Nach den Rechten sehen: Berlin-Hellersdorf: Böller aufs Flüchtlingsheim +++ Zeuge aus Jena verweigert Aussage im NSU-Prozess +++ Grevesmühlen: Volksverhetzende Plakate zum Holocaust-Gedenktag.
Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de
Berlin-Hellersdorf: Böller aufs Flüchtlingsheim
Das Flüchtlingsheim in Hellersdorf wurde erneut attackiert: Bislang Unbekannte warfen einen Böller durch ein offenes Fenster. In der Nacht zu Dienstag gab es erneut einen Anschlag auf das Asylbewerberheim in Hellersdorf. Das bestätigt Polizeisprecher Guido Busch der taz. „Ein Feuerwerkskörper wurde durch ein angeklapptes Fenster in das Gebäude geworfen. Personen kamen nicht zu Schaden. Die Täter sind entkommen“, sagt er. Deutlich eher und auch konkreter als die Polizei hatte die rechtslastige „Bürgerinitiative Hellersdorf“ vom Anschlag auf ihrer Facebook-Seite berichtet (taz, Berliner Morgenpost, Stadtmorgen).
Zeuge aus Jena verweigert Aussage im NSU-Prozess
Ein ehemaliger Mitarbeiter eines rechten Szeneladens in Jena hat am Dienstag die Aussage im NSU-Prozess verweigert. Vor dem Oberlandesgericht München sagte er, er wolle sich nicht zu dem Verkauf einer Waffe äußern, bei der es sich mutmaßlich um die Pistole vom Typ Ceska handelte, mit der Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos neun Menschen getötet haben sollen. Er berief sich auf den Paragrafen 55 der Strafprozessordnung, wonach ein Zeuge die Aussage verweigern kann, wenn er sich ansonsten selbst belasten würde (Mitteldeutsche Zeitung, tz, Augsburger Allgemeine).
NSU-Prozess: Bundesanwaltschaft trifft sich mit Journalist*innen zum Lästern
Anklagebehörde soll gegenüber Pressevertreter*innen im vertraulichen Rahmen Medienkritik geübt und über einen Opferanwalt hergezogen haben (Telepolis).
Grevesmühlen: Volksverhetzende Plakate zum Holocaust-Gedenktag
Am 27. Januar trauern Menschen traditionell den Opfern des Holocaust. Plakate mit der Aufschrift „Internationaler Tag der 6-Millionen-Lüge“ sorgten dagegen in Mecklenburg-Vorpommern für Aufsehen. Die Hetzplakate waren in der ganzen Stadt zu finden (Focus).
Neonazis greifen immer öfter zur Waffe
Nach dem Bekanntwerden des NSU hat die Zahl rechtsextremer Delikte mit Waffen 2012 einen Rekordwert erreicht. Die Regierung warnt vor einem herausragenden Gefährdungspotenzial. Zu den Hintergründen fehlen ihr aber Erkenntnisse. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, erreichte im Jahr 2012 die Zahl der rechtsextrem motivierten Delikte, bei denen es zum Einsatz von Waffen bzw. zu einer Bedrohung mit Waffen kam, einen Höchststand. 350 Fälle registrierte das Bundeskriminalamt, heißt es in der Antwort der Regierung, die tagesschau.de exklusiv vorliegt. Im Jahr 2011 wurden 224 Fälle registriert, im Jahr davor waren es 143. Damit hat sich die Zahl der Delikte innerhalb von zwei Jahren mehr als verdoppelt (SWR.de).
NPD-Verbotsantrag für die Allgemeinheit zugänglich
Bisher war er nur Insidern und den Verfahrensbeteiligten bekannt: der Verbotsantrag des Bundesrates gegen die NPD. Seit Kurzem ist das Dokument nun auf der Webseite des Bundesrates abrufbar und offenbart die menschenverachtende Weltanschauung dieser Partei, die insbesondere durch Zitate von Funktionären aus Mecklenburg-Vorpommern belegt wird (Endstation rechts).
Tötungen mit rechtsextremen Motiven: Im Osten kaum Aufklärungsinteresse
Nach den NSU-Pannen stand eine Überprüfung von Tötungsdelikten mit rechtsextremem Hintergrund an. Doch die Länder scheinen unterschiedlich mit der Aufarbeitung umzugehen. Während Baden-Württemberg 216 Taten überprüft wissen will und Bayern 40, hat Sachsen nur zwei, Thüringen ebenfalls zwei und Mecklenburg-Vorpommern fünf Fälle gemeldet. Dabei sind vor allem Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern für ihre rechtsextremen Szenen bekannt. Martina Renner, Linken-Bundestagsabgeordnete, ist „besorgt“ über die niedrigen Zahlen aus Ostdeutschland. Sie befürchtet, dass das Problem immer noch verharmlost wird (taz).
