27.06.2014 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: Frankfurt: Kein Davidstern mehr im Fenster nach "Juden raus"-Graffiti +++ Burschenschaften und VS in Sachsen: Auffällige Verbindungen +++ Neonazi-Schlägerbande nach Überfall auf Punks zu Haftstrafen verurteilt.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Frankfurt: Kein Davidstern mehr im Fenster nach "Juden raus"-Graffiti

Die Anwältin Elishewa Patterson aus dem Frankfurter Ostend hat ihre Israel-Flagge von der Fensterbank geräumt. Der Grund: Unbekannte beschmierten das Fenster der Aktivistin mit einem Hakenkreuz und dem Spruch "Juden raus". „Als ich das gesehen habe, ist mir das Herz in die Hose gerutscht“, erinnert sich Patterson an den 12. Juni, als sie die Schmierereien entdeckte. Ihre Tochter habe geweint. Die Polizei wurde gerufen, das Fenster gereinigt. Doch der Schock bleibt: „So etwas habe ich noch nie erlebt.“ (Frankfurter Rundschau).

Burschenschaften und VS in Sachsen: Auffällige Verbindungen

echtsextreme haben häufig Kontakte zu Burschenschaften, Burschenschaftler pflegen auch Umgang mit Rechtsextremen. In ihren Jahresberichten weisen verschiedene Landessämter für Verfassungsschutz (LfV) daher mittlerweile auf solche Vernetzungen von studentischen Verbindungen und rechtsextremen Organisationen hin. Das sächsische Amt nicht. Haben die Sachsen etwa Beißhemmungen, weil der Präsident des sächsischen Amtes, Gordian Meyer-Plath, selbst Mitglied einer Burschenschaft ist, wie die taz in der vergangenen Woche enthüllte? Diesen Verdacht weist das Landesamt jetzt auf taz-Anfrage weit von sich: „In der Vergangenheit waren studentische Verbindungen Gegenstand von Zuständigkeitsüberprüfungen“, sagt Sprecher Falk Kämpf. Einen Anlass noch genauer hinzuschauen, sieht das Amt jedoch nicht: Bezüge „einzelner Rechtsextremisten“ zu nicht-extremistischen Organisationen – gemeint sind Burschenschaften – würden die die Beobachtung jener Strukturen nicht rechtfertigen. Dabei sind gerade in Sachsen die Verbindungen zwischen Burschenschaften und Rechtsextremen besonders auffällig (taz). Einen Hintergrundbericht zu Burschenschaften bietet Blick nach rechts.

Neonazi-Schlägerbande nach Überfall auf Punks zu Haftstrafen verurteilt

Das Landgericht Halle war sich sicher: Fünf gewalttätige Neonazis haben mehrere Punks angegriffen und teilweise erheblich verletzt. Dafür wurden zwei Schläger jetzt zu längeren Gefängnisaufenthalten verurteilte, drei weitere Angreifer erhielten Bewährungsstrafen. Die Kammer ging mit ihrem Urteil weit über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus, die nur für einen 32-Jährigen eine Haftstrafe gefordert hatte (Endstation rechts).

Bayern: Nazi-Sticker an Polizeiauto kein Fall für Justiz

"Kein Sex mit Zecken": In Würzburg haben Nazi-Aufkleber an einem Polizeiauto für Aufregung gesorgt. Strafrechtliche Konsequenzen hat der Vorfall nicht. Die Staatsanwaltschaft lehnt Ermittlungen ab. Der Fund von Aufklebern aus der rechten Szene in einem Mannschaftswagen der Polizei bleibt strafrechtlich ohne Konsequenzen. Die Staatsanwaltschaft Würzburg leite keine Ermittlungen gegen den verantwortlichen Bereitschaftspolizisten ein, sagte Oberstaatsanwalt Frank Gosselke am Mittwoch. Der Inhalt der Aufkleber sei nach Prüfung der Behörde weder Volksverhetzung noch eine strafbare Beleidigung. Fußballfans hatten im Mai am Rande eines Bundesligaspiels Aufkleber aus der rechten Szene auf einer Holzkiste in einem Einsatzfahrzeug des Würzburger Unterstützungskommandos entdeckt. Sie trugen die Aufschriften "Good night left side", "Anti-Antifa organisieren. Den Feind erkennen. Den Feind benennen" und "Kein Sex mit Zecken". Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatten Polizisten bei einer rechten Veranstaltung einen Händler kontrolliert, der die Aufkleber bei sich hatte. Dabei nahmen sie einige Aufkleber mit, um zu klären, ob sie strafrechtlich relevant sind. Sie sollten später eigentlich entsorgt werden, der Beamte klebte sie aber auf die Kiste für Funkgeräte. Er gab im Nachhinein an, gedankenlos gehandelt zu haben (Welt online).

