Presseschau ... 01.12.2016

+++ Razzia und Festnahmen bei „Freier Kameradschaft Dresden“ +++ Berlin: Tram-Fahrer soll 14-Jährige wegen Kopftuch rausgeworfen haben +++ Fünf Jahre Haft für Brandanschlag auf Flüchtlingsunterkunft in Münster +++ Sachsen-Anhalts Innenminister will mit Neuen Rechten diskutieren – und sagt nach Kritik wieder ab +++

 

Razzia und Festnahmen bei "Freier Kameradschaft Dresden"

In den frühen Morgenstunden kam es gestern zu Durchsuchungen bei über einem Dutzend Anhängern der Neonazi-Gruppierung „Freie Kameradschaft Dresden“ in Dresden, Freital und Heidenau. Den Rechtsextremen wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Sie sollen an Sprengstoffexplosionen, versuchten Brandstiftungen und Körperverletzungen beteiligt gewesen sein. Sechs Männer wurden festgenommen, die Durchsuchungen fanden bei insgesamt 15 Frauen und Männern im Alter zwischen 16 und 30 Jahren statt.

Den Beschuldigten werden insgesamt 14 Straftaten vorgeworfen, darunter das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, versuchte Brandstiftung, Landfriedensbruch im besonders schweren Fall, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen. Hinzu kommen Straftaten gegen Asylunterkünfte in Freital, Heidenau und Dresden sowie Angriffe auf Asylsuchende und politische Gegner.

 

Rassismusvorwurf gegen Berliner Tramfahrer: Zu Unrecht beschuldigt

Rassistischer Vorfall im Berliner Stadtteil Friedrichshagen? Eine 14-jährige Syrerin hat einen Fahrer der Berliner Verkehrsbetriebe angezeigt: Der soll sich geweigert haben sie in der Tram mitzunehmen, weil sie ein Kopftuch trägt. Der Fahrer habe über Lautsprecher eine Durchsage gemacht, dass sie wieder aussteigen solle, da niemand von ihm befördert würde, der ein Kopftuch trägt. Zwischenzeitlich meldete sich jedoch eine Zeugin, die erklärte, der Fahrer habe die 14-Jährige lediglich aufgefordert, in der Bahn nicht zu essen. Nach Angaben von BVG-Sprecherin Petra Reetz deckt sich diese Darstellung mit den ausgewerteten Videoaufnahmen aus der Straßenbahn. 

 

Fünf Jahre Haft für Brandanschlag auf Flüchtlingsunterkunft in Münster

Zwei junge Männer müssen ins Gefängnis, weil sie eine noch unbewohnte Asylbewerberunterkunft in Münster angezündet hatten. Der 23-jährige Haupttäter, der für beide Brände in Münster im April und Juni verantwortlich ist, erhielt fünf Jahre Haft. Die Angeklagten hatten die Taten gestanden. Das Gericht sah einen klar rassistischen Hintergrund der Taten.

 

Sachsen-Anhalts Innenminister will mit Neuen Rechten diskutieren – und sagt nach Kritik wieder ab

Sachsen-Anhalts Innenminister Stahlknecht wollte öffentlich mit Götz Kubitschek diskutieren, der sich gern als intellektueller Vordenker der „Neuen Rechten“ inszeniert. Doch Ministerpräsident Haseloff zog nach Kritik die Reißleine – nicht einmal 24 Stunden nach Bekanntwerden der Gesprächsteilnehmer hat die Staatskanzlei Sachsen-Anhalt den Landesinnenminister von einer Podiumsdiskussion im Theater Magdeburg abgezogen.

Kommentar des Journalisten Patrick Gensing: Die Unterwerfung findet statt – aber ganz anders, als von rechten Untergangspropheten vorhergesagt. Vielmehr setzen Teile der bürgerlichen Mitte die Demokratie aufs Spiel, indem sie faschistische Sprache als Sorgen oder ernstzunehmende Meinungsbeiträge veredeln, indem man rassistische Positionen nicht klar ausgrenzt – und indem man neurechten Aktivisten eine große Bühne bietet und sie zu Gesprächspartnern auf Augenhöhe mit Ministern macht.

Soziologe Andreas Kemper fordert: „Grenzt die Ausgrenzung aus!“

 

Zschäpes Verteidiger: "Wir sind etwas irritiert"

Ein Wachmann will Beate Zschäpe im Mai 2000 vor einer Berliner Synagoge beobachtet haben. Opferanwälte sagen, dass die mutmaßliche NSU-Terroristin das jüdische Gotteshaus als mögliches Anschlagziel ausgespäht habe. Beate Zschäpes Verteidiger sind alarmiert durch ein ungewöhnliches Vorgehen des Gerichts.