Wegen Beleidigung: NPD-Chef soll 6000 Euro für neue Kinderbücher zahlen
Erst am Sonntag vor eineinhalb Wochen hatte er als amtierender Bundesvorsitzender der NPD auf dem Parteitag im thüringischen Kirchheim die Wahl zum Spitzenkandidaten zur Europawahl gegen Ex-Parteichef Udo Voigt verloren. Eine herbe politische Niederlage. Heute entscheiden die Abgeordneten des Schweriner Landtags darüber, ob gegen den NPD-Fraktionsvorsitzenden eine Geldstrafe von 6000 Euro durch die Staatsanwaltschaft vollstreckt werden darf. „Antrag auf Genehmigung der Strafvollstreckung“ heißt Tagesordnungspunkt 7. Es ist davon auszugehen, dass dieser Antrag eine Mehrheit im Parlament findet und Udo Pastörs zahlen muss. Hintergrund des Urteils: Der NPD-Funktionär hatte in einer Landtagsdebatte im Januar des Jahres 2010 indirekt den Vökermord an den Juden durch Nazis-Deutschland geleugnet und von „einseitigem Schuldkult“ und „Betroffenheitstheater“ gesprochen. Der Hardliner zog durch die Instanzen – und verlor. Am 16. August 2013 wies das Rostocker Oberlandesgericht einen Antrag auf Revision als „unbegründet“ zurück (svz.de).
Berlinale-Chef will Preisträger Mujic helfen
Berlinale-Direktor Dieter Kosslick will dem preisgekrönten bosnischen Schauspieler Nazif Mujic bei dem Wunsch unterstützen, in Deutschland zu bleiben. Die Festspiele hätten Mujic eine Anwältin besorgt, um ihn bei seinem Asylgesuch zu unterstützen, sagte Kosslick in Berlin. Er zeigte sich vorsichtig optimistisch: Für Mujics Aufenthaltswunsch sei "noch nicht das Ende der Tage" gekommen. Mujic befindet sich derzeit mit seiner Familie in einem Berliner Flüchtlingsheim.
Im vergangenen Jahr hatte Mujic den Silbernen Bären für seine Rolle in dem Film "Epizoda u zivotu beraca zeljeza" (Eine Episode aus dem Leben eines Eisensammlers) von Danis Tanovic aus Bosnien-Herzegowina gewonnen. Er ist Angehöriger der Minderheit der Roma und hatte im November in Berlin Asyl beantragt. Die Behörden hatten den Antrag abgelehnt (AFP via Google).
Facebook-Aktion gegen die NPD: Katzen statt Glatzen
Die Facebook-Seite der NPD wird derzeit mit Sprüchen überflutet. Das Ziel der Aktion: Die Seite mit bunten und anti-rassistischen Kommentaren zu „überfremden“. Die NPD ist ratlos – und löscht (Handelsblatt, BR).
Umgang mit Rechtsextremismus: Bei Nazi-Propaganda im Netz eingreifen
Rechtsextreme Propaganda in sozialen Netzwerken oder Foren sollte man nicht einfach ignorieren, sondern ruhig und sachlich in die jeweilige Diskussion eingreifen. Denn Nicht-Handeln bestärke die Aggressoren und verunsichere andere Nutzer, warnt die Amadeu Antonio Stiftung in der neuen Info-Broschüre „Viraler Hass“. Die Schrift benennt und beschreibt die unterschiedlichen rechtsextremen Kommunikationsstrategien und gibt Tipps im Umgang mit der menschenverachtenden Propaganda (Mitteldeutsche Zeitung).
"Nazi" ist das populärste deutsche Wort der Welt
Israel will mit einem Gesetz verbieten, dass sich politische Kontrahent*innen damit beschimpfen, aber auch in anderen Ländern ist "Nazi" ein beliebtes, oft unpolitisches Schimpfwort (Welt). Und dazu gibt es ebenfalls in der Welt einen Kommentar, der diesen unpolitischen Nazi noch einmal genauer betrachtet.
Diese Woche auf netz-gegen-nazis.de:
| NSU-Prozess aus Sicht der Nebenklage: „So viel Wahrheit wie möglich“