer um einen Asylbewerber gehandelt. Die Presse – auch in dem oben verlinkten Artikel – hat diesen Fehler übernommen. Erst einen Tag später, am Freitag,  sah sich das Polizeirevier Titisee- Neustadt veranlasst, Ihr Wahrnehmungsmuster "afrikanischer Flüchtling"  den Tatsachen anzupassen : "Jugendlichen mit dunklerem Teint, der seit seiner Kindheit in Deutschland lebt und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.".

 

Berlin: Mann attackiert Gäste und beleidigt sie antisemitisch

Ein betrunkener Mann hat in der Nacht zum Sonntag in Berlin-Prenzlauer Berg Gäste vor einem Lokal attackiert und antisemitisch beleidigt. Zeugen sagten aus, der 29-Jährige habe eine kleine Glasflasche geworfen und zweimal den Hitlergruß gezeigt, berichtete die Polizei. Polizisten nahmen den Mann vorübergehend fest. Nun ermittelt der Staatsschutz wegen Volksverhetzung, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und versuchter gefährlicher Körperverletzung.

 

Freital: Schon wieder Anschläge auf Linken-Parteibüro und Flüchtlingsunterkunft

Das sächsische Freital kommt nicht zur Ruhe. Wie die Polizei Dresden mitteilte, verübten Unbekannte in der Nacht auf Donnerstag einen Anschlag gegen zwei Rathäuser der Gemeinde und das Parteibüro der Partei Die Linke. Auch ein geplantes Flüchtlingsheim war betroffen. In der Nacht zum Donnerstag seien Fensterscheiben eines ehemaligen Kindergartens eingeworfen worden, der als Asylbewerberunterkunft genutzt werden soll, teilte die Polizeidirektion Dresden am Donnerstag mit. Fassaden und Türen der anderen Gebäude seien mit brauner, roter und violetter Farbe begossen worden, Schriftzüge und Symbole seien nicht angebracht worden.
Der Landesverband der Linken zeigte sich bestürzt über die Angriffe. "Immer wieder Freital. Der Ort kommt nicht zur Ruhe, trotz der zahlreichen Festnahmen der letzten Wochen", teilte Landesgeschäftsführerin Antje Feiks mit. In der sächsischen Kreisstadt waren vor gut einer Woche fünf Personen festgenommen worden, die die rechtsterroristische "Gruppe Freital" mitgegründet haben sollen. 

 

Polizei verhindert Neonazi-Konzert in Cottbus

In Cottbus ist am Freitagabend ein großes Neonazi-Konzert verhindert worden. Besucher aus der rechtsextremen und der Hooligan-Szene waren bereits angereist. Die Polizei war nur durch einen Zufall auf das mögliche Neonazi-Konzert gestoßen. Eine Polizeistreife hatte bei einer Kontrollfahrt zufällig gesehen, dass in einer ehemalige Gaststätte in der Sandower Hauptstraße ein großes Konzert vorbereitet wird. Weil das Gebäude dafür aber nicht zugelassen ist, untersagte die Polizei das Konzert und sperrte den Saal entsprechend ab.
Bei einer Durchsuchung stellte sich schnell heraus, was für ein Konzert es sein sollte. Die Polizei stellte mehrere Propagandamaterialien (T-Shirts und Aufkleber) aus der rechten Szene sicher. Außerdem waren bereits etliche Besucher angereist, viele von ihnen stammten aus der rechtsextremen Szene oder gehören der gewaltbereiten Fußball-Hooligan-Szene an.

 