 

Rassistische Kommentare auf Facebookseite der AfD-Kreisfraktion Pinneberg geduldet

Anti-Merkel-Videos, das Parteiprogramm, Adventswünsche und Artikel über vermeintliche Ausländer-Gewalt:  Solche Beiträge teilt die Kreisfraktion der Alternative für Deutschland (AfD) auf ihrer öffentlichen Facebook-Seite im Internet. Ein Beitrag von vergangenem Freitag sorgt für eine Hasswelle bei den Usern. Besonders scharf kommentierte Torsten A. am Freitag um 23.27 Uhr: „Dieses P.... muss man Erschießen. ICH glaube wir brauchen wieder ne Waffen SS“. Als Betreiber der Seite hat die AfD diesen Kommentar mehr als zwei Tage lang nicht gelöscht, obwohl sie seither nachweislich bei Facebook aktiv war.

 

Sachsen-Anhalt: Poggenburg bleibt AfD-Fraktionschef

André Poggenburg führt weiter die AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt. Mit 100 Prozent der Stimmen wurde er wiedergewählt. Ein Wechsel in den Bundestag ist damit vom Tisch.

 

Soldat wegen Nazi-Fotos auf dem Handy entlassen – Gericht erklärt Kündigung für rechtens

Aufgrund von Nazi-Symbolen und einem Hitlergruß auf Handy-Fotos wurde gegen einen Soldaten ein Strafverfahren eingeleitet. Dem Mann wurde daraufhin fristlos gekündigt. Das Strafverfahren wurde bereits im März 2014 eingeleitet, nachdem Ermittler auf dem Handy des Feldwebel-Anwärters ein Bild Hitlers mit Hakenkreuz-Armbinde und der Aufschrift „Happy Birthday 124 Jahre“ entdeckt hatten. Gegen die Kündigung hatte der Ex-Soldat geklagt: Weil er die Bilder nicht verschickt habe, könne er sich auch keiner Volksverhetzung schuldig gemacht haben. Das Verwaltungsgericht Koblenz entschied nun, dass die Kündigung rechtens war.

 

Hetze im Senioren-Internetportal: Sieben Monate Haft auf Bewährung

Ein 56-jährigen Angeklagter aus der Großgemeinde Nidda wurde gestern vor dem Amtsgericht Büdingen nach dessen menschenverachtenden Ausführungen in zwei Fällen in einem sozialen Netzwerk wegen Volksverhetzung zu insgesamt sieben Monaten Haft auf Bewährung plus einer Zahlung von 900 Euro an die Menschenrechtsorganisation „Pro Asyl“ verurteilt. Das Gericht sah als erwiesen an, dass der Mann mehrere volksverhetzende Kommentare in dem Internetportal „feierabend.de“ verfasst hatte, einer Community für die „Generation 50plus“. Während der Ermittlungen hatte der Angeklagte erklärt, nicht er selbst, sondern ein unbekannter Hacker habe die Kommentare verfasst.

 

Geldstrafe wegen Hetze auf Facebook für 53-Jährigen aus Neuruppin

Weil er auf der Internetplattform Facebook im April gegen Ausländer gehetzt hat, hat das Amtsgericht Neuruppin jetzt einen 53-jährigen Neuruppiner in einem vereinfachten Verfahren wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Unklar blieb, wie viel Geld der Mann nun zahlen muss. Der Mann hatte im April über die Internetplattform Facebook eine Bildnachricht veröffentlicht, bei der ein Soldat mit angelegtem Maschinengewehr abgebildet war. Darunter stand: „Das schnellste deutsche Asylverfahren.“

 

Kommunalwahl in Mittelhessen: NPD-Kandidat räumt Unterschriftenfälschung ein – Geldstrafe

Zwei Männer müssen nach Unregelmäßigkeiten bei der Kommunalwahl in Mittelhessen Geldstrafen bezahlen. Im einen Fall geht es um einen falschen NPD-Kandidaten: Dieser war auf den Kandidatenlisten für die Stadtverordnetenversammlung Wetzlar sowie den Lahn-Dill-Kreistag aufgetaucht, obwohl er weder der rechtsextremen Partei angehörte noch sich beworben hatte. Später räumte ein NPD-Kandidat ein, die Unterschrift des vermeintlichen Bewerbers gefälscht zu haben.