NSU-Rechtseterroristin Zschäpe fühlt sich im Gefängnis "ausgegrenzt"

In Anträgen an die Gefängnisleitung klagt die Hauptangeklagte im NSU-Prozess über ihre Haftbedingungen: So dürfe sie nicht zur "Maltherapie". Und die Sporterlaubnis sei "wie ein schlechter Witz". Zwar sitzt sie nicht in "Isolationshaft", wie sie selbst vermutet. Sie wird aber aufgrund der schweren Vorwürfe, die ihr die Anklage macht, von anderen Häftlingen abgesondert. Sie hat also weniger Möglichkeiten, am Gefängnisalltag teilzuhaben, als die anderen Untersuchungshäftlinge. So wurde ihr zunächst verwehrt, am Arbeitsleben im Gefängnis mitzumachen (Welt online).

NSU-Prozess: Kripo beschränkte Bomben-Ermittlungen auf Köln

Beim ersten Sprengstoff-Anschlag der NSU-Terroristen haben die Fahnder laut einer Zeugin nicht alle möglichen Spuren verfolgt. Nach der Explosion in dem Lebensmittelladen einer deutsch-iranischen Familie 2001 in Köln habe die Polizei allein bei Geschäften und Baumärkten in Köln nach der Herkunft der Bomben-Bauteile gefahndet, nicht aber an anderen Orten, sagte eine Polizeibeamtin am Donnerstag als Zeugin im NSU-Prozess in München (Rheinische Post, Spiegel online). Im Prozess beschrieb der aus dem Iran stammende Ladenbesitzer den Attentäter als schmächtig, mit längeren lockigen oder welligen Haaren bis über die Ohren. Das Gesicht sei schmal und knochig gewesen. „Er hat die beiden Uwes eindeutig eher ausgeschlossen“, sagt die Kölner Nebenklage-Anwältin Edith Lunnebach. Das bereits 2001 erstellte Phantombild bekräftigt diese These. Für den Bundesanwalt ist klar: Die Bomben-Anschläge, auch der in der Keupstraße, und die vielen Morde, gehen allein auf das Konto von Böhnhardt und Mundlos.Als EXPRESS das Landeskriminalamt fragte, ob nach den neuen Erkenntnissen weiter gefahndet werden soll, winkte eine Sprecherin ab: „Der Fall ist doch erledigt.“ Das Phantomfoto sei aus der LKA-Datei bereits gelöscht. Die Opfer aber leben in Angst, weil sie vermuten, dass ein Täter weiter frei herumläuft.

Hamburg und der NSU-Mord: Eine Straße umbenennen und die Akte schließen

Wegen Anwohnerprotesten wird nicht der Tatort, sondern eine andere Straße dem Hamburger NSU-Opfer gewidmet. Seine Familie fordert derweil einen Untersuchungsausschuss (ZEIT online).

Ethnic Profiling: Schauspielerin wurde Einreise in EU verweigert

Die Mazedonierin ist Romni und wollte ihre Schwester in Deutschland besuchen. "Ich habe mich noch niemals in meinem Leben so gedemütigt gefühlt", sagte Emra Kurtischova, nachdem sie von einem Beamten am Flughafen in Skopje trotz gültigen Flugtickets und biometrischen, also schengentauglichen Passes wieder heimgeschickt worden war, berichtet die Plattform Balkan Insight. Kurtischova glaubt, dass sie nicht in die EU fliegen durfte, weil sie eine Romni ist (Der Standard)r

WM 2014: "Wir" sind Deutschland?

Wenn im fernen Brasilien der Ball rollt und Mannschaften aus aller Welt um den Titel des Weltmeisters streiten, werden auch in Deutschland wieder schwarz-rote-gelbe Fahnen wehen und Menschen mit der deutschen Elf mitfiebern, denen Fußball sonst herzlich egal ist. Viele halten das für harmlos. Aber das ist es nicht (Transparent-Magazin).

Sozialpsychologin: Fahnen lösen in verschiedenen Ländern Unterschiedliches aus

Flaggen könnten eine enorme emotionale Wirkung entfalten, sagte die Professorin Julia Becker. Sie forscht seit Jahren über dieses Thema. Bedenklich aus deutscher Sicht sei, dass die schwarz-rot-goldene Fahne bei einigen Deutschen noch immer Gefühle von Dominanz und Macht hervorrufe. Demgegenüber löse die US-Flagge bei Amerikanern eher Gedanken an Gleichheit und Gleichberechtigung aus. Deshalb sinke auch deren Hang zur Fremdenfeindlichkeit beim Anblick ihrer Fahne (Migazin).

Neonazi mit hoher krimineller Energie – früherer Chef des „Thüringer Heimatschutzes“ wegen Verdachts auf Kindesmissbrauch in U-Haft

Während seiner „aktiven“ Zeit in der Neonazi-Szene baute Tino Brandt – nach eigener Aussage mit Geldern des Verfassungsschutzes – die Straßenkämpfer-Truppe des „Thüringer Heimatschutzes“ auf, in der auch die mutmaßlichen NSU-Terroristen aktiv waren. Zuletzt machte der frühere V-Mann vor allem mit seiner kriminellen Energie Schlagzeilen. Gestern wurde der 39-Jährige verhaftet: Verdacht auf Kindesmissbrauch (Endstation rechts, Thüringer Allgemeine, Tagesspiegel).