Graue Wölfe im Audimax Duisburg

Zu Tumulten kam es in der vergangenen Woche an der Universität Duisburg-Essen. Anlass war eine Veranstaltung mit dem Buchautor Şahin Ali Söylemezoğlu, die sich um den Überfall auf die „Osmanische Bank“ in Konstantinopel im Jahr 1896 drehen sollte. Da Söylemezoğlu als Leugner des Genozids an den Armeniern bekannt ist, regte sich im Vorfeld und während des Vortrags selbst Protest gegen die Veranstaltung. Im Vorfeld der vom Verein Türkischer Studenten organisierten Veranstaltung hatte der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) die Raumvergabe der Universität für eine solche Veranstaltung kritisiert. Die Leitung der Universität veröffentlichte eine Pressemitteilung unter dem Titel: „Keine Zensur“. Darin sprach sie sich für einen „sachorientierten“ Diskurs aus, verurteilte gleichzeitig aber deutlich Thesen, die den Völkermord leugnen.
Zu der Veranstaltung im alten Audimax der Uni hatten sich etwa 80 Zuhörer eingefunden. Rund die Hälfte sympathisierte mit den Thesen Söylemezoğlus, der Rest protestierte im Saal und stellte immer wieder kritische Nachfragen. Dadurch kam es während des Vortrags mehrmals zu kleinen Tumulten. Türkische Nationalisten fertigten Porträtfotos von Kritikern an, diese protestierten lautstark dagegen. Zwischendurch baute sich ein Mann, im T-Shirt einer Kampfsportschule und mit Quarzsandhandschuhen ausgestattet, vor den Kritikern auf. Am Rand der Veranstaltung wurde mehrfach der Gruß der rechtsextremen Grauen Wölfe gezeigt. Darauf angesprochen, sagte ein Grüßender, dies sei unter „türkischen Männern“ normal. 

 

Porta Westfalica: 28 Reichsbürger wollen Hausräumung verhindern

28 „Reichsbürger“ haben am Donnerstag in Porta Westfalica (Nordrhein-Westfalen) versucht, die Räumung eines zwangsversteigerten Einfamilienhauses zu verhindern. Die Polizei setzte 60 Beamte ein. Unternehmer Karl-Heinz Blümel aus Bielefeld hatte das gepflegte, erst 1994 erbaute Fachwerkhaus ersteigert. Besichtigen konnte er das Einfamilienhaus vorher nur von außen, und dabei fielen ihm die beiden amtlich wirkenden Schilder auf: »Diplomatische Mission des Königreich Preußen«.
Als der Gerichtsvollzieher am Donnerstag gegen 8.30 Uhr das Haus zwangsräumen wollte, hatten sich bereits knapp 30 »Reichsbürger« vor dem Eingang postiert – Männer und Frauen. Sie verweigerten dem Gerichtsvollzieher und dem neuen Eigentümer den Zutritt und legten dem Gerichtsvollzieher Papiere des »Freistaats Preußen« vor, die er unterschreiben sollte. Ein »Reichsbürger« hielt von der Terrasse des Hauses aus eine Rede, in der er die Rechtmäßigkeit der Bundesrepublik bestritt, ein anderer beschimpfte die Polizisten als Nazis. Sie wurden abgeführt.

 

Gießen: Zwei Männer wegen Volksverhetzung verurteilt

„Wenn Sie mich kennen würden, dann wüssten Sie, dass das, was ich da schrieb, purer Sarkasmus ist“, erklärte einer der Angeklagten. Doch als die Vertreterin der Staatsanwaltschaft jenen Post aus einem sozialen Netzwerk vorlas, wegen dem sich zwei Männer nun vor dem Amtsgericht verantworten müssen, war dieser weder witzig noch sarkastisch, sondern zutiefst menschenverachtend und abstoßend. Als „Pack“, „Sondermüll“ und „Scheiße“ wurden hier zuerst Salafisten, dann Bewohner aus der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung bezeichnet, auf die man „eine Brandbombe werfen sollte“. Und als wäre dies noch nicht genug – schließlich spekulierte der Ältere der beiden noch darüber, welche ethnische Minderheit wohl besser brennt. Das Amtsgericht Giessen verurteilte  einen 24-Jährigen aus Bersrod und den 35-jährigen Gießener wegen Volksverhetzung zu empfindlichen Geldstrafen. Der arbeitslose 24-Jährige muss nun 900 Euro (90 Tagessätze je 10 Euro) bezahlen, während die Richterin gegen den 35-Jährigen, selbstständigen Werbetechniker eine Geldstrafe von 4000 Euro (100 Tagessätze je 40 Euro) verhängte. Hierbei hatte sich der Initiator des Posts, der 24-Jährige, reuiger gezeigt als sein Mitangeklagter, der versuchte, seine Schimpftirade mit Humor, „Grenzen austesten“ und Sarkasmus erklären zu wollen. Und machte „damit eigentlich alles noch schlimmer“, wie die Richterin in seine Richtung schickte. „Ich teile Ihre Form des Humors nicht.“

 

„Widerstand und Putschfantasien“: Wie die neue Rechte den Rechtsterrorismus anheizt