 

Zwei Euro die Stunde: Flüchtlinge als Schwarzarbeiter ausgebeutet - Bewährungsstrafe

Für zwei Euro pro Stunde arbeiteten Flüchtlinge als Tellerwäscher in einem Restaurant in Horst (Schleswig-Holstein), als Schlafplatz bekamen sie ein Matratzenlager. Das Itzehoer Gericht verurteilte drei Männer wegen gewerbsmäßigen Menschenhandels zur Ausbeutung der Arbeitskraft. Die Flüchtlinge arbeiteten als Küchenkräfte bis zum zehn Stunden am Tag, ihnen stand nur ein Matratzenlager zur Verfügung, etwa in Nebenräumen des Restaurants oder einem stillgelegten Hotel. Die „Miete“ für diese Unterkünfte wurde den Flüchtlingen von ihrem Lohn abgezogen, hieß es.

 

Identitäre wegen Audimax-Störaktion in Wien verurteilt

Mitglieder der "Identitären Bewegung Österreich" hatten im April eine Aufführung von Jelineks "Schutzbefohlenen" im Audimax der Uni Wien gestürmt. Nun wurden zehn von ihnen wegen Besitzstörung verurteilt. Sie müssen solche Störungen künftig unterlassen und tragen außerdem die Prozesskosten in Höhe von 1.400 Euro.

 

Bärgida: Gefährlicher Gemischtwarenladen

Am Samstag feierte der Berliner Pegida-Ableger Bärgida seinen 100. Aufmarsch. Viele Antifaschisten nehmen das Häuflein nicht ernst, doch das ist ein Fehler.

 

Tatjana Festerling zu Gast bei Südthüringer Neonazis

Im Gasthof „Goldener Löwe“ des Neonazis Tommy Frenck ist am Samstag eine Veranstaltung mit der Bremer Hooligan-Band „Kategorie C“ sowie dem rechten Hassredner-Duo Festerling/Wagensveld angekündigt. Im Gasthof „Goldener Löwe“ in der 300-Seelen-Gemeinde hat der neonazistische Wirt Tommy Frenck zuletzt die Anzahl von braunen Events und Veranstaltungen merklich erhöht.

 

Pro-Palästina-Aktivist Martin Lejeune: Antizionismus, Holocaust-Zweifel, Vernichtungswunsch

Der pro-palästinensische Aktivist Martin Lejeune ist vielen, die sich mit dem Thema Nahost beschäftigen, sicherlich ein Begriff. Bei Lejeune kann man quasi live verfolgen, wie er sich in einem ideologischen Geflecht verheddert – und diese Irrungen und Wirrungen noch als mutige Erkenntnisse verkauft. Nun ist gekommen, was eigentlich schon abzusehen war: Lejeune zweifelt den Mord an sechs Millionen Juden an. Schuld an den Zweifeln: die „Zionisten“.

 

Verschwörungs-Sekte aus Schwaben: Wir erlösen uns von dem Bösen

In Schwaben produziert eine christliche Gruppe Verschwörungsnachrichten für die Website Klagemauer-TV. Dahinter steht ein Sektenguru aus der Schweiz: Ivo Sasek. Der prophezeit eine Diktatur der Hölle und bekämpft sie mit Filmen, die von Laien und auch Kindern gemacht werden. Berührungsängste mit Neonazis gibt es nicht.

 

Die vergessene Opferperspektive – von Mölln und dem NSU-Tribunal

"Wir haben immer gesagt, es waren Nazis. Aber man wollte uns zum Schweigen bringen" Das sagen Opfer und Angehörige über die Ermittlungen zum NSU-Komplex. Aus Opfern machten die Ermittlungsbehörden damals Täter. Und auch fünf Jahre später spielen die Opfer des NSU nur eine Nebenrolle. Das zu skandalisieren und zu ändern hat sich das bundesweite Aktionsbündnis "NSU Komplex auflösen" vorgenommen.

 

Ein „Reichsbürger“ klagt, weil er Waffen nicht abgeben will

Der 67-jährige Stemweder D. besitzt nach eigenem Bekunden etwa 30 Revolver, Pistolen und Gewehre. Er erkennt die behördlichen Schreiben aber nicht an, weil sie nur maschinell unterschrieben seien. Vor dem Verwaltungsgericht Minden klagt er nun gegen die Einziehung seiner Waffenbesitzkarten und die drohende Beschlagnahme seines Waffenarsenals. Am Dienstag wurde nach nur 20-minütiger Verhandlung keine Entscheidung verkündet. D. erklärte, er wolle im Fall einer Ablehnung seiner Klage Berufung einlegen, notfalls gehe er „bis Den Haag“.