Versöhnt mit der SS?

Ermittlungen gegen elf mutmaßliche KZ-Wärter werden eingestellt. Das verweist auf Schlussstrichmentalität (Jüdische Allgemeine).

Antisemitische Sprüche auf der Friedensparty in Koblenz

Koblenz – Bundesweit sind die "Friedenspartys" oder "Montagsdemos", wie sie sich in unterschiedlichen Städten nennen, durchaus umstritten, weil sie mancherorts rechte Tendenzen aufweisen (Rhein-Zeitung). Die Jüdische Allgemeine berichtet über den Antisemitismus auf Montagsdemonstrationen deutschlandweit.

Diskriminierung: "Wo hört das Rückgrat auf?"

"Too shy to rap"? Wohl kaum. Die Berliner Rapperin Sookee über ihre Beziehung zu Rap und die ewige Diskussion über Diskriminierung im deutschen Hip-Hop. Lesenswertes Interview im Freitag.

Gary Oldman sorgt mit antisemitischem Interview für Skandal

“Poltical Correctness ist Mist” und die Leute sollen endlich wieder lernen, “einen verf**kten Witz vertragen” zu können. Was während eines ausführlichen Interviews mit dem Playboy als Rückblick auf eine von Erfolgen gezeichnete Karriere anfing, könnte sich für Gary Oldman bald zum sozialen und professionellen Selbstmord entwickeln. “Ich kann keine Doppelmoral ertragen. Mehr als alles andere fährt mir das unter die Haut“, kommentiert der oscarnominierte Brite und beendet damit eine Tirade, die sich über vermeindlich heuchlerische Comedians wie Bill Maher und Jon Stewart, amerikanische Politiker, ein jüdisch dominiertes Hollywood und die Verteidigung der antisemitischen Ausfälle von Mel Gibson oder die Homophobie eines Alec Baldwin ersteckt (iofp). Heute entschuldigt er sich zwar dafür, aber klassisch: Nicht so gemeint, nicht nachgedacht usw. (iofp).

Antisemitismus bei Intellektuellen: So judenfeindlich sind Deutschlands Eliten

"Ich kenne immer mehr Menschen, die mit Hitlers kranker Idee, euch auszurotten, sympathisieren". Briefe wie dieser erreichen die israelische Botschaft in Berlin und den Zentralrat der Juden jeden Tag. Besonders in Akademikerkreisen ist es wieder salonfähig, unter dem Deckmantel der Israel-Kritik gegen Juden zu hetzen. Frei nach dem Motto "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen" schreiben jedes Jahr Tausende Ärzte, Rechtsanwälte und Professoren Briefe an jüdische Institutionen, die zeigen: Es gibt einen gefährlichen intellektuellen Antisemitismus in Deutschland (Huffington Post).

Mit der NPD gegen das Chlorhuhn und für unsere Körpersäfte

Die Angst vor dem antibakteriell behandelten Federvieh aus den USA eint Linke und Rechte in ihrem Abwehrkampf. Europas Hühner müssen chlorfrei bleiben, sonst übernimmt Google die Macht. Oder so ähnlich (Welt.de).

Oberprexer gegen geplantes Neonazi-Bürgerfest

Politik und Bevölkerung üben heftige Kritik an einem von Neonazis geplanten Bürgerfest in dem kleinen Dorf Oberprex im Landkreis Hof. Das sagte Landrat Oliver Bär (CSU) dem Bayerischen Rundfunk. (Auch Frankenpost).

Ärger über Polizeibericht nach Nazi-Tumult 

Dortmunder Lokalpolitiker stellten sich Rechtsextremen in den Weg und werden in einem Bericht als betrunken dargestellt, der dafür per Video dokumentierte Übergriffe der Nazis auf die Demokrat*innen nicht erwähnt. Innenminister Jäger verteidigt den Bericht, den viele für verzerrend halten (Welt Online).

NPD-Funktionär wegen Volksverhetzung auf Facebook verurteilt

Das Landgericht Osnabrück hat die Verurteilung eines NPD-Funktionärs aus dem emsländischen Haselünne wegen Volksverhetzung bestätigt. Das Gericht sah es in der Berufungsverhandlung am Donnerstag als erwiesen an, dass der 32-Jährige im vergangenen Sommer über seine Facebook-Seite auf das Video einer rechtsradikalen Band verlinkt hatte, in dem die Ermordung eines Juden als "gute Tat" beschrieben wurde (T-Online-News).

Verfassungsschutz blamiert sich vor Gericht

Niedersachsens Verfassungsschutz hat am Donnerstag vor dem Verwaltungsgericht Hannover einen deutlichen Rüffel einstecken müssen. Verhandelt wird dort der Fall des 46 Jahre alten Journalisten Kai Budler. Sein Spezialgebiet ist die Berichterstattung zum Thema Rechtsextremismus. Niedersachsens Verfassungsschutz aber führt Dateien über ihn unter der Rubrik "Linksextrem". Dagegen setzt sich der Reporter gerichtlich zur Wehr - nicht zum ersten Mal (NDR).

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