Der renommierte Soziologe Armin Pfahl-Traughber sieht einen Zusammenhang zwischen dem Erstarken der Neuen Rechten und der Zunahme der flüchtlingsfeindlichen Gewalt. "Einige Anhänger der Neuen Rechten vergleichen sich mit der Widerstandsbewegung aus dem Dritten Reich oder der Sowjetunion", sagt Pfahl-Traughber, Soziologe und Politikwissenschaftler. "Sie nehmen die Flüchtlingskrise zum Anlass und sagen: Der Staat kann seine Grenzen nicht mehr schützen und so seinen Fortbestand nicht mehr garantieren. Dadurch erlischt in ihren Augen die Notwendigkeit, sich an Recht und Gesetz zu halten. So wird der Verfassungsstaat delegetimiert. Dieser Diskurs ist in der Lage, Illegales bis hin zu Gewalt zu rechtfertigen", sagt Pfahl-Traughber. Unter dem Label „Widerstand“ rufen die Neurechten schließlich zur Gewalt bis hin zum Staatsstreich auf.

 

„Die Identitären sind Rechtsextreme, die so tun als wenn sie keine wären“

Zuletzt störten sie ein Theaterstück von Elfriede Jelinek und klebten Plakate mit Zensurvorwürfen an den Eingang der "Amadeu-Antonio-Stiftung", die sich gegen Rechts engagiert: Was steckt hinter der "Identitären Bewegung", die die "Süddeutsche Zeitung" den "popkulturellen Arm" der Rechtsextremen nennt?

Simone Rafael, Chefredaktuerin von „Netz gegen Nazis“ dazu im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur:
"Die Identitäre Bewegung ist ein ganz interessantes Phänomen, weil es Rechtsextreme sind, die so tun, als wenn sie keine wären. (...) Wir kennen das sozusagen bei den erwachsenen Rechtsextremen als so genannte Neue Rechte, und die Identitäre Bewegung ist sozusagen die Jugendbewegung dazu. Das heißt: Die sind eigentlich genauso rassisitisch und menschenfeindlich wie die anderen Rechtsextremen auch, nur sie verzichten auf ein Detail, nämlich zu sagen: 'Wir wollen nicht mehr den Nationalsozialismus zurück, das finden wir zu old school, aber wir wollen hat stattdessen trotzdem eine Demokratie, die sich gegen Minderheiten und ähnliches wendet' - und diesen Namen eigentlich nicht mehr verdient."

 

„Wutbürger“ und „besorgte Bürger“: Wovor habt ihr eigentlich Angst?

Deutschland im Jahr 2016: Das Land strotzt vor wirtschaftlicher Vitalität. Waren im Januar 2015 rund 30,2 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, sind es ein Jahr später mehr als 31 Millionen. Sie haben damit aus eigener Kraft ihren Lebensunterhalt finanziert, über die Sozialversicherungen die solidarische Gesellschaft möglich gemacht und den Staat mit ihren Steuern in die Lage versetzt, seinen Aufgaben nachzukommen. Die Zinslast für den Staat sinkt, dafür steigen Renten, Gehälter, Löhne und Kaufkraft.
Hallo, ihr da draußen in Dresden und Freital, ihr da in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, die ihr die AfD gerade in die Landesparlamente geschickt habt. Hallo, ihr Bedenkenträger, Grenzen-dicht-Macher, Nationalisten und Egoisten. Hallo, ihr Menschenverächter, Rassisten, Flüchtlingsheimabbrenner, ihr gewalttätigen Dumpfbacken und hirnlosen Ausländerhasser. Wo ist euer Selbstbewusstsein? Oder wenn ihr das besser versteht: Wo ist euer Stolz, ein Deutscher zu sein? Verkennt ihr eure eigene Geschichte, euer eigenes Land so sehr, dass ihr glaubt, Frauke Petry und Lutz Bachmann würden auch nur irgendetwas in diesem Land zum Besseren bewegen? Traut ihr euch wirklich nicht selbst etwas mehr zu, um die unbestritten vorhandenen Probleme in diesem Land zu lösen? Glaubt ihr wirklich, dass ein paar hunderttausend Flüchtlinge dieses Land in seiner Existenz bedrohen?