 

Warum ich nicht mehr über Reichsbürger lache

Eigentlich wollte ich mit einem Witz einsteigen. Über die Reichsbürger. Irgendein Vergleich mit Herpesbläschen oder so: Die nerven zwar, sind aber meist harmlos. Aber die Zeiten, in denen wir herzhaft über die lustigen Reichsbürger gelacht haben, sind vorbei. Spätestens seit dem 19. Oktober. Da hat einer von ihnen einen Polizisten erschossen.

 

Rechte Gewalt: Im Schatten der Republik

Der neue Band zum Dachauer Zeitgeschichtssymposium erhellt Ursachen und Strukturen der rechten Gewalt.Die Autoren analysieren ebenso das Versagen von Polizei und Verfassungsschutz.

 

Debatte – Über Rassismus reden: Wer weiß ist, bestimme ich

Der Protest gegen kulturelle Aneignung macht Menschen zu Opfern und beleidigten Exoten. Selten geht es um Rassismus, viel öfter um Respektlosigkeit. Wer Rassismus bekämpfen will, sollte Individuen nicht als Träger irgendeiner kollektiven Kultur vereinnahmen, die sie mit sich rumschleppen wie andere ihr X-Chromosom.

 

EU-Studie: Angst treibt die Wähler zu den Rechtspopulisten

ngst vor der Globalisierung spielt beim Erfolg von rechtspopulistischen Parteien in Europa die entscheidende Rolle. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die Bertelsmann Stiftung in Gütersloh vorstellt. Vor allem die Anhänger von AfD (78 Prozent), Front National (76) und FPÖ (69) sehen die Globalisierung als Bedrohung. Der persönliche Wertekompass spielt für die Anziehungskraft der populistischen Parteien demnach nur eine untergeordnete Rolle.

 

Neubrandenburg: Kein Prozess gegen ehemaligen SS-Mann in diesem Jahr – „bizarre Verschleppungstaktik“?

Zuletzt hatte das Landgericht am 19. September im Fall von Hubert Z. verhandelt. Ihm wird Beihilfe zum Mord in 3681 Fällen im KZ Auschwitz vorgeworfen. Ein Gerichtssprecher erklärte nun, er halte es für ausgeschlossen, dass die Verhandlung 2016 fortgesetzt werde. Scharfe Kritik an der monatelangen Aussetzung des Verfahrens haben der Nebenklagevertreter Thomas Walther und Christoph Heubner vom Auschwitz-Komitee erhoben. Das BGH-Urteil gegen Oskar Gröning vom Montag sei eine „schallende Ohrfeige für die bizarre Verschleppungstaktik“ des Neubrandenburger Landgerichts.

 

Nach Neonazi-Angriff vor 20 Jahren: "Weiterleben. Einige Monate so, und einige Monate so.“

Das alte Leben von Orazio Giamblanco endete im September 1996. Ein Skinhead tötet ihn fast. Seitdem leidet Giamblanco unter spastischer Lähmung, er ist auf Rollstuhl und Rollator angewiesen. Das linke Bein steckt in einer Stahlschiene. Seine Stimme ist kaum zu verstehen, der Schlag hat eine Sprachstörung und häufige Kopfschmerzen verursacht. Giamblanco ist schwer behindert. Lebenslang.

 

Demokratie: Was tun? Was tun!

Der Hass wird größer, Rechtspopulisten werden lauter. Ich will was tun – aber bringt demonstrieren was? Oder in die Politik gehen? Ein Sieben-Punkte-Plan für Demokraten.

 

Berliner Nobelrestaurant gegen die AfD: „Ich hoffe, Menschen abzuschrecken“

Das Kreuzberger Sternerestaurant „Nobelhart & Schmutzig“ verbietet AfD-Mitgliedern mit einem Schild den Zutritt. Funktioniert das? Ein Interview mit dem Eigentümer Billy Wagner.

 

Roßwein: Pizza zum Abschied

 Das Asylbewerberheim Roßwein wird Anfang nächsten Jahres geschlossen sein. Grund hierfür ist allerdings nicht der Protest rechtsextremer Bewegungen: In einigen Facebook-Gruppierungen war nach Bekanntwerden der Schließung der Eindruck vermittelt worden, die Schließung stehe im Zusammenhang mit den Forderungen besorgter Bürger. Tatsächlich aber ist die Geschichte des Asylbewerberheims Roßwein ein Erfolg für jene, die sich den Flüchtlingen geöffnet haben.

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