 

Sprache der AfD: "So was hat man in der politischen Debatte bisher nicht gehabt"

Die Publizistin Liane Bednarz hält die Sprachwahl der AfD für eine gezielte Strategie - nämlich die der neuen Rechten. Es gehe darum, die Räume des Sagbaren mit Tabubrüchen auszuweiten, sagte Bednarz im DLF. Dabei versuche die AfD zwar, "sich einigermaßen gewählt auszudrücken" und von der Pegida-Bewegung abzugrenzen. "Aber der Schulterschluss ist längst da."

 

Rechte Internationale? Was LePen, Putin & Strache verbindet

Von der britischen UKIP bis zur FPÖ, vom Front National bis zu Viktor Orbans regierender FIDESZ – sie alle haben, so wie sämtliche rechts-populistische und rechts-extreme Parteien in Europa, einen klaren Gegner: Die Europäische Union. Die EU, das "bürokratische Monster", die aus Sicht der Rechten mit ihrer Regulierungswut die nationale Identität erstickt und die die Staaten gar zur Aufnahme von Flüchtlingen zwingen will.

 Warum die rechten und rechtspopulistischen Parteien heute so viel besser vernetzbar sind als noch vor zehn Jahren, erklärt der Politikwissenschaftler Farid Hafez von der Universität Salzburg dem KURIER: "Die ‚Neue Rechte‘ setzt bewusst auf eine neue Strategie. Der Rechtspopulismus distanziert sich heute vom Antisemitismus, der ein Tabu ist, und tauschte ihn mit der Islamophobie aus." Auf diesem – und anderen gemeinsamen Feindbildern wie etwa der EU oder den "gierigen Banken" – konnte man eine europaweite Vernetzung aufbauen.

 

Waldbüttelbrunn: Streit im Gemeinderat um Anti-Nazi-Shirt

Dürfen Mitglieder eines Parlamentes Kleidungsstücke mit politische Botschaften tragen? An dieser Frage entzündete sich auf einer Gemeinderatssitzung in Waldbüttelbrunn (Landkreis Würzburg, Bayern) ein Streit. Zugetragen hat er sich in der Gemeinderatssitzung vom vergangenen Montag. Grünen-Vertreter Sebastian Hansen (21), seit Ende 2015 auch Sprecher der Grünen Jugend Würzburg, hatte ein rotes T-Shirt mit der Aufschrift „Gegen Nazis“ angezogen – zu sehen auch eine Faust, die ein Hakenkreuz zerschlägt. Bürgermeister Klaus Schmidt (SPD) sah durch diese „politische Botschaft“ die Sitzung gestört und forderte den Grünen auf, wieder seine Kapuzenjacke über das T-Shirt zu ziehen. Dies tat Hansen unter Protest und nachdem der Bürgermeister angedroht hatte, ihn von der Sitzung auszuschließen.

 

Wie eine mutige Frau Nazis Alpträume bereitet

Sie war die erste afrodeutsche Moderatorin im deutschen Fernsehen: Mo Asumang. Heute arbeitet die gebürtige Kasselerin als Filmemacherin, Schauspielerin, Dozentin und neuerdings auch als Buchautorin. Ihr großes Thema: der Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung. Warum diese Menschen so voller Hass sind, das will sie wissen. Zum Beispiel beim Naziaufmarsch in Berlin. 3.000 Rechtsradikale demonstrieren und Mo Asumang war mittendrin. Sie geht auf die Nazis zu und fragt einen: "Meinen Sie, ich als schwarze Deutsche könnte auch stolz sein eine Deutsche zu sein?“ Die Antwort des Nazis: „Das kommt auf den Standpunkt des Betrachters an. Wenn sie stolz darauf sind dem deutschen Volke anzugehören, tun Sie es. Zeigen Sie es."
Eine Flucht nach vorn. Der Auslöser: Eine Nazi-Band rief zum Mord an ihr auf: "Die Kugel ist für Dich, Mo Asumang". Und sie? Trotzt dem Hass und begibt sich auf eine Reise in braune Niederrungen. Darüber hat sie jetzt ein Buch geschrieben: "Das ist ein Lebensthema. Ich komm auch irgendwie nicht davon weg. Ich habe mich da so ein bisschen reingefressen. Ich weiß auch nicht. Ich bin so ein bisschen manisch geworden was das angeht, dieses Thema Rassismus lösen zu wollen." 

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